Verhandlungsbericht
15.11.2006
Landgericht Hamburg
URTEIL
Im Namen des Volkes
Geschäfts-Nr.
324 O 618/06 |
Verkündet am:
15.11.2006 |
In der Sache
...
- Antragsteller -
Prozessbevollmächtigter ...
gegen
...
- Antragsgegnerin -
Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte Schweizer pp.,
Arabellastr. 21, 81925 München,
erkennt das Landgericht Hamburg,
Zivilkammer 24 auf die mündliche Verhandlung vom 10.11.2006 durch
den Vorsitzenden Richter am
Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Zink
den Richter am Landgericht Dr. Weyhe
für Recht:
-
Die einstweilige Verfügung vom
13.9.2006 wird aufgehoben und der ihr zugrundeliegende Antrag
zurückgewiesen.
-
Der Antragsteller hat die Kosten
des Verfahrens zu tragen.
-
Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
Der Antragsteller darf die Kostenvollstreckung durch die
Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Die Antragsgegnerin betreibt die
Aufhebung der einstweiligen Verfügung der Kammer vom 13.9.2006 gemäß §
927 ZPO, mit der ihr die Verbreitung bestimmter Äußerungen über den
Antragsteller untersagt worden war.
Im Verlag der Antragsgegnerin
erscheint die Zeitschrift ... . In der Ausgabe vom 14.8.2006 wurde ein
Beitrag mit der Überschrift ... veröffentlicht, der sich u.a. mit dem
Antragsteller befasst (Anl ASt 1).
Auf eine Abmahnung des Antragstellers
wegen dieses Beitrages antworteten die jetzigen Prozessbevollmächtigten
der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14. und 16.8.2006. Im Schreiben
vom 14.8.2006 hieß es u.a.: "... wir vertreten ... . Entsprechende
Bevollmächtigung ist versichert. Zu Ihrem Schreiben vom 14.8.2006,
welches uns unsere Mandantin zur Beantwortung zuleitete:..." (Anl ASt
9).
Am 13.9.2006 erwirkte der
Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der
Antragsgegnerin verschiedene Äußerungen aus dem genannten Bericht
verboten wurden. Sowohl in dem auf deren Erlass gerichteten Antrag als
auch in der einstweiligen Verfügung selbst war die Kanzlei der
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin im Passivrubrum angeführt,
sc. als ... bzw. als ... . Zwischen den Parteien ist streitig, zu
welchem Zeitpunkt eine Bevollmächtigung dieser Kanzlei durch die
Antragsgegnerin erfolgte und wann die Antragsgegnerin Kenntnis von der
einstweiligen Verfügung erlangte.
Der Beschluss vom 13.9.2006 ging dem
Antragsteller am 14.9.2006 zu. Mit Schreiben vom 15.9.2006 übersandte
dieser den Beschluss an die Gerichtsvollzieherverteilerstelle beim AG
München mit der Bitte um Zustellung an die Antragsgegnerin selbst (Anl
ASt 12).
Am 20.09.2006 übergab die
Gerichtsvollzieherin ... die einstweilige Verfügung an die
Bürovorsteherin der Prozess bevollmächtigten der Antragsgegnerin,
nachdem sie sich zuvor an die Poststelle oder den Empfang der im
gleichen Gebäude residierenden Antragsgegnerin gewandt hatte, wo der
Beschluss indes nicht ent¬- gegen genommen worden war; die
Gerichtsvollzieherin übersandte dem Antragsteller am selben Tag
Unterlagen sowie ihre Kostenrechnung mit dem Bemerken "nach erfolgter
Zustellung" (Anl. ASt 13).
Im vorliegenden Verfahren begehrt die
Antragsgegnerin die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 927
ZPO mangels Zustellung innerhalb der Vollziehungsfrist. Sie trägt zur
Begründung u.a. vor, dass ihre Prozessbevollmächtigten vorprozessual nur
zur Beantwortung des Abmahnschreibens bevollmächtigt gewesen seien. Sie
behauptet dazu, dass ihr die einstweilige Verfügung bis zum 17.10.2006
tatsächlich nicht zugegangen sei. Die Bürovorsteherin ihrer
Prozessbevollmächtigten sei nicht in der Lage, das Vorliegen einer
Prozessvollmacht bei Entgegennahme zu überprüfen, ihr Pförtner am
Empfang habe die Gerichtsvollzieherin aufgrund des Rubrums des
Beschlusses an ihre späteren Prozessbevollmächtigten verwiesen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die durch Beschluss des
Landgerichts Hamburg vom 13.9.2006 (324 O 618/06) erlassene
einstweilige Verfügung aufzuheben.
Der Antragsteller beantragt,
diesen Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller behauptet, die
einstweilige Verfügung sei der Antragsstellerin im Wege der
routinemäßigen Post von den Prozessbevollmächtigten am 21.9.2006
zugegangen. Er ist zudem der Ansicht, dass die Berufung auf einen
Zustellungsmangel rechtsmissbräuchlich sei; die Prozessbevollmächtigten
der Antragsgegnerin seien praktisch deren "In-House-Rechtsabteilung".
Der Antragsteller behauptet, dass die Poststelle der Antragsgegnerin die
Gerichtsvollzieherin mit der Begründung, für "derartiges" seien die
Prozessbevollmächtigten zuständig, auf eine Zustellung an ihre
Prozessbevollmächtigten verwiesen habe; hierzu verweist der
Antragsteller auf eine Erklärung der Gerichtsvollzieherin (Anl ASt 14).
Eventuelle Zustellungsmängel seien jedenfalls nach der Bestellung der
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin geheilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
I.
Der zulässige Antrag auf Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom
13.9.2006 ist begründet. Die einstweilige Verfügung ist aufzuheben, da
sie nicht innerhalb der Vollziehungsfrist zugestellt wurde.
Gem. §§ 927 Abs.1, 936 ZPO kann eine
einstweilige Verfügung u. a. aufgehoben werden, wenn veränderte Umstände
vorliegen. Es stellt einen solchen veränderten Umstand dar, wenn die
einstweilige Verfügung nicht vollzogen wurde und nicht mehr vollzogen
werden kann (vgl. Zöller / Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 927 Rn.6). Dies
ist hier der Fall:
Eine einstweilige Anordnung, die wie
hier einen Unterlassungsanspruch sichert, wird dadurch vollzogen, dass
sie dem Schuldner im Wege des Parteibetriebs zugestellt wird (Zöller /
Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 929 Rn.13). Die hierfür eingeräumte Frist
betrug im vorliegenden Fall gemäß § 929 Abs.2 ZPO einen Monat ab dem
14.9.2006, da die einstweilige Verfügung dem Antragsteller an diesem Tag
zugestellt worden war; diese Frist endete gemäß §§ 222 Abs.1, 2 ZPO, 187
Abs.1, 188 Abs.2 BGB am Montag, den 16.10.2006. Der Antragsteller hat
indes nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegnerin die einstweilige
Verfügung bis zu diesem Termin zugestellt wurde, insbesondere erfolgte
keine wirksame Zustellung durch die Gerichtsvollzieherin ... am
20.9.2006. Entgegen §§ 51, 166, 170 Abs.2 und 3 ZPO erfolgte die
Zustellung durch die Gerichtsvollzieherin nicht an Leiter oder
gesetzliche Vertreter der Antragsgegnerin; tatsächlich ausgehändigt
wurde die einstweilige Verfügung vielmehr unstreitig den jetzigen
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin. Dies stellte aber keine
wirksame Zustellung gemäß §§ 172 Abs.1, 191 ZPO dar, denn der
Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass die Kanzlei der
Rechtsanwälte ... von der Antragsgegnerin zu diesem Zeitpunkt schon
bevollmächtigt waren, insbesondere bestand auch nicht der Anschein einer
Prozessvollmacht. Ein solcher Anschein wird nicht dadurch erweckt, dass
vorgerichtlich auf ein Mahnschreiben geantwortet wird, wenn nicht
eindeutig und unmissverständlich auf eine eventuelle Prozessvollmacht
hingewiesen wird (HansOLG WRP 2006 909; GRUR 1998, 175). Die
Formulierung "entsprechende Bevollmächtigung wird versichert" genügt dem
nicht, denn diese ist nicht eindeutig auf eine Bevollmächtigung für
gerichtliche Verfahren bezogen (vgl. Zöller / Vollkommer, ZPO, 25.Aufl.,
§ 922 Rn.11). Hinzu kommt, dass die weitere Formulierung des Schreibens
vom 14.8.2006 (Anl ASt 9) gerade Zweifel zu wecken geeignet war, dass
eine Prozessvollmacht besteht, denn dort heißt es, dass der Kanzlei der
Rechtsanwälte ... das Abmahnschreiben des Antragstellers "zur
Beantwortung zugeleitet" worden sei; dieser Formulierung mag dem
Adressaten sogar eine entsprechende Beschränkung der Vollmacht
signalisieren, steht aber jedenfalls der Annahme einer eindeutigen
Mitteilung einer Prozessvollmacht entgegen. Auch aus der Tatsache, dass
die Prozessbevollmächtigten die Antragsgegnerin in Pressesachen
regelmäßig vertreten, ergibt sich kein Vollmachtsanschein für den
Antragsteller. Dass auch der Antragsteller nicht davon ausging, dass
bereits bei der versuchten Zustellung der einstweiligen Verfügung eine
Prozessvollmacht für die Kanzlei der Rechtsanwälte ... bestand, zeigt
zudem die Tatsache, dass er die Gerichtsvollzieherin mit einer
Zustellung gerade an die Antragsgegnerin selbst beauftragte. ...
Schließlich ist es nicht
rechtsmissbräuchlich, dass sich die Antragsgegnerin auf die fehlerhafte
Zustellung beruft. Insbesondere liegt kein Sachverhalt vor, der einer
Zustellungsvereitelung durch die Antragsgegnerin vergleichbar wäre. Zwar
hatte sich die Gerichtsvollzieherin unstreitig zunächst in die
Räumlichkeiten der Antragsgegnerin begeben, war dort jedoch - vom
Empfang oder von der Poststelle - an die Kanzlei der Rechtsanwälte ...
worden. Die Behauptung des Antragstellers, dass der Gerichtsvollzieherin
hierbei gesagt worden sei, dass "für derartige Sachen" - also generell -
die "Anwälte ... zuständig" seien, ist indes unsubstantiiert, denn aus
der vom Antragsteller selbst vorgelegten Stellungnahme der
Gerichtsvollzieherin (Anl ASt 14) ergibt sich, dass der ausdrückliche
Grund für die Verweisung an die Kanzlei der Rechtsanwälte ... die
Tatsache war, dass diese im Passivrubrum der einstweiligen Verfügung
aufgeführt war; wären diese tatsächlich Prozessbevollmächtigte gewesen,
wäre indes eine Zustellung in der Tat bei der Kanzlei ... zu bewirken
gewesen. Die Ursache für diese unrichtige Angabe im Passivrubrum hat
indes der Antragsteller selbst gesetzt, indem er - im Widerspruch zum
Inhalt seines sodann erteilten Zustellungsauftrages - die Kanzlei der
Rechtsanwälte ... in seiner Antragsschrift als Prozessbevollmächtigte
der Antragsgegnerin aufgeführt hatte; allein diese Angabe, deren
Richtigkeit das Gericht weder überprüfen musste noch konnte, da der
Antragsteller hier über weitergehende Erkenntnisse verfügen kann, als
sich aus der Akte ergeben, hat zu der unrichtigen Angabe im Passivrubrum
geführt. Es ist auch keine Rechtspflicht ersichtlich, nach der die
Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin verpflichtet gewesen wären,
auf die fehlerhafte Zustellung vor Ablauf der Vollziehungsfrist
hinzuweisen. Eine solche ergibt sich insbesondere nicht aus § 14 BORA;
das Risiko einer fehlerhaften Übermittlung der einstweiligen Verfügung
trägt vielmehr der Antragsteller, auch wenn diese ihm aus dem Rücklauf
der Gerichtsvollzieherin nicht erkennbar war.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.6, 711. 709 Satz 2 ZPO.
Buske
Zink
Dr. Weyhe
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Rolf Schäike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 04.09.06
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