BGH Urteile | Persönlichkeitsrecht (Widerruf auf Titelseite einer Illustrierten) | | BGHR Zivilsachen>BGB>2. Buch §§ 241-853 Recht ... >§§ 433-853 Einzelne Schul... >§§ 823-853 Unerlaubte Han... >§ 823>§ 823 Abs. 1>Persönlichkeitsrecht | BGB § 823 Abs. 1 | Persönlichkeitsrecht Widerruf auf Titelseite einer Illustrierten | BGH, Urt. v. 15. November 1994 – VI ZR 56/94 | Führt eine unwahre Tatsachenbehauptung auf der Titelseite einer Illustrierten zu einer fortdauernden Persönlichkeitsverletzung des Betroffenen, so kann er von dem Verleger der Illustrierten verlangen, daß gleichfalls auf der Titelseite der Illustrierten ein Widerruf veröffentlicht wird. Die Druckanordnung des Widerrufs muß geeignet sein, bei dem Leser den Grad an Aufmerksamkeit zu erzeugen, den die bekämpfte Behauptung beansprucht hat; sie muß aber noch ausreichend Raum für Hinweise auf andere Heftbeiträge lassen.
| | III. ... Die Revision meint, die Entscheidung des Berufungsgerichts, daß die Beklagte den Widerruf in der festgelegten Buchstabengröße auf der Titelseite abzudrucken habe, verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, weil die beanstandeten Äußerungen im redaktionellen Teil des Hefts erschienen seien; im übrigen verletze sie die grundrechtliche Garantie der Pressefreiheit, die der Beklagten das Recht verbürge, frei und unabhängig, von öffentlichen Stellen über die Ausgestaltung der Titelseite ihrer Illustrierten zu befinden. Auch damit hat die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Die Erklärung, entgegen der Veröffentlichung habe die Klägerin mit der »B.« kein Gespräch geführt, dient allein dem Zweck, in sachlicher und knapper Sprache die von der Veröffentlichung ausgehende Persönlichkeitsbeeinträchtigung der Klägerin zu beseitigen, soweit dies noch möglich ist. Entgegen der Auffassung der Revision der Beklagten ist auch die Verurteilung, den Widerruf auf der Titelseite in der festgelegten Buchstabengröße abzudrucken, nicht zu beanstanden. Allerdings gebietet der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Berücksichtigung der Belange auch der Beklagten, die durch die Verpflichtung zum Abdruck des Widerrufs auf der Titelseite in der Bestimmung über das Erscheinungsbild ihrer Illustrierten und deren Vermarktung beeinträchtigt wird. Die Titelseite einer Illustrierten hat eine spezifische Funktion. Sie ist das Aushängeschild des Blattes, das die Aufmerksamkeit des Lesers wecken und auf Schwerpunkte des Heftes lenken soll. Diese Funktion darf durch die Veröffentlichung eines Widerrufs auf der Titelseite nicht über Gebühr beeinträchtigt werden, insbesondere muß der Widerruf hinreichend Raum für Hinweise auf andere Heftbeiträge lassen. Andererseits muß die Veröffentlichung des Widerrufs geeignet sein, die Beseitigung der Rechtsbeeinträchtigung des Betroffenen im Rahmen des Möglichen zu erreichen. Dies verlangt, daß der Widerruf nach seiner optischen Wirkung geeignet ist, möglichst den Leserkreis zu erreichen, den die Erstmitteilung erreicht hat. Hierzu zählen nicht nur die Käufer der Zeitschrift, sondern auch die sog. »Kiosk-Leser«. Überdies muß durch die Druckanordnung der Stellenwert des Widerrufs zum Ausdruck kommen; er muß geeignet sein, bei dem Leser nach Möglichkeit den Grad an Aufmerksamkeit zu erzeugen, den die mit ihm bekämpfte unwahre Mitteilung beansprucht hat. Danach muß jedenfalls in den Fällen, in denen die Veröffentlichung schon auf der Titelseite ihre rechtsbeeinträchtigende Wirkung entfaltet hat, der Widerruf grundsätzlich auf der Titelseite erfolgen (vgl. auch LG Hamburg, AfP 1994, 243, 244; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. 1994, Rdn. 13.91; kritisch Damm/Kuner, Widerruf, Unterlassung und Schadensersatz in Presse und Rundfunk, 1991, Rdn. 306).
Diesen Gesichtspunkten trägt das angefochtene Urteil Rechnung. Der Kern der die Rechtsposition der Klägerin beeinträchtigenden Mitteilung - die unwahre Behauptung, die Klägerin habe »exklusiv« mit der »B.« ein Gespräch über Traurigkeit, Haß auf die Welt und Glückssuche geführt - ist auf der Titelseite der »B.« erschienen, so daß der Zweck des Widerrufs gebietet, daß dieser auch dort erscheint. Andererseits hat das Berufungsgericht durch die Festlegung der gegenüber der landgerichtlichen Entscheidung weiter reduzierten Buchstabengröße erreicht, daß der ohnehin nur drei kurze Sätze umfassende Widerrufstext auf einen Umfang begrenzt ist, der ausreichend Raum für weitere Schlagzeilen läßt.
Demgegenüber beruft sich die Beklagte vergeblich auf die Garantie der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Das ebenfalls verfassungsrechtlich gewährleistete Recht der Persönlichkeit (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG), dessen Wahrung der Widerruf dient, zieht der Pressefreiheit Schranken. Im Konfliktfall sind beide Rechtspositionen gegeneinander abzuwägen. Dem trägt, wie ausgeführt, die angefochtene Entscheidung Rechnung. Die Verurteilung der Beklagten zur Veröffentlichung des Widerrufs bedeutet entgegen der Auffassung der Revision nicht, daß der Beklagten die Entscheidungsfreiheit über die Gestaltung des Titelblatts ihrer Zeitschrift genommen wäre; sie ist nur in dem Maße eingeschränkt, in dem dies zur Wahrung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin geboten ist. ...
IV. Die Revision der Klägerin bleibt erfolglos, soweit sie für den Widerruf und die beiden Richtigstellungen die Schriftgrößen und Schrifttypen verlangt, die den Erstmitteilungen in den Illustrierten entsprechen; ...
1. Die Revision der Klägerin meint, das Berufungsgericht habe, weil es für den Widerruf und die Richtigstellungen eine kleinere Schriftgröße als die der Erstmitteilungen festgelegt habe, den Grundsatz der Waffengleichheit verletzt; die Klägerin habe aus ihrem verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrecht Anspruch darauf, daß der Widerruf und die Richtigstellungen ebenso wie die Erstmitteilungen auch von einem »Kiosk-Leser« zur Kenntnis genommen werden könnten.
Der Auffassung, die Schriftgröße des Widerrufs und der Richtigstellungen müsse der Schriftgröße der Erstmitteilungen genau entsprechen, vermag der Senat nicht zu folgen. Wie oben ausgeführt, bewegt sich die Entscheidung über den Standort und die Schriftgröße des Widerrufs und der Richtigstellungen im Spannungsfeld zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der Pressefreiheit. Die Revision der Klägerin läßt in ihrer Argumentation die Postulate der Pressefreiheit, auf die sich die Beklagte zu Recht beruft, außer Betracht. Diese Postulate gebieten, daß der Beklagten für die verkaufsfördernde Gestaltung auch der Titelseiten, auf denen der Widerruf bzw. die Richtigstellungen erscheinen, noch ein ausreichender Raum bleibt; im übrigen liegt eine möglichst hohe Auflage der Hefte, auf deren Titelseiten der Widerruf bzw. die Richtigstellungen erscheinen, auch im wohlverstandenen Interesse der Klägerin. Dem Interesse der Klägerin daran, daß die Leser dem Widerruf bzw. der Richtigstellung nach deren Blickfang dieselbe Aufmerksamkeit schenken wie den mit diesen Rechtsbehelfen bekämpften unwahren Mitteilungen, kann hier auch durch eine Veröffentlichung auf der Titelseite genügt werden, die nicht dieselbe Schriftgröße aufweist.
Dem Berufungsgericht ist es gelungen, eine Druckanordnung zu entwickeln, die den Belangen beider Seiten gerecht wird. Die Texte des Widerrufs und der Richtigstellungen erscheinen in einer Schriftgröße, die auch einem »Kiosk-Leser« die Wahrnehmung durchaus noch ermöglicht und den Stellenwert des Widerrufs und der Richtigstellungen deutlich werden läßt.
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| 1994-02-20 15:48:27 |
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