Das Berliner Verwaltungsgericht verhandelt einen Streit zwischen der Birthler-Behörde und dem Linkspartei-Politiker Gregor Gysi über die Herausgabe von Stasi-Unterlagen. Gysi hatte im September 2005 eine einstweilige Verfügung beim Verwaltungsgericht erwirkt, mit der die Herausgabe eines Teils der Akten an das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gestoppt wurde. Darin ging es nach einem Bericht des Magazins um Aufzeichnungen der Stasi über zwei "auftragsgemäß" durchgeführte Besuche von Gysi bei seinem damaligen Mandanten, dem DDR-Kritiker Robert Havemann. Jetzt soll in der Hauptsache entschieden werden.
Nach Angaben der Bundesbehörde für die Stasi-Unterlagen streiten Gysi und die Behörde um die Definition
Person der Zeitgeschichte. Gregor Gysi sei der Ansicht, daß er zum Zeitpunkt der Entstehung der Stasi-Akten noch keine Person der Zeitgeschichte gewesen sei. Die Behörde hatte das anders gesehen und deshalb die von dem Magazin beantragten Unterlagen freigeben wollen. Wäre Gysi damals noch nicht Person der Zeitgeschichte gewesen, wäre er Betroffener und könnte nach Stasi- Unterlagengesetz allein über die Herausgabe von Akten über ihn entscheiden.
Gysis Klage wird 07.06.2006 abgewiesen und die Herausgabe von Stasi-Unterlagen über ihn erlaubt.
Gysis Anwalt Walter Vedeney will gegen die Entscheidung Berufung einlegen. "In diesem Verfahren geht es um die Wahrung der anwaltlichen Schweigepflicht und die Beurteilung der Frage, was Robert Havemann in diesem Fall gewollt hätte", sagte er der Nachrichtenagentur DPA. ""Das kann Gregor Gysi besser beurteilen als die Bundesbeauftragte und die Kammer des Verwaltungsgerichts."
Pressemitteilung
Berlin, den 14.02.2006
Das Verwaltungsgericht Berlin hat im Klageverfahren des Dr. Gregor Gysi gegen die Stasiunterlagen-Behörde auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2006 einen (nunmehr zugestellten) Auflagenbeschluss erlassen.
Dr. Gysi wendet sich mit der Klage gegen die von der Stasiunterlagen-Behörde beabsichtigte Herausgabe von drei Stasiunterlagen an den Spiegel, die sein Mandatsverhältnis zu dem - 1982 verstorbenen - Prof. Robert Havemann betreffen.
Das Gericht hielt eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, nachdem Dr. Gysi in der mündlichen Verhandlung erstmals angegeben hatte, die in Ich-Form verfasste Stasi-Unterlage vom Juli 1979 beruhe auszugsweise auf einem Vermerk, den er damals für seine anwaltliche Handakte diktiert habe. Er vermute, dass der MfS sich den Inhalt dieses Vermerkes mit geheimdienstlichen Mitteln aus seinen Anwaltsräumen und damit grob rechtsstaatswidrig beschafft habe. Das Gericht bat den Kläger, die anwaltliche Handakte, in der sich der Originalvermerk befinden soll, zur Einsichtnahme zu überlassen.
Ferner bat es die Behörde darzulegen, unter welchen Umständen ihres Erachtens ein gezielter IM-Einsatz als menschenrechtswidrig anzusehen sei und ob insbesondere für die ebenfalls betroffene Stasiunterlage vom Oktober 1979, die als Quelle einen "gezielten IM-Einsatz" nennt, ein IM-Einsatz unter Verletzung der räumlichen Privatsphäre ausgeschlossen werden könne.
Auflagenbeschluss der 1. Kammer vom 8. Februar 2006 - VG 1 A 173. 05 -
Verwaltungsgericht weist Klage von Dr. Gysi ab
Das Verwaltungsgericht Berlin hat die Klage von Rechtsanwalt Dr. Gregor Gysi gegen die Herausgabe von drei Dokumenten aus den Stasi-Unterlagen seines ehemaligen Mandanten Robert Havemann abgewiesen.
In seinem schriftlichen Urteil stellt das Gericht fest, dass die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen (BStU) „berechtigt und sogar verpflichtet“ sei, die drei fraglichen Dokumente auf Antrag an die Medien herauszugeben.
In dem Prozess hatte das Verwaltungsgericht zu klären, ob Stasi-Unterlagen (insgesamt fünf Seiten) zu Robert Havemann, in denen Dr. Gysi als sein Rechtsanwalt genannt wird, im Rahmen eines Medienantrags herausgegeben werden dürfen. Auch unter Berücksichtigung des besonders geschützten Anwaltsgeheimnisses, so das Urteil des Verwaltungsgerichts, sei die Herausgabe der Unterlagen zulässig, da sie dem mutmaßlichen Willen des verstorbenen Regimekritikers entspräche.
Die Kammer hält auch die Herausgabe von IM-Berichten aus den Havemann-Unterlagen grundsätzlich für rechtmäßig. Das Bundesverwaltungsgericht Leipzig hatte im Fall des früheren Bundeskanzlers Dr. Helmut Kohl der BStU eine strenge Auslegung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes bei der Herausgabe zu Personen der Zeitgeschichte auferlegt. Diese Auslegung müsse jedoch praktisch handhabbar gemacht werden, entschied das Verwaltungsgericht Berlin. Insbesondere bei der Überwachung der Staatsbürger der früheren DDR durch den Staatssicherheitsdienst „muss [es] genügen, dass eine menschenrechtswidrige Informationsgewinnung praktisch ausgeschlossen erscheint. Die bloß theoretische Möglichkeit einer solchen Informationsbeschaffung reicht nicht aus.“ Damit konkretisierte das Verwaltungsgericht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Zwar müssen Menschenrechtsverletzungen bei der Erhebung von Informationen berücksichtigt werden. Das heißt aber nicht, dass deswegen IM-Berichte von der Verwendung für die Aufarbeitung regelmäßig ausgeschlossen sind.
Das Gericht sah es ebenfalls als erwiesen an, dass Dr. Gregor Gysi bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Dokumente im Jahr 1979 als Verteidiger des bekannten Regimekritikers eine so genannte relative Person der Zeitgeschichte war. Insofern seien auch die Rechte des Klägers nicht berührt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Verwaltungsgericht hat Berufung gegen das Urteil zugelassen.
Dr. Ilona Schäkel
Referentin für Öffentlichkeitsarbeit der BStU