Zur Haftung für unwahre Tatsachenbehauptungen in Fernsehberichten.
Nach Auffassung des Senats sind die Äußerungen unter h), l) und m) nicht als Werturteile und damit als Meinungsäußerungen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 GG, sondern als Tatsachenbehauptungen zu qualifizieren, die von dem Unterlassungsanspruch des Klägers aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB erfaßt werden. Für die Einstufung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung kommt es darauf an, ob die Aussage einer Überprüfung auf ihre Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich ist (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94 - BGHZ 132, 13 = VersR 1996, 597, 598 m.w.N.). Das ist bei den noch im Streit befindlichen Äußerungen der Fall:
Die Äußerung unter h), nach der der Kläger überdurchschnittlich lang operiert habe, es zu starken Blutungen gekommen sei und die Patientinnen hiervon nichts erfahren hätten, steht in einer Reihe von Bemerkungen über die angeblich unzulänglichen Leistungen des Klägers als Arzt und insbesondere Operateur. In diesem Zusammenhang kann der unbefangene Zuschauer, auf dessen Verständnis abzustellen ist, diese Bemerkung nur dahin verstehen, daß hier von Abweichungen vom normalen Operationsablauf die Rede ist. Solche Abweichungen sind auf der Grundlage der Aufzeichnungen über die Operationen, die der Kläger ausgeführt hat, beweisbar.
Die Äußerung unter l), der Kläger lüge, wenn er angebe, an der Universitätsfrauenklinik in Graz Radikaloperationen selbst durchgeführt zu haben, wird von dem unbefangenen Zuschauer dahin verstanden, daß der Kläger wider besseres Wissen für sich in Anspruch nimmt, solche Operationen in Graz selbst ausgeführt zu haben. Daß in dem Beitrag auf einen Brief aus Graz Bezug genommen wird, ändert entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nichts daran, daß die Äußerung eine Tatsachenbehauptung ist. Sie ist auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar.
Ähnlich verhält es sich mit der Äußerung unter m), nach der die Aussage des Klägers, er habe am S. K. Hospital in New York Brustchirurgie erlernt, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht korrekt sei. Auch diese Aussage ist auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfbar. Die einschränkende Formulierung (»mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«) steht der Qualifizierung als Tatsachenbehauptung nicht entgegen. Die Einschränkung ist zu zurückhaltend formuliert, um den unbefangenen Zuschauer davon abhalten zu können, die Äußerung als endgültig zu verstehen.
An der Einstufung dieser Äußerungen als Tatsachenbehauptungen ändert sich auch dann nichts, wenn man mit dem Berufungsgericht die Fernsehsendung nicht als gezielte Darstellung der angeblichen fachlichen Defizite des Klägers, sondern als einen Beitrag zu dem Problem versteht, daß den »Göttern in Weiß« nur selten Fehler nachgewiesen werden können. Allerdings können auch Tatsachenbehauptungen in den Schutzbereich fallen, der nach Art. 5 Abs. 1 GG Meinungsäußerungen zukommt. Das kann der Fall sein, wenn und soweit Tatsachen die Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind oder es um eine Äußerung geht, die durch die Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt wird, in der sich aber Tatsachen und Meinungen vermengen; eine unwahre Tatsachenbehauptung wird aber nicht vom Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG umfaßt (vgl. BVerfGE 61, 1, 8; 85, 1, 15). Danach erstreckt sich der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG aus einem doppelten Grund nicht auf die hier zur Erörterung stehenden Tatsachenbehauptungen: Zum einen sind diese Behauptungen - wovon revisionsrechtlich auszugehen ist - unwahr. Zum anderen würde selbst dann, wenn es das Anliegen des Drittbeklagten gewesen wäre, allgemein an dem - wegen seiner Besonderheiten hierfür ohnehin ungeeigneten - Beispiel des Klägers die Schwierigkeit des Nachweises von Fehlern der »Götter in Weiß« zu verdeutlichen, dieses Ziel gegenüber der außergewöhnlich umfangreichen Auflistung angeblicher fachlicher Fehler gerade des Klägers in den Hintergrund treten. Die Behauptungen, die der Kläger mit der Klage bekämpft, stehen für sich. Sie weisen unabhängig von einer vermeintlichen oder realen übergeordneten Zielsetzung des Beitrags einen eigenständigen Aussagegehalt auf.
Die Beklagten (Autor, Fernsehanstalt und Programmentwickler) müssen sich diese Tatsachenbehauptungen auch als eigene Äußerungen zurechnen lassen. Sie können sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht darauf berufen, daß sie die gegen den Kläger gerichteten Behauptungen lediglich aus einer anderen Informationsquelle - den Vorwürfen der Assistenz- und Oberärzte - übernommen haben. Diese Entlastungsmöglichkeit scheitert schon deshalb, weil nirgends erkennbar wird, daß sich die Beklagten von den Vorwürfen der Assistenz- und Oberärzte distanzieren. Bereits das Verbreiten dessen, was ein Dritter geäußert hat, ist rechtlich als eigene Äußerung des Erklärenden zu werten, wenn es an einer eigenen und ernsthaften Distanzierung des Erklärenden fehlt (vgl. Senatsurteil vom 30. Januar 1996 - VI ZR 386/94 - aaO S. 597, 598 m.w.N.). Um einen solchen Fall geht es hier. Die Beklagten haben sich von den Vorwürfen der Assistenz- und Oberärzte nicht nur nicht distanziert, sondern sie - für den Zuschauer erkennbar - als alleinige Grundlage ihres Beitrags verwertet.