Die Klägerin begehrt die Zahlung einer
Geldentschädigung sowie die Erstattung von Abmahnkosten für
die Verwendung ihres Bildnisses in einem Wahl-Werbespot.
Die Klägerin ist Kabarettistin und
Schauspielerin. Sie ist mit dem Regierenden Bürgermeister
von Berlin, K., befreundet. Im Jahr 2004 tauschte sie mit
ihm auf der "Berliner AIDS-Gala" einen Zungenkuss aus,
worüber in den Medien berichtet wurde. Auf ihrer
Internetseite "www.d.de" hielt die Klägerin ein Interview
mit der Zeitung "Der Tagesspiegel" zum Abruf bereit (Anlage
B 2), in dem sie auf die Frage
K. hat mal aus einem roten Schuh von
Ihnen Champagner getrunken und einen Zungenkuss mit
Ihnen getauscht. Der Regierende behauptet, privat seien
Sie eher introvertiert, leise.
wie folgt antwortete:
Richtig. Dann arbeite ich ja nicht. Wenn
ich meinen Beruf ausübe, kann ich ja schlecht schweigen.
Der Beklagte zu 2.) war im Jahr 2006 bei der
Berliner Abgeordnetenhauswahl Kandidat der Beklagten zu 1.)
für das Amt des Bürgermeisters. Im Rahmen des Wahlkampfes
verbreiteten die Beklagten im Lokalfernsehen bzw. im
Internet einen Werbespot mit dem Titel "Der Knüller", in dem
ein imaginäres Arbeitszimmer des auch damals schon
regierenden Bürgermeisters K. gezeigt wurde. Darin lagen in
großer Unordnung unbearbeitete Akten, diverse
Einladungskarten für Partys und Veranstaltungen sowie eine
CD der Techno-Veranstaltung "Love Parade" herum. Auf dem
Schreibtisch standen u. a. eine geleerte Champagnerflasche,
ein roter Damenschuh sowie ein gerahmtes Foto der Klägerin
(Anlage K 1).
Die Beklagten haben wegen dieser
Bildnisverwendung, in die die Klägerin nicht eingewilligt
hatte, auf deren Aufforderung
Unterlassungsverpflichtungserklärungen abgegeben (Anlagen K
3 und 5) und Abmahngebühren erstattet.
Die Klägerin vertritt die Ansicht, wegen
der unbefugten Nutzung ihres Bildnisses zu Werbezwecken
könne sie von den Beklagten neben der Erstattung weiterer
Abmahnkosten eine Geldentschädigung verlangen. Durch den
Werbespot werde sie einer bestimmten politischen Richtung
zugeordnet. Die unzulässige Nutzung ihres Bildnisses in
Verbindung mit politischer Wahlwerbung verletze schon nach
Art des Eingriffs in schwerwiegender Weise ihr
Persönlichkeitsrecht. Sie sei am politischen Wahlkampf
völlig unbeteiligt. Ihre private Bekanntschaft mit K. mache
sie nicht zu einer politischen Person. Sie werde dem Spott
politischer Gesinnungsfreunde ausgesetzt.
Die Klägerin beantragt,
1.) die Beklagten als Gesamtschuldner zu
verurteilen, an sie zum Ausgleich des ihr entstandenen
immateriellen Schadens eine angemessene Entschädigung in
Geld zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts
gestellt wird, mindestens jedoch in Höhe von 10.000,–
Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
2.) den Beklagten zu 1.) zu verurteilen,
an sie 301,60 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
3.) den Beklagten zu 2.) zu verurteilen,
an sie 278,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie vertreten die Ansicht, die Klägerin sei
in dem Werbespot kaum erkennbar. Jedenfalls sei die
angegriffene Bildnisveröffentlichung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1
und Nr. 2 KUG gerechtfertigt.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom
2.3.2007 hat die Klägerin weiter vorgetragen, zu dem Kuss
mit K. auf der Aids-Gala sei es erst spät am Abend gekommen,
als sie davon ausgegangen seien, dass keine Fotografen mehr
anwesend seien. K. habe auch niemals aus einem ihrer Schuhe
Champagner getrunken. Er habe lediglich einmal im Jahr 2003
mit einem Schuh, der nicht ihr gehört habe, und einer
Champagnerflasche posiert.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags wird
auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie
auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
I.)
Die Klage ist unbegründet.
1.)
Der Klägerin steht der geltend gemachte
Kostenerstattungsanspruch nicht zu. Er folgt weder aus § 823
Abs. 2 i.V.m. §§ 22, 23 KUG noch aus Geschäftsführung ohne
Auftrag, denn der angegriffene Wahlwerbespot verletzt nicht
das Recht der Klägerin am eigenen Bild.
a.)
Zwar ist die Klägerin erkennbar. Der
angegriffene Wahlwerbespot zielt ersichtlich darauf ab, in
humoristisch-satirischer Form die Aussage zu treffen, dass
sich K. in übertriebenem Maße gesellschaftlichen
Vergnügungen hingebe und darüber seine Dienstpflichten
vernachlässige. Vor diesem Hintergrund ist die in dem Spot
enthaltene Kamerafahrt darauf angelegt, dass der Zuschauer
die in dem imaginären Büro abgelegten und abgestellten
Objekte einzeln in den Blick nimmt, um ihnen im Hinblick auf
die Gesamtaussage des Werbespots eine Bedeutung zuzuweisen.
So wird dem durchschnittlichen Zuschauer auch nicht
entgehen, dass auf dem Schreibtisch ein Foto der Klägerin
steht, und dass damit – ebenso wie mit dem roten Schuh und
der geleerten Champagnerflasche – auf die Beziehung ... zu
der Klägerin angespielt werden soll.
b.)
Die Veröffentlichung des Bildnisses der
Klägerin war jedoch gerechtfertigt.
aa.)
Zwar ist der Rechtfertigungstatbestand des §
23 I Nr. 2 KUG nicht erfüllt. Voraussetzung hierfür wäre,
dass aus der Sicht des unbefangenen Betrachters die
abgebildete Örtlichkeit – hier also das imaginäre Büro ... –
den eigentlichen Gegenstand der Abbildung ausmacht und die
Person – hier also die Klägerin – darin nur zufällig mit
abgebildet ist (BGH, NJW 1961, 558, 558 f.). Das ist nicht
der Fall. Der durchschnittliche Zuschauer wird das Foto der
Klägerin vielmehr aus den oben ausgeführten Gründen als mit
Bedacht ausgewählten Bestandteil der sorgsam gestalteten
Bildkomposition auffassen.
bb.)
Erfüllt ist aber § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, denn
die Klägerin ist vorliegend als "relative Person der
Zeitgeschichte" anzusehen. Darunter versteht man Personen,
bei denen das öffentliche Interesse an ihrem Bildnis aus
ihrer Verbindung mit einem bestimmten "zeitgeschichtlichen
Ereignis" folgt. In Betracht kommt insoweit jedes Geschehen,
das aus dem Bereich alltäglicher Vorgänge herausragt. Als
zeitgeschichtliches Ereignis in diesem Sinne war vorliegend
die Berliner Abgeordnetenhauswahl 2006 anzusehen. Zu diesem
Ereignis stand die Klägerin deshalb in hinreichend enger
sachlicher und zeitlicher Verbindung, weil K. seine
freundschaftliche Beziehung zu ihr während seiner damaligen
Amtszeit durch den Zungenkuss bei der "Berliner AIDS-Gala"
2004 in einer – jedenfalls gemessen am Verhalten anderer
Politiker – durchaus ungewöhnlichen Weise öffentlich zur
Schau gestellt hatte, zumal er gerichtsbekannt öffentlich
erklärt hat, homosexuell zu sein. Der Austausch dieses
Kusses mag zwar zu später Stunde stattgefunden haben, als
viele Gäste und Fotografen bereits gegangen waren. Das
ändert aber nichts daran, dass es sich bei der "Aids-Gala"
um eine klassische Repräsentationsveranstaltung handelte.
Hierauf spielt der angegriffene Werbespot – wie ausgeführt –
an. Die Frage, mit wem und in welcher Weise sich K. in der
Öffentlichkeit präsentierte, war schon deshalb Gegenstand
eines berechtigten öffentlichen Interesses, weil die
Repräsentation nach außen zu den Kernaufgaben eines
Bürgermeisters zählt. Schließlich lag zwar der Kuss auf der
Aids-Gala zum Zeitpunkt der Ausstrahlung des angegriffenen
Werbespots bereits etwa 2 Jahre zurück. Das ist aber im
Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG
jedenfalls deshalb unschädlich, weil ein berechtigtes
Interesse daran besteht, in Wahlwerbespots das öffentliche
Verhalten des politischen Gegners über längere Zeiträume
hinweg zu kommentieren.
cc.)
Berechtigte Interessen der Klägerin im Sinne
des § 23 Abs. 2 KUG standen der Bildnisveröffentlichung
nicht entgegen. In der Rechtsgüterabwägung überwiegt das
Interesse der Beklagten an der Verwendung des Bildnisses der
Klägerin in dem angegriffenen Werbespot.
Die Beklagten können sich insoweit auf
den durch Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG verstärkten Schutz des Art.
5 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Auch Werbung genießt den – ggf. in
die Pressefreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG eingebetteten
– Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 S.
1 GG, sofern sie einen wertenden, meinungsbildenden Inhalt
hat (zu Wirtschaftswerbung vgl. BVerfG, 1 BvR 1762/95 vom
12.12.2000, Absatz-Nr. 40, http://www.bverfg.de/). Dies gilt
umso mehr, wenn sie nicht lediglich kommerziellen Zwecken
dient, sondern – wie vorliegend – im politischen Wahlkampf
eingesetzt wird, weil sonst die Meinungsfreiheit, die
Voraussetzung eines freien und offenen politischen Prozesses
ist, in ihrem Kern betroffen wäre. Hierzu hat das
Bundesverfassungsgericht (E 61, 1, 11 f.) ausgeführt:
Nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG wirken die
Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes
mit; dies geschieht namentlich durch Beteiligung an
Wahlen, die in der parlamentarischen Demokratie die
wichtigste Form jener Willensbildung sind (vgl. BVerfGE
52, 63 (82)). Da das geltende Wahlrecht für die
Vorbereitung und Durchführung von Wahlen politische
Parteien voraussetzt, sind diese vor allem auch
Wahlvorbereitungsorganisationen (vgl. BVerfGE 8, 51
(63)). Sie nehmen die ihnen durch Art. 21 Abs. 1 Satz 1
GG gestellte, von § 1 Abs. 1 Satz 2 des Parteiengesetzes
als "öffentliche" bezeichnete Aufgabe wahr, indem sie
den eigentlichen Wahlakt als Akt demokratischer
Legitimation der das Volk repräsentierenden Organe
vorbereiten (vgl. auch § 1 Abs. 2, § 2 PartG). Diese
Aufgabe verträgt als eine wesensgemäß politische
prinzipiell keine inhaltlichen Reglementierungen, wenn
anders sie nicht um eine ihrer Grundvoraussetzungen
gebracht werden soll. Soweit es sich um
Auseinandersetzungen zwischen politischen Parteien in
einem Wahlkampf handelt, ist deshalb Art. 21 Abs. 1 Satz
1 GG für die Zuordnung von Meinungsfreiheit und
beschränkenden Gesetzen von wesentlicher Bedeutung: Er
verstärkt die Vermutung für die Zulässigkeit freier Rede
mit der Folge, dass gegen das Äußern einer Meinung nur
in äußersten Fällen eingeschritten werden darf.
Diese Ausführungen beanspruchen auch für die
Verwendung von Personenbildnissen in Wahlwerbespots Geltung,
wenn dadurch – wie vorliegend – eine für die politische
Willensbildung relevante Meinungsäußerung transportiert
wird.
Demgegenüber hat das Interesse der Klägerin,
nicht ohne ihre Zustimmung in dem angegriffenen
Wahlwerbespot vereinnahmt zu werden, zurückzutreten. Soweit
in dem Spot auf sie angespielt wird, hat sie sich durch ihr
eigenes Verhalten ihres Persönlichkeitsschutzes in
erheblichem Maße begeben. Den Zungenkuss mit K. tauschte sie
in der Öffentlichkeitssphäre aus, nämlich auf einer Gala,
bei der sie – auch zu später Stunde – zumindest damit
rechnen musste, unter der Beobachtung der Öffentlichkeit zu
stehen. Der Klägerin muss auch klar gewesen sein, dass
dieser Kuss ein erhebliches öffentliches Interesse auf sich
ziehen würde. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang
ferner, dass in dem "Tagesspiegel"-Interview, das sie auf
ihrer Internetseite eingestellt hat, nicht nur der
Zungenkuss mit K. Erwähnung findet, sondern auch behauptet
wird, W. habe aus ihrem Schuh Champagner getrunken, ohne
dass die Klägerin dem widersprochen hätte, obwohl kein Grund
ersichtlich ist, warum ihr dies nicht ohne Weiteres möglich
gewesen sein sollte. Damit hat die Klägerin nicht nur den
Zungenkuss, sondern auch die Geschichte mit dem roten Schuh
zumindest mittelbar zu Zwecken der öffentlichen
Selbstdarstellung eingesetzt.
Schließlich wird die Klägerin in dem
angegriffenen Werbespot auch nicht abfällig dargestellt.
Vielmehr wird von ihr lediglich ein neutrales Porträtfoto
gezeigt. Dass der Klägerin durch den Spot eine bestimmte
politische Gesinnung unterstellt würde, vermag die Kammer
nicht nachzuvollziehen. Ihre Person steht in dem Spot
vielmehr – wie oben ausgeführt – gerade stellvertretend für
die außer politischen Aktivitäten K. s, deretwegen
er seine politischen Pflichten vernachlässige. Insofern
lässt sich dem Werbespot lediglich die Aussage entnehmen,
dass sich W. der Klägerin privat eng verbunden fühle. Dass
die Klägerin mit K. befreundet ist, betont sie aber auch
selbst in der Presse (vgl. hierzu Anlage B 1).
2.)
Mangels Persönlichkeitsrechtsverletzung
besteht somit auch kein Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung.
II.)
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91,
709 ZPO.