BGH Urteile | Persönlichkeitsrecht (Bildnis eines Schauspielers in seiner Rolle) | | BGHR Zivilsachen>BGB>2. Buch §§ 241-853 Recht ... >§§ 433-853 Einzelne Schul... >§§ 823-853 Unerlaubte Han... >§ 823>§ 823 Abs. 1>Persönlichkeitsrecht | BGB § 823 Abs. 1 | Persönlichkeitsrecht Bildnis eines Schauspielers in seiner Rolle | BGH, Urt. v. 1. Dezember 1999 – I ZR 226/97 | In der Abbildung eines Doppelgängers, der einer berühmten Person täuschend ähnlich sieht, liegt ein Bildnis dieser Person. Das gleiche gilt, wenn der Eindruck, es handele sich um die berühmte Person, nicht aufgrund einer Ähnlichkeit der Gesichtszüge, sondern auf andere Weise (hier durch Nachstellen einer berühmten Szene mit Marlene Dietrich aus dem Film »Der blaue Engel«) erzeugt wird. Die Abbildung der nachgestellten Szene kann dann nur mit Einwilligung der berühmten Person und nach deren Tod in den folgenden zehn Jahren nur mit Einwilligung der Angehörigen zu Werbezwecken verwendet werden. »Der blaue Engel«
| LG HH | Az.: 324 O | einstweilige Verfügung | LG HH | Az.: 324 O | einstweilige Verfügung |
| Der Senat hat mit Urteil vom heutigen Tage in einer Parallelsache (BGH, Urt. v. 1.12.1999 - I ZR 49/971 Umdruck S. 13 ff. - Marlene Dietrich vgl. BGHR KUG § 22 - Bildnis 5 und BGHR KUG § 23 Abs. 1 Nr. 1 - Person der Zeitgeschichte 4) ausgesprochen, daß das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen wie das Recht am eigenen Bild dem Schutz nicht nur ideeller, sondern auch kommerzieller Interessen an der Persönlichkeit dienen und diese vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts vererblich sind. Damit steht den Erben jedenfalls für die in § 22 Satz 2 KUG genannte Frist von zehn Jahren die kommerzielle Nutzung des über den Tod hinaus geschützten Rechts am eigenen Bild zu. Sie können - neben den Angehörigen (§ 22 Satz 3 KUG) - Abwehransprüche und im Falle einer unbefugten Verwendung - anders als die Angehörigen - Bereicherungs- und ggf. Schadensersatzansprüche geltend machen.
2. Die Beklagte hat dadurch, daß sie die Fotografie der nachgestellten Szene aus dem Film »Der blaue Engel« ohne die erforderliche Einwilligung zu Werbezwecken veröffentlichte, die vermögenswerten Bestandteile des Rechtes von Marlene Dietrich am eigenen Bild schuldhaft verletzt. Sie ist daher zum Schadensersatz verpflichtet.
a) Der geltendgemachte, aber noch nicht bezifferte Schadensersatzanspruch setzt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine besondere Eingriffsintensität der Rechtsverletzung voraus. Zwar kommen bei einer Verletzung ideeller Interessen Entschädigungsansprüche nur zu Lebzeiten des Trägers des Persönlichkeitsrechts und nur bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen in Betracht. Bei einer Verletzung materieller Interessen, wie sie hier in Rede steht, gilt dies aber nicht. Wer die vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts schuldhaft verletzt, haftet ebenso wie bei der Verletzung anderer vermögenswerter Ausschließlichkeitsrechte für den eingetretenen Schaden, ohne daß es darauf ankäme, wie schwerwiegend der Eingriff war.
b) Das Landgericht, auf dessen Begründung das Berufungsgericht ergänzend Bezug genommen hat, hat zutreffend angenommen, daß die Veröffentlichung der Fotografie der nachgestellten Szene aus dem Film »Der blaue Engel« Marlene Dietrichs Recht am eigenen Bild verletzt.
Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei dieser Fotografie um ein Bildnis von Marlene Dietrich (vgl. dazu bei BGHR KUG § 22 - Bildnis 5). Ein Bildnis i.S. von § 22 Satz 1 KUG ist die Darstellung einer Person, die deren äußere Erscheinung in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (BGH, Urt. v. 9.6.1965 - Ib ZR 126/63, GRUR 1966, 102 - Spielgefährtin I, m.w.N.). Die Erkennbarkeit für Dritte entscheidet darüber, als wessen Bildnis eine Personendarstellung anzusehen ist: Die Abbildung eines Schauspielers in seiner Rolle ist als Bildnis des Schauspielers anzusehen, wenn er noch eigenpersönlich in Erscheinung tritt, d.h. erkennbar und identifizierbar bleibt (vgl. BGH, Urt. v. 17.11.1960 - I ZR 87/59, GRUR 1961, 138, 139 - Familie Schölermann; anders noch RGZ 103, 319, 320 f. - Astra Nielsen), oder wenn er durch die für ihn bekannte Aufmachung erkennbar wird (v. Gamm, UrhG, Einf. Rdn. 104 m.w.N.). Die Abbildung des Doppelgängers einer berühmten Person ist als Bildnis der berühmten Person anzusehen, wenn der Eindruck erweckt wird, bei dem Doppelgänger handele es sich um die berühmte Person selbst (vgl. KG JW 1928, 363, 364 - Piscator; daran anschließend BGHZ 26, 52, 67 - Sherlock Holmes; Schricker/Gerstenberg/Götting, Urheberrecht, 2. Aufl., § 60/§ 22 KUG Rdn. 5 und 10; anders Pietzko, AfP 1988, 209, 214 f.; Freitag, GRUR 1994, 345, 346; differenzierend J. Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, 1991, S. 98 ff.). Dabei ist nicht von Bedeutung, auf welchen Merkmalen des äußeren Erscheinungsbildes die Erkennbarkeit beruht. Diese muß sich nicht aus den Gesichtszügen, sondern kann sich auch aus anderen, die betreffende Person kennzeichnenden Einzelheiten ergeben (vgl. BGH, Urt. v. 26.6.1979 - VI ZR 108/78, GRUR 1979, 732, 733 = NJW 1979, 2205 - Fußballtor). Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt es daher nicht darauf an, ob sich die auf dem Werbefoto abgebildete Person in ihren Gesichtszügen von Marlene Dietrich unterscheidet und ob die Szene nicht die Person Marlene Dietrichs, sondern den Film »Der blaue Engel« symbolisieren soll. Entscheidend ist, daß die abgebildete Person erkennbar das äußere Erscheinungsbild Marlene Dietrichs in der von ihr in dem Film »Der blaue Engel« gespielten Rolle nachahmt. Denn damit wird der Eindruck erweckt, es handele sich um eine Abbildung Marlene Dietrichs in dieser Rolle.
Das Bildnis von Marlene Dietrich als der Inhaberin der vermögenswerten Bestandteile des Persönlichkeitsrechts und - worauf es freilich zur Begründung der Schadensersatzverpflichtung nicht ankommt - als der Berechtigten nach § 22 Satz 3 KUG verbreitet worden.
d) Die Zustimmung war auch nicht entbehrlich. Zwar dürfen Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung verbreitet werden. Bei Marlene Dietrich handelt es sich - was auch die Revisionserwiderung nicht in Zweifel zieht - um eine sogenannte absolute Person der Zeitgeschichte (vgl. BGHZ 20, 345, 349 f. - Paul Dahlke; 24, 200, 208 - Spätheimkehrer; 131, 332, 336 - Caroline v. Monaco II). Auf die Ausnahmebestimmung des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG kann sich jedoch derjenige nicht berufen, der mit der Veröffentlichung keinem schutzwürdigen Informationsinteresse der Allgemeinheit nachkommt, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will (st. Rspr.; BGHZ 20, 345, 350 - Paul Dahlke; BGH, Urt. v. 1.10.1996 - VI ZR 206/95, GRUR 1997, 125, 126 = NJW 1997, 1152 - Bob-Dylan-CD, m.w.N.). So liegt es hier. Die Verwendung des Bildnisses diente vorliegend nicht der Vermittlung von Informationen über das Leben oder das Schaffen von Marlene Dietrich, sondern ausschließlich der Werbung für Fotokopiergeräte.
e) Die Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Daß in der Abbildung des Doppelgängers einer berühmten Person ein Bildnis dieser Person (§ 22 Satz 1 KUG) liegen kann, ist seit langem in der Rechtsprechung anerkannt. Nichts anderes gilt, wenn der Eindruck, es handele sich um die berühmte Person, nicht aufgrund einer Ähnlichkeit der Gesichtszüge, sondern auf andere Weise erzeugt wird. Damit lag es für die Beklagte offen zutage, daß sie für die Verwendung der nachgestellten Szene aus dem Film »Der blaue Engel« nach § 22 Satz 3 KUG zumindest die Einwilligung der Angehörigen benötigte. Sie konnte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht annehmen, daß das Bildnis der kurz zuvor verstorbenen Marlene Dietrich ohne Zustimmung der Alleinerbin und einzigen Angehörigen für Werbezwecke verwendet werden dürfte (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1971 - VI ZR 95/70, GRUR 1972, 97, 99 = NJW 1971, 698 - Liebestropfen).
f) Die Beklagte hat der Klägerin deshalb Schadensersatz zu leisten. Die aus abgetretenem Recht vorgehende Klägerin kann den der Berechtigten entstandenen Schaden entweder konkret oder nach der Lizenzanalogie berechnen oder den Verletzergewinn herausverlangen (vgl. BGHZ 20, 345, 353 f. - Paul Dahlke). Um die für sie günstigste Art der Schadensberechnung wählen und den Schaden berechnen zu können, hat die Klägerin Anspruch auf Auskunftserteilung in dem beantragten Umfang.
von Carl Heymanns Verlag |
| 2006-02-21 14:48:33 |
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