Bericht Rolf Schälike - 28.07.2006
Auch für diesen Bericht gilt, wie für alle anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen. Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung habe ich nicht; es handelt sich um Verschwörungstheorien. -> Terminrolle 14.07.2006
An diesem Freitag war der NDR mit einem Kamerateam dabei sowie andere Journalisten. Der Pförtner wusste nicht, wo die Pressekammer verkündet, denn die Terminrolle lag nicht bei ihm. Nichts Ungewöhnliches, doch kein Hindernis, die Pressekammer zu finden. Die anwesenden Journalisten sowie den NDR interessierten die Urteile zum Contergan-Film "Nur eine einzige Tablette". Danach verschwanden sie, doch es blieben fast ein Dutzend Jura-Studenten und einige andere Interessierte. Der Gerichtssaal blieb fast voll. Seit dem 10. Februar 2006 gehe ich jeden Freitag zu den öffentlichen Verhandlungen. Die Widerspruchsverhandlungen bezüglich Contergan waren nicht dabei. Müssen an einem anderen Wochentag gewesen sein. Vielleicht am Montag. Wie ich erfahren kann, wann Montags Verhandlungen stattfinden, ohne jeden Montag frühmorgens neben der Tür zum Saal 335 nachzusehen, ob eine Terminrolle aushängt, habe ich noch nicht herrausgefunden. Diese Öffentlichkeitsbarriere besteht noch. Aus dem Internet erfahre ich zur Sache Grünenthal ./. WDR "Nur eine einzige Tablette" (324 O 15/06), dass es Geradezu dubios erscheint, dass das Gericht diesen Film verbietet, ohne ihn ganz gesehen zu haben. Er wurde in einer separierten Gerichtsverhandlung im Hamburger NDR-Sendehaus gezeigt. Aber Andreas Buske, Vorsitzender Richter am Landgericht Hamburg, ließ die Vorführung nach einer knappen Stunde abbrechen. Das Ende des ersten Teils und der ganze zweite Teil wurden hier nicht angeschaut. Es gibt also separierte Gerichtsverhandlungen. Wie erfährt das die Öffentlichkeit, um teilnehmen zu können, wenn schon die regelmäßig am Freitag stattfindenden Verhandlungen erst am frühen Morgen bekannt gegeben werden und die Dienstag-Verkündungen früher nicht ausgehangen wurden.
324 O 14/06 (Grünenthal ./. Zeitsprung) - EV
v. 14.02.2006 In den Verfahren ging es um 32 teilweise identische Verbotsanträge - 15 von Grünenthal und 17 von Schulte-Hillen beantragt -, deren öffentliche Verbreitung der Pharmakonzern und der damalige gegnerische Anwalt mittels einstweiliger Verfügungen im Februar 2006 untersagen ließen. Am 28.07.06 bestätigte die Pressekammer Hamburg mit dem Vorsitzenden Richter Andreas Buske 30 dieser Untersagungen. Der Vorsitzende gleich zu Beginn: Sie interessieren sich bestimmt für die Urteile Grünenthal gegen Zeitsprung: Da erging ein Urteil. Die Einstweilige Verfügung vom 14.02.06 wird in Ziffer I.1. sowie I.3 aufgehoben ... und im übrigen bestätigt. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen. Grünenthal gegen WDR gleich lautend. Im Fall Schulte-Hillen gegen Zeitsprung wird die Einstweilige Verfügung vom 09.02.06 bestätigt. Der Antragsgegner hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen. Schulte-Hillen gegen Zeitsprung gleichlautend. Die Kurzbegründung liegt bei der Pressestelle aus. Die Kammer hat die Einstweiligen Verfügungen in Sachen des Antragstellers Anwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen in vollem Umfang und in Sachen der Antragstellerin Pharmafirma Grünenthal GmbH im Wesentlichen bestätigt. Insoweit hat sich bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechte das Persönlichkeitsrecht der Antragsteller gegenüber der Kunstfreiheit, auf welche sich die Antragsgegner berufen können, durchgesetzt. Bei der Frage danach, ob der dokumentarische oder der fiktionale Charakter des Films im Vordergrund stehe, legt die Kammer der Entscheidung zugrunde, dass in den Augen des Zuschauers im Hinblick auf die Antragsteller das dokumentarische Element deutlich überwiegt. Eine ausreichende Verfremdung der aus der Wirklichkeit entlehnten Vorgänge lässt sich nicht feststellen, so dass das Publikum zwischen Wahrheit und Erdichtetem nicht unterscheiden kann. Dabei orientiert sich der Film in zahlreichen Details so nah am realen Vorbild der Antragsteller, dass diese nur verhältnismäßig geringfügige Abweichungen zwischen dem tatsächlichen und dem im Film dargestellten Geschehen hinnehmen müssen. Gewichtigere Abweichungen sowie Eingriffe in besonders geschützte Bereiche der Persönlichkeit müssen die Antragsteller dagegen nicht dulden. In der Urteilsbegründung heißt es, die "konkrete Begehungsgefahr" löse nicht erst der fertige Film aus, "in welcher Fassung seines Schnittes auch immer", sondern schon das von Grünenthal vorgelegte Drehbuch. Herausgenommene Szenen könnten ja jederzeit wieder hineingenommen werden. http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,428994,00.html Im Streit um den Contergan-Film "Nur eine einzige Tablette" hat der produzierende WDR eine Niederlage hinnehmen müssen: Das Hamburger Landgericht bestätigte jetzt die einstweilige Verfügung, die von den damaligen Opferanwalt gegen den TV-Film erwirkt wurde. Hamburg - Es sollte das ARD-Event des Herbstes werden, doch die Chancen, dass der TV-Film "Nur eine einzige Tablette" überhaupt ausgestrahlt werden kann, sind seit heute sehr gering geworden. Das Hamburger Landgericht bestätigte Einstweilige Verfügungen, die der Pharmahersteller Grünenthal und der ehemalige Anwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen gegen den WDR erwirkt hatten. Thema des von Regisseur Adolf Winkelmann gedrehten Films ist der Contergan-Skandal der fünfziger und sechziger Jahre.
Medikament Contergan: Unzulässige "Verböserung"? Der damalige Opferanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen, an den die Sadler-Figur angelehnt ist, sah seine Persönlichkeitsrechte verletzt und wurde heute in vollem Umfang vom Hamburger Landgericht bestätigt. Bei der Abwägung der kollidierenden Grundrechte habe sich das Persönlichkeitsrecht gegenüber der Kunstfreiheit durchgesetzt, begründete Richter Andreas Buske das heutige Urteil. "Eine ausreichende Verfremdung der aus der Wirklichkeit entlehnten Vorgänge lässt sich nicht feststellen", hieß es. Das Publikum könne nicht unterscheiden zwischen Wahrheit und Erdichtetem. Sven Schulte-Hillen, der in dem Prozess seinen Vater vertritt, sagte laut "Süddeutscher Zeitung", dass die Biographien und Charaktereigenschaften seiner Eltern in dem Film nicht ausreichend verfälscht worden seien. Auch beklagte der Anwalt eine "unzumutbare Darstellung" intimer Szenen. Das von der Firma Grünenthal 1957 entwickelte Schlafmittel Contergan war in den sechziger Jahren auch gegen Schwangerschaftsübelkeit verschrieben worden. Rund 5000 Kinder kamen daraufhin mit schweren Missbildungen zur Welt. Nach einem mehrjährigen Prozess um den Contergan-Skandal stellte das Aachener Landgericht 1970 das Verfahren gegen sieben leitende Angestellte der Firma Grünenthal ein. Das Unternehmen brachte gut 50 Millionen Euro als Entschädigung für die Opfer in eine Contergan-Stiftung ein. Der Anwalt von Grünenthal, Dirk Dünnwald, hatte laut "SZ" vor Gericht geltend gemacht, dass seine Mandanten im Film "verbösert" würden.
Die Produktionsfirma und der WDR hatten argumentiert, dass die im Film
vorgenommenen Veränderungen ausreichend seien. Die von Schulte-Hillen
inspirierte Figur habe eine contergangeschädigte Tochter, die als
Einzelkind aufwächst, Schulte-Hillen hingegen habe drei Kinder, von
denen ein Sohn geschädigt sei. Richter Buske hatte laut "SZ" zunächst
dafür plädiert, in Vor- und Nachspann des Films explizit auf den
fiktionalen Charakter der Handlung hinzuweisen, prallte mit seinem
Kompromissvorschlag bei den klagenden Parteien jedoch ab. Unterdessen halten WDR und Zeitsprung zu ihrem Projekt, laut eigenen Angaben "ein zweitteiliges fiktionales TV-Drama vor dem Hintergrund realer Ereignisse um den Contergan-Skandal". "Auch wenn wir die Begründung des Gerichts noch nicht kennen: Die Entscheidung ist kein gutes Signal für die fiktionale Aufarbeitung von wichtigen zeitgeschichtlichen Ereignissen unseres Landes", erklärte WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf.
Gemeinsam mit der Produktionsfirma werde der WDR die Gründe der
Gerichts-Entscheidung prüfen und plane außerdem, gegen das Urteil
Berufung beim Hanseatischen Oberlandesgericht einzulegen. "Wir werden
alles dafür tun, dass der Film gezeigt werden kann", kündigte
Zeitsprung-Justitiar Mirek Nitsch an. http://www.ksta.de/html/artikel/1141776736051.shtml VON RÜDIGER HEIMLICH, 17.03.06, 07:06h ...... Konkret geht es Grünenthal um „15 Schlüsselszenen, die die geschichtlich verbürgten Ereignisse um Contergan schwerwiegend entstellen“. Beispielsweise werde im Drehbuch dargestellt, die Behörden hätten die Abgabe von Contergan verboten, nachdem Grünenthal das Medikament ein Jahr und drei Monate nach dem ersten Verdacht noch immer nicht zurückgezogen habe. Tatsächlich habe Grünenthal das Medikament bereits zwölf Tage nach dem ersten Verdachtsmoment aus eigenem Entschluss vom Markt genommen, so die Pharmafirma. Unzutreffend sei außerdem die Darstellung, das erste Entschädigungsangebot habe zehn Millionen D-Mark betragen und sei mit der Maßgabe unterbreitet worden, es müsse sofort angenommen werden. Tatsächlich habe das Unternehmen einen bedingungslosen Entschädigungsbetrag von 100 Millionen D-Mark angeboten und später auch ausgezahlt. Zu den 13 weiteren „Schlüsselszenen“ wollte Grünenthal keine Details nennen, „da es sich hierbei um eine laufende juristische Auseinandersetzung handelt“. Für den Produzenten Michael Souvignier und Drehbuchautor Benedikt Röskau ist der ganze Vorgang „grotesk“. Die einstweilige Verfügung beruhe auf einer veralteten und nicht realisierten Drehbuchfassung. Der Film, von dem es laut WDR noch nicht einmal eine Rohschnittfassung gebe, enthalte die beanstandeten Szenen überhaupt nicht. Der Film, so „Zeitsprung“-Produzent Michael Souvignier, beabsichtige nicht, „irgendjemanden zu diffamieren“. Tatsächlich habe „Zeitsprung“ in erläuternden Gesprächen mit der Firma Grünenthal deren Bedenken zu entkräften versucht. Der Pharmafirma sei es aber immer darum gegangen, dass die Namen „Grünenthal“ und „Contergan“ im Film nicht genannt werden dürften. „Das konnte von uns angesichts der Tragweite der historischen Ereignisse nicht akzeptiert werden.“ Der Vorwurf, „Eine einzige Tablette“ sei ein Unterhaltungsfilm, weist WDR-Fernsehfilmchef Gebhard Henke zurück. Er stellt den Film in die Tradition der politischen und zeitkritischen WDR-Fernsehfilme. „Wir haben uns historisch sensibel und künstlerisch verantwortungsvoll mit diesem Thema auseinander gesetzt. Der Film wird die wesentlichen historischen Begebenheiten korrekt wiedergeben.“ Für Drehbuchautor Röskau ist das Ansinnen des Pharmakonzerns durchsichtig: „Man will uns die Freiheit nehmen, Zeitgeschichte künstlerisch aufzuarbeiten. Das können wir nicht zulassen.“ Der WDR und „Zeitsprung“ werden Widerspruch gegen die ergangene Verfügung einlegen. - Der Pharmakonzern dürfte nun neuerliche Recherchen nach dem Wahrheitsgehalt seiner Sicht der Dinge ausgelöst haben. Die Frage, wie schnell er tatsächlich auf „erste Verdachtsmomente“ gegen Contergan reagierte, wird seit je äußerst kontrovers diskutiert. Die beiden Urteile zu Gunsten von Schulte-Hillen sind eine Bestätigung meiner These, dass in der Pressekammer die Juristenkaste besonders zu schützen sei. Der Kläger ist ein ehemaliger Anwalt eines Contergan-Betroffenen. Zum Hintergrund, weshalb ein Betroffenen-Anwalt zum Kläger gegen den Filmproduzenten wird, könnte der folgende Artikel etwas beitragen: http://www.mynetcologne.de/~nc-meyeran4/kurzdar.htm. Bundesjustizminister Gerhard Jahn weigerte sich aber stets eine solche einklagbare Garantie abzugeben. Anstatt dessen versprach er dem Vorsitzenden des Bundesverbandes der Eltern körpergeschädigter Kinder e.V., Hans- Helmut Schleifenbaum, einen Vorstandsposten innerhalb der Stiftung und sowohl dem Grünenthaltreuhänder Herbert Wartensleben als auch dem Rechtsanwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen je einen Kommissionsvorsitz in den beiden Professorengremien der Stiftung - alle Zusagen wurden wahr gemacht -, so daß ihr anfänglicher Widerstand in Begeisterung für die Stiftung umgeschlagen war. Während der Elterntreuhänder Schreiber mit Überlegungen und Besprechungen beschäftigt wurde, wie eine Sicherstellung der geforderten Art bei der Bundesregierung zu erreichen sei, bereiteten Schulte-Hillen, Wartensleben und Schleifenbaum eine Aktion vor, um ihn bei der Meinungsbildung der Eltern auszuschalten. Das Ergebnis dieser Aktion war eine Reihe von Rundschreiben, die die angeblichen Vorzüge der Stiftungslösung hervorhoben und den Eindruck vermittelten, eine weitere Verbesserung des Gesetzes sei weder nötig noch möglich. Hinsichtlich der Dynamisierung der Renten wurde darin behauptet, daß in den nächsten Jahren mit einer solchen gerechnet werden könne. Auch wurde der Eindruck erweckt, eine Auszahlung der Renten stünde unmittelbar bevor. In einem der Rundschreiben war ein Formular enthalten, mit dem die Eltern die Treuhänder ermächtigen sollten, die Vergleichsgelder in die Stiftung einzubringen. Die Richtigkeit der Aussagen habe ich nicht geprüft und korrigiere diese gern auf Hinweis. Es soll nur die Problematik veranschaulicht werden, vor welcher die Pressekammer steht, und wie diese Kunst sowie Meinungsverschiedenheiten bewertet. Presserklärung WDR ▲WDR und Zeitsprung weiterhin für Film "Eine einzige Tablette"28.07.2006 - 14:17 Uhr Köln, 28. Juli 2006 (ots) - Das Landgericht Hamburg hat heute die gegen den von der Produktionsfirma Zeitsprung für den WDR produzierten Contergan-Film erlassenen einstweiligen Verfügungen weitgehend bestätigt. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 24. Juli 2006 nur knapp 60 Minuten des zweiteiligen Films angesehen. Gegen die aus dem Februar 2006 stammenden Unterlassungsverfügungen hatten Zeitsprung und WDR Widerspruch eingelegt. Der WDR und die Produktionsfirma werden die Gründe der Entscheidung prüfen und beabsichtigen, gegen die Entscheidung Berufung beim OLG Hamburg einzulegen. Die Aachener Pharmafirma Grünenthal, seinerzeit Herstellerin des Medikaments, das in den sechziger Jahren die Missbildung von tausenden von Neugeborenen verursacht hat, als auch der Rechtsanwalt Schulte-Hillen, der glaubt, im Film wieder erkennbar dargestellt zu sein, hatten vor dem Landgericht Hamburg einstweilige Verfügungen gegen den Westdeutschen Rundfunk sowie die Produktionsfirma Zeitsprung Film+TV Produktions GmbH erwirkt.Bei dem Film mit dem vorläufigen Titel "Eine einzige Tablette" handelt es sich um ein zweitteiliges fiktionales TV-Drama vor dem Hintergrund realer Ereignisse um den Contergan-Skandal.WDR-Fernsehdirektor Ulrich Deppendorf: "Auch wenn wir die Begründung des Gerichts noch nicht kennen: Die Entscheidung ist kein gutes Signal für die fiktionale Aufarbeitung von wichtigen zeitgeschichtlichen Ereignissen unseres Landes. Wir können daher nur hoffen, dass wir das Ergebnis in einer höheren Instanz korrigieren können"."Die Entscheidung des Gerichts können wir nur mit Unverständnis zur Kenntnis nehmen. Wie nach Ansicht von nur 59 Minuten des Films, der eine Gesamtlänge von ca. 180 Minuten hat, eine solch weit reichende Entscheidung ergehen kann, ist für uns nicht nachvollziehbar. Das können wir angesichts der Tragweite der historischen Ereignisse nicht akzeptieren. Gemeinsam werden Zeitsprung und der WDR alles dafür tun, dass der Film gezeigt werden kann," so der Justitiar der Produktionsfirma Zeitsprung, Mirek Nitsch.WDR-Pressestelle, Barbara Feiereis, Tel. 0221-220.2705 Zeitsprung Film+TV Produktions GmbH, Michael Pauser, Tel. 0221-94980234. Kommentar zum Verbot "Nur eine einzige Tablette" in "Welt am Sonntag" Linksammlung zu Contergan
Kommentar 13.08.2006 zu den anderen Verkündungen (RS) ▲ Die anderen Verkündung waren wie immer sehr lakonisch: Springstein gegen TAZ: Beweisbeschluss - von Hannover gegen M.I,G.: Urteil: Der Beklagten wird verboten, eine Äußerung erneut zu verbreiten. - von August gegen M.I.G.: Der Bunten wird verboten, zwei Fotografien erneut zu verbreiten. Caroline von Hannover: Urteil: Der Beklagten wird verboten, ein Foto erneut zu verbreiten. Bohlen gegen M.I.G.: Es wird der Beklagten verboten, zu fragen: "Ist er wirklich der Vater von Estafanias Baby?" Jäger gegen Morgenpost: Beschluss; eine Vergleichsanregung wird unterbreitet. Darauf folgen noch einige Aussetzungsbeschlüsse: Diekmann gegen Weichenberg ausgesetzt auf den 01.09.06. Schröder gegen Morgenpost ausgesetzt auf den 01.09.06. Jahnsen gegen Jahr ausgesetzt auf den 01.09.06. Einheitsfutter Luckow gegen HZ ausgesetzt auf den 01.09.06. Amann AG gegen markt intern ausgesetzt auf den 01.09.06. Der Pseudoöffentlichkeit hat das zu genügen. Erfährt die Öffentlichkeit mehr, wird womöglich das Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf Selbstdarstellung verletzt. Zu verstehen lediglich zusammen mit der Terminrolle des heutigen Freitags.
In Sachen 324 O 798/05 Meyer vs. Handelsblatt u.a. war das Thema mir neu. Es fielen noch die Namen Simon, Köhlmann - alles weltweit verbreitete Namen. Meyer soll zu Köhlmann vor sieben Jahren im Zusammenhang mit der Entnahme von 46.000,00 EUR gesagt haben, dass er den Richter bezahle wie einen Makler. Nun hat dies das Handelsblatt öffentlich gemacht, und es folgte eine Klage am 07.10.2005. Meyer und Köhlmann streiten sich zusätzlich an einem anderen Ort vor Gericht. Damit Köhlmann nicht als Zeuge vor der Pressekammer auftreten kann, wurde nicht nur gegen das Handelsblatt geklagt, sondern auch gegen Köhlmann. Ein gut bekanntes Schema aus unseren eigenen Verfahren. Handelsblatt-Anwalt Mann verwies bedauernd auf diesen Trick. Es wird zu einer Beweisaufnahme kommen, entschieden wird dies allerdings erst am 22.09.2006. Bis dahin muss Westerwelle-Anwalt, Herr Mann etwas mehr substantiiert vortragen. Das Handelsblatt und Köhlmann werden verlieren. Zu bekannt das Schema.
Den Kläger vertrat die Kanzlei Schwenn. Diese Kanzlei bestreitet Doping-Verdacht, vertritt DDR-Prominente. Demnach müsste Herr Meyer obsiegen, ohne dass ich den Fall im Detail kenne und verstehe.
In Sachen 324 O 347/06 Biele vs. Google ging es darum, dass nach der Einstweiligen Verfügung vom 15.06.2006 zwar das verbotene Suchergebnis nicht mehr bei Eingabe der Wörter der verbotenen Abfrage erschien, jedoch bei Eingabe anderer Suchwörter in anderen Artikeln (Mopo). Geklagt wurde wieder gegen den admin-c. Die Pressekammer wand sich geschickt aus einer Entscheidung heraus. Die Google-Informatikerin, welche als Fachfrau von Google mitgebracht wurde, brauchte nicht befragt, die Verantwortlichkeit des admin-c nicht erneut entschieden zu werden. Die Eilbedürftigkeit wurde von der Kammer als nicht gegeben gesehen. Hiernach erklärte der Antragsteller, dass er den noch anhängigen Antrag auf eine Einstweilige Verfügung zurücknimmt, und auf die Rechte aus der Einstweiligen Verfügung vom 15.06.2006 verzichtet. Der Streitwert wurde festgesetzt auf 20.000.00 EUR. Die sechsundachtzig Seiten im Schriftsatz von Google brauchten nicht verhandelt zu werden. Der Vorsitzende Richter zum Schluss der Verhandlung: Wenn es ins Hauptverfahren geht, brauchen wir die sechsundachtzig Seiten. Heute ist ein milder Tag. Diese Sache hätte für eine halbe Stunde jedenfalls Stoff geboten." Wir bleiben am Ball und sind gespannt, ob es dem Anwalt Thorsten Woithe von der Kanzei RA Irion gelingt, in die deutsche Rechtsgeschichte für die Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit einzugehen, wie es Anwalt Steinhöfel im bekannten und berüchtigten Urteil (312 O 85/98) für die Linkhaftung gelang.
Wieder mal Sex - Kanzlei Dr. Schertz verliert als Klägervertreterin ▲ Die Sache 324 O 290/06 - Christian Brückner vs. Bild hat ein langes Vorspiel. Wir finden im Internet: Im Rahmen einer Reihe von Artikeln über die Darstellerin Alexandra Neldel ("Verliebt in Berlin") druckte die Zeitung ein "Playboy"-Cover mit einem Nackfoto, dessen Veröffentlichung Neldel "Bild" bereits 1998 per Einstweiliger Verfügung erfolgreich untersagt hatte. Neldels Anwalt, Christian Schertz, will nun das damals festgesetzte Ordnungsgeld und Schmerzensgeld für seine Mandantin einfordern. Außerdem kündigt er an, den Presserat anzurufen. Das Bild auf den Cover stammt aus einer Serie, die Neldel 1997 per Exklusivvertrag für den "Playboy" anfertigen ließ. Damals druckte "Bild" ohne Neldels Einverständnis Fotos aus der Serie. Die erwirkte eine mit Ordnungsgeld bewehrte Einstweilige Verfügung. "Bild" akzeptierte die Verfügung als endgültige Regelung und zahlte per Vergleich 50.000 Mark an die gebürtige Berlinerin. Nachdem die ebenfalls bei "Axel Springer" erscheinende Jugendzeitschrift "Yam" jetzt erneut den "Playboy"-Titel aus '97 veröffentlichte, wurde sie von Neldels Anwalt, Christian Schertz abgemahnt. "Bild" berichtete daraufhin am 11. Mai über "Wirbel um Nackfotos" und zeigte das umstrittene Playboy-Cover mit der unbekleideten Alexandra Neldel. Neldels Anwalt sieht darin einen klaren Verstoß gegen die Einstweilige Verfügung und wird nun ein Ordnungsgeld in Höhe der damals festgelegten Summe beim Landgericht Berlin beantragen. Für seine Mandantin will er ein Schmerzensgeld in "mittlerer fünfstelliger Summe" einklagen. Am Tag nach der strittigen Veröffentlichung druckte "Bild" unter der Schlagzeile "Heißer Sex im TV" eine Story über die Ausstrahlung des acht Jahre alten Films "Das Miststück" mit Alexandra Neldel bei RTL - dazu ein Standbild einer "Bett-Szene" zwischen Neldel und dem Schauspieler Christian Brückner. Darin mutmaßte die Zeitung, RTL strahle den Film aus, um sich an Neldel dafür zu "rächen", dass sie mit der Serie "Verliebt in Berlin" mittlerweile erfolgreicher sei als bei "Gute Zeiten - schlechte Zeiten" (RTL). Christian Schertz prüft nun, ob er auch gegen die Veröffentlichung der RTL-Bilder vorgehen wird. Woher die Fotos stammen ist unklar. Laut Zeitungsberichten verneinte ein RTL-Sprecher, "Bild" Fotomaterial zur Verfügung gestellt zu haben. Die Verhandlung des letzteren hatten wir an diesem Freitag. Nun erschien nicht Anwalt Christian Schertz, sondern Anwalt Dr. Stefan Krumow aus der gleichen Kanzlei. Zu Sexprozessen äußert sich der Vorsitzende gern und ausführlich [keine wörtlichen Zitate, nur meine Notizen - RS]: Wir sind der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Geldentschädigung nicht vorliegen. Der Film wurde gesendet. Damit sei die Veröffentlichung der Sex-Szenen kein schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Es ist keine reale Lebensszene. Es ist der Filmpartner. Keiner erhält den Eindruck, dass es eine reale Liebesszene sei. Wer bereit ist, Nacktaufnahmen zu verbreiten, kann nicht auf Entschädigung klagen. Dasselbe betrifft Tagebücher, wenn diese veröffentlicht werden. Wir Juristen leben allerdings von Ausnahmen. Doch all die Umstände, welche hinein zu treten mögen, veranlassen uns nicht, von einer solchen Persönlichkeitsrechtsverletzung zu sprechen. Anwalt Herr Krumow: Sehen das grundsätzlich anders. Der Vorsitzende, Herr Andreas Buske: Befürchte ich auch. Der Disput entwickelte sich. Dem Vorsitzenden reichte es: Jetzt gehe ich den Schritt mit. Den Film strahlte RTL aus. Beklagtenanwalt Herr Mann: Wie kommt der Leser drauf, dass es Paparazzi waren? Anwalt Herr Krumow: Nicht die Rolle sei angesprochen, sondern die Schauspielerin. Beklagtenanwalt Herr Mann: Es ist nicht die FAZ, sondern ein Boulevardblatt. .... Es sei Unterstellung, dass eine Kampagne wegen der Geldentschädigung erfolgt. Ob das geschmacksvoll ist oder nicht, ist hier nicht zu entscheiden. Es geht um 40.000,00 EUR Entschädigung. Diese Szene ist über RTL für Millionen gelaufen. Mit RTL gibt es einen unbegrenzten Vertrag. Kann immer wieder gesendet werden. Wo sei die Schwere, wenn Millionen das im Fernsehen gesehen haben? Dem Vorsitzenden reichte es: Wollen wir jetzt ein bisschen die Schriftstücke austauschen? Die Kammer gibt zu erkennen, dass jedenfalls eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht gesehen werden kann, so dass für eine Geldentschädigung keine tragfähige Grundlage gefunden werden kann. Termine für Stellungnahmen wurden festgelegt. Die Entscheidung hören wir am 15.09.06, 9:55, Saal 335. 08.12.06: Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Urteil über die Vollstreckbarkeit
Fünf Minuten später der Sprung vom Sex zum Krieg. In beiden Fällen ging es ums Geld. Das liebe Geld.
Kriegsreporter Hutsch gegen die Frankfurter Allgemeine Zeitung ▲ Sache 324 O 741/05. In Sachen Hutsch vs. Frankfurter Allgemeine Zeitung war diesen Freitag wohl das Hauptsacheverfahren zum Verfügungsverfahren 324 O 341/05 vom 10.06.2005 -> Urteil. Herr Franz-Josef Hutsch erschien persönlich. Sprach jedoch wenig. Wir erfuhren aber mehr. Beispielsweise etwas über die Vorbereitung der Kriegsberichterstatter. Die Einleitung des Herren Vorsitzenden war lang: Wir haben sechs Unterlassungsanträge, Richtigstellungen und einen Schadensersatzantrag. Das sei ein bunter Strauß. Fangen wir an mit den Unterlassungen. BND, NATO - da müsse, was die Authentizität der Dokumente betreffe, Beweisaufnahme eintreten. Das könne schriftlich erfolgen. Bei Buchstabe b ginge es es um den Grad der Hartnäckigkeit. Haben Tendenzen, die Klage abzuweisen. Es ist im Internet verbreitet. Wir haben Schwierigkeiten zu erkennen, was falsch wiedergegeben wurde. Könne auch an uns liegen. Doch vielleicht gilt das nicht für privilegierte Quellen. Diese werden zu Informationszwecken verbreitet. Buchstabe c: Neigen der Klage statt zu geben. Schilderung des Vorgangs ... . Der Beklagte bestreutet, dass der Kläger das gesagt habe. Wenn sich der Beklagte aufs Protokoll beruft, dann auch wir. Nächster Punkt: Gespräch mit den serbischen Journalisten. Die Leichen wurden nicht verstümmelt, sondern von streuenden Hunden zerfleddert. Das Oberlandesgericht habe auch dazu etwas getan. Kläger beharre stur und unbelehrbar auf seiner Position, obwohl anderes bekannt sei. Wenn dem Kläger eine Gegenposition bekannt war, obwohl im Internet ... was noch nicht dargelegt sei, dann meinen wir ... Buchstabe g: Fehlendes Interesse. Haben nach wie vor die Tendenz der Innere-Tatsachen-Annahme. Buchstabe f: Neigen dazu, die Klage abzuweisen. Ob eine Aussage zu Gunsten oder Ungunsten eines Beklagten gemacht wird, sei eine Bewertung. Zur Richtigstellung: Wir meinen, hier liegen die Hürden vielmal höher als bei einer Unterlassung. Die Erstmitteilung war am 01.05.2005, terminiert wurde am 19.04.2006. Dazu gibt es die OLG-Entscheidung, könne im Archiv Presserecht gefunden werden. Hat von 9 Monaten gesprochen. Kann also nicht von fortlaufender Beeinträchtigung gesprochen werden So können wir auch die Grundsätze der Stolpe-Entscheidung nicht anwenden. Es ginge um Unterlassungen, dass man das nächste Mal nicht etwas wieder so ausdrückt. Nur bei Punkt c sehen wir Erfolg. Mord, Hutsch, serbische Polizisten - das sei im hohen Maße Persönlichkeitsrecht. Da kann leicht ein Ansatz gefunden werden. Schadensersatz:
Setzt voraus, dass keine andere Deutung
möglich sei. ..... Zeuge: Chefredakteur des NDR, DJV-Bildungswerk. Dem Geldentschädigungsanspruch würden wir nicht stattgeben. Wer als Journalist mit solch brisanten Themen an die Öffentlichkeit tritt, muss damit rechnen; mehr als derjenige, welcher keinen Anlass gegeben hat. Die Idee ist nicht wahnsinnig originell, möchte ich vorab sagen. Ein Vergleich ... Danach erfuhren wir vom Beklagtenanwalt Herrn Mann, es ging um eine Entschädigung über 40.000,00 EUR für ausgefallenes Honorar beim DJV-Bildungswerk, welches das Ministerium für Verteidigung für Kriegsberichterstatter finanzierte. Mehr als 400 Journalisten wurden auf Staatskosten - würde ich sagen - für die psychologische Kriegsführung ausgebildet. Nun wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Kläger Herrn Hutsch und dem DJV-Bildungswerk schon im Januar 2005 beendet, der FAZ-Artikel erschien jedoch erst im Mai 2005. Könne also nicht der Grund gewesen sein. Nach kurzer Beratung einigten sich die Seiten, dass über einen nach außen wirkenden Text außergerichtliche Einigung erfolgen soll. Der Beklagtenanwalt, Herr Mann: Die nachvollziehbare Interessanlage bei Ihnen [Herrn Hutsch] berücksichtigend, können wir den Text abstimmen. Auf Zahlungsansprüche soll der Kläger verzichten. Die Parteien werden der Kammer zu gegebenen Zeit mitteilen, ob ein Vergleich auf dieser Basis möglich sei. Ein neuer Termin wird auf Anruf der Parteien festgesetzt.
Um die deutsche Sprache wurde heute nicht gestritten. Die Pressekammer hatte keine Gelegenheit, diese strafbewehrend festzulegen.
Brauchte heute nicht herangezogen zu werden. Der Vorsitzende: So können wir auch die Grundsätze der Stolpe-Entscheidung nicht anwenden.
Der Vorsitzende Richter an diesem Freitag im Gerichtssaal [keine wörtlichen Zitate; lediglich Wiedergaben meiner Notizen] ▲
"Wir wissen es nicht ganz genau, stand es schon im
August. "Wir Juristen leben allerdings von Ausnahmen." "Das ist im hohen Maße Persönlichkeitsrecht. Da kann leicht ein Ansatz gefunden werden." "Die Idee ist nicht wahnsinnig originell, möchte ich vorab sagen." _________________________________________
http://www.wams.de/data/2006/08/13/995404.html Das Ende des Doku-FernsehensDie Ausstrahlung eines ARD-Films über den Contergan-Skandal wurde gerichtlich verboten, weil die Pharmafirma und der Anwalt der Opfer ihre Persönlichkeitsrechte verletzt sehen. Kann man noch Filme drehen, die auf wahren Begebenheiten beruhen?Der Höhepunkt im Herbstprogramm der ARD sollte der Film "Eine einzige Tablette" von Adolf Winkelmann sein. Ein Zweiteiler über den Contergan-Skandal der 50er- und 60er-Jahre. Darin erzählt Winkelmann aus der Perspektive des Rechtsanwalts Wegener, dessen Frau eine behinderte Tochter zur Welt bringt, von der verheerenden Wirkung des Schlafmittels Contergan auf Schwangere, wie sie aufgedeckt wurde, und vom folgenden langwierigen Gerichtsprozess. Ob der längst fertig gestellte Film jemals gezeigt werden darf, ist aber noch völlig ungewiss. Das Landgericht Hamburg hat gerade in einem Urteil 30 von 32 einstweiligen Verfügungen bestätigt, die die Pharmafirma Grünenthal und der Anwalt Karl-Hermann Schulte-Hillen gegen die Produktionsfirma Zeitsprung und den Auftraggeber WDR erwirkt hatten. Der einstige Contergan-Hersteller sieht seine "Unternehmenspersönlichkeitsrechte" verletzt; der frühere Opfer-Anwalt Schulte-Hillen, selbst Vater eines Contergan-geschädigten Sohns, erkennt sich in der Hauptfigur des Spielfilms wieder. Nun darf das Prestigeprojekt, das fünf Millionen Euro gekostet hat, nicht gesendet werden. "Ich finde es beängstigend und ganz und gar unerträglich, dass ein Gericht einen Film verbietet, ohne ihn sich ganz angeguckt zu haben", kommentiert Regisseur Adolf Winkelmann das Urteil. Die "Premiere" und bislang einzige öffentliche Vorführung des 180-Minuten-Werks fand im Rahmen einer ausgelagerten Gerichtsverhandlung im Saal K 1 des Hauses 14 auf dem Hamburger NDR-Gelände statt. Eine NDR-Bedienstete wünschte "viel Spaß". Andreas Buske,Vorsitzender Richter der Zivilkammer 24 des
Landgerichts Hamburg, brach die Vorführung nach 59 Minuten ab.
Ursprünglich hatte er angekündigt, nur 30 Minuten anschauen zu wollen,
einem gewissen Sog konnte er sich demnach wohl nicht entziehen. Bis zum
Ende von Teil eins aber reichte seine Geduld nicht. Richter Buske, der durch sein Urteil im Prozess um Ex-Kanzler Gerhard Schröder und dessen nicht gefärbtes Haar eine gewisse Bekanntheit erlangte, hat als Vorsitzender der Pressekammer häufig mit Meinungsfreiheit und Medien zu tun. Im Gegensatz zum Schröder-Urteil aber hat der Prozess um den Contergan-Film nachhaltige Folgen. Denn der Fall steht für die große Unsicherheit, die seit dem sogenannten "Caroline-Urteil" zum Persönlichkeitsschutz in den Medien herrscht. Der Erfolg der Prinzessin vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eröffnete ein Schlachtfeld für Juristen. So ließen im Fall des Contergan-Films auch Staranwälte wie Peter Raue (für Zeitsprung) und die Kanzlei Prinz (Grünenthal) Persönlichkeitsrechte, Presserecht und Kunstfreiheit kollidieren. Sie taxierten auf fiktiven Skalen den Realitätsgehalt des Films bei 8 beziehungsweise 80 Prozent. Und sie warfen sich aktuelle Fälle an den Kopf: Es ging dabei um die Urteile gegen Maxim Billers Roman "Esra" und den "Kannibalen"-Film "Rohtenburg". Das Verbot von "Esra" aus dem Jahr 2005 hat der Bundesgerichtshof gerade bestätigt - eine Ex-Freundin und deren Mutter hatten sich im Roman wiedererkannt. "Rohtenburg" wurde vom Oberlandesgericht Frankfurt im März per einstweilige Anordnung gestoppt: Der als "Kannibale" bekannte Angeklagte Armin Meiwes hatte wegen "mindestens 88 Übereinstimmungen" im Film mit seiner Geschichte erfolgreich auf Verletzung der Persönlichkeitsrechte geklagt. Die Aufregung hielt sich, anders als im Fall "Esra", in Grenzen. Im Fall von "Eine einzige Tablette" erstaunt schon die anwaltliche Detailversessenheit, wenn es um das Drehbuch geht. Zum Beispiel ist laut Punkt 6 der Schulte-Hillen-Forderungen untersagt, "zu verbreiten/verbreiten zu lassen, dass die Eheleute Schulte-Hillen (alias Paul und Vera Wegener) zu Beginn der sechziger Jahre in einem luxuriös ausgestatteten "Neubautraum der frühen 60er" (mit getrenntem Bad und WC) gewohnt hätten und sich zum Einzug "eine nagelneue TV-Truhe" gekauft hätten (vgl. Drehbuch Teil I, S. 10 ff.)". Ebenso erstaunlich ist die klare Antwort von Richter Buske auf die Frage, ob es sich um ein eher dokumentarisches oder eher fiktionales Werk handle. Er sagte: "dokumentarisch", obwohl der Film überhaupt keine Interview- oder Archivszenen enthält - wie sie für "Doku-Dramen" typisch sind. Und während noch nachvollziehbar ist, dass die Pharmafirma, die heute circa 1800 Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, kein gesteigertes Interesse an einem Contergan-Film hat, verblüfft doch, dass der damalige Opfer-Anwalt Schulte-Hillen, 77, an der Seite des Konzerns klagt. 1970 hatte er mit dem Konzern-Justiziar Herbert Wartensleben eine außergerichtliche Einigung erzielt, wonach die Firma 100 Millionen Mark in eine Stiftung einzahlte; Wartensleben und Karl-Hermann Schulte-Hillen, den Bruder des langjährigen Gruner+Jahr-Chefs Gerd Schulte-Hillen, verbindet eine langjährige Freundschaft. Dass Schulte-Hillen sich von seinem Sohn Sven vertreten lässt, zeugt von seiner persönlichen Betroffenheit. Der empfindet den Film als Porträt seiner Eltern: "Es ist doch klar, dass ihnen das an die Nieren geht". "Eine einzige Tablette", ein aus Rundfunkgebühren und öffentlichen Fördermitteln finanzierter Film, den Co-Produzent Jan Mojto bereits in die Welt verkauft haben wollte, ist erst einmal nicht zu gebrauchen - und die neue juristische Unsicherheit im Hauptabendprogramm des öffentlich-rechtlichen Fernsehens angekommen. Liegt die richterliche Urteilsbegründung vollständig vor, werden die Filmproduzenten in Berufung gehen. Die endgültige Entscheidung dürfte vor dem Bundesverfassungsgericht fallen. Der Ausgang wird für die Behandlung authentischer Ereignisse im Fernsehen von größter Bedeutung sein. Regisseur Winkelmann, 60, Grimmepreis- und mehrfacher Filmpreisträger, dreht gerade in München. Er meint abschließend: "Hat man sich um die Persönlichkeitsrechte von 10 000 Contergan-Opfer weltweit gekümmert? Die vielen Geschädigten, die ich bei der Arbeit kennengelernt habe, freuen sich auf den Film. Die finden es wichtig, dass eine breite Öffentlichkeit sich ein Bild machen kann von denen, die die Arschkarte gezogen haben in diesem Spiel. Für die hab ich das gemacht." Artikel erschienen am 13. August 2006
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Rolf Schälike |