Persönlichkeitsrecht Recht am eigenen Bild; Eigenwerbung der Presse
BGH, Urt. v. 14. Mai 2002 – VI ZR 220/01
a) Die in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthaltene Gewährleistung der Pressefreiheit umfaßt auch die Werbung für Presseerzeugnisse.
b) Für ein Presseerzeugnis, das über eine absolute Person der Zeitgeschichte berichtet, darf unter Verwendung eines Bildnisses dieser Person geworben werden.
c) Bei diesem Bildnis muß es sich grundsätzlich nicht um dasselbe handeln, welches im Rahmen der Berichterstattung verwendet wird. Die Verwendung eines anderen Bildnisses muß der Betroffene nicht hinnehmen, wenn sein Persönlichkeitsrecht dadurch im Einzelfall eine zusätzliche Beeinträchtigung erfährt.
Die Klägerin ist die einzige Tochter und Alleinerbin der am 6. Mai 1992 verstorbenen Schauspielerin Marlene Dietrich. ...
Die Beklagte druckte im Februar 1999 in einer herausnehmbaren Sonderbeilage der Bild-Zeitung unter der Überschrift »50 Jahre Deutschland« Originalbelege und -bildnisse zeitgeschichtlicher Ereignisse ab. Über das Jahr 1960 wurde u.a. mit einem kurzen Wortbeitrag und einer Abbildung über einen Besuch Marlene Dietrichs am 27. Mai 1960 in München berichtet. Am 15. Februar 1999 ließ die Beklagte in den Fernsehsendern RTL und SAT 1 einen 18 Sekunden dauernden Werbespot ausstrahlen. Dieser zeigte u.a. etwa eine Sekunde lang eine Filmaufnahme der Deutschen Wochenschau von 1959, in der Marlene Dietrich und Hildegard Knef, umgeben von anderen Personen, zu sehen waren. ...
Die Klägerin ist der Auffassung, ihre Mutter sei zwar eine absolute Person der Zeitgeschichte. Gleichwohl sei die Ausstrahlung des Filmausschnittes unzulässig, denn das Bildnis ihrer Mutter sei darin allein zu Werbezwecken für die Bild-Zeitung verwandt worden und nicht identisch mit der Abbildung in der beworbenen Ausgabe dieses Presseerzeugnisses.
... Das Grundrecht der Pressefreiheit gewährleistet die Freiheit des Pressewesens insgesamt. Dieser Schutz reicht von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung (BVerfGE 77, 346, 354). Auch wenn die Werbung das Presseerzeugnis selbst nicht transportiert, stellt sie es doch der Öffentlichkeit vor und dient damit als Kommunikationsmittel, das Art und Gegenstand der Berichterstattung so ankündigt, daß die Öffentlichkeit Kenntnis von der Berichterstattung erlangt und dadurch die Informationsgelegenheit wahrnehmen kann (vgl. OLG Frankfurt, ZIP 1987, 132, 133). Die Eigenwerbung der Presse genießt daher, weil sie den Absatz des betreffenden Presseerzeugnisses fördert und auf diese Weise zur Verbreitung der Informationen beiträgt, selbst den gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der Pressefreiheit. ...
... Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob die Verwendung eines anderen Bildes hier notwendig war oder nicht. Entscheidend ist vielmehr, ob gerade dadurch, daß ein anderes Bildnis als dasjenige verwendet wurde, dessen Veröffentlichung auch nach Auffassung des Berufungsgerichts zulässig gewesen wäre, das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person zusätzlich beeinträchtigt worden ist. Aus verfassungsrechtlichem Blickwinkel ist es grundsätzlich nicht wesentlich, aus welchem Anlaß ein bestimmtes Foto gefertigt worden ist. ...
... Eine Beschränkung der Presseveröffentlichung auf Fotos, die aus der konkreten Situation stammen, wäre allerdings dann gerechtfertigt, wenn die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nur auf diese Weise auf das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß begrenzt werden könnte, ohne zugleich das berechtigte Interesse der Pressefreiheit zu verkürzen. Auch kann das Ergebnis der erforderlichen Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz einerseits und Pressefreiheit andererseits die Veröffentlichung eines nicht die konkrete Situation wiedergebenden Fotos dann verbieten, wenn dieses andere Foto den Betreffenden etwa in einer besonders unglücklichen Situation oder besonders unvorteilhaft darstellt. Dergleichen besondere Umstände sind hier weder festgestellt noch dargetan.
Der Schutz des Persönlichkeitsrechts kann schließlich einer Veröffentlichung auch dann entgegenstehen, wenn das verwendete Bildnis aus dem Zusammenhang gerissen und in einen anderen gestellt wird, so daß sich durch den Wechsel des Kontextes der Sinngehalt der Bildaussage erheblich ändert. Eine solche Änderung der Aussage hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. ...
... Auch die Art und Weise, in der das Bildnis hier für Werbezwecke verwendet worden ist, begründet keine zusätzliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts. Eine andere Betrachtung könnte angezeigt sein, wenn Marlene Dietrich in dem Werbespot unmittelbar als Werbeträger herausgestellt worden wäre. Das wäre der Fall, wenn der Spot den Eindruck erweckt hätte, die Abgebildete identifiziere sich mit dem beworbenen Produkt, mit dem sie jedoch an und für sich nichts gemein hat, sie empfehle es und preise es an (Senatsurteile v. 14. März 1995 - VI ZR 52/94 - VersR 1995, 667, 668; v. 1. Oktober 1996 - VI ZR 206/95 - NJW 1997, 1152, 1154; BGHZ 20, 345, 352). An dieser Voraussetzung fehlt es hier schon deshalb, weil in dem Werbespot - insoweit vergleichbar einem Titelblatt (vgl. MünchKomm-BGB/Rixecker, 4. Aufl., Anhang zu § 12 Rn. 50) - lediglich darauf aufmerksam gemacht wurde, daß sich die beworbene Zeitungsbeilage inhaltlich mit Marlene Dietrich als einer Person der Zeitgeschichte befaßt. Ein falscher Eindruck von der Intention der Abgebildeten wurde dadurch nicht hervorgerufen.