Buskeismus


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Verhandlungsbericht

Berufungsverfahren 7 U 18/07 am 20.11.2007; Berufung wurde mit Urteil am 18.12.07 zurückgewiesen.

BGH-Verfahren  VI ZR 19/08 am 22.09.2009; Die Verbote wurden aufgehoben. Urteil.

 

Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.:
324 O 283/06
 

Verkündet am:
19.01.2007

In der Sache

DaimlerChrysler AG; Jürgen E. Schrempp

 
  - Kläger -
 
Prozessbevollmächtigte RA Schertzt pp.
 
gegen
 
Axel Springer AG  
  - Beklagte -
 
Prozessbevollmächtigte RA Bausch pp.

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24, auf die mündliche Verhandlung vom 15.09.2006 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske, den Richter am Landgericht Dr. Korte, den Richter Dr. Weyhe

für Recht:

Tenor

I. Der Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,

in Bezug auf die Kläger zu behaupten oder zu verbreiten oder behaupten oder verbreiten zu lassen:

a) „Ich glaube nicht, dass der Rücktritt [des Klägers zu 2.) als Vorsitzender des Vorstands der Klägerin zu 1.)] freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde."

b) „... und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren. die Herr S. geregelt hat."

II.Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 60.000,00, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Beschluss : Der Streitwert wird festgesetzt auf EUR 60.000,00.

Tatbestand

Die Kläger begehren von dem Beklagten, es zu unterlassen, die aus dem Klagantrag ersichtlichen Äußerungen erneut zu verbreiten.

Die Klägerin zu 1.) ist ein Großunternehmen. Der Kläger zu 2.) ist zum Jahresanfang 2005 vom Posten des Vorsitzenden des Vorstands der Klägerin zu 1.) zurückgetreten. Der Beklagte ist Aktionär der Klägerin zu 1.) und Sprecher eines Aktionärsverbandes. Er hat sich wiederholt in Publikationen kritisch zu den Klägern geäußert. Am 28. Juli 2005 wurde in der - auch in Hamburg zu empfangenden – Fernsehsendung „SWR-Landesschau" ein Interview mit dem Beklagten ausgestrahlt, in dem er sich zum Rücktritt des Klägers zu 2.) wie folgt äußerte:

Frage: „Was für viele ja den Rücktritt hier fast schon sympathisch macht, ist die Tatsache, dass er überhaupt keine Abfindung annimmt, da er kein Geld möchte, obwohl er ja eigentlich vertraglich den Anspruch hätte. Gibt es da eine Erklärung?"

Antwort des Beklagten: „Jetzt muss man mutmaßen, aber wenn Sie Herrn S. kennen, da gibt es nun Fälle, wo ich denke, jemand will Millionen, man schätzt er hat zwischen 5 und 7 Millionen Euro pro Jahr verdient, er nun durchaus darauf Wert gelegt hat, dass man ja auch die Kleinigkeiten im Leben gezahlt hat, dann kann man nicht sagen, dass der S. unbedingt so orientiert ist, dass er gerne auf das Geld verzichtet. Es gibt meines Erachtens andere Dinge, die im Raume stehen und die jetzt geklärt werden müssen in den nächsten Monaten. Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde. Aufsichtsratsbörse, Aktionäre, alle wichtigen Partner hat er nun verloren, die Rückendeckung verloren, und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

Die Kläger mochten die beanstandeten Äußerungen nicht hinnehmen und erwirkten nach fruchtloser Abmahnung eine einstweilige Verfügung der Kammer vom 25. Oktober 2005 (Az. 3240 715/05). Mit dieser Klage verfolgen sie ihr Begehren im Wege der Hauptsacheklage weiter.

Die Kläger behaupten, der Kläger zu 2.) sei aus eigenem Entschluss zurückgetreten, ohne hierzu von Dritten aufgefordert worden zu sein. Seine Geschäfte hätten stets im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften gestanden.

Die Kläger beantragen,

dem Beklagten bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu untersagen, in Bezug auf den Kläger zu behaupten und / oder zu verbreiten und / oder behaupten und / oder verbreiten zu lassen:

a) „Ich glaube nicht, dass der Rücktritt freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde."

b) „... und das muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beanstandet die Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg. Der Beklagte ist der Ansicht, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um Meinungsäußerungen handle, deren Verbreitung zulässig sei. Er habe seine Äußerungen deutlich als Meinung gekennzeichnet. Es gebe zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die von ihm geäußerten Vermutungen zutreffend seien. Dies könne er aufgrund seiner langjährigen Kenntnisse über den Konzern und Autor einer Biographie des Klägers zu 2.) beurteilen. Zu diesen Anhaltspunkten gehöre es, dass in einer Mitteilung der Klägerin zu 1.) vom 28. Juli 2005 über den Rücktritt des Klägers zu 2.) weder ein Wort des Dankes noch die Mitteilung einer Abfindung zu finden gewesen seien. Schon dies habe zu Spekulationen in den Veröffentlichungen verschiedener Medien geführt, in denen auch von Tarnfirmen, Graumarktgeschäften u.ä. die Rede gewesen sei, an denen der Kläger zu 2.) beteiligt gewesen sein solle. Tatsächlich führe die Staatsanwaltschaft Stuttgart Ermittlungen gegen die Klägerin zu 1.), und auch in den USA laufe ein Ermittlungsverfahren der Börsenaufsicht und des Justizministeriums gegen die Klägerin zu 1.). In einem Arbeitsgerichtsprozess habe der Vertriebsmanager Dr. F. vorgetragen, dass der Kläger zu 2.) von Graumarktgeschäften Kenntnis gehabt habe (Beweis: Zeugnis F.. H.), und ein S. F. habe an Eides Statt versichert, dass ihm im Juli 2003 ein Lieferant von Mercedes-Fahrzeugen, H. G., mitgeteilt habe, dass ein Kunde von ihm, die Firma S., in Umsatzsteuermanipulationen verwickelt gewesen seien, an denen Vorstandsmitglieder der Klägerin zu 1.), darunter der Kläger zu 2.) beteiligt gewesen sei (Beweis: Zeugnis F.).

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Ausführungen in den Entscheidungsgründen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

l.

Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Hamburg gegeben. Sie folgt aus § 32 ZPO, da die Sendung des SWR, in der der Beklagte die angegriffenen Äußerungen getätigt hat, auch im Bezirk des Landgerichts Hamburg hat empfangen werden können.

II.

Die Klage ist auch begründet. Den Klägern stehen die geltend gemachten Unterlassungsanspruche zu aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1,2 Abs. 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG, denn die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen verletzt den Kläger zu 2.) in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und die Klägerin zu 1.) in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht.

1. Beide Kläger sind von den angegriffenen Äußerungen betroffen. Für den Kläger zu 2.) ergibt sich das daraus, dass die Äußerungen sich ausdrücklich auf ihn beziehen, für die Klägerin zu 1.) daraus, dass die Äußerungen über den Kläger zu 1.) dessen Tätigkeit als führender Mitarbeiter der Klägerin zu 1.) betreffen. Wenn der Führungskraft eines Unternehmens öffentlich ein Fehlverhalten bei der Wahrnehmung ihrer Führungsaufgaben vorgeworfen wird, so wird dieses Fehlverhalten von den Rezipienten dieser Äußerung dem Unternehmen selbst zugerechnet, da dieses als für die Auswahl und Tätigkeit seiner Mitarbeiter verantwortlich angesehen wird (BGH, Urt. v. 3. 6. 1975, GRUR 1976, S. 210 ff., 210).

2. Der Beklagte geht zu Recht davon aus, dass es sich bei den angegriffenen Äußerungen um Meinungsäußerungen, Werturteile, handelt. Denn die Formulierungen „gedrängt", „genötigt" und „nicht immer so sauber" sind einer Aufklärung mittels Beweises nicht zugänglich. Allerdings handelt es sich nicht um reine Meinungsäußerungen; denn mit den Äußerungen des Beklagten wird Bezug genommen auf Vorgänge, von denen dem Rezipienten nahe gelegt wird, dass es sich bei ihnen um ein tatsächliches Geschehen handelt. Bei Zugrundelegung der im Rahmen der Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen für die Auslegung veröffentlichter Äußerungen anzuwendenden Auslegungsmaßstäbe (dazu BVerfG, Beschl. v. 25.10.2005, NJW 2006, S. 207 ff., 208 f.) lassen sich die Äußerungen des Beklagten – jedenfalls auch, wenn nicht gar nur - dahingehend verstehen, dass gesagt werden soll, dass der Kläger zu 2.) nicht aufgrund seiner eigenen Entscheidung zurückgetreten sei und dass er in Geschäfte verwickelt gewesen sei, die illegal oder jedenfalls moralisch anstößig gewesen seien. Damit wird auf eine die Willensbildung des Klägers zu 2.) betreffende innere Tatsache (dazu BGH, 2. St8., Urt. v. 27. 4.1951, MDR 1951, S. 404) bzw. auf ein tatsächliches Tätigwerden des Klägers zu 2.) durch das Tätigen von Geschäften mit einem gewissen Inhalt Bezug genommen. Letzteres stellt eine Mischung aus Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung dar, bei der das Moment der Meinungsäußerung allerdings überwiegt. Das gilt auch dann, wenn man davon ausgehen wollte, dass der Durchschnittszuschauer die Formulierung „nicht immer so sauber" nicht nur im Sinne von „moralisch fragwürdig" verstehen, sondern zwingend mit dem Vorwurf eines „gesetzwidrigen", „illegalen" Verhaltens gleichsetzen sollte; denn auch rechtliche Bewertungen sind als Meinungsäußerungen anzusehen, wenn sie dem Rezipienten nicht zugleich Kenntnisse des vermeintlich zugrunde liegenden Sachverhaltes vermitteln (Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 14.22 f.; BGH, Urt. v. 22. 6.1982, NJW 1982,2246 ff., 2247). Ein konkreter Sachverhalt wird dem Rezipienten mit dem Vorwurf der „nicht immer so sauberen" Geschäfte, die der Kläger zu 2.) geregelt haben solle, indessen nicht vermittelt.

3. Die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen ist aber nicht durch das Recht der freien Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt.

Der Beklagte nimmt allerdings im Grundsatz zu Recht für sich in Anspruch, sich in einer die Interessen der Öffentlichkeit berührenden Frage geäußert zu haben. Denn die Klägerin zu 1.) als ein am Markt tätiges, ebenso großes wie bekanntes Industrieunternehmen muss sich in gesteigertem Maße Kritik an ihrem unternehmerischen Handeln gefallen lassen, insbesondere dann, wenn sie von Seiten eines Aktionärsvertreters erfolgt. Das gleiche gilt auch für den Kläger zu 2.), soweit dessen Tätigkeit als - ehemaliger - Vorsitzender des Vorstands der Klägerin betroffen ist. Dieses öffentliche Interesse an den Belangen der Kläger rechtfertigt es aber nicht, in schrankenloser Weise abfällige Äußerungen über die Kläger zu verbreiten. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2.) und das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Klägerin zu 1.) gebieten es vielmehr, auch insoweit eine Gesamtabwägung der für und gegen die Verbreitung der jeweiligen Äußerung streitenden Interessen vorzunehmen. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass die angegriffenen Meinungsäußerungen in erheblichem Maße in die genannten Rechte eingreifen, denn sie enthalten zumindest den Vorwurf eines moralisch verwerflichen, wenn nicht gar illegalen Verhaltens des Klägers zu 2.). Jedenfalls gemessen hieran hat der Beklagte keine hinreichenden Anknüpfungstatsachen für die angegriffenen Meinungsäußerungen vorgetragen.

Art. 5 Abs. 1 GG schützt die Verbreitung von Meinungen, durch die in das ebenfalls mit Verfassungsrang geschützte Persönlichkeitsrecht Dritter eingegriffen wird, nur insoweit, als sie einen Beitrag zu der verfassungsrechtlich vorausgesetzten Bildung einer öffentlichen Meinung darstellen können (BVerfG, Beschl. v. 11.11.1992, NJW 1993, S. 1845 f., 1845). Das ist dann nicht der Fall, wenn es sich bei Äußerungen um eine Schmähkritik handelt, mithin um solche Äußerungen, bei denen nicht die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht, bei denen also die Kritik auch aus Sicht des Kritikers keine vertretbare Grundlage mehr haben kann, sondern auf eine vorsätzliche Ehrkränkung abzielt (BVerfG, Beschl. v. 31.8.2000, NJW-RR 2000, S. 1712 f., 1712; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rn. 20.9). Entscheidendes Kriterium ist insoweit, ob die streitige Äußerung Sachnähe zu einem ihr zu Grunde liegenden Tatbestand hat; fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Anknüpfungspunkten, auf die die geäußerte Meinung gestützt werden kann, ist die Schwelle zur unzulässigen Schmähkritik regelmäßig überschritten (Hans. OLG, Urt. v. 3.3.2000, NJW-RR 2000,1292 f., 1293), weil auf tatsächlich nicht gegebene Umstände gestützte Meinungen zur sachgerechten Bildung einer öffentlichen Meinung nichts beitragen können und daher - wie die unrichtige Information selbst - kein schützenswertes Gut sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.11.1992, NJW 1993, S. 1845 f., 1845). Aus diesem Grund unterfällt auch die Verbreitung von Meinungsäußerungen, die, ohne dass die qualifizierenden Merkmale einer Schmähkritik im oben beschriebenen engeren Sinne vorliegen mögen, auf Tatsachen Bezug nehmen, die nicht gegeben sind, nicht dem vorrangigen Schutz der Meinungsfreiheit, wenn die Verbreitung einen Eingriff in das verfassungsrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht Dritter bedeutet (BVerfG, Beschl. v. 16.7.2003, NJW 2004, S. 277 ff., 278). Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Tatsachen, auf die Bezug genommen wird, als fest gegeben hingestellt oder - wie hier - eher in die Form eines Gerüchtes gekleidet werden; denn die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ist im letzteren Fall kaum geringer als im ersteren (vgl. OLG Brandenburg, Urt. v. 12.6.2002, NJW-RR 2002, S. 1269 ff., 1269 f.). Dafür, dass Anknüpfungstatsachen vorliegen, die geeignet sind, die Verbreitung der von dem Beklagten gezielt gegenüber der Öffentlichkeit getätigten Äußerungen zu rechtfertigen, ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet; das ergibt sich aus der auch insoweit einschlägigen, über § 823 Abs. 2 BGB auch für das Zivilrecht Geltung entfaltenden Norm des § 186 StGB (BGH, Urt. v. 12.5.1987, NJW 1987, S. 2225 ff., 2226 f.). Dass solche Anknüpfungstatsachen vorlägen, hat der Beklagte, obwohl er für sich in Anspruch nimmt, ein Kenner der Materie zu sein, nicht dargelegt.

Der Umstand, dass der Kläger zu 2.) keine Abfindung für seinen Rücktritt erhalten hat, und der Umstand, dass ihm in der Ad-hoc-Mitteilung der Klägerin zu 1.) vom 28. Juli 2005 nicht für seine Tätigkeit gedankt wurde, mögen Anlass geben zu vermuten, dass es Verstimmungen zwischen der Klägerin zu 1.) und dem Kläger zu 2.) gab. Angesichts der vielfältigen Gründe, die zu solchen Verstimmungen führen können, vermag dies die Verbreitung von Vorwürfen, mit denen ein illegales Verhalten des Klägers zu 2.) insinuiert wird, jedoch nicht zu stützen. Ebenso wenig vermag der Umstand, dass Ermittlungsverfahren einer deutschen Staatsanwaltschaft oder von US-amerikanischen Ermittlungsbehörden im Gange sind, die Verbreitung der angegriffenen Äußerungen zu stützen, sofern nicht zum konkreten Inhalt der Vorwürfe und insbesondere dazu vorgetragen wird, ob sie sich auch gegen die Person des Klägers zu 2.) richten.

Entsprechendes gilt für den Vortrag des Beklagten zu angeblichen „Graumarktgeschäften" der Klägerin zu 1.). Es ist in keiner Weise dargelegt, um welche Geschäfte es sich handeln soll und in welcher Welse der Kläger zu 2.) in diese Geschäfte involviert gewesen sein mag. Bei einem so großen Unternehmen, wie es die Klägerin zu 1.) ist, kann auch nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass der Kläger zu 2.) Kenntnis von allen Vorgängen, die das Unternehmen betreffen, hat. Es ist auch nicht so, wie der Beklagte auf Seite 8 seines Schriftsatzes vom 14. September 2006 meint, dass die Kläger nun ausschließen müssten, dass der Kläger zu 2.) „frei von jeglicher Verantwortung" von - in diesem Schriftsatz nicht näher dargelegten etwaigen Unregelmäßigkeiten im Geschäftsbetrieb der Klägerin zu 1.) sei, sondern es ist, wie ausgeführt, der Beklagte, der diese Unregelmäßigkeiten und die Beteiligung des Klägers zu 2.) daran konkret darzulegen hat. Der Hinweis darauf, dass in gerichtlichen Auseinandersetzungen - etwa der zwischen dem von dem Beklagten als Zeugen benannten Dr. F. und der Klägerin zu 1.) - Vorwürfe gegen die Klägerin zu 1.) und möglicherweise auch gegen den Kläger zu 2.) erhoben worden seien, kann einen substantiellen Vortrag zum Inhalt dieser Vorwürfe nicht ersetzen.

Das Gleiche gilt insoweit, als der Beklagte auf die von ihm als Anlage BK 7 vorgelegte eidesstattliche Versicherung von S. F. Bezug nimmt. Auch aus dieser ergibt sich ein konkreter Sachverhalt im Sinne von § 373 ZPO, der einer Beweiserhebung im Rahmen eines Zivilprozesses zugänglich wäre, nicht. Es mag ja so sein, dass F. an Eides Statt versichert hat, dass ihm im Jahre 2003 sein Geschäftspartner G. im Zusammenhang mit der Schilderung von dessen Beziehungen zu dem Zulieferer S. erzählt habe, dass letzterer in Umsatzsteuermanipulationen verwickelt gewesen sein mag, von denen die Klägern zu 1.) gewusst habe und die von Mitgliedern von deren Vorstand, darunter dem Kläger zu 2.), „voll unterstützt" worden sein sollen. Ein Sachverhalt, der einer Aufklärung durch Zeugenvernehmung zugänglich wäre, ist damit nicht dargelegt. Es ist noch nicht einmal erkennbar, ob es sich bei diesen Vorgängen um solche gehandelt hat, von denen man im Sinne der Äußerung des Beklagten sagen könnte, dass der Kläger zu 2.) sie „geregelt" habe, also dieser selbst als handelnde Person an diesen angeblichen Vorgängen beteiligt gewesen sei. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch die Kammer im Rahmen des nicht dem Offizialprinzip unterliegenden Zivilprozesses kommt damit nicht in Betracht.

4. Rechtfertigungsgründe, auf die der Beklagte sich mit Erfolg berufen könnte, sind nicht gegeben.

Private Verbreiter von Tatsachenbehauptungen - und für Meinungsäußerungen, mit denen auf Tatsachen Bezug genommen wird, kann nichts anderes gelten -, mögen sich zwar dann, wenn diese Behauptungen Fragen von öffentlichem Interesse betreffen, intransparente Sachverhalte zum Gegenstand haben und über längere Zeit von Massenmedien verbreitet worden sind, ohne dass der von ihnen Betroffene dem widersprochen hätte, auf den Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen können, weil ihnen eine weitere Recherche nicht angesonnen werden kann (BVerfG, Beschl. v. 9. 10. 1991, NJW 1992, S. 1439 ff., 1440 f., 1442). Diese Voraussetzungen liegen hier indessen nicht vor. Der Beklagte selbst weist darauf hin, dass er nicht ein unkundiger Dritter ist, der darauf angewiesen wäre, sich über allgemeine Publikationen kundig zu machen. Er nimmt vielmehr für sich in Anspruch, Kenntnis von den Vorgängen bei der Klägerin zu 1.) zu haben; eben in dieser Eigenschaft als Kenner der Materie ist er auch in dem Interview, in dem er die angegriffenen Äußerungen getätigt hat, aufgetreten. Zum Zeitpunkt seiner Äußerungen gab es zudem zu den hier angegriffenen Äußerungen keine Presseveröffentlichungen von der Art, dass man auf deren Richtigkeit hätte vertrauen dürfen. Dem stand hinsichtlich der Spekulation über die Gründe für das Ausscheiden des Klägers zu 2.) bei der Klägerin zu 1.) ohnehin der von dem Beklagten selbst hervorgehobene Umstand entgegen, dass er mit seiner Äußerung auf eine eben erst bekannt gewordene Situation reagiert hat. Hinsichtlich der angeblichen Geschäfte des Klägers zu 2.) enthalten die von dem Beklagten vorgelegten Publikationen (Anlagen BK 3 und BK 4) und auch der Geschäftsbericht 2005 der Klägerin zu 1.) (Anlage BK 5) - zu einer Beteiligung an unerlaubten oder anstößigen Geschäften gerade keine Aussagen, auf die sich eine Aussage der von dem Beklagten getätigten Art stützen ließe.

Auch der Umstand, dass das Ausscheiden des Klägers zu 2.) aus seiner Stellung bei der Klägerin zu 1.) von großem öffentlichen Interesse war, kann die Verbreitung von Äußerungen, die auf nicht gegebene Tatsachen Bezug nehmen, nicht rechtfertigen. Aus Art. 5 Abs. 1 GG oder aus Art. 10 Abs. 1 und 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) mag sich ableiten lassen, dass dann, wenn eine Person in einer Stellungnahme zu einer Frage von großem öffentlichen Interesse von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen ist, dies ihre Verantwortlichkeit unter Umständen dann nicht begründet, wenn die Äußerung sich insgesamt als eine faire Aussage zu Angelegenheiten von öffentlichem Interesse („fair comment on matters of public interest") darstellt (so jüngst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR –, Entsch. v. 2. 11. 2006, Az. 13071/03 in Sachen Standard GmbH ./. Österreich, Rdnr. 55 der Entscheidungsgründe). In diese Kategorie lassen sich die Äußerungen des Beklagten aber nicht einordnen; denn das Streuen von Gerüchten, mit denen die Persönlichkeitsrechte der von ihnen betroffenen Personen oder Unternehmen tiefgreifend verletzt werden und für die, wie ausgeführt, Anknüpfungstatsachen, die sie rechtfertigen könnten, nicht vorhanden sind, kann nicht als eine „faire Stellungnahme" angesehen werden. Dass dritte Verbreiter (Anlagenkonvolut BK 2) alsbald ähnliche Spekulationen verbreitet haben mögen wie der Beklagte, vermag als späteres Geschehen seine Äußerung ohnehin nicht zu rechtfertigen, sondern zeigt eher, in welchem Umfang und mit welcher Geschwindigkeit sich einmal in Lauf gesetzte Gerüchte zu verbreiten vermögen.

5. Die den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auslösende Wiederholungsgefahr ist durch die rechtswidrige Erstbegehung indiziert.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 3 ZPO.

IV.

Den Schriftsatz vom 18. Januar 2007 hat die Kammer zur Kenntnis genommen. Er gibt der Kammer keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen.

Buske                                           Dr. Korte                                       Dr. Weyhe

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 30.10.09
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