Leitsatz
Wer einen Link auf eine Internet-Seite mit beleidigenden Inhalten setzt,
macht sich den Inhalt dieser Seite zu eigen, wenn er sich nicht
hinreichend deutlich distanziert. Der bloße Hinweis auf die eigene
Verantwortung des fremden Site-Betreibers reicht hierfür nicht aus.
Streitwert: 40.000 DM.
Landgericht Hamburg
U R T E I L
Im Namen des Volkes
Aktenzeichen: 312 O 85/98
Entscheidung vom 12. Mai 1998
In der Sache
Joachim Nikolaus Steinhöfel
gegen
Michael Best
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer
12, für Recht:
1. Es wird festgestellt, daß der
Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der
diesem dadurch entstanden ist und noch entsteht, daß der Beklagte unter
der internet-domain "www.emergency.de" einen Hinweis (sog. Link) auf die
mit diesem Urteil verbundene Webseite eingerichtet hat.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des
Rechtsstreits.
Tatbestand
Mit der am 27.02.1998 zugestellten Klage nimmt
der Kläger den Beklagten nach wechselseitig hinsichtlich des
Auskunftsanspruchs erklärter Erledigungserklärung auf Feststellung und
Schadensersatzverpflichtung sowie Zahlung der anwaltlichen Kosten für
die Abmahnung betreffend die Unterlassung in Anspruch.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Beklagte ließ, nachdem ein weiterer
Rechtsstreit zwischen den Parteien vorangegangen war, auf seiner
Internet-Homepage – Anlage JS 1 – Links auf im Internet vorhandene
Informationen über den Kläger aufnehmen, so auf die Webpage Anlage JS 2.
Der Kläger hält diese "Berichterstattung" für
sittenwidrig und sieht sein allgemeines Persönlichkeitsrecht als
verletzt an. Der Beklagte hafte, da er sich durch den Verweis auf die
Webpage Anlage JS 2 die dortigen Ausführungen zu eigen gemacht habe.
Der Beklagte beantragt,
Klagabweisung.
Er meint, er habe durch die Zusammenstellung
der über den Kläger erfolgten Äußerungen einen "Markt der Meinungen"
eröffnet.
Des weiteren habe er durch Aufnahme einer
Haftungsfreizeichnungsklausel klargestellt, daß er keinerlei
Verantwortung übernehme. Im übrigen mache er von seinem Recht auf freie
Meinungsäußerung Gebrauch. Hierbei sei zu berücksichtigen, daß sich der
Kläger selbst nach außen hin exponiere. Schließlich fehle es auch an der
Darlegung eines Wettbewerbsverhältnisses.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet aus § 823 I, II BGB
i.V.m. §§ 186 StGB, 824 BGB wegen Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts sowie der Ehre des Klägers.
Der Beklagte hat dadurch, daß er einen sog.
Link auf die Webpage – Anlage JS 2 – in seiner Homepage aufgenommen hat,
die auf der Anlage JS 2 befindlichen ehrverletzenden sowie beleidigenden
Tatsachenbehauptungen als auch Meinungsäußerungen zu seinen eigenen
gemacht.
Nach Auffassung des erkennenden Gerichts wie
auch wohl des Beklagten, denn er hat die Unterlassungserklärung
abgegeben, überschreitet der Text der Anlage JS 2 an mehreren Stellen
die von Art. 5 GG geschützte Meinungsfreiheit, in dem die durch
Güterabwägung zu ermittelnde Grenze zum Ehr- und
Persönlichkeitsrechtsschutz nicht eingehalten ist. Angesichts der von
dem Beklagten abgegebenen Unterlassungserklärung erübrigt sich eine
detaillierte Darlegung der Beleidigungen im einzelnen. Hinsichtlich des
klagweise weiterverfolgten Schadensersatzanspruchs ist auszuführen, daß
entgegen der Auffassung der Beklagten die Aufnahme des Links weder von
der "Haftungsfreizeichnungsklausel" – so sie denn am 17.02.1998
überhaupt aufgenommen gewesen ist – noch von dem ohnehin erst im
nachhinein erstellten sog. "Markt der Meinungen" gerechtfertigt wird.
Wie in der Entscheidung des BGH vom
30.01.1996, NJW 96, 1131 ff. ausgeführt, kann das Verbreiten einer von
einem Dritten über einen anderen aufgestellten herabsetzenden
Tatsachenbehauptung dann eine Persönlichkeitsrechtsverletzung
darstellen, wenn derjenige, der die Behauptung wiedergibt, sich nicht
ausreichend von ihr distanziert. Eine solche ausreichende Distanzierung
hat der Beklagte jedenfalls nicht dadurch vorgenommen, daß er auf die
eigene Verantwortung des jeweiligen Autors verweist. Dies ist keine
Distanzierung, sondern vielmehr eine nicht verantwortete Weitergabe und
damit eine eigene Verbreitung.
Auch von einem nach Meinung des Beklagten dank seiner Recherchen über
den Kläger aufgestellten Zusammenschau von über den Kläger erfolgten
Publikationen im Sinne der zitierten BGH-Entscheidung vorliegenden Markt
der Meinungen, der etwa die Aufnahme des Links legitimieren könnte, kann
nicht die Rede sein. Es geht dem Beklagten nicht darum, wie aber in der
zitierten Entscheidung des BGH der Fall, ein Kaleidoskop von
Behauptungen in einer die Öffentlichkeit berührenden Angelegenheit
möglichst umfassend in alle möglichen Richtungen vertiefend
wiederzugeben, um der Wahrheitsfindung nachzuhelfen. Der Beklagte hat
vielmehr hier eine Zusammenschau ehrverletzender Artikel über den Kläger
erstellt. Die auf der Webpage Anlage JS 2 enthaltenen ehrverletzenden
Behauptungen sind darüber hinaus so schwerwiegend und nachhaltig, daß
der Beklagte vom Grunde her nicht allein zur Abdeckung des materiellen,
sondern auch des immateriellen Schadens verpflichtet ist.
Soweit der materielle Schaden bereits
bezifferbar ist, ist der Kläger dem in Gestalt des Zahlungsantrages
nachgekommen. Der Beklagte ist aufgrund seiner nach vorstehenden
Darlegungen bestehenden Schadensersatzpflicht gemäß §§ 823 I, II, 824,
249 ff. BGB verpflichtet, die außergerichtlichen anwaltlichen
Abmahnkosten zu bezahlen. Diese sind jedoch nur in Höhe des zuerkannten
Betrages zuzusprechen. Zugrundezulegen ist entgegen der Auffassung des
Klägers für den außergerichtlich geltend gemachten Unterlassungsanspruch
kein Gegenstandswert von DM 100.000,00, sondern vielmehr von DM
40.000,00. Die Höhe dieses Wertes reicht aus, um allen entstandenen und
etwaig noch entstehenden Schaden materieller und/oder immaterieller Art
abzudecken.
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Rolf Schälike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 17.04.06
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