BUSKEISMUS

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Bericht

Pressekammer LG Hamburg
Sitzung, Freitag, den 10. Februar 2006

Rolf Schälike - 10.-26.02.2006

 

Für diesen Bericht gilt,  wie für alle weiteren meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen. Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als  Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung habe ich nicht; es handelt sich um Verschwörungstheorien.

Heute war ich das erste Mal nur Zuschauer. Die politischen Gysi-Urteile haben mich zwar schon seit den neunziger Jahren interessiert, doch sich mit den Details der gewieften Juristen zu beschäftigen, hatte ich weder Lust noch Muße. Seit 2003 bin ich nun selber in die Mühlen der Pressekammer geraten und in den mehr als ein halbes Dutzend Sitzungen war ich höchstens mal zehn Minuten vor meinem Termin im Gerichtssaal. Dann galt meine Aufmerksamkeit der eigenen Sache, den vielen Überraschungen und Ungereimtheiten. Nun habe ich die Muße, jeden Freitag die Sitzungen als Zuschauer zu genießen.

Gestern war es spannend, ein Unterrichtstag, wie ich ihn mir nicht hätte besser vorstellen können.

 

Über den Streitwert wir bestraft oder verziehen

Ich habe begriffen, dass die Pressekammer in meinen Verfahren gnädig war.

Das beginnt mit den Streitwerten. Meine Streitwerte betrugen in den einzelnen Verfahren max.15.000,00 EUR. Läppische Werte, wie ich erfuhr. Auch dem Springer-Verlag gegenüber war die Pressekammer gestern im Falle Michael Ballack gnädig. In den beiden Verfahren 324 O 968/05 oder 324 O 983/05 wurden nur die Texte, nicht die drei Bilder im Streitwert berücksichtigt. Jedes Bild hätte schon einen Streitwert von EUR 30.000,00 hergeben können, habe ich vom Richtertisch zu hören bekommen. Der Verzicht auf einen hohen Streitwert war ein Entgegenkommen, weil die Sache nicht so klar und so eindeutig und wichtig war. Springer hat zwar verloren, kam aber relativ "billig" davon. Ich habe gelernt. Mit dem Streitwert kann bestraft oder entlastet werden. Bei mir hatten alle noch offenen Fälle zusammen einen Streitwert von über EUR 30.000,00. Der Richter Andreas Buske setzte den Streitwert des Vergleichs, deren Kosten der Antragssteller tragen sollte, mit nur EUR 12.000,00 an. Mein gegen mich klagender Rechtsanwalt konnte damit Kosten sparen. Gegen die Festlegung des Streitwertes gibt es nur sehr beschränkte Rechtsmöglichkeiten. Die Richter sind darin relativ frei. Der freien unabhängigen Entscheidung stehen die Prozesstüren offen. Wahrscheinlich aber doch nicht, denn am 17.02.06 erlebte ich zum Streitwert das Gegenteil. Die Richter sind darin nicht frei. Siehe dazu 'Streitwert" im Sitzungsbericht der nächsten Sitzung.

Dies war das erste, was ich ich gestern lernte.

 

Den Bericht meiner nächste Erfahrung beginne ich mit der folgenden Erklärung:

Alles, was ich an dieser Stelle in diesem Bericht schreibe, ist meine Meinung. Nicht mehr und nicht weniger.

Nichts, was als Tatsachenbehauptung gelten könnte, hält einer richterlichen Prüfung durch die Pressekammer stand.

Ich schreibe z.B., dass der Streitwert aller meiner offenen Fälle über 30.000,00 EUR beträgt, es könnten in Wirklichkeit aber nur 25.000,00 EUR sein. Ich habe nicht nachgesehen, und strittig ist außerdem, was offene Fälle sind. Hier kann sich meine Meinung von der der Pressekammer unterscheiden. Im Zweifelsfall entscheidet der Betroffene, d.h. die Pressekammer. So wird die Stolpe-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von der Pressekammer interpretiert. Ich schreibe oben auch, dass ich "vom Richtertisch zu hören bekommen" habe, dass der Streitwert eines Bildes in der Bildzeitung 30.000,00 EUR betragen kann. Nun kann ich nicht beweisen, dass das wirklich einer der Richter sagte. Mikrofone sind ja im Gerichtssaal verboten. Können sich weder alle drei Richter an diese Äußerung erinnern noch die Protokollantin und die beiden hinter dem Richtertisch sitzenden Herren - wahrscheinlich Referendare - sowie die anwesenden Anwälte, so kann mir diese Äußerung von einem der Richter verboten werden, denn mit dem "vom Richtertisch" könnte sich ein konkreter Richter verleumdet fühlen, vielleicht nicht unbedingt durch das falsche "Zitat" sondern durch den Kontext, welcher der "Kerntheorie" nach entscheidend ist. Der Kontext ist eindeutig kein Lobgesang auf die Pressekammer und die drei Richter.

Trotz der Gefahr einer Unterlassungsklage berichte ich weiter.

 

Die Stolpe-Entscheidung

Meine zweite Erkenntnis betraf die Stolpe-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Mindestens fünf mal erwähnte an diesem Tage der Vorsitzende Richter genüsslich diese Entscheidung.

Die Stolpe-Entscheidung verwirrt jeden Rechtsanwalt, der in Äußerungsverfahren Antragsgegner vertritt. Für die Pressekammer gilt etwas anderes. Für die Pressekammer war es immer schwierig, einen Unterschied zu treffen zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung. Da hilft wieder mal die Stolpe-Entscheidung. In Zukunft kann die Pressekammer ihre Urteile leichter begründen: es sollte in den Presse- und Internet-Artikeln mehr herausgestrichen werden, dass es sich um eine Meinungsäußerung handelt.

Als es um die Krawatten von Herrn Prof. Dr.h.c. Piëch, dem VW-Aufsichtsratschef ging (324 O 865/05), widersprach der Springer-Justiziar leise und unsicher dem Verweis auf die Stolpe-Entscheidung, da es doch in jedem Gerichtsverfahren um unterschiedliche Deutungen geht. Die Stolpe-Entscheidung tut weh. Wenn nun die Pressekammer gemäß der Stolpe-Entscheidung immer der Deutung des Betroffenen, d.h. des Antragstellers in einem Verfügungsverfahren folgt, sind Gerichtsverfahren überflüssig.
Übliche stilistische Mittel werden untersagt. Richter Buske grinste. Es ging um "grelle Krawatten mit Jagdmotiven" des weltbekannten Mannes. Der Prozessbevollmächtigte, Anwalt Prof. Prinz, meinte, dass der Mann auf der Krawatte, der ein Gewehr trägt, keinesfalls ein Jäger sein kann, denn neben diesen steht ein beladener Transportelefant und Transportelefanten werden bekannter weise nicht gejagt. Auch der Fuchs und das Huhn, die angeblich auch auf einer Piëch-Krawatte zu sehen sind, sind keinesfalls notgedrungener Weise Jagdmotive, denn ein Fuchs kann ja mit dem Huhn friedlich spielen, meinte Anwalt Prinz. Also darf sich Herr Prof. Dr.h.c. Piëch in seiner Ehre beeinträchtigt fühlen.

Die Richter müssen darüber beraten. Auch wenn andere, sogar die durchschnittlichen Deutschen in den beiden Krawattenbildern Jagdmotive sehen würden, kommt es darauf nicht an. Laut der Stolpe-Entscheidung genügt die Deutung des Betroffenen. In diesem Falle des Herrn Prof. Dr.h.c. Piëch, der meint, es seien keine Jagdmotive und der Vorwurf, er liebe solche Motive, sei eine schlimme und unzulässige Schmähkritik. Die "Bild" hat das zu unterlassen.

Dann wurde noch beraten, ob Prof. Dr.h.c. Piëch meine, er sei ein "technisches Genie", denn wie es in "Bild" stand, war diese Aussage eindeutig ein Zitat. Auch meinte Prof. Dr.h.c. Piëch nicht, dass nur seine persönlichen Gene auf seine Kinder übertragen werden, sondern die Gene seiner Vorfahren ebenfalls. Das hat die "Bild", die meinte, er spricht nur von seinen Genen, falsch dargestellt und es muss der "Bild" untersagt werden, obwohl die Richter sich mit den "wertneutralen" Äußerungen schwer tun. Aber ein durchschnittlicher Deutscher käme sonst auf den Gedanken, Prof. Dr.h.c. Piëch hätte eine geniale Entdeckung vorgetragen: die Gene der Vorfahren spielen bei seinen Kindern keine Rolle [Das wurde nicht vorgetragen, es sind meine eigenen ironischen Schlussfolgerungen aus dem Streit, den ich an diesem Freitag miterlebte].

Folgerichtig wurde die einstweilige Verfügung vom 16.01.2006 in zwanzig Punkten aus einundzwanzig bestätigt. Der Springer-Verlag blieb auf seinen Kosten sitzen und muss nun das Hauptsacheverfahren beantragen. Im Hamburger Abendblatt vom 16.02.02 lese unter der Überschrift "Schlappe für Piëch im Krawatten-Prozeß".

"Nach einem Urteil des Hamburger Landgerichts darf die Verlagsgruppe Handelsblatt in ihrem Magazin "Wirtschaftswoche" wieder behaupten, Piëch "trägt gerne Krawatten mit Jagdmotiven". Das sagte eine Gerichtssprecherin gestern in Hamburg.
....
Doch bei den anderen [zwanzig aus einundzwanzig - RS] beanstandeten Behauptungen folgte das Gericht der Auffassung des VW-Aufsichtsratschefs."

Ich habe gelernt und begriffen. Die Stolpe-Entscheidung stärkt die Pressekammer fast grenzenlos. Gibt es keine materiellen Beweise und kommt es nur auf die Interpretation einer Äußerung an, so unterliegt eine Meinungsäußerung immer dem Wunsch des Antragsstellers, der sich von der Meinungsäußerung negativ angesprochen fühlen darf. Entscheidet die Kammer anders, dann kann der Antragsteller bis zum Verfassungsgericht klagen. Was kann die Hamburger Pressekammer dafür; sie muss sich dem Bundesverfassungsgericht beugen. Auch die Springer-Anwälte trauten sich nicht, offen vom Vorsitzenden Richter zu verlangen, dass er die Stople-Entscheidung nicht so eng interpretiert. Der offizielle Leitsatz der Stolpe-Entscheidung besagt nämlich:

Verletzt eine mehrdeutige Meinungsäußerung das Persönlichkeitsrecht eines anderen, scheidet ein Anspruch auf deren zukünftige Unterlassung - anders als eine Verurteilung wegen einer in der Vergangenheit erfolgten Äußerung, etwa zu einer Strafe, zur Leistung von Schadensersatz oder zum Widerruf - nicht allein deshalb aus, weil sie auch eine Deutungsvariante zulässt, die zu keiner Persönlichkeitsbeeinträchtigung führt.

Die Pressekammer kann jubeln und bestrafen soviel Gott erlaubt oder solange es Spaß macht. Durch Festsetzung des Streitwertes kann zusätzlich frei und richterlich unabhängig bestraft werden.

 

Tratschgeschichten

Den Streit in der Sache 324 O 41/06 Prof. Dr.h.c. Piëch gegen Gruner + Jahr AG habe ich nicht so richtig verstanden. Anscheinend ging es darum, wann Marlene Porsche mit Piëch zusammenkam. War jemand dazwischen und wann? Wer hat wen ausgespannt?

Helmuth Jipp, der bekannte Wallraff-Anwalt, versuchte zu erklären, dass die Veröffentlichung eine Gemeinschaftsarbeit war. Wer was geschrieben hat, ist auch bedeutend. Sofort dachte ich an die Strafverfahren, bei denen es wichtig ist zu wissen, wer das Messer gezückt hat und zugestoßen. Diejenigen, welche das Opfer hielten, sind anders zu beurteilen als der Messerstecher. Ein sehr interessanter Gedanke. Im Zivilverfahren die Autorenschaft nicht bestätigen. Nun kenne ich einen weiteren juristischen Trick. Bloß nicht zu seinen Worten stehen, sich in der Masse verstecken. Hoch leben die Gesetzeslücken!

 

Definition der Deutschen Sprache - "Baubeginn" - markt intern Verlag GFmbH werden vier Äußerungen verboten

Was war noch so spannend? Ja ja, der Sprachgebrauch.

Baubeginn

Wieder habe ich etwas deutsch dazugelernt. Es ging um das Wort "Baubeginn". Was versteht ein durchschnittlicher Deutscher unter "Baubeginn"? Ist "Baubeginn" nur dann ein "Baubeginn", wenn mit dem Bau begonnen und halbwegs zügig das Objekt fertig gestellt wird, oder darf man auch von einem "Baubeginn" sprechen,  wenn eine Fundamentgrube ausgebaggert wird, das Fundament oder was es auch immer sein kann teilweise den Grubenboden bedeckt, wonach auf der Baustelle  jahrelang nicht gearbeitet wird.

Darf der "markt intern Verlag GmbH" (324 O 669/05) der "Dr. Amann AG" vorwerfen, mit dem Bau nicht begonnen zu haben, obwohl die Baugrube schon ausgebaggert und Beton zu sehen war, aber seit mehr als vier Jahren nicht mehr weiter gebaut wurde, weil angeblich Regengüsse die Baugrube unbrauchbar machten und ein neuer Baubetrieb gefunden werden musste, bei dem die Preise stimmten. Die nette  Anwältin Claudia Moffat - falls ich mich bei dem Namen nicht verhört habe -  aus der bekannten Kanzlei Prinz • Neidhard • Engelschall vertrat den letzten Standpunkt. Die Richter witzelten und meinten, "Baubeginn" setzt schon vom Verständnis her den halbwegs zügigen Baufortschritt voraus. Es kam zu keiner Einigung, auch zu keinem Vergleich, obwohl der Anwalt und der Firmenjustitiar der "markt intern Verlag GmbH" zum Vergleich bereit waren.

Der Rechtsanwältin der bekannten Kanzlei ging es meines Eindrucks nach nicht um einen Vergleich. Die Kanzlei klagt ja ständig bei der Pressekammer. Für diese ist alles Routine. In dieser lächerlichen Angelegenheit brauchte Prof. Dr. Prinz nicht selbst die "Dr. Amann AG" vor der Pressekammer zu vertreten. Dass Positionen aus den Bilanzen verschwanden, in Wirklichkeit wohl aber nur anders benannt bzw. andere Nummern erhielten, war falsch. Der "markt intern Verlag GmbH"  war bereit, das nicht mehr äußern zu dürfen. Aber was half´s. Am 5. Mai 2006 wird um 12:00 weiter getagt.

Ich recherchierte heute im Internet. Unter "Dr. Amann AG" und finde Schreckliches, "markt intern Verlag GmbH" stellt sich seriös vor. Für die Pressekammer spielt das alles keine Rolle. Wichtig ist, was heißt "Baubeginn" und "spurlos verschwunden". Wehe dem, der "markt intern Verlag GmbH" hat dazu eigene Definitionen und verwendet diese Worte anders als ein durchschnittlicher Deutscher, definiert von der Pressekammer Hamburg.

22.09.06: Die Beklagte (markt intern Verlag GmbH) wird verurteilt, vier Äußerungen nicht erneut zu tätigen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Was fiel mir noch auf?

 

Die Juristen waren mal wieder unter sich

In allen Verfahren wurden die Seiten nur durch Rechtsanwälte und in einigen noch durch einen Firmen- Justitiar vertreten. Entweder geht es den Betroffenen nicht um die Sache, oder sie verlassen sich auf diese Fachleute. Die Zukunft der Meinungsfreiheit wird damit in die Hände der Juristen, d.h. in die Hände einer einzigen Berufsgruppe gelegt. Ich frage mich, wie wird das enden?

Eine positive Ausnahme machte Frau Wussow (324 O 486/05). Sie war anwesend. Es war wohl Sabine Wussow. Ich kann mich aber auch irren. Was die "M.I.G. Medien Innovations GmbH" von Burda Verwerfliches berichtet hat, konnte ich als Zuhörer nicht mitbekommen. Jedenfalls gefiel Frau Wussow das Publizierte nicht. Auch nicht die Richtigstellung. "Es ist eine typische Männerentschuldigung! .... Sollte der Eindruck entstanden sein, .. und setzen dann noch eins drauf." Ihr ging es ums Prinzip. Die Details der Bettgeschichten und des Beischlafs sind nicht berichtenswert.

Dann war noch etwas für mich Entscheidendes.

Wird das Institut des Persönlichkeitsschutzes missbraucht?

Über den Herrn Prof. Dr.h.c. Piëch, dem VW-Aufsichtsratschef, berichtete die Springerpresse kritisch (324 O 865/05).

Es ging um eine Kette von "Schönheiten", meinte der vorsitzende Richter. Am Streitwert könne man ermessen, dass das Gericht die Sache angedämpft sieht. Viele der beanstandeten Äußerungen hatten kein Gewicht. Wäre Piëch Mitglied von Greenpeace, dann hätte die Behauptung mit den Jagdmotiven mehr Gewicht. Prof. Prinz, der Prozessbevollmächtigte des Herrn Dr.h.c. Piëch, trug zwar vor, dass neben der "grellen Krawatte mit Jagdmotiven" und der "Boeing" auch das andere und Wesentliche im Pressebericht nicht stimmte, aber er verstehe es abstrakt nicht: "Wo ist der Anspruch, Boeing zu schreiben, wenn sie es jetzt wissen, das es keine Boeing war? Wo ist das Problem? Hinzu kommt, dass es diese Szene gar nicht gab... . Wir haben nicht solch ein Flugzeug." Der Mann mit dem Gewehr ist doch ein Jäger, meinten die Springer-Spezialisten. Ich streite ab, dass das es ein Gewehr ist, meinte Prof. Prinz. Die Krawatten müssen im Hauptverfahren vorgelegt werden, dann kann auch die Pressekammer das Motiv auf der grellen Krawatte juristisch definieren.

Die Argumentation des Springer-Anwalts, dass von dem Antragsteller das Institut des Persönlichkeitsschutzes missbraucht wird, wenn wegen solcher unwesentlicher Details mit hohen Streitwerten geklagt und gegen die wesentliche Aussage eines Presseberichts nicht geklagt wird, beeindruckte niemanden. Der Anwalt Prof. Prinz und wohl auch die Pressekammer haben damit keine Probleme. "Dann müssten wir immer die Bedeutung des Kontextes behandeln. Sie können im Text viele Unwahrheiten unterbringen. Das geht doch nicht", begründete das Unverständnis der beisitzende Richter [das ist kein wörtliches Zitat, ich habe mir das so als Zuhörer notiert - RS].  Soll die Presse doch genauer recherchieren und jedes Wort prüfen. Die Gesetze ... . Ja, ja die Gesetze, dagegen kann auch die Pressekammer nichts tun. Überlastet ist diese ohnehin. Wozu sich in den Kontext hinein denken?

Auf die Bedeutung der "Kerntheorie" bei Äußerungsverboten, welche keinen Bezug zum Kontext fordert, werde ich in den nächsten Freitagen besonders achten. Lernen und immer weiter lernen, wird mein Motto sein.

 

Wandelnde geschichtliche Ereignisse

Zwei weitere Probleme hatten die Springer-Anwälte. Darf man über sich wandelnde geschichtliche Ereignisse, d.h. über Personen, die keine Personen der Zeitgeschichte sind, berichten?

In der "Bild" oder einer anderen Springer-Zeitung wurde berichtet, das Oliver Juhnke, der Sohn des bekannten Schauspielers Harald Juhnke wieder mal im Ausland zu schnell gefahren sei. Es ging im Verfahren (324 O 886/05) um Folgendes: durfte die Presse darüber berichten? Was waren die Argumente des Gerichts, dass nicht berichtet werden durfte?

Wer ist schon Oliver Juhnke? Wer kennt ihn? Wir kennen ihn jedenfalls nicht. Mit dem Prinzen von Hannover ist es anderes. Der Vorsitzende Richter erläuterte das etwa so: "Wenn ein bedeutendes Gericht eine Entscheidung trifft, dann saugen alle Honig daraus. Jeder versucht, Honig zu saugen. Der Prinz von Hannover hat diesen Bekanntheitsgrad, da kommt Juhnke nicht ran." und dann noch, "wir machen auch keine Liste auf", um mit dem Prinzen von Hannover vergleichen zu können.  [Das sind alles keine wörtlichen Zitate, ich habe mir das nur so als Zuhörer notiert - RS]. Der Prinz von Hannover sei zwar keine Person der Zeitgeschichte, doch prominent. Außerdem fuhr er über 200 und Juhnke nur 167. "Auch der Verstoß [von Juhnke] ist gering." Dann sagt der Kläger, dass noch gestritten wird, ob Juhnke am Steuer saß. Es war zwar das Fahrzeug seiner Mutter und am Steuer saß eine männliche Person, aber Juhnke war es nicht. "Also, Unterstellung," kommentiert der beisitzende Richter, worauf der Vorsitzende Richter sagte: "Einstweilige Verfügungen bestätigen wir auch bei Unterstellungen. Entweder ist die Person bedeutend oder die Tat ist wichtig." [das ist kein wörtliches Zitat, ich habe mir das so als Zuhörer notiert - RS]. Ein Bruch des Rechtsfriedens im fremden Land reichte nicht aus, um eine Handlung als wichtig zu definieren, wurden die Springer-Juristen belehrt. Dass Oliver Juhnke in Berlin im Bekanntheitsgrad nicht zu übertreffen ist, spielte keine Rolle. Es wurde auch gefragt, ob der Bericht nur im lokalen Teil der "Bild" erschien, obwohl es nicht darauf ankam. Es bleibt bei der bundesweiten Verbreitung und damit bei der Zuständigkeit der Hamburger Pressekammer. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers trug noch vor, dass Oliver Juhnke sich nicht bewusst an die Öffentlichkeit wendet. Die Boulevardpresse hat ihn bekannt gemacht und seine Prominenz künstlich erzeugt. Folgerichtig hat das Gericht die Einstweilige Verfügung noch am gleichen Tag bestätigt und die Kosten dem Springer-Verlag aufgebürdet.

Ich kannte Oliver Juhnke nicht. Warum die Richter der Pressekammer ihn nicht kannten, bleibt für mich ein Rätsel. Ich gab heute "Oliver Juhnke" bei Google ein und bekam 1230 Treffer. Bei "Prinz August von Hannover" waren es nur 378, bei "Ernst August Prinz von Hannover" 13.500 und bei "Prinz von Hannover" allerdings 19.300. In beiden Fällen verglichen mit "Angela Merkel" mit ihren mehr als fünf Millionen Treffern ein Klacks. Nebenbei bemerkt, "Andreas Buske" ergibt 1890 Treffer (betreffen aber nicht alle unseren Vorsitzenden Richter).

Ähnlich war auch das Problem im Falle 324 O 760/05. Verhandelt wurde wohl die Behauptung in einer Springer-Zeitung: "Wegen eines Drogendelikts ist der deutsche Schauspieler Bruno Eyron, auch bekannt als "Balko" aus der gleichnamigen RTL-Serie, zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Eyron muss 90 Tagessätze in Höhe von 200 Euro zahlen (18.000 Euro)." Der Anwalt Prof. Prinz kam nicht selbst. Er schickte eine Dame. Bruno Eyron ist nicht eine solche Figur wie der Prinz von Hannover, deswegen ist der Bericht anders einzuordnen, war die Meinung des Gerichts. Bei Google finde ich bei Eingabe "Bruno Eyron" auch wirklich nicht ganz eintausend Hinweise. Trotzdem konnte die Pressekammer nicht noch am gleichen Tag die Entscheidung treffen. Wir werden diese am 31.03.06 hören.

Gegen dieses Urteil wurde Berufung eingelegt. Diese wurde vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht am 12.09.2006 (7 U 80/06) verhandelt. Die Berichterstattung von Springer wurde verboten. Welche Passagen verboten wurden, ist mir allerdings nicht bekannt. Bericht über die Sitzung vor dem HansOLG v. 12.09.2006.

 

Dürfen Fragen formuliert werden?

Das zweite Problem der Springer-Anwälte zeigte sich in dem Ballack-Verfahren (324 O 983/05). In der "Bild" wurden solche Fragen gestellt, wie: Kann es nicht sein, dass psychomatische Probleme die Ursache für die Schenkelzerrung waren? Der Bild-Justitiar meinte, dass die Fragestellung doch keine Tatsachenbehauptung sein kann. Dies wurde in der Redaktion sehr ausführlich diskutiert. Natürlich kann die "Bild" sich verpflichten, nicht zu behaupten, dass psychomatische Probleme bei Ballack die Ursache für die Schenkelzerrung waren, zumal er, wie der Vorsitzende richtig bemerkte, später ein Tor gegen Leverkusen schoss. Warum darf man nicht eine Frage formulieren? Der Vorsitzende Richter meinte, dass im Einzelfall, auch wenn es nur Fragen sind, der Kontext zu sehen ist. Die Fragen zusammen genommen bilden den Kontext und sind damit Tatsachenbehauptungen. Die Springer-Anwälte bestanden auf der schriftlichen Begründung, denn ohne eine solche können sie die Journalisten und Redakteure nicht beraten. Wahrscheinlich kennt der Springer-Anwalt nicht die Definition der deutschen Sprache im BGH-Urteil VI ZR 38/ 03 v. 09.12.2003:

"Nach den vom Bundesverfassungsgericht (NJW 1992, 1442, 1443 f.) entwickelten Grundsätzen zur Beurteilung von Äußerungen, die in Frageform gekleidet sind, unterscheiden sich Fragen von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen dadurch, daß sie keine Aussage machen, sondern eine Aussage herbeiführen wollen. Sie sind auf eine Antwort gerichtet. Diese kann in einem Werturteil oder einer Tatsachenmitteilung bestehen. Dagegen lassen sich Fragen keinem der beiden Begriffe zuordnen, sondern haben eine eigene semantische Bedeutung. Zu beachten ist, daß nicht jeder in Frageform gekleidete Satz als Frage zu betrachten ist."

Aus diesem Beschluss kann die Pressekammer Honig saugen. Die Springer-Presse ist machtlos und steht auf verlorenen Posten.

Auch für mich sehr interessant, denn auf meiner Seite "Porträt" schreibe ich:

Es würde uns nicht wundern, wenn sich unsere Phantasien bewahrheiten, und:

  • er [Andreas Buske] ein geringeres Ansehen als sein Vorgänger (Wolfgang Neuschild) besitzt und sich deswegen neu profilieren muss
  • er die ´68er-Bewegung nicht verschlafen hat
  • er gern Veranstaltungen der Altonaer "Fabrik" besucht
  • .....

Unsere Phantasien müssen wahrscheinlich auch im Kontext gesehen werden und den strengen Beweisregeln der Pressekammer genügen. Es sind zwar keine Fragen und hoffentlich eines neuen BGH-Urteils nicht Wert.

Warum der beisitzende Richter am gleichen Tage gegen die Kontext-Betrachtungsweise argumentierte, habe ich nicht verstanden. Ich muss es verstehen lernen. Hoffentlich schaffe ich das in den nächsten Wochen. [An dieser Stelle muss ich erneut betonen, dass alles Gesagte und Zitierte höchstwahrscheinlich von mir nicht bewiesen werden kann. Denn ich habe keine Zeugen und die anwesenden Richter brauchen sich an nichts zu erinnern, sie dürfen auch abstreiten und mich der Lüge bezichtigen. Alles, was ich hier schreibe, ist nur eine Vermutung, und die Anführungsstriche bedeuten keinesfalls, dass die genannten Personen es auch wirklich sagten - RS].

Ein Problem hatte allerdings auch die Pressekammer.

 

Springer kann auch gewinnen

Mein heutiger Wissensstand spricht für meine These: "Springerpresse und andere Boulevardblätter sollen verlieren". Nun hat ja der Springer-Verlag im Falle von Frau Brunhilde Wagner (324 O 926/05) gewonnen.

Die Springer-Anwälte legten im Zusammenhang mit der von der Klägerin beanstandeten Veröffentlichung eine gültige Erlaubniserklärung neueren Datums vor. Ausgestellt hatte diese Angelika Reschenberg, die Frau des in ostdeutschen Künstlerkreisen bekannten Frisörs Peter Reschenberg. Angelika Reschenberg war zwar keine Generalbevollmächtigte wie die Klägerin Dagmar Frederic, aber immerhin immer noch eine Bevollmächtigte von Frau Wagner, in deren Namen die Frederic klagte.

Sogar der Anwalt Peter-Michael Diestel konnte der im Namen der demenzkranken Rentnerin Brunhilde Wagner (der 78-jährigen Witwe eines ehemaligen stellvertretenden DDR-Kulturministers) agierenden Klägerin nicht helfen.

Auch der ungeklärte Verbleib einer sechsstelligen Eurosumme vom Konto der  Rentnerin Brunhilde Wagner, worauf  - wie vorgetragen wurde - seinerzeit Angelika Reschenberg hingewiesen hatte, wurde erwähnt. Im Internet lese ich näheres: Von den ursprünglich 210 000 Euro auf dem Konto der Rentnerin sollen nur noch weniger als 3 000 übrig sein.

Die Bild-Zeitung präsentierte in diesem Zusammenhang ein auf Dezember 2003 datiertes Schriftstück, aus welchem hervorgeht, dass vom Konto der Rentnerin 100 000 Euro auf ein Depotkonto von Dagmar Frederic überwiesen wurden.

Die Pressekammer entschied, die Einstweilige Verfügung vom 05.12.2005 aufzuheben und die Kosten des Verfahrens Frau Dagmar Frederic aufzubürden. Ob die verbliebenen 3.000,00 EUR von Frau Wagner überhaupt zur Deckung der Prozesskosten noch ausreichen, ist vermutlich nicht mehr Sache der Pressekammer Hamburg.

"Muss ich darüber nachdenken," fragte der Vorsitzende.

Warum die Springerpresse bei der Pressekammer Hamburg meistens verliert, weiß ich nicht. Bin noch nicht dahinter gekommen. Vielleicht liegt es an dem guten Anwalt, dem Prof. Dr. Prinz, dem Sohn des ehemaligen Chefredakteurs der Bild-Zeitung Günter Prinz [habe ich ungeprüft aus der freien Wikipedia-Enzyklopädie http://de.wikipedia.org/wiki/Matthias_Prinz übernommen].

Der Vorsitzende Richter heute im Gerichtssaal [es sind keine wörtlichen Zitate; es sind nur Wiedergaben meiner Notizen als Besucher]:

".. Kette von Schönheiten.."

"Am Streitwert kann man ermessen, dass wir das abgeschwächt sehen.."

"Vielleicht ist er Mitglied der Greenpeace..."

"Das ganze Leben ist eine Jagt."

"Im Hauptsacheverfahren Krawatte vorlegen."

".. tun uns schwer mit den wertneutralen Äußerungen."

"Welches Auto ich fahre ist mir egal. Welche Lieblingsmannschaft ich habe, wäre nicht wertneutral."

"Wenn bei einem sozialen Geltungsanspruch kritisch berichtet wird, dann ist es richtig. Natürlich nicht, wenn es der fünfte Stock der deutschen Botschaft ist. Da muss es stimmen."

"War immer schwierig Tatsachenbehauptung von Meinungsäußerung zu unterscheiden. Da hilft uns wieder die Stolpe-Entscheidung."

"Dann sollte doch mehr herausgestrichen werden, dass es eine Meinungsäußerung ist."

"Einstweilige Verfügungen bestätigen wir auch bei Unterstellungen. Entweder ist die Person bedeutend oder die Tat ist wichtig."

"Die neue Stolpe-Entscheidung hat alles relativiert. Da brauchen wir nun die Deutung der Presse nicht anzunehmen."

"So schlimm ist es nicht, wenn die Dinger nicht mehr Fonds heißen."

"Kann man eventuell davon sprechen, dass kein Baubeginn stattfand, das der durchschnittliche Leser davon ausgeht, dass nach Baubeginn der Bau fortschreitet."

"Dass ich das nicht erwähnt habe, heißt, wir haben es nicht allzu wichtig gesehen."

"Das Telefon hat geklingelt, da passiert das eben."

"Muss ich darüber nachdenken?" (Es ging um Termingebühren)

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 14.05.08
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