Ehrverletzung Rufschädigung durch Zeitungsartikel
BGH, Urt. v. 25. November 1986 – VI ZR 57/86
Bei rufschädigenden Meinungsäußerungen kann dem Verletzten auf negatorischer und deliktischer Grundlage ein Anspruch auf Veröffentlichung einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtung des Verletzers zustehen, wenn die unzulässige Meinungsäußerung öffentlich erfolgt ist und die Publikation der Unterwerfungserklärung zur Beseitigung der noch andauernden Folgen der Äußerung für das Ansehen des Verletzten erforderlich ist.
Für den wettbewerblichen Bereich ist in § 23 Abs. 2 UWG (vgl. auch § 23 Abs. 4 UWG a.F.) ausdrücklich bestimmt, daß dem Verletzten die Befugnis zugesprochen werden kann, auf Kosten des Verletzers den verfügenden Teil eines Unterlassungsurteils zu veröffentlichen (siehe BGHZ 14, 163, 172). In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist darüber hinaus anerkannt, daß auch bei Verletzungshandlungen, die - wie Verstöße gegen § 24 WZG - nicht unmittelbar unter das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb fallen, die Veröffentlichungsbefugnis ein geeignetes und angemessenes Mittel sein kann, um einer noch andauernden Störung der Rechte des Verletzten entgegenzuwirken (BGH, Urteile vom 29. Juni 1956 - I ZR 176/54 - GRUR 1956, 558, 563 - Regensburger Karmelitengeist; vom 15. Januar 1957 - I ZR 39/55 - GRUR 1957, 231, 236f. - Taeschner). Die rechtliche Grundlage dafür bietet in diesen Fällen die entsprechende Anwendung des § 1004 BGB (BGH = aaO). Hat der Verletzer schuldhaft gehandelt und steht deshalb dem Verletzten ein Anspruch auf Schadensersatz zu, so kann er die Veröffentlichung auch aus § 249 Satz 1 BGB zum Zwecke der Naturalrestitution verlangen (RG HRR 1931 Nr. 1307; RG JW 1934, 610, 612; OLG Düsseldorf WRP 1967, 141, 142; Löffler, Presserecht 3. Aufl., § 6 LPG Rdn. 150). Kommt es nicht zu einer Verurteilung, weil der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben hat, kann dem Verletzten die Befugnis eingeräumt werden, die Unterwerfungserklärung veröffentlichen zu lassen; denn die Bekanntmachungsbefugnis setzt nicht eine Verurteilung des Verletzten zur Unterlassung voraus, sondern beruht auf seiner Verpflichtung, die rechtswidrig verursachte Störung zu beseitigen und ggf. einen schuldhaft herbeigeführten Schaden des Verletzten auszugleichen (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1966 - Ib ZR 125/64 - GRUR 1967, 362, 366 - Spezialsalz - mit Anmerkung Bauer S. 369, 370).
Ob diese für das Wettbewerbsrecht entwickelten Grundsätze auch auf den außerwettbewerblichen Bereich des zivilrechtlichen Ehrenschutzes übertragen werden können, ist vom Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden worden.
Nach Auffassung des Senats stehen der öffentlichen Bekanntgabe eines Urteils, das den Beklagten zur Unterlassung einer unzulässigen rufschädigenden Äußerung verpflichtet, durchgreifende Gesichtspunkte nicht entgegen.
Im Streitfall geht es allein um ein Werturteil, und bei einem solchen verlangt die öffentliche Bekanntmachung der Unterlassungserklärung dem Beklagten nicht den Widerruf einer Aussage über Tatsächliches ab, die ihm u.a. deshalb nicht zugemutet werden kann, weil seine Aussage wahr sein könnte. Auch ist die Schwelle, ab der eine Äußerung rechtswidrig und deshalb zu verbieten ist, bei einem Werturteil ohnehin sehr hoch; in aller Regel ist sie erst bei einer diffamierenden Schmähkritik überschritten (Senatsurteil vom 20. Mai 1986 - VI ZR 242/85 - VersR 1986, 992 m. N.). Schließlich sind etwaige schutzwürdige Belange der Beklagten auch dadurch hinreichend gewahrt, daß eine Veröffentlichung nicht ausschließlich zur Satisfaktion des Betroffenen, sondern nur dann verlangt werden kann, wenn gerade sie zusätzlich zu der Unterlassungserklärung zur Beseitigung der Störung erforderlich ist (BGH, Urteile vom 22. Dezember 1961 - I ZR 110/60 - GRUR 1962, 315 - und 1. Dezember 1965 - Ib ZR 155/63 - GRUR 1966, 272; Helle, Der Schutz der Persönlichkeit, der Ehre und des wirtschaftlichen Rufes im Privatrecht, 2. Aufl., S. 51 unter d).