Aus dem Gerichtssaal zu Äußerungs- und Bildnisverfahren
Autor: Rolf Schälike
BGH Urteile
Interessen, berechtigte (Abwägung gegen Publikationsinteresse)
BGHR Zivilsachen>Bundesrecht>K>KUG>§ 23
KUG § 23 Abs. 2
Interessen, berechtigte Abwägung gegen Publikationsinteresse
BGH, Urt. v. 14. November 1995 – VI ZR 410/94
Der Verbreitung der »Abschiedsmedaille« durch die Beklagte steht ferner kein berechtigtes Interesse der Klägerin als Witwe des Abgebildeten im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG entgegen.
a) Allerdings ist auch dann, wenn von einem schutzwürdigen Publikationsinteresse im Hinblick auf § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auszugehen ist, dieses regelmäßig mit den berechtigten Interessen desjenigen, der sich gegen die Bildveröffentlichung wehrt, abzuwägen (vgl. BGHZ 49, 288, 293 f.; Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - VersR 1985, 391, 392 und vom 12. Oktober 1993 - VI ZR 23/93 - VersR 1994, 57, 58 m.w.N.). Da das vorliegend zu beurteilende Bildnis Willy Brandts weder entstellend ist oder den privaten Bereich des Abgebildeten betrifft (vgl. BGHZ 24, 200, 208; 49, 288, 293) noch seitens der Beklagten zu Werbezwecken eingesetzt worden ist (vgl. hierzu z.B. Senatsurteil vom 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667 m.w.N.), kommt als berechtigtes Interesse der Klägerin nur in Betracht, selbst als überlebender Ehegatte des Verstorbenen über die Veröffentlichung seines Bildes und insbesondere über dessen wirtschaftliche Nutzung entscheiden zu können.
b) Da die gesetzliche Wertung in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG die bildliche Darstellung einer Person der Zeitgeschichte im Rahmen dessen, was ihre zeitgeschichtliche Bedeutung ausmacht, grundsätzlich vom Einwilligungserfordernis freistellt, kann das Interesse der Klägerin, über die Veröffentlichung des Bildnisses des Verstorbenen zu bestimmen, vorliegend nur insoweit relevant sein, als eine besondere, von ihr (oder vom Verstorbenen selbst, würde er noch leben) nicht hinzunehmende Beeinträchtigung abgewehrt werden soll. Diese Voraussetzung wäre allerdings dann erfüllt, wenn der Verstorbene durch das Vorgehen der Beklagten in unangemessener Weise zu einem Objekt ihrer wirtschaftlichen Interessen gemacht würde. Indessen kann von einer solchen Sachlage hier nicht gesprochen werden.
Daß die Beklagte mit der Edition der »Abschiedsmedaille« im Rahmen ihres Gewerbebetriebes eigenwirtschaftliche Ziele verfolgt, fällt nicht zu Lasten ihres schutzwürdigen Publikationsinteresses ins Gewicht; Bildveröffentlichungen in Medien aller Art dienen regelmäßig gewerblichen Interessen (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - NJW 1979, 2203, 2204). Ebensowenig kann hier von Belang sein, daß die Freigabe derartiger Bildveröffentlichungen die Klägerin oder andere Angehörige des Verstorbenen darin behindern könnte, selbst entgeltliche Gestattungen zur Verbreitung des Bildes von Willy Brandt zu erteilen; bei Bildpublikationen der hier vorliegenden Art ist keine rechtlich geschützte Position anzuerkennen, die dem Abgebildeten oder seinen Angehörigen eine finanzielle Beteiligung am Vertrieb der Bilder sichert (vgl. hierzu Senatsurteil vom 2. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - aaO, 2205). Für sonstige berechtigte Interessen, welche die Klägerin auf der Grundlage des § 23 Abs. 2 KUG der nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zulässigen Verbreitung des Bildes von Willy Brandt auf der »Abschiedsmedaille« entgegenhalten könnte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.