Die zulässige Klage ist
begründet.
Dem Kläger, der unstreitig
identifizierbar ist, obwohl sein Vorname nicht auch noch
genannt wird, steht der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch zu aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz
2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG,
denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei
fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines
Persönlichkeitsrecht.
Die Kammer hat hierzu im Urteil
vom 23.03.2007 (Az.:324 O 783/06) zu einem ähnlich
gelagerten Sachverhalt ausgeführt:
„1. Die angegriffenen Artikel
verletzen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die
Berichterstattung bei voller Namensnennung berührt den
Schutzbereich seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf freie
Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern
jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater
Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln
und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem
Bereich „für sich zu sein“, „sich selbst zu gehören“ (so
schon Arndt, Bespr. v. BGH, NJW 1966, S. 2353, in NJW 1967,
S. 1845 ff., 1846) und ein Eindringen oder ein Einblick
durch andere auszuschließen (BVerfG, Urt. v. 5.6.1973,
BVerfGE 35, S. 202 ff., 233 ff. – Lebach I, m.w.N.). Es
umfasst damit das Verfügungsrecht über Darstellungen der
eigenen Person (BVerfG aaO. – Lebach I.), das auch dann
beeinträchtigt ist, wenn – und sei es wahrheitsgemäß –
öffentlich darüber berichtet wird, dass der Betroffenen in
der Vergangenheit eine Straftat begangen hat. Eine
Beeinträchtigung liegt insbesondere in Darstellungen, die
die Resozialisierung, mithin die Wiedereingliederung von
Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe
wesentlich zu erschweren drohen (vgl. BVerfG aaO. – Lebach
I; BVerfG, Beschl. v. 25.11.1999, NJW 2000, S. 1859 ff.,
1860 f. – Lebach II). Gerade bei einer Berichterstattung
unter voller Namensnennung, wie sie die Beklagte vorgenommen
hat, liegt diese Gefahr nahe.
Die Beklagte hat den
Kläger durch die angegriffenen Artikel in Bezug zu der Tat
gesetzt, wegen der er verurteilt worden ist; dies erfolgte
zudem öffentlich. Unstreitig hat die Beklagte die in Rede
stehenden Artikel, in denen er als Täter des Mordes an …
namentlich genannt wird, in ihrem Online-Archiv in der Weise
zum Abruf vorgehalten, dass Nutzer diese lesen konnten. Bei
einer derartigen „Archivierung“ handelt es sich gerade nicht
um ein lediglich internes Archiv der Beklagten, denn diese
Artikel waren für jedermann über das Internet öffentlich
zugänglich. Hierdurch wurde die Täterschaft des Klägers für
die Öffentlichkeit ständig aktualisiert, indem die Artikel
jederzeit abrufbar waren.
Für die Beklagte streitet
zwar vorliegend die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5
Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht ist schlechthin konstituierend
für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (BVerfG
aaO.- Lebach I, m.w.N.). Unter Berücksichtigung der
besonderen Umstände dieses Einzelfalles hat das Interesse
der Öffentlichkeit, etwas über die Person des Klägers zu
erfahren, indessen hinter seinem Individualinteresse, mit
seiner Tat „in Ruhe gelassen“ zu werden und so eine
Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen (a.),
im Rahme der erforderlichen Abwägung (b.) zurückzutreten.
a. Die angegriffene
Berichterstattung gefährdet die Resozialisierung des
Klägers, weil sie ihn mit seiner Tat erneut an das Licht der
Öffentlichkeit zerrt und sich so bereits in der
Haftsituation schädliche Wirkungen ergeben können, die eine
spätere Wiedereingliederung erschweren. Dem steht nicht
entgegen, das für die Zeit nach Ablauf der lebenslangen
Freiheitsstrafe (aa.) eine Sicherungsverwahrung des Klägers
angeordnet ist (bb.) und eine unklare relative zeitliche
Nähe zur Haftentlassung besteht (cc.). Gemäß § 2 des
Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) dient der Vollzug der
Freiheitsstrafe ausschließlich der Resozialisierung und dem
Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (§ 2 Satz
1, 2 StVollzG). Schädliche Folgen des Freiheitsentzugs ist
entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 2 StVollzG).
aa. Das allgemeine
Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch für die
Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Für den … zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Kläger ergibt sich
das Resozialisierungsinteresse aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 1 GG, denn auch der verurteilte Mörder
muss nach deutschem Recht grundsätzlich die Chance haben,
nach Verbüßung einer gewissen Strafzeit – in der Regel nach
Verbüßung des gesetzlich angeordneten Mindestmaßes von 15
Jahren, § 57a Abs. 1 StGB – wieder in die Freiheit zu
gelangen; bei diesem Grundsatz handelt es sich mithin um ein
Gebot mit Verfassungsrang (BVerfG, Beschl. v. 3.6.1992, NJW
1992, S. 2947 ff., 2948 – lebenslange Freiheitsstrafe).
Schon nach systematischer Betrachtung des
Strafvollzugsgesetzes – und des in § 2 normierten
Vollzugszieles für die Freiheitsentziehung – bezieht dieses
auch die lebenslange Freiheitsstrafe mit ein. Aber auch nach
Sinn und Zweck der Vorschriften wirkt sich das im
Strafvollzugsgesetz gesicherte Resozialisierungsziel für
diese Täter aus. Es wird so sichergestellt, dass sie bei
einer späteren Entlassung noch lebenstüchtig und wieder
eingliederungsfähig sind (BVerfG, aaO.- lebenslange
Freiheitsstrafe). Die Vollzugsanstalten sind so auch bei den
zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen
verpflichtet, auf deren Resozialisierung hinzuwirken und
schädliche Auswirkungen des Freiheitsentzugs und damit auch
und vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen
entgegenzuwirken (BVerfG aaO. – Lebenslange Freiheitsstrafe,
m.w.N.). Der verurteilte Straftäter muss die Chance
erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die
Gemeinschaft einzuordnen (BVerfG, aaO. – Lebach I ).
Folgerichtig steht auch dem zu lebenslanger Haft
verurteilten Mörder ein Anspruch auf Resozialisierung zu,
der stets aktuell ist, mag für den Verurteilten auch erst
nach langer Strafverbüßung die Aussicht bestehen, sich auf
ein Leben in Freiheit einrichten zu dürfen (BVerfG aaO. –
lebenslange Freiheitsstrafe).
bb. Das allgemeine
Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch für den Fall,
dass gegen den Verurteilten nach § 66 StGB die anschließende
Sicherungsverwahrung angeordnet wird, da es sich bei der
Sicherungsverwahrung nicht lediglich um einen Verwahrvollzug
des gefährlichen Täters im Sinne eines „Wegsperrens für
immer“ handelt. Denn auch im Rahmen der Sicherungsverwahrung
ist auf eine Resozialisierung des Untergebrachten
hinzuwirken (BVerfG, Urt. v. 5.2.2004, NJW 2004, S. 739 ff.,
740 – Sicherungsverwahrung). Die Sicherungsverwahrung ist
normativ wie tatsächlich geradezu am
Resozialisierungsgedanken ausgerichtet (BVerfG aaO., S. 740
– Sicherungsverwahrung): …
cc. Auch ohne eine
relative zeitliche Nähe zur Haftentlassung können die
möglichen Folgen eines Berichts über die Straftat eines
Verurteilten für sein Grundrecht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit gravierend sein, indem sie zu
Stigmatisierung, sozialer Isolierung und einer darauf
beruhenden grundlegenden Verunsicherung führen (dazu vgl.
BVerfG aaO. – Lebach II). Mit dem Anspruch des Betroffenen,
mit seiner Tat „in Ruhe gelassen“ zu werden, gewinnt es mit
zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren
zunehmende Bedeutung, vor einer Reaktualisierung seiner
Verfehlung verschont zu bleiben (vgl. jüngst BVerfG, Beschl.
v. 13.6.2006, NJW 2006, S. 2835 f. m.w.N.). Die Grenze
zwischen dem Zeitraum, in dem eine den Täter nennende
Berichterstattung als aktuelle Berichterstattung über ein
Ereignis von öffentlichem Interesse grundsätzlich zulässig
ist, und dem Zeitraum, zu dem wegen Zurücktretens des
berechtigten öffentlichen Interesses eine spätere
Darstellung oder Erörterung unzulässig geworden ist, lässt
sich nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach
Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen frist
fixieren( so schon BVerfG aaO.- Lebach I; nach den Umständen
des jeweiligen Einzelfalls kann bereits nach einem Zeitraum
von nur sechs Monaten nach Rechtskraft des Strafurteils die
Namensnennung unzulässig geworden sein, s. etwa BGH, Urt. V.
9. 6. 1965, NJW 1965, S. 2148 ff.- Spielgefährtin I). Der
maßgebende Zeitpunkt für eine die Resozialisierung
gefährdende, unzulässige Berichterstattung unter
Namensnennung ist aber jedenfalls erheblich früher
anzusetzen, als auf das Ende der Strafverbüßung. § 2
StVollzG gebietet es, vom Beginn der Strafzeit an auf das
Vollzugsziel der Resozialisierung hinzuarbeiten. Dem
Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher
Lebensführung vermittelt werden. Er soll es lernen, sich
unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne
Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre
Risiken zu bestehen (BVerfG aaO. – Lebach I.). Eine
Gefährdung der Resozialisierung ist durch eine
Berichterstattung auch dann zu befürchten, wenn die Tat
bereits lange Zeit zurückliegt. Gerade ein Mord ist derart
persönlichkeitsbestimmend, dass der Mörder mit der Tat
praktisch lebenslang identifiziert wird (BVerfG, aaO. –
Lebach II ). Bezogen auf den Kläger bedeutet dies, dass in
der besonderen Situation der Haft, die seine derzeitige
Umwelt darstellt, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt
schädliche Wirkungen für ihn ergeben können. So ist es
jedenfalls nicht a priori auszuschließen, dass sich der
Kläger durch eine mediale Reaktualisierung aus Furcht vor
Missachtung und Ablehnung isolieren wird. In einer
Situation, die ohnehin von Isolation geprägt ist, kann ein
innerer und äußerer Rückzug des Betroffenen - z.B. durch
Einrichtung von Einzelfreistunden, Aufgabe einer Teilnahme
an Gruppenveranstaltungen – dazu führen, dass die
Resozialisierung scheitert. Das aber widerspräche den oben
dargelegten Vollzugszielen, wonach auch ein Straftäter wie
der Kläger ein Recht darauf haben soll, schon während seiner
Haftzeit die Erfahrung machen zu können, dass ihn seine
Umwelt vorurteilslos wieder aufnimmt.
b. Es besteht auch kein
vorrangiges, die Interessen des Klägers überwiegendes
Interesse der Öffentlichkeit an einer Aufrechterhaltung
einer Berichterstattung über die nunmehr mehr als zehn Jahre
zurückliegende Straftat bzw. die nahezu zehn Jahre
zurückliegende Verurteilung unter Nennung des Namens des
Klägers.
aa. Die Bereithaltung der
streitgegenständlichen Artikel durch die Beklagte auf ihren
Internetseiten begründet – wie ausgeführt – DIE Gefahr der
ständigen Reaktualisierung der Persönlichkeitsverletzung des
Klägers, die sich durch jeden Abruf der Berichterstattung
erneut realisiert. Die Unzulässigkeit einer solchen
Berichterstattung beschränkt die Beklagte in ihrem
Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 GG nur geringfügig. Denn die
Tat selbst wird dadurch nicht dem Bereich der Gegenstände,
über die öffentlich berichtet werden darf, entzogen.
Eingeschränkt wird das Recht, über die spektakuläre Tat des
Klägers zu berichten nur dadurch, dass er den Lesern nicht
durch Nennung seines Namens ohne weiteres erkennbar gemacht
werden darf. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dadurch die
Berichterstattungsfreiheit mehr als nur geringfügig begrenzt
würde. Auf der anderen Seite ist nicht ersichtlich, weshalb
es für den Kläger weniger gravierend sein soll, wenn dem
Leser einer Veröffentlichung deutlich wird, dass diese
bereits vor vielen Jahren erstmals veröffentlicht worden
war; die stigmatisierende Wirkung, die mit einer Verknüpfung
seines Namens mit seinen schrecklichen Taten einhergeht,
wird durch alte Artikel genauso perpetuiert wie durch
solche, die aktuell veröffentlicht wurden. Auch ist der
Aufmerksamkeitswert für die Öffentlichkeit zwar zweifellos
höher, wenn eine derartige Berichterstattung im aktuellen
Teil einer Online-Veröffentlichung erfolgt, denn nur dieser
Bereich wird vom Leser ähnlich einer Zeitung „durchgelesen“,
während der Zugriff auf alte Veröffentlichungen regelmäßig
ein gezieltes Tätigwerden des Lesers – in der Regel durch
Eingabe von Suchbegriffen – erfordert. Damit sind derartige
Artikel aber nicht gänzlich aus dem Blickfeld der
Öffentlichkeit verschwunden, denn durch die heute weit
verbreitete Verwendung von Suchmaschinen sind Artikel, die
seit Jahren im Internet stehen, in genau der gleichen Weise
erreichbar, wie der Artikel vom Vortage, der soeben erst in
den „Archivbereich“ verschoben wurde. Für den vorliegenden
Fall bedeutet dies, dass jeder Internetnutzer, der den Namen
des Mordopfers …in eine Suchmaschine eingibt, in Bruchteilen
von Sekunden Artikel wie die streitgegenständlichen
auffinden kann, die den Namen des Klägers mit dieser Tat
verknüpfen. Mit anderen Worten: Zwar ist zutreffend, dass
„archivierte“ Artikel in der Regel nicht „zufällig“ gelesen
werden, die durch den Einsatz hocheffizienter Suchmaschinen
ermöglichte einfache und blitzschnelle Auffindbarkeit
befördert aber alle älteren Artikel gleichberechtigt auf
eine Ebene der Wahrnehmbarkeit und Reichweite, die nur knapp
unterhalb der einer Veröffentlichung im „aktuellen“ Teil
einer Internetplattform liegt. Demnach stellt es für den
Kläger keine Erleichterung dar, dass ihn betreffende Artikel
„nur“ über Suchmaschinen auffindbar sind, sondern die
Möglichkeit einer derartigen Auffindbarkeit begründet gerade
ein gegenüber anderen Formen der Publikation erheblich
intensiviertes und ganz eigenes Maß an perpetuierter
Beeinträchtigung.
bb. Auch der von der
Beklagten angeführte Grundgedanke eines „Archivprivilegs“
vermag zu keiner abweichenden Beurteilung zu führen,
jedenfalls soweit es um so genannte „Online-Archive“ der
vorliegend streitgegenständlichen Art geht.
(a) Es erscheint schon
zweifelhaft, ob es sich bei dem Bereich des
Internetauftritts der Beklagten, an dem sich die
beanstandete Veröffentlichung befand, um ein „Archiv“
handelt. Denn für den Internetnutzer handelt es sich bei
diesem Bereich letztlich um nichts anderes als einen der
Bereiche, unter denen Meldungen aufzufinden sind; der
Unterschied zu den Meldungen anderer Bereiche ist lediglich
der, das es sich unter den hier vorgehaltenen Meldungen um
solche älteren Datums handelt. Weshalb aber das schlichte
Alter einer Meldung als solches ein taugliches Kriterium
sein soll, um das Verbreiten der einen Meldung gegenüber
einer anderen zu privilegieren, ist nicht einzusehen. Aber
auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus, erscheint der
Archivgedanke nicht als tragfähig:
(b) Auf ein
Archivprivileg, das analog dem des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG
gestaltet wäre, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg
berufen. Insoweit kann es für die Abwägung der Interessen
zwischen der von der Berichterstattung betroffenen Person
und dem Verbreiter der Berichterstattung nicht darauf
ankommen, ob letzterer der Inhaber eines ausschließlichen
Nutzungsrechts im Sinne des Urhebergesetzes an den
betreffenden Artikeln ist. Gegen eine analoge Anwendung der
urheberrechtlichen Archivregelung spricht zudem, dass für
eine solche Privilegierung hier bereits deshalb kein Raum
besteht, weil ein Zugriff auf das Archiv der Beklagten
jedermann möglich ist. Die Regelung in § 53 Abs. 2 Nr. 2
UrhG, die den „Archivar“ von Ansprüchen des Urhebers
freistellt, wenn zur Aufnahme in sein Archiv fremde
Werkstücke vervielfältigt werden, findet nicht für jedes
Archiv Anwendung. Nach § 53 Abs. 5 UrhG ist das
Archivprivileg insbesondere auf solche Datenbanken
beschränkt, die nicht mit elektronischen Mitteln zugänglich
sind. Diese Ausnahmevorschrift kommt bereits dann nicht zum
Tragen, wenn das Archiv auch nur von einer Mehrzahl von
Unternehmensangehörigen genutzt werden kann (BGH, Urt. v.
10.12.1998, GRUR 1999, S. 325 ff., 327 m.w.N.). Erst recht
findet sie keine Anwendung, wenn außenstehenden Dritten
Zugriff auf das Archiv gewährt wird (BGH, Urt. v. 16.1.1997,
GRUR 1997, S. 459 ff., 463 – CB-Infodatenbank I). Das hat
seinen Grund darin, dass eine Multiplikatorfunktion mit der
bezweckten Beschränkung auf bloße Bestandssicherung nicht zu
vereinbaren ist, weshalb auch eine Ausdehnung des
Anwendungsbereichs des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG nicht anhängig
ist (vgl. BGH, Urt. v. 10.12.1998, GRUR 1999, S. 325 ff.,
327 m.w.N. – elektronische Pressearchive).
Diese für das Urheberrecht
entwickelten Grundsätze sind es, die gerade dafür sprechen,
dass es ein „Archivprivileg“ für in das Internet
eingestellte ehemals aktuelle Meldungen nicht geben kann,
sondern dass jedenfalls ein Medienunternehmen, das sein
Archiv gerade durch Gewährung des Zugangs über das Internet
auch für dritte Nutzer zugänglich macht, dafür Sorge zu
tragen hat, dass Beiträge, deren Verbreitung nicht oder
nicht mehr zulässig ist, gelöscht oder so archiviert werden,
dass ihre weitere Verbreitung ausgeschlossen ist. Denn der
technische Fortschritt, der die Speicherung und
Zugänglichmachung von Daten in immer weiterem Umfang
zulässt, darf nicht dazu führen, dass
Persönlichkeitsverletzungen eher hinzunehmen sind (BGH Urt.
v. 16.9.1966, NJW 1966, S. 2353 ff., 2354; BVerfG, Beschl.
v. 9.10.2002, NJW 2002 S. 3619 ff., 3621; s. auch BVerfG,
Urt. v. 15.12.1983, BVerfGE 65, S. 1 ff. = NJW 1984, S. 419
ff., 421 f. – Volkszählung).
(c) Im Übrigen wird auch
aus den gesetzlichen Regelungen über die Verwaltung von
Archivgut deutlich, dass nach gesetzgeberischer Wertung
zeitliche Schutzfristen für archivierte Beiträge zu beachten
sind, die den Schutz der Persönlichkeitsrechte der von dem
Archivgut betroffenen Personen dienen, und dass solche
Schutzvorschriften geradezu zum Wesen des Archivrechts
gehören. So darf etwa nach § 5 Abs. 2 BArchG Archivgut, das
sich auf natürliche Personen bezieht, erst 30 Jahre nach dem
Tode der betroffenen Person durch Dritte benutzt werden; ist
das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand
festzustellen, endet die Schutzfrist erst 110 Jahre nach der
Geburt des Betroffenen. Entsprechende Regelungen enthalten
auch die Archivgesetze der Länder (s. z.B. § 5 des
Hamburgischen Archivgesetzes v. 21.1.1991). Mit derartigen
Schutzfristen wird ein angemessener Ausgleich zwischen den
Interessen der von den Inhalten des zu archivierenden
Schrift- oder Bildguts betroffenen Personen und der
Notwendigkeit, kulturell bedeutsames Mediengut dauerhaft zu
erhalten und der Öffentlichkeit zur Nutzung zur Verfügung zu
stellen, geschaffen. Schon zuvor darf Archivgut genutzt
werden, ggf. sind aber die von ihm betroffenen Personen
unkenntlich zu machen (s. z.B. auch § 12 Abs. 4 und 5
Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 30 BDSG). Auch dies zeigt, dass
der Gesetzgeber es als durchaus zumutbar ansieht, wenn ggf.
eine nur unter Anonymisierung (§ 3 Abs. 6 BDSG) der
betreffenden Person erfolgende Verbreitung von Informationen
zugelassen wird.
Einen allgemeinen
Rechtsgedanken, wonach die Verbreitung archivierter
Materialien gegenüber der von aktuellen Meldungen in
weiterem Umfange generell zulässig wäre, solange die von den
Inhalten des Materials betroffenen Personen noch am Leben
sind, gibt es damit nicht.
c. Damit schuldet die
Beklagte als Störerin Unterlassung. Das Eingreifen von
Rechtfertigungsgründen – etwa wegen eines überwiegenden
Interesses der Öffentlichkeit an der Führung gerade des
streitgegenständlichen Archivs – ist weder dargelegt noch
ersichtlich. Wie ausgeführt, erfüllt die hier praktizierte
schlichte öffentliche Bereithaltung älterer
Veröffentlichungen bereits nicht die spezifischen Funktionen
eines Archivs, das an dem grundsätzlich berechtigten
Interesse ausgerichtet ist, publizistische Erzeugnisse „dem
wissenschaftlich und kulturell Interessierten möglichst
geschlossen zugänglich zu machen und künftige Generationen
einen umfassenden Eindruck vom geistigen Schaffen früherer
Epochen zu vermitteln“ (BVerfG, B. v. 14.7.1981, NJW 1982,
S. 633 ff., 634 – zu Pflichtexemplaren).“
Diese Erwägungen gelten
hier im noch stärkeren Maße, weil der Kläger nicht im
Anschluss an die lebenslange Freiheitsstrafe, von der er
bereits über 14 Jahre verbüßt hat, noch Sicherungsverwahrung
zu vergegenwärtigen hat.
Es wird außerdem ergänzend
auf das Urteil des Hans. OLG Hamburg vom 09.10.2007 (Az.: 7
U 53/07) verwiesen, in welcher das OLG ausführt, es obliege
dem Betreiber eines online gestellten Pressearchivs als
Verbreiter, zuvor die Zulässigkeit des Dritten zur Verfügung
gestellten archivierten Materials zu prüfen.
Die Beklagte dringt auch
nicht mit ihrem Einwand durch, der Kläger müsse die
umstrittene Nennung seines Namens hinnehmen, da er sich
selbst noch im Jahre 2004 unstreitig mit zwei Schreiben in
Zusammenhang mit seinem Wiederaufnahmeverfahren an eine
Zeitung – nach Angaben des Klägers die „S. Zeitung“ -
gewandt habe. Denn gegenüber dem Jahr 2004 haben das
Resozialisierungsinteresse und der Anonymitätsschutz
angesichts seiner kurz bevorstehenden möglichen
Haftentlassung erheblich an Gewicht gewonnen (vgl. Beschluss
des Hans. OLG Hamburg vom 28.02.2007, Az.. 7 W 13/07).
Die Nebenentscheidungen folgen
aus §§ 3, 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 709 ZPO.