Persönlichkeitsrecht postmortaler Schutz eines Künstlers
BGH, Urt. v. 8. Juni 1989 – I ZR 135/87
Bildfälschungen mit der Signatur eines anderen Malers verletzen grundsätzlich dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens (hier: Unterschieben im Stile und nach Motiven Emil Noldes gemalter und mit seinem Namenszug versehener Aquarelle) - »Emil Nolde«.
Zu Recht hat das Berufungsgericht die Widerklage insoweit abgewiesen, als die beklagte Stiftung sie auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Noldes gestützt hat (§§ 823 Abs. 1, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Es ist dabei zutreffend davon ausgegangen, daß der rechtliche Schutz der Persönlichkeit gemäß Art. 1 Abs. 1 GG zwar nicht mit dem Tode endet. Vielmehr besteht der allgemeine Wert- und Achtungsanspruch fort, so daß das fortwirkende Lebensbild eines Verstorbenen weiterhin gegen schwerwiegende Entstellungen geschützt wird (vgl. BGHZ 50, 133, 136 ff. - Mephisto; BGH, Urt. v. 4. Juni 1974 - VI ZR 68/73, GRUR 1974, 797, 798 - Fiete Schulze; BGH, Urt. v. 17. Mai 1984 - I ZR 73/82, GRUR 1984, 907, 908 - Frischzellenkosmetik; auch BVerfGE 30, 173, 194 f. - Mephisto). Weiter hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, daß eine Fälschung von Bildern grundsätzlich den geschützten Persönlichkeitsbereich des Künstlers, bezogen auf die Gesamtheit seines Werkschaffens, verletzen kann (vgl. auch BVerfGE 54, 148, 154 - Eppler: für das Unterschieben nicht getaner Äußerungen). Fälschungen sind - unabhängig von ihrer Qualität - geeignet, durch Verzerrung des Gesamtwerks das als Ausstrahlung des Persönlichkeitsrechts auch nach dem Tode des Künstlers fortbestehende künstlerische Ansehen und seine künstlerische Wertschätzung zu beeinträchtigen.
Allerdings stellt die bloße Existenz gefälschter Bilder in privater Hand nicht ohne weiteres eine Beeinträchtigung der Künstlerpersönlichkeit dar. Die Fälschungen können für den jeweiligen Besitzer als künstlerisches Anschauungsobjekt durchaus ihren Wert haben (vgl. BGH, Urt. v. 9. August 1988 - 1 StR 257/88, JZ 1988, 936). Solange er die Fälschungen ausschließlich in seinem Privatbereich hält und sie nicht als echte Werke in Verkehr bringt oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich macht, wird die Privatsphäre des Künstlers in aller Regel jedenfalls nicht so nachhaltig berührt, daß es gerechtfertigt wäre, die Bilder deutlich sichtbar als Fälschungen zu kennzeichnen. Ob dies auch für die Entfernung der gefälschten Signatur des Künstlers zu gelten hat, bei der es sich immerhin um eine Urkundenfälschung nach § 267 StGB handelt (vgl. BGH JZ 1988, 936) , kann hier offenbleiben, da es an einem dahingehenden Antrag fehlt.
Im Streitfall wäre aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Künstlerpersönlichkeit Noldes zu bejahen, wenn die Befürchtung der Beklagten gerechtfertigt wäre, der Kläger könnte die Bilder als Originalwerke Noldes auf den Markt bringen. Davon ist aufgrund der Unterstellung des Berufungsgerichts, der Kläger würde die Bilder an den Kunsthandel weitergeben oder sie öffentlich darbieten, für die Prüfung in der Revisionsinstanz auszugehen. Der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht, ein solches Verhalten würde allenfalls die Gefahr einer gewissen »Verwässerung« des Persönlichkeitsbildes begründen, kann nicht beigetreten werden. Das Inverkehrbringen gefälschter Bilder ist grundsätzlich geeignet, das künstlerische Gesamtbild nachhaltig zu verzerren.