Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist
begründet.
Ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten ist nicht festzustellen. Zwar mag ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten nach dem Gedanken von § 8 Abs.
4 UWG vorliegen, wenn, wie die Beklagte behauptet, der
Rechtsstreit vorrangig aufgrund des Gebühreninteresses des
Prozessbevollmächtigten des Klägers durchgeführt werden würde.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen
Verhandlung vom 21.09.2007 aber erklärt. dass er nicht ohne
Auftrag im Internet nach Veröffentlichungen suche, die den
Kläger nennen; er sei vom Kläger mandatiert, so auch in dem hier
zu entscheidenden Rechtsstreit. Die Beklagte trägt die
Darlegungs- und Beweislast für ihren Vortrag. Hierzu fehlt ein
konkretes Vorbringen. Sie führt in ihrem Schriftsatz vom
21.08.2007 selbst aus, dass sie aufgrund ihrer geschäftlichen
Erfahrungen "vom folgenden" ausgehe. Es handelt sich folglich um
Mutmaßungen. Hinreichende Anknüpfungspunkte für eine
entsprechende Feststellung sind nicht erkennbar.
Dem Kläger steht der geltend
gemachte Unterlassungsanspruch zu aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1
Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG,
denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei
fortbestehender Wiederholungsgefahr sein allgemeines
Persönlichkeitsrecht.
Die Kammer hat hierzu im
Urteil vom 23.03.2007 (Az.: 324 O 783/06) zu einem ähnlich
gelagerten Sachverhalt ausgeführt:
„1. Die angegriffenen Artikel
verletzen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die
Berichterstattung bei voller Namensnennung berührt den
Schutzbereich seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen
einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er
seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört
auch das Recht, in diesem Bereich "für sich zu sein", "sich
selber zu gehören" (so schon Arndt, Bespr. v. BGH, NJW 1966, S.
2353, in NJW 1967, S. 1845 ff., 1846) und ein Eindringen oder
einen Einblick durch andere auszuschließen (BVerfG, Urt. v. 5.
6. 1973, BVerfGE 35, S. 202 ff., 233 ff. - Lebach I, m.w.N.). Es
umfasst damit das Verfügungsrecht über Darstellungen der eigenen
Person (BVerfG aaO. - Lebach I), das auch dann beeinträchtigt
ist, wenn - und sei es wahrheitsgemäß - öffentlich darüber
berichtet wird, dass der Betroffene in der Vergangenheit eine
Straftat begangen hat. Eine Beeinträchtigung liegt insbesondere
in Darstellungen, die die Resozialisierung, mithin die
Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach
Verbüßung der Strafe wesentlich zu erschweren drohen (vgl.
BVerfG aaO. - Lebach I; BVerfG, Beschl. v. 25. 11. 1999. NJW
2000, S. 1859 ff., 1860 f. - Lebach II). Gerade bei einer
Berichterstattung unter voller Namensnennung, wie sie die
Beklagte vorgenommen hat, liegt diese Gefahr nahe.
Die Beklagte hat den Kläger durch die angegriffenen Artikel in
Bezug zu der Tat gesetzt, wegen der er verurteilt worden ist;
dies erfolgte zudem öffentlich. Unstreitig hat die Beklagte die
in Rede stehenden Artikel, in denen er als Täter des Mordes an
... namentlich genannt wird, in ihrem Online-Archiv in der Weise
zum Abruf vorgehalten, dass Nutzer diese lesen konnten. Bei
einer derartigen "Archivierung" handelt es gerade nicht um ein
lediglich internes Archiv der Beklagten, denn diese Artikel
waren für jedermann über das Internet öffentlich zugänglich.
Hierdurch wurde die Täterschaft des Klägers für die
Öffentlichkeit ständig aktualisiert, indem die Artikel jederzeit
abrufbar waren.
Für die Beklagte streitet zwar vorliegend die Freiheit der
Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht ist
schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische
Grundordnung (BVerfG aaO. - Lebach I, m.w.N.). Unter
Berücksichtigung der besonderen Umstände dieses Einzelfalles hat
das Interesse der Öffentlichkeit, etwas über die Person des
Klägers zu erfahren, indessen hinter seinem Individualinteresse,
mit seiner Tat "in Ruhe gelassen" zu werden und so eine
Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen (a.), im
Rahmen der erforderlichen Abwägung (b.) zurückzutreten.
a. Die angegriffene Berichterstattung gefährdet die
Resozialisierung des Klägers, weil sie ihn mit seiner Tat erneut
an das Licht der Öffentlichkeit zerrt und sich so bereits in der
Haftsituation schädliche Wirkungen ergeben können, die eine
spätere Wiedereingliederung erschweren. Dem steht nicht
entgegen, dass für die Zeit nach Ablauf der lebenslangen
Freiheitsstrafe (aa.) eine Sicherungsverwahrung des Klägers
angeordnet ist (bb.) und eine unklare relative zeitliche Nähe
zur Haftentlassung besteht (cc.). Gemäß § 2 des
Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) dient der Vollzug der
Freiheitsstrafe ausschließlich der Resozialisierung und dem
Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (§ 2 Satz 1, 2
StVollzG). Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist
entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 2 StVollzG).
aa. Das allgemeine Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch
für die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Für den
... zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Kläger ergibt
sich ein Resozialisierungsinteresse aus Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 1 GG, denn auch der verurteilte Mörder muss
nach deutschem Recht grundsätzlich die Chance haben, nach
Verbüßung einer gewissen Strafzeit - in der Regel nach Verbüßung
des gesetzlich angeordneten Mindestmaßes von 15 Jahren, § 57a
Abs. 1 StGB - wieder in die Freiheit zu gelangen; bei diesem
Grundsatz handelt es sich mithin um ein Gebot mit
Verfassungsrang (BVerfG, Beschl. v. 3.6. 1992, NJW 1992, S. 2947
ff., 2948 - Lebenslange Freiheitsstrafe). Schon nach
systematischer Betrachtung des Strafvollzugsgesetzes - und des
in § 2 normierten Vollzugszieles für die Freiheitsentziehung -
bezieht dieses auch die lebenslange Freiheitsstrafe mit ein.
Aber auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften wirkt sich
das im Strafvollzugsgesetz gesicherte Resozialisierungsziel für
diese Täter aus. Es wird so sichergestellt, dass sie bei einer
späteren Entlassung noch lebenstüchtig und wieder
eingliederungsfähig sind (BVerfG aaO. - Lebenslange
Freiheitsstrafe). Die Vollzugsanstalten sind so auch bei den zu
lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen
verpflichtet, auf deren Resozialisierung hinzuwirken und
schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs und damit auch und
vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen
entgegenzuwirken (BVerfG aaO. - Lebenslange Freiheitsstrafe,
m.w.N.). Der verurteilte Straftäter muss die Chance erhalten,
sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft
einzuordnen (BVerfG aaO. - Lebach I). Folgerichtig steht auch
dem zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder ein Anspruch auf
Resozialisierung zu, der stets aktuell ist, mag für den
Verurteilten auch erst nach langer Strafverbüßung die Aussicht
bestehen, sich auf das Leben in Freiheit einrichten zu dürfen
(vgl. BVerfG aaO. - Lebenslange Freiheitsstrafe).
bb. Das allgemeine Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch
für den Fall, dass gegen den Verurteilten nach § 66 8tGB die
anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet wird, da es sich
bei der Sicherungsverwahrung nicht lediglich um einen
Verwahrvollzug des gefährlichen Täters im Sinne eines
"Wegsperren für immer" handelt. Denn auch im Rahmen der
Sicherungsverwahrung ist auf eine Resozialisierung des
Untergebrachten hinzuwirken (BVerfG, Urt. v. 5. 2. 2004, NJW
2004, S. 739 ff., 740 - Sicherungsverwahrung). Die
Sicherungsverwahrung ist normativ wie tatsächlich geradezu am
Resozialisierungsgedanken ausgerichtet (BVerfG aaO., S. 740 -
Sicherungsverwahrung): ...
cc. Auch ohne eine relative zeitliche Nähe zur Haftentlassung
können die möglichen Folgen eines Berichts über die Straftat
eines Verurteilten für sein Grundrecht auf freie Entfaltung der
Persönlichkeit gravierend sein, indem sie zu Stigmatisierung,
sozialer Isolierung und einer darauf beruhenden grundlegenden
Verunsicherung führen (dazu vgl. BVerfG aaO. - Lebach II). Mit
dem Anspruch des Betroffenen, mit seiner Tat "in Ruhe gelassen"
zu werden, gewinnt es mit zeitlicher Distanz zur Straftat und
zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung, vor einer
Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben (vgl.
jüngst BVerfG. Beschl v. 13.6. 2006, NJW 2006, S. 2835 f. m.w.N.).
Die Grenze zwischen dem Zeitraum, in dem eine den Täter nennende
Berichterstattung als aktuelle Berichterstattung über ein
Ereignis von öffentlichem Interesse grundsätzlich zulässig ist,
und dem Zeitraum, zu dem wegen Zurücktretens des berechtigten
öffentlichen Interesses eine spätere Darstellung oder Erörterung
unzulässig geworden ist, lässt sich nicht allgemein, jedenfalls
nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest
umrissenen Frist fixieren (so schon BVerfG aaO. - Lebach I; nach
den Umständen des jeweiligen Einzelfalls kann bereits nach einem
Zeitraum von nur sechs Monaten nach Rechtskraft des Strafurteils
die Namensnennung unzulässig geworden sein, s. etwa BGH, Urt. v.
9.6. 1965, NJW 1965, S. 2148 ff. - Spielgefährtin I). Der
maßgebende Zeitpunkt für eine die Resozialisierung gefährdende,
unzulässige Berichterstattung unter Namensnennung ist aber
jedenfalls erheblich früher anzusetzen, als auf das Ende der
Strafverbüßung. § 2 StVollzG gebietet es, vom Beginn der
Strafzeit an auf das Vollzugsziel der Resozialisierung
hinzuarbeiten. Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu
verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden. Er soll es
lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft
ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und
ihre Risiken zu bestehen (BVerfG aaO. - Lebach I). Eine
Gefährdung der Resozialisierung ist durch eine Berichterstattung
auch dann zu befürchten, wenn die Tat bereits lange Zeit
zurückliegt. Gerade ein Mord ist derart
persönlichkeitsbestimmend, dass der Mörder mit der Tat praktisch
lebenslang identifiziert wird (BVerfG aaO. - Lebach II). Bezogen
auf den Kläger bedeutet dies, dass in der besonderen Situation
der Haft, die seine derzeitige Umwelt darstellt, sich bereits
zum jetzigen Zeitpunkt schädliche Wirkungen für ihn ergeben
können. So ist es jedenfalls nicht a priori auszuschließen, dass
sich der Kläger durch eine mediale Reaktualisierung aus Furcht
vor Missachtung und Ablehnung isolieren wird. In einer
Situation, die ohnehin von Isolation geprägt ist, kann ein
innerer und äußerer Rückzug des Betroffenen - z.B. durch
Einrichtung von Einzelfreistunde, Aufgabe einer Teilnahme an
Gruppenveranstaltungen - dazu führen, dass die Resozialisierung
scheitert. Das aber widerspräche den oben dargelegten
Vollzugszielen, wonach auch ein Straftäter wie der Kläger ein
Recht darauf haben soll, schon während seiner Haftzeit die
Erfahrung machen zu können, dass ihn seine Umwelt vorurteilslos
wieder aufnimmt.
b. Es besteht auch kein vorrangiges, die Interessen des Klägers
überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an einer
Aufrechterhaltung einer Berichterstattung über die nunmehr mehr
als zehn Jahre zurückliegende Straftat bzw. die nahezu zehn
Jahre zurückliegende Verurteilung unter Nennung des Namens des
Klägers.
aa. Die Bereithaltung der streitgegenständlichen Artikel durch
die Beklagte auf ihren Internetseiten begründet - wie ausgeführt
- die Gefahr der ständigen Reaktualisierung der
Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers, die sich durch
jeden Abruf der Berichterstattung erneut realisiert. Die
Unzulässigkeit einer solchen Berichterstattung beschränkt die
Beklagte in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG nur
geringfügig. Denn die Tat selbst wird dadurch nicht dem Bereich
der Gegenstände, über die öffentlich berichtet werden darf,
entzogen. Eingeschränkt wird das Recht, über die spektakuläre
Tat des Klägers zu berichten, nur dadurch, dass er den Lesern
nicht durch Nennung seines Namens ohne weiteres erkennbar
gemacht werden darf. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dadurch
die Berichterstattungsfreiheit mehr als nur geringfügig begrenzt
würde. Auf der anderen Seite ist nicht ersichtlich, weshalb es
für den Kläger weniger gravierend sein soll, wenn dem Leser
einer Veröffentlichung deutlich wird, dass diese bereits vor
vielen Jahren erstmals veröffentlicht worden war; die
stigmatisierende Wirkung, die mit einer Verknüpfung seines
Namens mit seinen schrecklichen Taten einhergeht, wird durch
alte Artikel genauso perpetuiert wie durch solche, die aktuell
veröffentlicht wurden. Auch ist der Aufmerksamkeitswert für die
Öffentlichkeit zwar zweifellos höher, wenn eine derartige
Berichterstattung im aktuellen Teil einer
Online-Veröffentlichung erfolgt, denn nur dieser Bereich wird
vom Leser ähnlich einer Zeitung "durchgelesen", während der
Zugriff auf ältere Veröffentlichungen regelmäßig ein gezieltes
Tätigwerden des Lesers - in der Regel durch Eingabe von
Suchbegriffen - erfordert. Damit sind derartige Artikel aber
nicht gänzlich aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit
verschwunden, denn durch die heute weit verbreitete Verwendung
von Suchmaschinen sind Artikel, die seit Jahren im Internet
stehen, in genau der gleichen Weise erreichbar, wie der Artikel
vom Vortage, der soeben erst in den "Archivbereich" verschoben
wurde. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass jeder
Internetnutzer, der den Namen des Mordopfers ... in eine
Suchmaschine eingibt, in Bruchteilen von Sekunden Artikel wie
die streitgegenständlichen auffinden kann, die den Namen des
Klägers mit dieser Tat verknüpfen. Mit anderen Worten: Zwar ist
zutreffend, dass "archivierte" Artikel in der Regel nicht
"zufällig" gelesen werden, die durch den Einsatz hocheffizienter
Suchmaschinen ermöglichte einfache und blitzschnelle
Auffindbarkeit befördert aber alle älteren Artikel
gleichberechtigt auf eine Ebene der Wahrnehmbarkeit und
Reichweite, die nur knapp unterhalb der einer Veröffentlichung
im "aktuellen" Teil einer Internetplattform liegt. Demnach
stellt es für den Kläger keine Erleichterung dar, dass ihn
betreffende Artikel "nur" über Suchmaschinen auffindbar sind,
sondern die Möglichkeit einer derartigen Auffindbarkeit
begründet gerade ein gegenüber anderen Formen der Publikation
erheblich intensiviertes und ganz eigenes Maß an perpetuierter
Beeinträchtigung.
bb. Auch der von der Beklagten angeführte Grundgedanke eines
"Archivprivilegs" vermag zu keiner abweichenden Beurteilung zu
führen, jedenfalls soweit es um so genannte "Online-Archive" der
vorliegend streitgegenständlichen Art geht.
(a) Es erscheint schon als zweifelhaft, ob es sich bei dem
Bereich des Internetauftritts der Beklagten, an dem sich die
beanstandete Veröffentlichung befand, um ein "Archiv" handelt.
Denn für den Internetnutzer handelt es sich bei diesem Bereich
letztlich um nichts anderes als einen der Bereiche, unter denen
Meldungen aufzufinden sind; der Unterschied zu den Meldungen
anderer Bereiche ist lediglich der, dass es sich unter den hier
vorgehaltenen Meldungen um solche älteren Datums handelt.
Weshalb aber das schlichte Alter einer Meldung als solches ein
taugliches Kriterium sein soll, um das Verbreiten der einen
Meldung gegenüber dem einer anderen zu privilegieren, ist nicht
einzusehen. Aber auch aus grundsätzlichen Erwägungen heraus,
erscheint der Archivgedanke nicht als tragfähig:
(b) Auf ein Archivprivileg. das analog dem des § 53 Abs.2 Nr. 2
UrhG gestaltet wäre, kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg
berufen. Insoweit kann es für die Abwägung der Interessen
zwischen der von der Berichterstattung betroffenen Person und
dem Verbreiter der Berichterstattung nicht darauf ankommen, ob
letzterer der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechtes im
Sinne des Urhebergesetzes an den betreffenden Artikeln ist.
Gegen eine analoge Anwendung der urheberrechtlichen
Archivregelung spricht zudem, dass für eine solche
Privilegierung hier bereits deshalb kein Raum besteht, weil ein
Zugriff auf das Archiv der Beklagten jedermann möglich ist. Die
Regelung in § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG, die den "Archivar" von
Ansprüchen des Urhebers freistellt, wenn zur Aufnahme in sein
Archiv fremde Werkstücke vervielfältigt werden, findet nicht für
jedes Archiv Anwendung. Nach § 53 Abs. 5 UrhG ist das
Archivprivileg insbesondere auf solche Datenbanken beschränkt,
die nicht mit elektronischen Mitteln zugänglich sind. Diese
Ausnahmevorschrift kommt bereits dann nicht zum Tragen, wenn das
Archiv auch nur von einer Mehrzahl von Unternehmensangehörigen
genutzt werden kann (BGH, Urt. v. 10. 12. 1998, GRUR 1999, S.
325 ff., 327 m.w.N.). Erst recht findet sie keine Anwendung,
wenn außenstehenden Dritten Zugriff auf das Archiv gewährt wird
(BGH, Urt. v. 16. 1. 1997, GRUR 1997, S. 459 ff., 463 -
CB-Infodatenbank I). Das hat seinen Grund darin, dass eine
Multiplikatorfunktion mit der bezweckten Beschränkung auf bloße
Bestandssicherung nicht zu vereinbaren ist, weshalb auch eine
Ausdehnung des Anwendungsbereiches des § 53 Abs. 2 Nr. 2 UrhG
nicht angängig ist (vgl. BGH, Urt. v. 10. 12. 1998, GRUR 1999,
S. 325 ff., 327 m.w.N. – elektronische Pressearchive).
Diese für das Urheberrecht entwickelten Grundsätze sind es, die
gerade dafür sprechen, dass es ein "Archivprivileg" für in das
Internet eingestellte ehemals aktuelle Meldungen nicht geben
kann, sondern dass jedenfalls ein Medienunternehmen, das sein
Archiv gerade durch Gewährung des Zugangs über das Internet auch
für dritte Nutzer zugänglich macht, dafür Sorge zu tragen hat,
dass Beiträge, deren Verbreitung nicht oder nicht mehr zulässig
ist, gelöscht oder so archiviert werden, dass ihre weitere
Verbreitung ausgeschlossen ist. Denn der technische Fortschritt,
der die Speicherung und Zugänglichmachung von Daten in immer
weiterem Umfang zulässt, darf nicht dazu führen, dass
Persönlichkeitsrechtsverletzungen eher hinzunehmen sind (BGH,
Urt. v. 16. 9. 1966, NJW 1966, S. 2353 ff.. 2354; BVerfG,
Beschl. v. 9. 10. 2002, NJW 2002, S. 361 9 ff., 3621; s. auch
BVerfG, Urt. v. 15. 12. 1983, BVerfGE 65, S. 1 ff. = NJW 1984,
S. 419 ff., 421 f. - Volkszählung).
(c) Im Übrigen wird auch aus den gesetzlichen Regelungen über
die Verwaltung von Archivgut deutlich, dass nach
gesetzgeberischer Wertung zeitliche Schutzfristen für
archivierte Beiträge zu beachten sind, die den Schutz der
Persönlichkeitsrechte der von dem Archivgut betroffenen Personen
dienen, und dass solche Schutzfristen geradezu zum Wesen des
Archivrechts gehören. So darf etwa nach § 5 Abs. 2 BArchG
Archivgut, das sich auf natürliche Personen bezieht. erst 30
Jahre nach dem Tode der betroffenen Person durch Dritte benutzt
werden; ist das Todesjahr nicht oder nur mit unvertretbarem
Aufwand festzustellen, endet die Schutzfrist erst 110 Jahre nach
der Geburt des Betroffenen. Entsprechende Regelungen enthalten
auch die Archivgesetze der Länder (s. z.B. § 5 des Hamburgischen
Archivgesetzes v. 21. 1. 1991). Mit derartigen Schutzfristen
wird ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der von
den Inhalten des zu archivierenden Schrift- oder Bildguts
betroffenen Personen und der Notwendigkeit, kulturell
bedeutsames Mediengut dauerhaft zu erhalten und der
Öffentlichkeit zur Nutzung zur Vertagung zu stellen, geschaffen.
Schon zuvor darf Archivgut genutzt werden, ggf. sind aber die
von ihm betroffenen Personen unkenntlich zu machen (s. z.B. auch
§ 12 Abs. 4 und 5 Stasi-Unterlagen-Gesetz, § 30 BDSG). Auch dies
zeigt, dass der Gesetzgeber es als durchaus zumutbar ansieht,
wenn ggf. eine nur unter Anonymisierung (§ 3 Abs. 6 BDSG) der
betreffenden Person erfolgende Verbreitung von Informationen
zugelassen wird.
Einen allgemeinen Rechtsgedanken, wonach die Verbreitung
archivierter Materialien gegenüber der von aktuellen Meldungen
in weiterem Umfange generell zulässig wäre, solange die von den
Inhalten des Materials betroffenen Personen noch am Leben sind,
gibt es damit nicht.
c. Damit schuldet die Beklagte als Störerin Unterlassung. Das
Eingreifen von Rechtsfertigungsgründen - etwa wegen eines
überwiegenden Interesses der Öffentlichkeit an der Führung
gerade des streitgegenständlichen Archivs – ist weder dargelegt
noch ersichtlich. Wie ausgeführt, erfüllt die hier praktizierte
schlichte öffentliche Bereithaltung älterer Veröffentlichungen
bereits nicht die spezifischen Funktionen eines Archivs, das an
dem grundsätzlich berechtigten Interesse ausgerichtet ist,
publizistische Erzeugnisse "dem wissenschaftlich und kulturell
Interessierten möglichst geschlossen zugänglich zu machen und
künftigen Generationen einen umfassenden Eindruck vom geistigen
Schaffen früherer Epochen zu vermitteln" (BVerfG, B. v.
14.7.1981, NJW 1982, S. 633 ff., 634 - zu Pflichtexemplaren).“
Diese Erwägungen gelten hier
im noch stärkeren Maße, weil der Kläger nicht im Anschluss an
die lebenslange Freiheitsstrafe, von der er bereits über 15
Jahre verbüßt hat, noch Sicherungsverwahrung zu vergegenwärtigen
hat.
Da der Name des Klägers
bereits in Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr in dem
allgemein zugänglichen Teaser des Archivs genannt wird, kommt es
auch nicht darauf an, für welchen Personenkreis der mit dem
Teaser angekündigte Artikel zugänglich ist.
Unbehelflich ist das
Vorbringen des Beklagten, dass der Kläger in die umstrittene
Berichterstattung eingewilligt habe. Eine ausdrückliche
Einwilligung in den in Rede stehenden Artikel liegt unstreitig
nicht vor. Aber auch ein konkludent erklärtes Einverständnis,
für welches die Beklagte die Substantiierungs- und Beweislast
trägt, kommt nicht in Betracht. Der Umfang und die Reichweite
einer Einwilligung sind durch Auslegung unter Berücksichtigung
der konkreten Umstände des Einzelfalles zu ermitteln. Wenn der
Kläger damit einverstanden gewesen ist, dass anlässlich eines
konkreten Anlasses, nämlich der Ablehnung seines Antrages auf
Wiederaufnahme des Verfahrens durch das LG Augsburg, dass sein
voller Name in Zusammenhang mit dem Mord an Walter Sedlmayr
genannt wird, so kann hieraus nicht geschlossen werden, dass er
mit einer weiteren Verbreitung ohne jeglichen aktuellen Bezug
ebenfalls einverstanden gewesen ist, zumal inzwischen mehr als
sechs Jahre vergangen sind und das Ende der Freiheitsstrafe des
Klägers erheblich näher liegt. Anhaltspunkte hierfür, dass dies
dennoch der Fall gewesen wäre, trägt die Beklagte nicht vor.
Die Kammer schließt sich auch
nicht der Ansicht der Beklagten an, es liege keine Verletzung
des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes des Klägers vor, da nur
diejenigen dessen Namen eingeben würden, die von der Tat bereits
wüssten. Denn es ist nicht hinreichend sicher auszuschließen,
dass auch Dritte, die sich über die Person des Klägers erst
informieren wollen, nach ihm auf der fraglichen Internet-Seite
forschen. Schließlich ist die Recherche nach Personen im
Internet, um näheres über sie zu erfahren, allgemein verbreitet.
Die Beklagte kann sich
ebenfalls nicht Erfolg auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes zur Haftung für Unterlassungsansprüche von
so genannten Internetforen-Betreibern (vgl. hierzu BGH, NJW
2004, 3102 - Internetversteigerung I, BGH, GRUR 2007, 708 -
Internetversteigerung II) berufen. Die vom Bundesgerichtshof
aufgestellten Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall nicht
übertragbar sind. Denn der umstrittene Beitrag ist nicht von
Dritten auf die Internet-Seite eingestellt worden, sondern von
der Beklagten selbst. Die Seite www.morgenweb.de stellt gerade
keinen "Marktplatz für verschiedene Meinungen" wie ein
Internet-Forum dar, sondern enthält lediglich von der Beklagten
zu verantwortende Beiträge. Die Beklagte ist daher nicht bloße
Störerin, sondern Täterin. Die Feststellungen des
Bundesgerichtshofes betreffen indes nur die Haftung als Störer.
Selbst wenn jedoch der Grundsatz, dass der Anbieter einer
Internet-Plattform für fremde Beiträge nur bei Verletzung von
zumutbaren Kontrollpflichten haftet (vgl. BGH, NJW 2004, 3102),
vorliegend anzuwenden wäre, wäre die Haftung der Beklagten zu
bejahen. Denn die Beklagte muss, jedenfalls dann, wenn sie auf
eine Rechtsverletzung hingewiesen wird, diese unverzüglich
beseitigen und dafür Vorsorge treffen, dass es möglichst nicht
zu weiteren Verletzungen kommt (vgl. BGH, NJW 2004, 3102). Es
ist nicht erkennbar, dass die Beklagte dieser Pflicht
nachgekommen wäre. Da die Beklagte, wenn sie ihre Pflichten
zukünftig erfüllt, auch im Falle einer Verurteilung zur
Unterlassung gemäß § 890 ZPO für Zuwiderhandlungen nur bei
Verschulden haftbar ist, wird ihr auch keine unzumutbare
Leistung auferlegt. Ihr Geschäftsmodell wird ihr nicht unmöglich
gemacht.
Keiner näheren Ausführungen
bedarf es, dass die in Rede stehende Erwähnung des Klägers im
Beitrag ein "berichten" darstellt.
Die Nebenentscheidungen folgen
aus §§ 3, 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 709 ZPO.
Buske
Käfer
Goritzka |