Persönlichkeitsrecht Veröffentlichung eines Fotos zu Werbezwecken; Verschulden
BGH, Urt. v. 14. April 1992 – VI ZR 285/91
Wird ein Foto ohne Einwilligung des Abgebildeten und ohne vorherige Rückfrage zu Werbezwecken veröffentlicht, so kann die darin liegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts nur unter ganz besonderen Umständen unverschuldet sein.
Rechtlich unbedenklich ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte habe durch die Veröffentlichung des Fotos zu Werbezwecken das Recht des Klägers am eigenen Bild (§ 22 KUG) verletzt und durch diesen Verstoß gegen das kraft ausdrücklicher Gesetzesvorschrift unter Sonderschutz gestellte Selbstbestimmungsrecht des Abgebildeten zugleich in das nach § 823 Abs. 1 BGB geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen. Denn allein dem auf einem Foto Abgebildeten selbst steht das Recht zu, darüber zu bestimmen, ob und auf welche Weise er der Öffentlichkeit im Bild vorgestellt wird (st. Rspr.; u.a. Senatsurteile vom 26. Juni 1979 - VI ZR 108/78 - NJW 1979, 2205, 2206 und vom 14. Oktober 1986 - VI ZR 10/86 - GRUR 1987, 128 = BGHR § 22 KUG Nr. 1). Eine dahingehende Gestattung des Klägers war hier auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es sich bei ihm um eine Person der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelte (s. dazu Senatsurteil vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - VersR 1985, 391, 392). Auf diese Ausnahmevorschrift kann sich nicht berufen, wer nicht einem schutzwürdigen Informationsbedürfnis der Allgemeinheit nachkommen, sondern durch Verwertung des Bildnisses eines anderen zu Werbezwecken allein sein Geschäftsinteresse befriedigen will (BGHZ 20, 345, 350; 49, 288; Senatsurteile vom 6. Februar 1979 - VI ZR 46/77 - NJW 1979, 2203, 2204; vom 26. Juni 1979 und vom 14. Oktober 1986 = jeweils aaO). So liegt der Fall hier. Die deshalb zur Veröffentlichung des Fotos erforderliche Einwilligung war im Streitfall vom Kläger nicht schon dadurch erteilt worden, daß er dem auf der Einweihungsfeier des Modehauses B. anwesenden Pressefotografen gestattet hatte, ihn mit einer B. -Brille abzulichten. Darin mag zwar das Einverständnis des Klägers gelegen haben, mit seinem Bild für das Modehaus B. und dessen Produkte zu werben; das Verhalten des Klägers brachte aber nicht seine Zustimmung zum Ausdruck, daß mit seinem Foto unentgeltlich auch für die geschäftlichen Belange der Kunden des Modehauses B. Werbung gemacht werden könne.
Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist auch die Ansicht des Berufungsgerichts, die Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Klägers führe nicht zu einem deliktischen Schadensersatzanspruch, weil der Beklagten kein Verschulden zur Last falle und sie für einen Pflichtenverstoß ihres Einkaufsverbandes nicht verantwortlich sei.
Rechtlich einwandfrei hat sich das Berufungsgericht die Überzeugung verschafft, die Beklagte habe aufgrund der gesamten Umstände des Streitfalles schuldlos annehmen können, daß sie das ihr von der O.-GmbH übersandte Foto des Klägers zu Werbezwecken verwenden dürfe. Freilich muß jemand, der das Bildnis einer anderen Person eigennützig zu solchen Zwecken veröffentlichen will, nach ständiger Rechtsprechung besonders gründlich prüfen, ob und wieweit er dazu befugt ist (BGH, Urteil vom 10. November 1961 - I ZR 78/60 - LM § 23 KunstUrhG Nr. 5; Senatsurteile vom 26. Januar 1971 - VI ZR 95/70 - NJW 1971, 698, 700 und vom 22. Januar 1985 - VI ZR 28/83 - NJW 1985, 1617, 1619). Dieser Prüfungspflicht genügt er im Regelfall nicht schon dadurch, daß er das Foto von einem Berufsfotografen oder einer Presse- bzw. Werbeagentur erwirbt; gerade in solchen Fällen kann vielmehr Anlaß zu besonderer Nachfrage bestehen (vgl. BGHZ 20, 345, 346; BGH, Urteil vom 10. November 1961 = aaO; Senatsurteil vom 27. November 1979 - VI ZR 148/78 - NJW 1980, 994, 995 f.; OLG Frankfurt GRUR 1986, 614 f. und NJW 1992, 441 f.). Im Streitfall hat die Beklagte zwar derartige weitere Erkundigungen nicht angestellt; dennoch hat das Berufungsgericht aufgrund der besonderen tatsächlichen Gegebenheiten einen Pflichtenverstoß rechtsfehlerfrei verneint. Die Beklagte hatte das Bild des Klägers mit der B.-Brille nicht von dem Fotografen oder von einer Agentur, sondern von ihrem Einkaufsverband zugesandt bekommen, und zwar mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß es für die Pressearbeit bestimmt sei und daß mit ihm die Präsentation der B.-Kollektion verbessert werden könne. Auf der Rückseite des Fotos befand sich der Vermerk »Abdruck honorarfrei, Belegexemplar an Egbert K. «. Der Geschäftsführer Dr. B. des Einkaufsverbandes, dessen Unterschrift das Begleitschreiben zu dem Foto trug, hatte an der Werbeveranstaltung des Modehauses B. vom 12. September 1987 teilgenommen, auf dem von dem Fotografen Egbert K. das Bild des Klägers mit der Brille erstellt worden war. Eine der drei der Beklagten übersandten Fotografien zeigte Dr. B., wie ihm der Gastgeber die erste Brillen-Kollektion persönlich überreichte. Diese gesamten Umstände, insbesondere die Entstehungsgeschichte des Bildes, konnten, wie das Berufungsgericht in rechtlich einwandfreier Würdigung ausführt, bei der Beklagten schuldlos den Irrtum hervorrufen, der Kläger habe sein Einverständnis mit der Verwertung des Fotos zu Werbezwecken auch durch die der O.-GmbH angehörenden, die B.-Kollektion führenden Optiker erteilt. Bei dieser Beurteilung hat das Berufungsgericht nicht das Maß der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verkannt, sondern den sich für die Beklagte darstellenden Besonderheiten des Streitfalles in rechtlich einwandfreier Weise Rechnung getragen.