Quelle:
Strömer Rechtsanwälte,
Duisburger Straße 5, 40477
Düsseldorf.
Kommentare siehe
Fall Heise.
Leitsatz
Dem Betreiber eines Meinungsforums obliegen keine allgemeinen
Überwachungs- oder Forschungspflichten dahingehend, ob rechtswidrige
Inhalte überhaupt vorhanden sind. Die Verpflichtung des
Forumsbetreibers, Beiträge rechtsverletzender Art unverzüglich zu
löschen, entsteht erst mit der Kenntnisnahme von diesen Äußerungen. Die
Beweislast für die Erfüllung einer einmal entstandenen Löschpflicht
trägt der Forenbetreiber.
Oberlandesgericht Düsseldorf
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
Aktenzeichen: I-15 U 21/06
Urteil vom 07.06.06
In dem Rechtsstreit
[...] ,
Kläger
gegen
[...] ,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt
Tobias H. Strömer, Duisburger
Straße 5, 40477 Düsseldorf,
Beklagter
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgericht
Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schüßler,
die Richterin am Oberlandesgericht Spahn und den Richter am Amtsgericht
Schoenijahn auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2006
Für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Verfügungsbeklagten wird
das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 25. Januar 2006, Az. 12 O
546/05, abgeändert und die einstweilige Verfügung des Landgerichts
Düsseldorf vom 20.Oktober 2005 aufgehoben sowie der Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der
Verfügungskläger.
Gründe
I.
Der Verfügungskläger begehrt von dem
Verfügungsbeklagten Unterlassung von Äußerungen, die anonyme Dritte auf
einem Thread des von dem Verfügungsbeklagten betriebenen Internetforums
getätigt haben. Dort ist der Verfügungsbeklagte als "Pornokönig" und "Pleitier"
bezeichnet, als "dumm, dümmer geht's wirklich nicht" charakterisiert und
die Ansicht vertreten worden, der von dem Verfügungskläger betriebene
Verein müsse beweisen, dass der Verfügungskläger keine Pornofilme
gedreht habe.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen erster
Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 20.
Oktober 2005 die begehrte einstweilige Verfügung erlassen und sie nach
Widerspruch des Verfügungsbeklagten mit dem angefochtenen Urteil
bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt: dem Verfügungskläger stehe
ein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 analog, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB
iVm. § 185 StGB gegen den Verfügungsbeklagten zu. Denn die
streitgegenständlichen Äußerungen verletzten den Verfügungskläger in
seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und in seiner Ehre. Der
Verfügungskläger sei von den Äußerungen persönlich betroffen, da
eingangs des Threads erklärt werde, dass unter R[…]s Kinderhilfe der
Verein Kinderhilfe P[…] zu verstehen sei, dessen Gründungsmitglieder mit
dem Vornamen K[…] und R[…] benannt würden und im Zusammenhang mit dem
Verweis auf die Internetseite des Vereins klar würde, dass der
Verfügungskläger sich hinter K[…] verberge.
Die Bezeichnung als Pornokönig wirke
beleidigend, da der Verfügungskläger hierdurch mit dem von weiten
Bevölkerungskreisen als zwielichtig und schmuddelig angesehenen
Pornogewerbe in Verbindung gebracht und behauptet werde, er sei in
diesem Gewerbe in größerem Umfang beschäftigt. Auch die Bezeichnung als
Pleitier sei beleidigend, da hierunter jemand verstanden werde, der
Firmen zum Nachteil der Gläubiger pleite gehen lasse oder diese sogar
pleite gehen lasse, um sich persönlich zu bereichern. Die Äußerung, der
Verfügungskläger sei dumm, dümmer geht`s wirklich nicht, wirke ebenfalls
herabsetzend und beleidigend, da dem Verfügungskläger abgesprochen
werde, ein normal intelligenter Mensch zu sein; die Steigerungsform
solle den Eindruck erwecken, er sei in seinen geistigen Fähigkeiten
stark beschränkt.
Auch die Äußerung "die kipa muss beweisen,
dass K[…] kein pornofilme gedreht hat" wirke herabsetzend. Sie sei nicht
als Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässig, da die
unzutreffende Rechtsauffassung zugleich die Behauptung enthalte, dass
der Verfügungskläger Pornofilme gedreht habe.
Der Verfügungsbeklagte hafte als Störer gemäß §§ 823, 1004 BGB analog
auf Unterlassung. Denn er sei als Host-Provider Teledienstbetreiber
gemäß § 3 Satz 1 Nr. 1 TDG, da er mehrere Foren unter der Internetdomain
"[…]-forum.de" betreibe. Er habe nicht substantiiert dargelegt, dass er
seiner Verpflichtung zur unverzüglichen Löschung nach Kenntnisnahme
nachgekommen sei.
Die Haftungsprivilegierung nach § 11 TDG komme
dem Verfügungsbeklagten gemäß § 8 Abs. 2 TDG nicht zugute.
Zur Unterlassung verpflichteter Störer sei,
wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung
eines geschützten Rechtsguts beitrage, ohne Täter oder Teilnehmer zu
sein. Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auszudehnen, setze die
Störerhaftung die Verletzung von Prüfungspflichten voraus, deren Umfang
sich danach bestimme, ob und inwieweit dem Störer eine Prüfung zumutbar
sei. Da es vorliegend zu mehreren beleidigenden Postings gekommen sei,
sei der Verfügungsbeklagte verpflichtet gewesen, das Forum "R[…]s
Kinderhilfe" zu überwachen und beleidigende Inhalte unverzüglich nach
Kenntnisnahme zu löschen. Seine Verpflichtung zur Überwachung folge
daraus, dass technisch das Erscheinen der beleidigenden Postings nicht
habe verhindert werden können. Insbesondere habe die Sperrung der
IP-Nummern nicht ausgereicht, da von einem anderen Computer bzw. unter
Verwendung eines Anonymisiererprogramms erneut beleidigende Inhalte
hätten gepostet werden können. Da das Forum auch unregistrierten Nutzern
zur Verfügung gestanden habe, sei eine Sperrung der Pseudonyme
keinesfalls ausreichend gewesen.
Der Verfügungsbeklagte habe nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen, dass er die beleidigenden Postings
unverzüglich gelöscht habe. Da der Verfügungskläger behauptet habe, die
Äußerungen zu 1-3 seien noch am 21. September 2005 und die Äußerung zu 4
noch bis mindestens 13. Oktober 2005 im Internet vorhanden gewesen, habe
der Verfügungsbeklagte vortragen und glaubhaft machen müssen, wann genau
und durch wen die Löschung erfolgt sei. Dass ihn die Darlegungs- und
Glaubhaftmachungspflicht treffe, folge aus § 11 Satz 1 TDG und ergebe
sich im Übrigen daraus, dass es dem Verletzten nicht zuzumuten sei, die
Löschung beleidigender Äußerungen fortlaufend zu überwachen. Die
Wiederholungsgefahr ergebe sich vorliegend schon deshalb, weil es
wiederholt zu Rechtsbeeinträchtigungen gekommen sei. Dem
Verfügungsbeklagten werde auch nicht das Betreiben des Forums insgesamt
unmöglich, da eine Zwangsvollstreckung nach § 890 ZPO einen schuldhaften
Verstoß voraussetze.
Hiergegen wendet sich der Verfügungsbeklagte
mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
Er bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und behauptet, er
habe die streitgegenständlichen Äußerungen nicht zur Kenntnis genommen,
da er weder vom Verfügungskläger auf diese hingewiesen noch auf andere
Weise rechtzeitig von ihnen Kenntnis erlangt habe. So habe - was
unstreitig ist - der Verfügungskläger die in dem Schreiben vom 12.
September 2005 erwähnten Äußerungen nicht genau benannt. Er vertritt die
Ansicht, mangels genauer Bezeichnung könne hinsichtlich dieser
Äußerungen nicht einmal von einem Unterlassungsanspruch ausgegangen
werden. Vor dem 21. September 2005 habe er - ebenfalls unstreitig –
keine weiteren Hinweise auf beleidigende Äußerungen erhalten. Die in dem
Schreiben genannten Äußerungen zu 2) und 3) habe er nach Zugang der
Abmahnung gesucht, aber nicht gefunden, weil sie entweder nie erfolgt
waren oder er sie zuvor gelöscht habe. Weiter behauptet er, er habe die
Äußerungen zu 2) und 3) nach dem Hinweis in der Abmahnung sofort
gelöscht. Von den Äußerungen zu 1, 4 und 5 habe er erst durch das
Verfahren Kenntnis erlangt. Er vertritt die Ansicht, es sei nicht
glaubhaft gemacht, dass die Äußerungen zu 4) und 1) noch bei Zugang der
Abmahnung veröffentlicht gewesen seien. Im Übrigen behauptet er, er habe
die Äußerungen zu 1), 4) und 5) "nach Entdeckung ... sofort gelöscht.
Vorausgesetzt natürlich, sie wurden je veröffentlicht.".
Der Verfügungsbeklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts
Düsseldorf vom 25. Januar 2006 - 12 O 546/05 - den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Verfügungskläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Auch er bezieht sich auf sein
erstinstanzliches Vorbringen. Er bestreitet, dass der Verfügungsbeklagte
die streitgegenständlichen Äußerungen unverzüglich gelöscht habe. Die
Äußerungen zu 1), 2) und 3) seien mindestens je einen Tag veröffentlicht
gewesen, die Äußerungen zu 4) mindestens elf Tage und die Äußerung zu 5)
mindestens zwei Tage. Die zum Nachweis vorgelegten Ausdrucke seien nicht
aus dem Zwischenspeicher des Computers herausgeladen worden, sondern
nach Neuaufruf der Seite gefertigt worden.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache
Erfolg. Dem Verfügungskläger steht gegen den Verfügungsbeklagten kein
Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Äußerungen zu.
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den streitgegenständlichen
Äußerungen um Meinungsäußerungen oder Tatsachenbehauptungen handelt.
Ebenso kann offen bleiben, ob die Äußerungen ehrverletzenden Charakter
haben, woran allerdings nach Auffassung des Senats kein Zweifel besteht.
Denn gegen den Verfügungsbeklagten besteht als bloßer Betreiber des
Internetforums, der unstreitig die streitgegenständlichen Äußerungen
nicht selbst in das Internet eingestellt hat und deshalb nur nach den
Grundsätzen der Störerhaftung in Anspruch genommen werden kann, kein
Unterlassungsanspruch, da nicht davon auszugehen ist, dass er trotz
Kenntnisnahme von den Äußerungen diese nicht gelöscht hat. Im Einzelnen
gilt Folgendes:
1.
Auf die Tätigkeit des Verfügungsbeklagten ist das TDG anwendbar. Denn er
ist gemäß § 3 Nr. 1 TDG als Telediensteanbieter anzusehen. Nach dieser
Vorschrift ist Diensteanbieter, wer eigene oder fremde Teledienste zur
Nutzung bereit hält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt. Hierunter
fallen auch die Betreiber sogenannter Host Provider, worunter auch die
Angebote von Diskussionsforen zu verstehen sind (Spindler in: Spindler/Schmitz/Geis,
TDG, § 3 TDG Rdn. 10). Unstreitig übt der Verfügungsbeklagte genau solch
eine Tätigkeit aus.
Der Anwendbarkeit des TDG steht nicht etwa § 2
Abs. 4 Nr. 3 TDG entgegen. Nach dieser Vorschrift findet der
Mediendienste-Staatsvertrag Anwendung, soweit bei bestimmten
Telediensten die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung für die
Allgemeinheit im Vordergrund steht; eine redaktionelle Gestaltung setzt
das Sammeln und Aufbereiten von verschiedenen Informationen oder
Meinungen mit Blick auf den potentiellen Empfänger voraus, dem nach der
redaktionellen Gestaltung ein einheitliches Produkt präsentiert wird (Spindler
a.a.O., Rdn. 11 zu § 2 TDG). An einer redaktionellen Gestaltung des
Forums in diesem Sinne fehlt es vorliegend ersichtlich.
2.
Als Telediensteanbieter ist der Verfügungsbeklagte gemäß § 8 Abs. 2 Satz
2 TDG der allgemeinen Störerhaftung auch für fremde Inhalte, die er sich
nicht zu eigen gemacht hat, unterworfen. Er kann sich hinsichtlich des
hier streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs nicht auf die
Regelungen der §§ 9-11 TDG berufen, da diese auf die Störerhaftung keine
Anwendung finden (Spindler a.a.O., Rdn. 16 zu § 8 TDG); insbesondere
greift die Haftungsprivilegierung des § 11 TDG gegenüber
Unterlassungsansprüchen nicht (BGH Urteil vom 11. März 2004 - I ZR
304/01, MMR 2004, 668[669/670]).
a.
Haftungsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen ist daher
derjenige, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner
Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten
Guts beiträgt (BGH a.a.O. S. 671 m.w.Nw.; Spindler a.a.O. Rdn. 13 zu § 8
TDG). Insbesondere auf die Verletzung von Immaterialgüterrechten sind
die Grundsätze der Störerhaftung uneingeschränkt anzuwenden (BGH a.a.O.).
Hierfür ist ausreichend, dass die Herbeiführung der Störung gefördert
wird; ein Handeln aus eigenem Antrieb ist für die Störerhaftung ebenso
wenig erforderlich wie ein Einfluss auf den Inhalt der Äußerung. Dies
trifft auf den Host-Provider und mithin vorliegend auf den
Verfügungsbeklagten zu, da er durch die Eröffnung des Forums die
Möglichkeit bietet, Inhalte zu platzieren, zu verbreiten und von diesen
Kenntnis zu nehmen (vgl. dazu Spindler a.a.O. Rdn. 14 zu § 8 TDG).
b.
Um zu vermeiden, dass über die Störerhaftung Dritte in zu großem Umfang
in Anspruch genommen werden können, setzt die Haftung indes weiter
voraus, dass der Störer ihm obliegende Prüfungspflichten verletzt hat
(BGH a.a.O.). Dabei ist zu beachten, dass dem Diensteanbieter gemäß § 8
Abs. 2 Satz 1 TDG keine allgemeinen Überwachungs- oder
Forschungspflichten dahingehend obliegen, ob rechtswidrige Inhalte
überhaupt vorhanden sind (BGHZ 148, 13[17]; Spindler a.a.O. Rdn. 19).
Solche Prüfungspflichten können jedenfalls in Bezug auf den
Verfügungsbeklagten auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen - etwa aus
Gesichtspunkten der Sicherungspflichten - hergeleitet werden, da eine
allgemeine Pflicht, die zahlreichen auf seinem Internetforum
existierenden Diskussionsforen mit ihren in die Tausende gehenden
Beiträgen auf möglicherweise rechtswidrige Inhalte hin zu überwachen,
den Verfügungsbeklagten in technischer, persönlicher und
wirtschaftlicher Hinsicht schlicht überfordern würde und das Betreiben
von Internetforen letztlich wegen der sich aus der Überwachungspflicht
Ergebenden Haftungsrisiken unmöglich würde. Entsprechend hat der BGH in
der Entscheidung vom 11. März 2004 (MMR 2004, 668[671]) sogar für einen
professionellen Internet-Auktions-Anbieter festgestellt, dass es für
diesen unzumutbar sei, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet
auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu überprüfen. Erst recht muss
dies für den nicht professionellen Betreiber eines Internetforums mit
angeschlossenen offenen Diskussionsforen gelten.
c.
Nach Auffassung des Senats ist es auch nicht gerechtfertigt, dem
Verfügungsbeklagten weitergehende Überwachungs- und Prüfungspflichten
hinsichtlich rechtsverletzender Äußerungen deswegen aufzuerlegen, weil
er aufgrund des Schreibens vom 12. September 2005 und wohl auch aufgrund
seiner eigenen Recherchen Kenntnis davon hatte, dass in dem Forum
Beiträge veröffentlicht wurden, die den Verfügungskläger möglicherweise
in seinen Rechten verletzten. Soweit der BGH in der bereits zitierten
Entscheidung vom 11. März 2004 - I ZR 304/01 - (MMR 2004, 668[671/672]]
der dortigen Beklagten aufgegeben hat, auch Vorsorge dafür zu treffen,
dass es nicht zu weiteren Rechtsverletzungen komme, ist dies auf den
hier zu entscheidenden Fall nicht zu übertragen.
Der Umfang der dem Diensteanbieter obliegenden
Prüfungspflichten bestimmt sich nämlich danach, ob und inwieweit dem als
Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten
ist (BGH a.a.O S. 670 m.w.Nw.). Entscheidend sind mithin die Umstände
des Einzelfalles, wobei die betroffenen Rechtsgüter, der zu betreibende
Aufwand und der zu erwartende Erfolg in die vorzunehmende Abwägung
eingestellt werden müssen. Dabei kann sich der Diensteanbieter Nicht von
vornherein auf den erheblichen Aufwand angesichts des massenhaften
Datenverkehrs berufen noch kann jede Rechtsgutverletzung einen immensen
Kontrollaufwand erfordern. Es ist vielmehr danach zu fragen, inwieweit
es dem als Störer in Anspruch Genommenen technisch und wirtschaftlich
möglich und zumutbar ist, die Gefahren von Rechtsgutverletzungen zu
vermeiden, welche Vorteile der Diensteanbieter aus seinen Diensten
zieht, welche berechtigten Sicherheitserwartungen der betroffene
Verkehrskreis hegen darf, inwieweit Risiken vorhersehbar sind und welche
Rechtsgutverletzungen drohen (Spindler a.a.O, Rdn. 23 zu § 8 TDG).
Nach diesen Kriterien vermag der Senat eine
weitergehende Prüfungspflicht des Verfügungsbeklagten nicht zu erkennen.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass aufgrund der Häufung von
Verletzungen des Persönlichkeitsrechts und der Ehre des
Verfügungsklägers auch für den Verfügungsbeklagten erkennbar war, dass
ein Risiko künftiger weiterer Rechtsverletzungen bestand. Die
Rechtsverletzungen stellen sich auch als massiv dar, da die Ehre des
Verfügungsklägers in erheblichem Maße und wiederholt in den Schmutz
gezogen worden ist. Auch in Ansehung dieser Umstände spricht jedoch zum
einen entscheidend gegen die Annahme weiterer Prüfpflichten, dass der
Verfügungsbeklagte als nicht professionellen Forumsbetreiber tätig war,
der - soweit ersichtlich - in keiner Weise von dieser Tätigkeit
wirtschaftlich profitierte. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von
dem durch Urteil des BGH vom 11. März 2004 (MMR 2004, 668) entschiedenen
Fall, bei welchem die Vorsorgepflichten des beklagten
Internet-Auktions-Anbieters maßgeblich unter bezug auf dessen
Provisionsinteresse hergeleitet wurden. Zum anderen ist nicht
ersichtlich, wie mit zumutbaren Aufwand der Verfügungsbeklagte Vorsorge
gegen weitere Rechtsgutverletzungen hätte treffen können. Wirtschaftlich
war es unzumutbar, Mitarbeiter in ausreichender Zahl zu beschäftigen,
die das gesamte Forum mit seinen verschiedenen Diskussionsforen rund um
die Uhr hätten überwachen können. Technisch war die Sperrung der
IP-Nummern nicht geeignet, weitere Rechtsverletzungen zu vermeiden, wie
der tatsächliche Umgehungserfolg zeigt. Eine Sperrung der Pseudonyme war
praktisch ungeeignet, da Pseudonyme gewechselt werden können. Eine Suche
nach bestimmten Kennworten ("Pornokönig", "dumm" etc.) mag technisch
ohne großen Aufwand realisierbar und bei Markenrechtsverletzungen auch
sinnvoll sein, ist aber angesichts der unübersehbar großen
Möglichkeiten, Äußerungen ehrverletzend zu formulieren, bei
Persönlichkeitsrechtsverletzungen ersichtlich ohne großen praktischen
Sinn.
Schließlich rechtfertigt auch die Möglichkeit,
nur registrierten Usern Zugang zu den Foren zu eröffnen, nicht, dem
Verfügungsbeklagten weitere Prüfungspflichten aufzuerlegen. Dieser
Möglichkeit steht zwar nicht § 4 Abs. 6 TDDSG entgegen, da nach dieser
Vorschrift nur die anonyme oder pseudonyme Inanspruchnahme und Bezahlung
von Telediensten sicherzustellen ist, die Pflicht sich aber nicht darauf
bezieht, ein anonymes oder pseudonymes Vertragsverhältnis zu ermöglichen
(Schmitz in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG, § 4 TDDSG Rdn. 39). Der
Verfügungsbeklagte hätte mithin die Möglichkeit gehabt, im internen
Verhältnis zu den potentiellen Usern die Nutzung der Foren von einer
Registrierung abhängig zu machen, solange die Nutzung in anonymisierter
Form hätte erfolgen können. Auch wäre es hierdurch möglich, Personen,
die sich rechtswidrig verhalten, von der Nutzung des Forums
auszuschließen bzw. sie zu identifizieren, so dass die in ihren Rechten
verletzte Person unmittelbar gegen den eigentlichen Schädiger vorgehen
könnte. Die Tatsache, dass der Verfügungsbeklagte von dieser Möglichkeit
keinen Gebrauch machte, rechtfertigt es jedoch gerade, ihn – wie
dargelegt - als Störer auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen, soweit er
ihm bekannt gewordene rechtswidrige Äußerungen nicht unverzüglich
löscht. Mit dieser Haftung ist dem Umstand, dass der Diensteanbieter
mittels seines anonymen Forums der Möglichkeit von Rechtsverletzungen
Vorschub leistet, ausreichend Rechnung getragen.
d.
Nach diesen Grundsätzen traf den Verfügungsbeklagten daher nur die
Pflicht, ihm bekannt gewordene Beiträge rechtsverletzender Art
unverzüglich zu löschen (vgl. dazu Burckhardt in Wenzel, Das Recht der
Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl., § 10 Rdn. 243). Dass er
diesen Anforderungen nicht Genüge getan hat, ist nicht hinreichend
substantiiert vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht.
aa.
Hinsichtlich der Äußerungen, die dem Verfügungsbeklagten mit Schreiben
des Verfügungsklägers vom 12. September 2005 bekannt gemacht worden
sind, hat der Verfügungskläger selbst vorgetragen, dass der
Verfügungsbeklagte "einige" Äußerungen gelöscht habe. Dass bzw. welche
Äußerungen rechtswidrigen Inhalts von dem Verfügungsbeklagten aufgrund
des Schreibens vom 12. September 2005 nicht gelöscht worden sind, hat
der Verfügungskläger weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.
bb.
Von den Äußerungen zu 1) - 3) hat der Verfügungsbeklagte spätestens
aufgrund der Abmahnung durch den Prozessbevollmächtigten des
Verfügungsklägers vom 21. September 2005 Kenntnis erlangt. Diese
Äußerungen waren jedoch spätestens mit Zugang der Abmahnung gelöscht.
Dies entspricht dem unstreitigen Sachvortrag der Parteien. Der
Verfügungsbeklagte hat dies in der Berufungsbegründung vom 03. Februar
2006 (dort Seite 4 = Bl. 90 GA) ausdrücklich vorgetragen. Aus dem
Sachvortrag des Verfügungsklägers ergibt sich nichts Anderes. Im
Schriftsatz vom 03. Januar 2006 (dort Seite 2 = Bl. 63 GA) hat er
vorgetragen, dass die Äußerungen "noch mindestens bis zur Abmahnung
abrufbar" gewesen seien; in der Berufungserwiderung vom 12. April 2006
(dort Seite 3 = Bl. 116 GA) hat er vorgetragen, dass die Äußerungen zu
1) - 3), die vom 15.September (Nr. 1 und 2) bzw. 19. September 2005 (Nr.
3) datieren, "mindestens ein Tag im Forum" veröffentlicht waren. Daraus
ergeben sich aus Sicht des Senats nur zwei Alternativen: der
Verfügungsbeklagte hat die Äußerungen Nr. 1) - 3) selbst entdeckt und
gelöscht, bevor ihm die Abmahnung zuging, was mit dem Vortrag des
Verfügungsklägers in der Berufungserwiderung in Einklang zu bringen ist;
oder er hat von ihnen erst aufgrund der Abmahnung vom 21. September 2005
Kenntnis erlangt und sie sodann gelöscht, was mit dem Vortrag des
Verfügungsklägers im Schriftsatz vom 03. Januar 2006 in Einklang zu
bringen ist. Dass eine Löschung auch unmittelbar nach Zugang der
Abmahnung nicht erfolgt ist, ergibt sich aufgrund des gemäß § 138 Abs. 3
ZPO als unstreitig anzusehenden Sachvortrags des Verfügungsbeklagten
indes gerade nicht.
cc.
Auch wegen der Äußerungen zu 4) und 5) hat die Klage im Ergebnis keinen
Erfolg, da weder hinreichend vorgetragen noch glaubhaft gemacht ist,
dass der Verfügungsbeklagte vor Entfernung der Beiträge überhaupt
Kenntnis von diesen erlangt hat.
Der Verfügungskläger als Anspruchsteller muss
darlegen und glaubhaft machen, dass der Verfügungsbeklagte Kenntnis von
den Äußerungen hatte und wann er diese Kenntnis erlangt hat. Denn ohne
die Kenntnis des Verfügungsbeklagten ist Dieser - wie dargelegt - nicht
zur Löschung verpflichtet und kann deshalb nicht wegen Unterlassens der
Löschung als Störer in Anspruch genommen werden. Dass der
Verfügungsbeklagte vor Zustellung der Antragsschrift vom 14. Oktober
2005, die erst am 09. November 2005 zugestellt worden ist , überhaupt
Kenntnis von den Äußerungen Nr. 4 und 5 erlangt hat, ist indes weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Verfügungskläger trägt zum
Zeitpunkt der Kenntniserlangung gar nichts vor. Der Vortrag des
Verfügungsbeklagten ist insoweit nicht eindeutig. Denn der
Verfügungsbeklagte hat in der eidesstattlichen Versicherung vom 23.
November 2005 versichert, er habe die "mutmaßlich veröffentlichten"
Beiträge unmittelbar nach Veröffentlichung gelöscht, ohne vom
Verfügungskläger zuvor auf diese hingewiesen worden zu sein. Die gleiche
Formulierung findet sich im Schriftsatz vom 24. November 2005 (dort
Seite 4 = Bl. 35 GA). Damit in Widerspruch steht der Vortrag in der
Berufungsbegründung (dort Seite 4 = Bl. 90 GA), wonach der
Verfügungsbeklagte auf die Äußerungen zu 4) und 5) erstmals mit dem
Verfügungsantrag hingewiesen worden sei. Dies lässt sich nach Auffassung
des Senats nur dahingehend verstehen, dass er zuvor von diesen
Äußerungen keine Kenntnis hatte, zumal er - wie dargelegt - stets von
"mutmaßlich veröffentlichten" Äußerungen spricht und damit zum Ausdruck
bringt, dass er offenbar an die einzelnen Äußerungen, die er gelöscht
hat, keine Erinnerung hat.
Als einzig sicherer Zeitpunkt ist mithin der
09. November 2005 als Tag der Kenntniserlangung des Verfügungsbeklagten
von den Äußerungen Nr. 4) und 5) der Entscheidung zugrundezulegen. .
Dass zu diesem Zeitpunkt die beanstandeten Äußerungen 4) und 5)
überhaupt noch veröffentlicht waren, lässt sich allerdings wiederum dem
Vortrag des Verfügungsklägers nicht entnehmen, der sich darauf
beschränkt vorzutragen, die Äußerung Nr. 4 vom 02. Oktober habe
"mindestens" elf Tage = bis zum 13. Oktober und die Äußerung Nr. 5 vom
11. Oktober habe "mindestens" zwei Tage = bis zum 13.Oktober im Netz
gestanden. Danach ist offenbar die Antragsschrift gefertigt worden, ohne
dass auf Seiten des Verfügungsklägers noch einmal Nachschau gehalten
worden wäre, ob die Äußerungen sich noch im Forum befanden. Dies lässt
verschiedene Sachverhaltsalternativen zu: die Beiträge können irgendwann
nach dem 13. Oktober und vor dem 09. November 2005 von Dritten gelöscht
worden sein, ohne dass der Verfügungsbeklagte überhaupt jemals von ihnen
Kenntnis erlangt hat, da er unstreitig bereits im September eine
Anleitung zum Löschen von Beiträgen veröffentlicht hatte. Sie können
auch von dem Verfügungsbeklagten vor Zugang des Verfügungsantrags
entdeckt und sodann gelöscht worden sein oder der Verfügungsbeklagte hat
sie erst nach Kenntniserlangung durch Zustellung des Antrags am 09.
November 2005 gelöscht. Nur in den letzten beiden Fällen käme überhaupt
eine Verpflichtung des Verfügungsbeklagten, die Beiträge zu löschen, in
Betracht, die wiederum Voraussetzung für seine Haftung als Störer ist.
Erst wenn mithin eine der beiden letztgenannten Alternativen der
Entscheidung zugrunde zu legen wäre, hätte der Verfügungsbeklagte
darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er die Beiträge unverzüglich
gelöscht hat. Keine der drei Alternativen ist jedoch mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit festzustellen, insbesondere sind auch die zweite und
dritte Alternative gegenüber der ersten Alternative nicht überwiegend
wahrscheinlich, was sich zu Lasten des Verfügungsklägers auswirkt.
Dem Senat ist dabei bewusst, dass diese Sichtweise darauf hinausläuft,
demjenigen, der wegen ehrverletzender Äußerungen in einem Internetforum
gegen den vom Autor der Äußerungen personenverschiedenen Forumsbetreiber
Unterlassungsansprüche geltend machen will, zuzumuten, das Forum
zumindest bis zu dem Zeitpunkt zu beobachten, bis er den Forumsbetreiber
auf ehrverletzende Äußerungen hingewiesen hat. Dies erscheint nach
Auffassung des Senats jedoch allein praktikabel und mit allgemeinen
Grundsätzen der Beweislastverteilung vereinbar. Denn da die
Verpflichtung des Forumsbetreibers, ehrverletzende Inhalte zu löschen,
erst mit der Kenntnisnahme von diesen Äußerungen entsteht, gehört die
Erlangung der Kenntnis zum anspruchsbegründenden Tatbestand. Dem
Anspruchsteller, der die beanstandeten Äußerungen kennt und zu
lokalisieren vermag, ist es auch ohne Weiteres möglich und zumutbar zu
prüfen, ob die Äußerungen sich noch zu dem Zeitpunkt in dem Forum
befinden, in dem er den Forumsbetreiber auf sie aufmerksam macht.
Befinden sich die Äußerungen zum Zeitpunkt der Kenntnisnahme nicht mehr
im Forum, kann die Verpflichtung zur Löschung des Beitrags
denknotwendigerweise auch nicht mehr entstehen. Die Beweislast für die
Erfüllung der einmal entstandenen Löschpflicht wird indes aus
praktischen und dogmatischen Gründen beim Forumsbetreiber liegen müssen.
Denn diesem ist es ohne Weiteres möglich, den Löschzeitpunkt zu
dokumentieren und gegebenenfalls zu beweisen, indem er Zeugen hinzuzieht
oder je nach den technischen Möglichkeiten ein Protokoll über die
Löschung erstellt, wohingegen der Anspruchsteller fortlaufend das Forum
überwachen müsste. Außerdem dürfte es sich bei der Erfüllung der dem
Forumsbetreiber obliegenden Pflicht um eine anspruchsvernichtende
Tatsache handeln. Vorliegend führt die Anwendung dieser Grundsätze dazu,
dass bereits der anspruchsbegründende Tatbestand nicht hinreichend
vorgetragen bzw. glaubhaft gemacht worden ist.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Eine Entscheidung zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, §§ 704 Abs. 1, 1.
Alternative, 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Streitwert: 7.000,-- EUR.
Schüßler
Spahn
Schoenijahn
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