Befangenheitsantrag gegen
Richter Andreas Buske, Dr. Korte und Zink
wird bestätigt.
Verhandlungsbericht
16.02.2006
Verhandlungsbericht - 18.06.2007
Urteil
als pdf-Darei
Landgericht Hamburg
Geschäfts-Nr.
324 O 886/06 |
Verkündet am:
11.04.2007 |
In der Sache
Herr Silar
- Kläger -
Prozessbevollmächtigte ...
gegen
Axel Springer AG
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte
erkennt das Landgericht Hamburg,
Zivilkammer 24
durch
den Richter am Landgericht Sievers
den Richter am Landgericht Böttcher
den Richter Burghart
am 11.04.2007 an.
Die Ablehnungsgesuche des Klägers gegenüber
dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske, dem Richter am
Landgericht Zink und dem Richter am Landgericht Dr. Korte sind
begründet.
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegenüber dem
Richter am Landgericht Dr. Weyhe ist unbegründet
Gründe:
1. Die Beklagte nannte in einem Artikel in
einer von ihr herausgegebenen Tageszeitung den vollständigen, nicht auf
eine Abkürzung reduzierten Namen des Klägers und teilte in einem Bericht
über einen von ihm geführten Verwaltungsrechtsstreit mit, er sei im
Jahre 1992 zu sechs Jahren „Haff" verurteilt worden, weil er als
19jahriger einen Mann erschlagen habe, der über Hitler geschimpft habe
(Anlage K 1). Der Kläger verlangt von der Beklagten, diese
Berichterstattung zu unterlassen.
Die Beklagte hat auf die Klage erwidert, sie
habe den vollständigen Namen des Klägers nennen dürfen, und dazu Anlass
und Gegenstand der Berichterstattung ausführlich geschildert
(Klageerwiderung vom 21. Dezember 2006, S. 2 ff. = Bl. 14 ff. d.A.}.
2. In der mündlichen Verhandlung, in der die
Kammer mit dem Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske und den
Richtern am Landgericht Zink und Dr. Korte besetzt war, wies der
Vorsitzende auf ein ebenfalls bei der Kammer anhängiges
Parallelverfahren hin. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten bat
daraufhin um eine Schriftsatzfrist {Protokoll vorn 16. Februar 2007. S.
2 = Bl. 26 d.A.}.
3. Der Kläger hat die Richter, die an der
mündlichen Verhandlung teilgenommen haben, und zudem den Richter am
Landgericht Dr. Weyhe, der auf der Terminrolle ebenfalls als Besetzung
der Kammer angegeben gewesen sei, wegen Besorgnis der Befangenheit
abgelehnt. Der Vorsitzende habe in der mündlichen Verhandlung zunächst
darauf hingewiesen, die Klage sei begründet. In dam Parallelverfahren,
in dem der Kläger einen anderen Zeitungsverlag wegen der gleichen
Berichterstattung auf Unterlassung in Anspruch genommen habe, sei die
Klage hingegen abzuweisen, weil die Beklagte dort weitere Tatsachen
vorgetragen habe, die der Vorsitzende sodann entweder aus der
Klageerwiderung oder aus dem Votum des Parallelverfahrens verlesen habe.
Gegenüber dem Vorsitzenden sei die Besorgnis
der Befangenheit begründet, weil er der Beklagten vorgegeben habe, was
sie vortragen müsse, um den Prozess zu gewinnen. Da dieser Hinweis in
der Kammer abgesprochen gewesen sein müsse, bestehe die gleiche
Besorgnis gegenüber den Beisitzern, und zwar auch gegenüber Richter am
Landgericht Dr. Weyhe, der nicht an der mündlichen Verhandlung, wohl
aber an der vorausgegangenen Beratung teilgenommen habe.
4. Richter am Landgericht Dr. Weyhe hat
dienstlich geäußert, nicht an der fraglichen mündlichen Verhandlung
teilgenommen zu haben. Die anderen abgelehnten Richter haben in ihren
dienstlichen Äußerungen darauf verwiesen, Verfahrensgang und
Sachbehandlung ergäben sich aus der Akte.
II.
Gegenüber den abgelehnten Richtern Buske, Zink
und Dr, Kِorte ist das Ablehnungsgesuch begründet, gegenüber dem
abgelehnten Richter Dr. Weyhe hingegen unbegründet.
1. a) Ein Grund, der geeignet ist, Misstrauen
gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen, und damit
die Besorgnis der Befangenheit zu begründen (§ 42 II ZPO), ist gegeben,
wenn objektive Anhaltspunkte bei einer besonnen und vernünftig denkenden
Partei die Befürchtung wecken können, der Richter stehe dem zu
entscheidenden Rechtsstreit nicht unvoreingenommen und unparteiisch
gegenüber. Nicht die tatsächliche Einstellung des Richters ist
entscheidend, sondern die nachvollziehbare Sichtweise der die Umstände
würdigenden Partei.
b) Sorge gegenüber der Unvoreingenommenheit
eines Richters ist begründet, wenn äußere Umstände den Schluss nahelegen,
der Richter habe gegen seine Pflicht zur Neutralität und Objektivität
und zur Gleichbehandlung der Parteien verstoßen, Der Richter darf nicht
den Anschein erwecken, erfordere einseitig die Position einer Partei.
Diesen Anschein erweckt er jedenfalls gegenüber einer besonnen und
vernünftig prüfenden Partei nicht durch die Erfüllung der Pflichten zur
Prozessleitung. Anregungen, Belehrungen, Hinweise, Ratschläge und
Empfehlungen an eine Partei gehören zu den prozessualen Pflichten des
Richters (§§ 139. 273 II Nr, 1. 278 II 2 ZPO). Sie benachteiligen eine
Partei erst dann auf eine so gravierende Weise, dass Zweifel an der
Unparteilichkeit gerechtfertigt sind, wenn Prozessgrundsätze verletzt
werden. So verlangen der Beibringungsgrundsatz und das Prinzip der
Waffengleichheit, dass jede Partei selbst dafür verantwortlich bleiben
muss, welchen Tatsachenstoff sie in welcher Ausführlichkeit dem Gericht
zur Entscheidung unterbreitet. Die Ermahnung des Richters, die Partei
möge sich wahrheitsgemäß und vollständig über die erheblichen Tatsachen
erklären (§§ 138 !, K, 139 i 2 ZPO) darf mit einem ausdrücklichen
Hinweis verbunden werden, welche Tatsachen das Gericht für
entscheidungserheblich hält, und ebenso mit einem deutlichen Benennen
der Lücken und Unzulänglichkeiten im darauf bezogenen Vortrag der
Partei. Ohne Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zu rechtfertigen,
darf der Richter ohne Umschweife und ohne vernebelnde Umschreibungen
deutlich benennen, weshalb eine Klage unschlüssig oder ein
Verteidigungsvorbringen unerheblich ist. Er muss es aber bei diesem
Hinweis bewenden lassen. Wie die Partei den aufgezeigten Mangel behebt,
muss der Richter ihr überlassen. Er nimmt sich einseitig ihrer Sache an,
wenn er gezielt das Vorbringen neuer Tatsachen anregt oder nahegelegt,
die bislang nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren oder wenn er durch
gezieltes, suggestives Fragen einer Partei den Vortrag abnimmt und sie
nur auf das Bestätigen des ihr Vorgebenen verweist. Der Richter muss, um
seine Hinweispflicht zu erfüllen, den Gegenstand benennen, zu dem der
Vertrag bislang mangelhaft ist,. aber er darf, um seine Unparteilichkeit
in dem vorn Beibringungsgrundsatz geprägten Zivilprozess zu wahren,
nicht vorgeben, mit welchem Vortrag die Partei den Mangel beheben
könnte. Er rnuss darauf hinweisen, wozu vorgetragen werden sollte, aber
er darf nicht nahelegen, was dazu vorgetragen werden sollte.
2. Die äußeren Umstände der mündlichen
Verhandlung vor der Kammer am 16. Febru ar 2007 legen den Schluss nahe,
dass die beteiligten Richter die ihnen gebotene unparteiliche
Zurückhaltung zu Lasten des Klägers nicht gewahrt haben. Dabei setzt die
Kammer das von dem Kläger in seinem Ablehnungsgesuch geschilderte
Geschehen voraus. Der Vortrag über das Verhalten des Vorsitzenden ist
unwidersprochen geblieben. Einen Anhaltspunkt findet er im Protokoll,
das den von dem Kläger beanstandeten Hinweis erwähnt, nicht aber seinen
Inhalt. Die dienstlichen Außerungen der beteiligten Richter, die sich zu
den mit dem Ablehnungsgesuch vorgetragen Schilderungen hätten verhalten
sollen (§ 44 III ZPO), bleiben ganz und gar unergiebig: sie verweisen
auf den „Verfahrensgang" und die „Sachbehandlung", die sich aus der Akte
ergäben, lassen das Gesehenen während der mündlichen Verhandlung, das
Gegenstand des Ablehnungsgesuchs ist, aber unerwähnt. Ein weiteres
Mittel der Glaubhaftrnachung {§ 44 II ZPO) steht dem Kläger nicht zur
Verfügung. Da seine Schilderungen plausibel erscheinen und nicht in
Frage gestellt worden sind, können sie der Beurteilung vorausgesetzt
werden, ohne dass die Kammer auf eine Ergänzung der dienstlichen
Äußerungen der abgelehnten Richter hinwirken müsste.
3. Vorsitzender Richter am Landgericht Buske
hat gegenüber dem Kläger Zweifel an seiner Unparteilichkeit
gerechtfertigt, indem er darauf verwies, mit welchem Vortrag sich die
Beklagte im Parallelverfahren gegen die dort erhobene, einen weitgehend
gleichen Gegenstand betreffende Klage erfolgreich verteidigen könne.
Damit hat er den Eindruck erweckt, einseitig die Position dar Beklagten
fordern zu wollen. Es ist nicht zu beanstanden, der Beklagten
deutlich vorzuhalten, dass ihr Vorbringen gegenüber dem mit der Klage
schlüssig dargelegten Anspruch unerheblich sei und sie deshalb den
Prozess verlieren werde. Dabei müssen die Lücken im Vortrag der
Beklagten aufgezeigt werden. Der Beibringungsgrundsatz ist aber
missachtet, wenn der so belehrten Beklagten nun auch dargelegt wird,
welcher Vortrag die Lücken schließen werde. Der Beibringungsgrundsatz
hätte es geboten, die Beklagte in eigener Verantwortung entscheiden zu
lassen, ob und wie sie ihren Vortrag nachbessern will.
Das zur Entscheidung eines Zivilrechtsstreits
berufene Gericht muss es dabei hinnehmen, dass die Partei diese Hinweise
unzulänglich zu verwerten weiß, trotz des Hinweises Maßgebliches nicht
vorträgt und deshalb unterliegt. Es muss auch hinnehmen, dass über
ähnliche oder sogar über identische tatsächliche Gegenstände
nebeneinander geführte Prozesse mit voneinander abweichenden Ergebnissen
entschieden werden müssen. Dagegen kann nicht die Sorge bemüht werden,
einander widerstreitende Entscheidungen über gleiche tatsächliche und
rechtliche Gegebenheiten müssten vermieden werden. Kraft des
Beibringungsgrundsatzes ist Urteilsvoraussetzung nicht nur das
tatsachlich Geschehene und seine rechtliche Beurteilung, sondern
vornehmlich das von den Parteien dem Richter Vorgetragene. Weichen in
nebeneinander geführten Prozessen die Darlegungen der Parteien über
einen identischen tatsächlichen Umstand voneinander ab, so kann dies
unterschiedliche Prozessergebnisse gebieten und rechtfertigen, ohne dass
aufklärungsbedürftig wäre, ob der Tatsachenvortrag in dem einen oder in
dem anderenRechtsstreit zutrifft - oder in keinem von beiden. Zwischen
solchen Urteilen bestünde ein Widerspruch nicht, denn sie beruhten auf
in maßgeblicher Hinsicht unterschiedlichem Parteivortrag.
Nach diesen Maßstäben hatte Vorsitzender
Richter am Landgericht Buske, um seinen Hinweispflichten gegenüber der
Beklagten zu genügen, keinen Anlass, ihr zu einem ähnlichen Vortrag zu
verhelfen, wie er ihn von der Beklagten im Parallel verfahren kannte. Er
war verpflichtet, die Beklagte auf die Mangelhaftigkeit ihres
Verteidigungsvorbringens hinzuweisen und auch den Bereich zu benennen,
zu dem der Vortrag ergänzt werden müsste, um die derzeit bestehenden
Erfolgsaussichten der Klage zu erschüttern. Aber es bestand weder die
Pflicht noch die Berechtigung, auf ein denn Parallelverfahren gleiches
Prozessergebnis hinzuwirken. Der Kläger durfte deshalb die Darlegungen
des Vorsitzenden, mit welchem Vertrag die Beklagte des
Parallelverfahrens die Abweisung der Klage erreichen werde, als das
einseitige, parteiische Bemühen auffassen, auch der Beklagten in diesem
Rechtsstreit zum Erfolg zu verhelfen, den sie eventuell nicht erreichen
könnte, wenn sie allein auf eigenes Geschick und Vermögen angewiesen
wäre.
4. Gegenüber den Beisitzern in der mündlichen
Verhandlung, den Richtern am Landgericht Zink und Dr. Korte, ist die
Befürchtung, sie seien zu Gunsten der Beklagten voreingenommen, aus den
gleichen Gründen gerechtfertigt, Hinweis- und Belehrungspflichten hat
das Gericht in seiner Gesamtheit zu erfüllen, nicht der Vorsitzende
allein (§§ 139 l 2, 278 I! 2 ZPO). Der Vorsitzende leitet die
Verhandlung und die Erörterungen (§ 136 i, III ZPO), legt dabei aber
nicht seine Auffassungen zu Grunde, sondern das Beratungsergebnis im
Spruchkörper. Wird die Besorgnis der Befangenheit nicht durch die Art
und Weise der Verhandlungsführung oder die Form der Mitteilung von
Hinweisen gerechtfertigt, sondern durch ihren materiellen Gehalt, so
richtet sich die dadurch begründete Sorge der Voreingenommenheit nicht
allein gegen den Vorsitzenden, sondern gegen alle Richter des
Spruchkörpers. Die Partei, deren Befangenheitssorge berechtigt ist,
kann nicht ermessen, ob die dazu Anlaß gebende Sachbehandlung von allein
drei Richtern oder nur von zweien für richtig gehalten wird. Ihr
Schützens wertes Interesse, alle voreingenommenen Richter von der
Entscheidung auszuschließen, kann nur dadurch durchgesetzt werden, auch
einen Richter auszuschließen, der eventuell das Vorgehen der Kammer
nicht für richtig hält, sich in der Beratung dagegen gewandt hat, aber
überstimmt worden ist. Das ebenfalls mit hohem Rang ausgestattete
Beratungsgeheimnis (§§ 192, 193 GVG) verbietet ein Offenlegen des
Entscheidungsganges allein mit dem Ziel, einen überstimmten Richter von
der Ablehnung auszunehmen.
5. Richter am Landgericht Dr. Weyhe hat
hingegen keinen Anlass gegeben, an seiner Unvoreingenommenheit zu
zweifeln. Er war an der mündlichen Verhandlung nicht beteiligt, und es
sind Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, die dafür
sprechen konnten, dass er auf das Ergebnis der Vorberatung Einfluss
genommen hätte. Ob der Richter, wie der Kläger vermutet, bei der
Beratung über die zur mündlichen Verhandlung anstehende Sache anwesend
war, ist dabei nicht maßgeblich. Da er nicht zur Entscheidung berufen
war, kann nicht ohne weiteres angenommen werden, dass er an Erörterungen
der Sache teilgenommen, bei entstehenden Meinungsverschiedenheiten
seine Auffassung dargelegt oder sogar sein hypothetisches Stimmverhalten
kundgetan hätte.
Sievers
Böttcher Burghart
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Rolf Schäike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 21.06.07
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