Persönlichkeitsrecht Ehrenschutz gegen Erstbericht des Konkursverwalters
BGH, Urt. v. 18. Oktober 1994 – VI ZR 74/94
Äußerungen des Konkursverwalters in seinem Erstbericht gegenüber der Gläubigerversammlung sind nicht nach den von der Rechtsprechung für Äußerungen in einem gerichtlichen Erkenntnisverfahren entwickelten Grundsätzen einer Ehrenschutzklage entzogen.
Der bloße Hinweis des Konkursverwalters auf ein mögliches Anfechtungsrecht reicht nicht aus, um die Äußerung als Prozeßvorbereitung im Sinn dieser Grundsätze erscheinen zu lassen.
1. a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß ehrenkränkende Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen, in aller Regel nicht mit Ehrenschutzklagen abgewehrt werden können. Wie der erkennende Senat schon mehrfach entschieden hat (z.B. Urteile vom 13. Oktober 1987 - VI ZR 83/87 - VersR 1988, 379, 380 f. und vom 17. Dezember 1991 - VI ZR 169/91 - VersR 1992, 443, 444 jeweils m.w.N.), sollen solche Verfahren nicht durch eine Beschneidung der Äußerungsfreiheit der daran Beteiligten beeinträchtigt werden. Vielmehr sollen die Parteien in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Ob das Vorbringen wahr und erheblich ist, soll allein in diesem seiner eigenen Ordnung unterliegenden Verfahren geprüft werden, das dem Betroffenen insoweit hinreichende Rechtsschutzgarantien für den Schutz seiner Ehre bietet. Es wäre mit den schutzwürdigen Belangen der Beteiligten und den Erfordernissen eines sachgerechten Funktionierens der Rechtspflege unvereinbar, wenn die Kompetenzen des Gerichts jenes Verfahrens durch die Möglichkeit einer Geltendmachung von Abwehransprüchen in einem gesonderten Prozeß vor einem anderen Gericht unterlaufen werden könnten.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können diese Grundsätze nicht auf Äußerungen des Konkursverwalters übertragen werden, die er in seinem Erstbericht vor der Gläubigerversammlung aufstellt. Der Ausschluß der Ehrenschutzklage ist nämlich eine einschneidende Beschränkung des Ehrenschutzes, die nur mit der besonderen Interessenlage anläßlich oder im Hinblick auf ein bevorstehendes gerichtliches oder behördliches Verfahren gerechtfertigt werden kann (Senatsurteil vom 17. Dezember 1991 - aaO). ...
Die Beschränkung des Ehrenschutzes bei Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder -verteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen, findet ihre Rechtfertigung vor allem darin, daß dem Verletzten bereits in diesem Verfahren prozessual wie materiell-rechtlich ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen bereitstehen; schon hier kann der Betroffene die ehrenkränkende Äußerung des Prozeßgegners zur Nachprüfung durch das Gericht stellen (Senatsurteile vom 10. Juni 1986 - VI ZR 154/85 - NJW 1986, 2502, 2503 m.Anm. J. Helle NJW 1987, 233 f., vom 13. Oktober 1987 - aaO und vom 17. Dezember 1991 - aaO, jeweils m.w.N.). Die Befürchtung des Berufungsgerichts, daß es bei Zulassung einer Ehrenschutzklage gegen den Konkursverwalter zu einer doppelten gerichtlichen Überprüfung und einem Eingriff in die Zuständigkeit eines anderen Gerichts oder Kontrollgremiums kommen könne, ist nicht begründet. Davon kann schon deshalb nicht die Rede sein, weil Äußerungen des Konkursverwalters in seinem Erstbericht weder von der Gläubigerversammlung noch vom Konkursgericht in einer einem gerichtlichen Verfahren mit Erkenntnischarakter vergleichbaren Art auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft werden. ...
Auch wenn der Konkursverwalter gemäß § 83 KO unter der Aufsicht des Konkursgerichts steht, handelt es sich doch beim Konkursverfahren nicht um ein Erkenntnisverfahren, in dem etwa über das Bestehen von Anfechtungsrechten entschieden würde (Jäger/Weber, KO, 8. Aufl. Vorbem. vor § 71 Rdn. 3; vgl. auch Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 75 Rdn. 3). Angesichts der besonderen Aufgaben des Konkursgerichts (vgl. hierzu Jäger/Weber aaO § 71 Rdn. 16) kann auch nicht festgestellt werden, daß dessen Kompetenz durch eine Ehrenschutzklage in einem anderen Verfahren berührt würde. ...
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Beschränkung des Ehrenschutzes auch nicht damit zu rechtfertigen, daß die beanstandete Äußerung im Vorfeld eines anderen gerichtlichen Verfahrens aufgestellt worden sei.
Zwar kommt ein Ausschluß der Ehrenschutzklage nach den oben dargelegten Grundsätzen auch gegenüber Äußerungen in Betracht, die im Vorfeld bzw. zur Vorbereitung eines künftigen Prozesses aufgestellt worden sind (Senatsurteile vom 14. Juni 1977 - VI ZR 111/75 - NJW 1977ü 1681, 168, vom 5. Mai 1981 und vom 17. Dezember 1991, jeweils aao m.w.N.). Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer abschließenden Beurteilung der Frage, ob dies auch dann gilt, wenn es zu dem betreffenden Prozeß tatsächlich nicht kommt und infolgedessen die erforderliche Überprüfung der ehrenkränkenden Äußerung in einem Rechtsstreit außerhalb der Ehrenschutzklage gar nicht stattfindet (vgl. Senatsurteil vom 20. Dezember 1983 - VI ZR 94/82 - NJW 1984, 1104, 1105 a.E., insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 89, 198 ff.). ...
Auch wenn nämlich der Beklagte als Konkursverwalter bei seinem Erstbericht eine Anfechtungsklage gegenüber dem Kläger in Betracht gezogen hätte, würde dies nicht ausreichen, um einen entsprechenden Hinweis gegenüber der Gläubigerversammlung bereits als Vorbereitung eines künftigen Prozesses erscheinen zu lassen. Um einen Ausschluß der Ehrenschutzklage zu rechtfertigen, wäre es vielmehr erforderlich, daß der beabsichtigte Prozeß so konkret und unmittelbar bevorsteht, daß die beanstandete Äußerung ohne weiteres seiner Vorbereitung zugeordnet werden kann. Andernfalls bestünde die Gefahr, daß Ehrenschutzklagen schon deshalb ausgeschlossen würden, weil die ehrenkränkende Äußerung lediglich in denkbarem Zusammenhang mit einem nur vorübergehend in Betracht gezogenen Prozeß erfolgt ist, ohne jedoch - wie etwa ein Auftragsschreiben an einen Rechtsanwalt zur Klageerhebung - unmittelbar der Vorbereitung eines Prozesses zu dienen. Das würde zu einer unzulässigen Beschränkung des Ehrenschutzes führen, weil in solchen Fällen nicht von vornherein die ernsthafte Möglichkeit bestanden hat, daß die ehrenkränkende Behauptung in der erforderlichen Weise in einem Verfahren außerhalb der Ehrenschutzklage überprüft werden würde. ...
c) Dem Berufungsgericht ist freilich darin zuzustimmen, daß der Konkursverwalter im Rahmen seines Erstberichts vor der Gläubigerversammlung auch nicht hinreichend geklärte Sachverhalte ansprechen können muß, wenn diese mit dem von ihm bearbeiteten Konkurs zusammenhängen, ohne deswegen ein Ehrenschutzverfahren befürchten zu müssen. Indes kann diesem Anliegen sachangemessen im Rahmen der Interessen- und Güterabwägung nach § 193 StGB bzw. § 824 Abs. 2 BGB Rechnung getragen werden.