Landgericht Hamburg
U R T E I L
Im Namen des Volkes
Geschäfts-Nr.: 324 O 699/03, Günter Wallraff
./. Springer-Verlag
Kommentare
1. Rolf Schälike - November 2005
Es bleibt dem Leser überlassen, die
gerichtlich festgestellten Tatsache mit der
Presseerklärung von Günter
Wallraff zu vergleichen, insbesondere mit der Aussage, er habe dem
DDR-Ministerium für Staatssicherheit zur keiner Zeit Informationen
gegeben.
Es ist von einem ordentlichen Gericht, unter
dem Vorsitzt des Richters Andreas Buske zweifelsohne festgestellt worden,
dass Gundlach für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit arbeitete, mit
Wallraff befreundet war und Gespräche geführt hat. Damit sind doch
eindeutig Informationen von Günter Wallraff an das DDR-Ministerium für
Staatssicherheit, in der Person von Gundlach, geflossen (gegeben worden).
Interessant ist wie der Richter Andreas Buske
es vermeidet, eindeutig festzustellen, dass auch schriftliche Materialien
an den Stasi-Mitarbeiter Gundlach übergeben wurden. Die Möglichkeit, das
Materialien übergeben wurden, wird nicht ausgeschlossen, jedoch immer nur
in Bezug zur IM-Tätigkeit betrachtet und damit nicht weiter untersucht.
Beim Brief des Stundenden behauptet Wallraff,
diesen nicht übergeben zu haben. Buske stellt fest:
"Die Geschichte bleibt mysteriös,
belegt damit aber noch nicht eine IM-Tätigkeit des Klägers."
Wir können nur annehmen, dass es dem Richter
Andreas Buske nicht um eine Wahrheitsfindung ging, geschweige denn um
einen Beitrag zur Vergangenheitsbewältigung.
Was wäre schlimm daran, wenn Günter Wallraff
wissentlich und willentlich mit der DDR-Staatsicherheit zusammengearbeitet
hat.
Das hat doch jedes unserer
Regierungsmitglieder getan, die mit Honecker, Schalk oder anderen führenden
Persönlichkeiten der DDR sprachen und verhandelten. Ganz voran Joseph
Strauss.
So einfach, formal und eindeutig, wie es
Richter Buske versucht, die IM-Problematik zu lösen, funktioniert das
Leben nicht.
Dieses Verfahren leistete keine Beitrag zur
Wahrheitsfindung und damit zur Vermeidung von Wiederholungen von
Erscheinungen und Denkweisen einer DDR-Elite mit alle den negativen
Folgen.
_______________________
2. Chat 18.12.04 11:01 -
http://www.ariva.de/board/209575 - Rigomax
Der Springer Verlag darf
nach einem Urteil des Hamburger Landgerichts den Schriftsteller Günter
Wallraff nicht als Inoffiziellen Stasi-Mitarbeiter (IM) bezeichnen. Der
Vorsitzende Richter der Pressekammer am Landgericht, Andreas Buske,
begründete dieses Urteil damit, daß der Verlag nicht habe nachweisen
können, daß Wallraff "wissentlich und willentlich" für die Stasi tätig
geworden sein. Über die Fakten dürfe man aber weiterhin berichten.
Diese Begründung muß man sich auf der Zunge zergehen lassen. Denn die
Formulierung, der Springer-Verlag habe nicht nachweisen können, daß
Wallraff wissentlich ***oder*** willentlich für die Stasi tätig geworden
ist, hat Herr Buske vermieden. Das hätte schließlich bedeutet, daß
Wallraff weder wissentlich, noch willentlich für die Stasi tätig gewesen
ist. Als Richter weiß er sicherlich, was dieser Unterschied in der
Formulierung bedeutet. So fragt man sich dann, warum Herr Buske diese
Formulierung nicht gebraucht hat.
War Wallraff also vielleicht willentlich, aber nicht wissentlich für die
Stasi tätig? Das wäre ein schon der Logik widersprechendes Verhalten.
Oder hat Springer in den
Augen des Richters nachgewiesen, daß Wallraff zwar wissentlich, aber
nicht willentlich für die Stasi tätig war? Das sagt uns der Richter
nicht, aber er hat es mit der von ihm benutzten Formulierung auch
nicht bestritten. Aha. Schön, daß ein Vorsitzender Richter so klar und
leicht verständlich formulieren kann.
Als IM bezeichnen darf man Wallraff aber nicht. Ich mache das auch
nicht. Aber ich darf über die Fakten berichten. Und die sehen so aus:
Auf einer in der "Rosenholz"-Datei aufgetauchten Karteikarte war
Wallraffs Name, sein Geburtsdatum und seine Registrierungsnummer
XV/485/68 vermerkt. In der zentralen Stasi-Datei "Sira" findet sich
unter genau dieser Nummer ein "inoffizieller Mitarbeiter mit
Arbeitsakte". Marianne Birthler, Grüne und Chefin der nach ihr
benannten Behörde, hat sich klar geäußert: "Wo IM draufsteht, ist auch
IM drin. Keine Zweifel".
Aber als IM bezeichnen darf man Walraff nicht.
Oh Sancta Justicia...
3. In Spiegel-Online lesen wir
folgendes Zitat:
Wallraff hatte selbst während des Verfahrens in einem Kernpunkt der
Vorwürfe seine Version ergänzt - in der Frage, ob ein Ostagent 1971 in
Kopenhagen Material von ihm bekommen hat. Am 17. Dezember 1971 hatte er
dort den stellvertretenden Chefredakteur der Rostocker "Ostsee-Zeitung",
Heinz Gundlach, getroffen. Unmittelbar danach ging Gundlach,
Stasi-Deckname IM "Friedhelm", Fahndern auf dem Hamburger Flughafen ins
Netz. In der Tasche hatte er, neben einem gefälschten Pass, auch jede
Menge Westpapiere - darunter einen Brief, den ein Student aus Lemgo an
Wallraff geschickt hatte. Als 1993 der Ermittlungsrichter des
Bundesgerichtshofs Wallraff dazu befragte, sagte der: "Ich kann mich
nicht erinnern, in Kopenhagen Unterlagen an Herrn Dr. Gundlach übergeben
zu haben. Das wäre für das damalige Treffen auch wesensfremd gewesen."
Vor dem Hamburger Landgericht erklärte Anwalt Jipp im Januar: Wallraff
"hat dem Redakteur Gundlach keine Materialien übergeben, auch nicht den
Brief eines Studenten". Und betonte erneut: "Material wurde nicht
ausgetauscht." Es sei bei dem Treffen allein um ein geplantes Interview
für die "Ostsee-Zeitung" gegangen und um ein Wallraff-Stück für eine
ostdeutsche Theatertruppe.
Während des Verfahrens erklärte der Anwalt dann aber: Es sei davon
auszugehen, dass sich der Brief des Studenten damals in Wallraffs
Unterlagen befunden habe. Gundlach erklärte im Frühjahr dieses Jahres:
"Wahrscheinlich habe ich ihn in Kopenhagen versehentlich mitgegriffen."
Mysteriös bleibt jedoch, warum dann aus dem Schreiben Wallraffs Adresse
herausgerissen worden war.
Der ganze Artikel ist für
om50 € in:
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,333275,00.html
abrufbar.
Bitte senden Sie Ihre Kommentare an
Rolf Schälike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 13.11.05
Impressum |