Beschluss des BVerfG, Az. 1 BuR 1264/02 v. 18. November 2002.
Das Bundesverfassungsgericht entscheidet mit dem Bundesgerichtshof zugunsten der Medien gegen ein Monopol der Rechtsanwälte.
Kernsatz:
"Die Anwaltschaft kann aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit nicht ein verfassungsmässig verbürgtes Recht auf Fortbestand des Rechtsberatungsgesetzes ableiten."
Auf der Basis dieses Kernsatzes hat das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines Rechtsanwalts gegen eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht angenommen. Der BGH hatte nichts dagegen einzuwenden, dass Medien über Rechtsfälle berichten und Forderungen von Rechtsuchenden mit öffentlichem Druck durchsetzen.
Diese BGH-Entscheidung gehört zu einem Paket von fünf Urteilen vom 6.12.2001 (I ZR 316/98, I ZR 11/99, I ZR 14/99, I ZR 101/99,
I ZR 214/99), mit denen der BGH die Ratgeber- und Verbrauchersendungen in den Medien gegen den Widerstand von Rechtsanwälten grundsätzlich gebilligt hat. Der BGH hat mit diesen Urteilen mittelbar bestätigt, dass die von unseren Pressemandanten angebotenen Ratgeberdienste rechtmässig sind.
Quelle: Kanzlei Prof. Schweizer
Bundesgerichtshof - Mitteilung der Pressestelle
Nr. 93/2001
Grundsatzentscheidungen zur Vereinbarkeit von Verbraucher- und Ratgebersendungen im Fernsehen mit dem Rechtsberatungsgesetz
Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich am 6. Dezember 2001 in fünf Entscheidungen mit der Frage zu befassen, ob Verbraucher- und Ratgebersendungen im Fernsehen gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen.
Kläger in den verschiedenen Verfahren waren Rechtsanwälte aus Nordrhein-Westfalen und Bayern. Beklagte waren das Zweite Deutsche Fernsehen, der Bayerische Rundfunk und der Fernsehsender RTL.
Das ZDF hatte in der Fernsehsendung "WISO" das Thema "Mängel bei Urlaubsreisen" behandelt, die Zuschauer aufgefordert anzurufen und vier Zuschauern die Möglichkeit gegeben, in der Sendung telefonisch ihre Reiseerlebnisse zu schildern und Fragen zu Reisepreisminderungen zu stellen, die einer der Redakteure beantwortete.
Der Bayerische Rundfunk hatte in zwei von den Klägern beanstandeten Verbrauchersendungen mit den Titeln "Bürgeranwalt" und "OHNE GEWÄHR" Zuschauern bei der Durchsetzung tatsächlicher oder vermeintlicher Forderungen sowie bei Konfliktlösungen geholfen. In dem Beitrag des Bayerischen Rundfunks "Wir Schuldenmacher" beantworteten Mitglieder einer Gesprächsrunde im Studio Anfragen von Zuschauern zu rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Schulden.
Das fünfte Verfahren betraf die Sendung "Wie bitte?!" des Fernsehsenders RTL, in der Schauspieler kuriose Erlebnisse von Zuschauern mit Behörden und Unternehmen nachspielten und in der ein als "Mahn-Man" bezeichneter Schauspieler auftrat, mit den Verantwortlichen Kontakt aufnahm und sie zur Rede stellte.
Die Kläger sahen in den Fernsehsendungen Verstöße gegen das Rechtsberatungsgesetz, weil die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten den rechtsberatenden Berufen vorbehalten ist. Sie haben die beklagten Fernsehsender auf Unterlassung in Anspruch genommen und hatten damit vor verschiedenen Landgerichten und Oberlandesgerichten Erfolg.
Der Bundesgerichtshof hat die Klagen im wesentlichen abgewiesen. Er sah in den konkreten Auskünften und Ratschlägen in Fernsehsendungen keine unzulässige Rechtsberatung, weil in diesen Programmbeiträgen nicht der Einzelfall und seine Lösung im Vordergrund stand, sondern der Kern und Schwerpunkt in der allgemeinen Information der Zuschauer über typische Rechtsprobleme lag.
Auch in der sonstigen Unterstützung bei der Durchsetzung von Ansprüchen einzelner Zuschauer ausschließlich durch den Druck öffentlicher Berichterstattung war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs keine unzulässige Rechtsberatung zu sehen, weil ein solches Verhalten nicht auf rechtlichem Gebiet liegt.
Lediglich in einem Fall hat der Bundesgerichtshof in dem Angebot telefonischer Rechtsberatung außerhalb von Fernsehsendungen einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz gesehen und das vom Berufungsgericht ausgesprochene Verbot bestätigt (Bayerischer Rundfunk; "Wir Schuldenmacher").
Urteile vom 6. Dezember 2001 – I ZR 316/98, I ZR 11/99, I ZR 14/99, I ZR 101/99, I ZR 214/99
Karlsruhe, den 7. Dezember 2001
Pressestelle des Bundesgerichtshofs