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Verhandlungsbericht

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Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.:
324 O 104/07
 

Verkündet am:
07.09.2007

In der Sache

R.K.

 
  - Kläger -
 
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt Stopp
 
gegen
 
Rhein-Main.Net GmbH  
  - Beklagte -
 
Prozessbevollmächtigte RA Damm & Mann
RA Dr. Holger Nieland

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24, auf die mündliche Verhandlung vom 03.08.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske, den Richter am Landgericht Dr. Korte, den Richter Zink

für Recht:

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,-, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre), zu unterlassen,

über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an J. F. unter voller Namensnennung, zu berichten.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 20.000,- vorläufig vollstreckbar, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages;

Beschluss: Der Streitwert wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich einer Internetberichterstattung geltend, in der über die Verurteilung des Klägers wegen verschiedener schwerer Straftaten berichtet wurde.

Der Kläger war in den 90er Jahren wegen Mordes an dem Geschäftsmann J. F. festgenommen und ist 1998 wegen Mordes zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Über den Fall, der für erhebliches Aufsehen in Deutschlang sorgte, berichteten die Medien bundesweit ausführlich. Die Beklagte betreibt das Online-Angebot „www.rhein-main.net“. Dort verbreitete sie jedenfalls noch am 21.10.2006 die Artikel „F.-Mörder Sven K. nach 10 Jahren frei“ vom 30.9.2006 und „F.-Entführer aus Haft entlassen“ vom 29.9.2006, in denen unter voller Namensnennung des Klägers über die Ermordung J. F.s berichtet wurde. Wegen der Einzelheiten der Berichterstattung wird auf Anlage K 1 verwiesen.

Der Kläger hat wegen dieser Berichterstattung eine einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.12.2006 erwirkt (Az.: 324 O 808/06). Die Beklagte hat die Abgabe einer Abschlusserklärung verweigert.

Der Kläger ist der Ansicht, dass eine ihn identifizierbar machende Berichterstattung unter vollständiger Namensnennung über die zehn Jahre zurückliegende Tat unzulässig sei und ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze.

Der Kläger beantragt,

es der Beklagten [… (bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel)] zu untersagen, über den Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an J. F. unter voller Namensnennung, zu berichten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, wegen der gegen den Kläger verhängten Sicherungsverwahrung könne dessen Resozialisierungsinteresse durch die streitgegenständliche Berichterstattung nicht tangiert werden. Die Haft selbst sei allenfalls „Resozialisierungstraining“. Im Falle einer hypothetischen Haftentlassung des Klägers im Jahr 2020 werde sich niemand mehr an die angegriffene Berichterstattung aus dem Jahr 2006 erinnern. Innerhalb des Strafvollzuges seien die Tat des Klägers und seine Verurteilung ohnehin allen Personen, mit denen er zu tun habe, unabhängig von der angegriffenen Berichterstattung bekannt. Es sei nicht dargetan, dass andere Mithäftlinge von der angegriffenen Berichterstattung überhaupt Kenntnis nehmen konnten.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, denn die angegriffene Berichterstattung verletzt bei fortbestehender Wiederholungsgefahr das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers.

1.) Die angegriffenen Artikel verletzen das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die Berichterstattung bei voller Namensnennung berührt den Schutzbereich seiner Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem Bereich "für sich zu sein", "sich selber zu gehören" (so schon Arndt, Bespr. v. BGH, NJW 1966, S. 2353, in NJW 1967, S. 1845 ff., 1846) und ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen (BVerfG, Urt. v. 5. 6. 1973, BVerfGE 35, S. 202 ff., 233 ff. – Lebach I, m.w.N.). Es umfasst damit das Verfügungsrecht über Darstellungen der eigenen Person (BVerfG aaO. – Lebach I), das auch dann beeinträchtigt ist, wenn – und sei es wahrheitsgemäß – öffentlich darüber berichtet wird, dass der Betroffene in der Vergangenheit eine Straftat begangen hat. Eine Beeinträchtigung liegt insbesondere in Darstellungen, die die Resozialisierung, mithin die Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe wesentlich zu erschweren drohen (vgl. BVerfG aaO. – Lebach I; BVerfG, Beschl. v. 25. 11. 1999, NJW 2000, S. 1859 ff., 1860 f. – Lebach II). Gerade bei einer Berichterstattung unter voller Namensnennung, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, liegt diese Gefahr nahe.

Für die Beklagte streitet zwar vorliegend die Freiheit der Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht ist schlechthin konstituierend für die freiheitlichdemokratische Grundordnung (BVerfG aaO. – Lebach I, m.w.N.). Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände dieses Einzelfalles hat das Interesse der Öffentlichkeit, etwas über die Person des Klägers zu erfahren, indessen hinter seinem Individualinteresse, mit seiner Tat „in Ruhe gelassen“ zu werden und so eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen (a.), im Rahmen der erforderlichen Abwägung (b.) zurückzutreten.

a.) Die angegriffene Berichterstattung gefährdet die Resozialisierung des Klägers, weil sie ihn mit seiner Tat erneut an das Licht der Öffentlichkeit zerrt und sich so bereits in der Haftsituation schädliche Wirkungen ergeben können, die eine spätere Wiedereingliederung erschweren. Dem steht nicht entgegen, dass für die Zeit nach Ablauf der lebenslangen Freiheitsstrafe (aa.) eine Sicherungsverwahrung des Klägers angeordnet ist (bb.) und eine unklare relative zeitliche Nähe zur Haftentlassung besteht (cc.). Gemäß § 2 des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) dient der Vollzug der Freiheitsstrafe ausschließlich der Resozialisierung und dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten (§ 2 Satz 1, 2 StVollzG). Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken (§ 3 Abs. 2 StVollzG).

aa.) Das allgemeine Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch für die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Für den nach §§ 211 Abs. 1, 38 Abs. 1 StGB zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Kläger ergibt sich ein Resozialisierungsinteresse aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 GG, denn auch der verurteilte Mörder muss nach deutschem Recht grundsätzlich die Chance haben, nach Verbüßung einer gewissen Strafzeit – in der Regel nach Verbüßung des gesetzlich angeordneten Mindestmaßes von 15 Jahren, § 57a Abs. 1 StGB – wieder in die Freiheit zu gelangen; bei diesem Grundsatz handelt es sich mithin um ein Gebot mit Verfassungsrang (BVerfG, Beschl. v. 3. 6. 1992, NJW 1992, S. 2947 ff., 2948 – Lebenslange Freiheitsstrafe). Schon nach systematischer Betrachtung des Strafvollzugsgesetzes – und des in § 2 normierten Vollzugszieles für die Freiheitsentziehung – bezieht dieses auch die lebenslange Freiheitsstrafe mit ein. Aber auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften wirkt sich das im Strafvollzugsgesetz gesicherte Resozialisierungsziel für diese Täter aus. Es wird so sichergestellt, dass sie bei einer späteren Entlassung noch lebenstüchtig und wieder eingliederungsfähig sind (BVerfG aaO. – Lebenslange Freiheitsstrafe). Die Vollzugsanstalten sind so auch bei den zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten Gefangenen verpflichtet, auf deren Resozialisierung hinzuwirken und schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs und damit auch und vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen entgegenzuwirken (BVerfG aaO. – Lebenslange Freiheitsstrafe, m.w.N.). Der verurteilte Straftäter muss die Chance erhalten, sich nach Verbüßung seiner Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen (BVerfG aaO. – Lebach I). Folgerichtig steht auch dem zu lebenslanger Haft verurteilten Mörder ein Anspruch auf Resozialisierung zu, der stets aktuell ist, mag für den Verurteilten auch erst nach langer Strafverbüßung die Aussicht bestehen, sich auf das Leben in Freiheit einrichten zu dürfen (vgl. BVerfG aaO. – Lebenslange Freiheitsstrafe).

bb.) Das allgemeine Vollzugsziel der Resozialisierung gilt auch für den Fall, dass gegen den Verurteilten nach § 66 StGB die anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet wird, da es sich bei der Sicherungsverwahrung nicht lediglich um einen Verwahrvollzug des gefährlichen Täters im Sinne eines „Wegsperren für immer“ handelt. Denn auch im Rahmen der Sicherungsverwahrung ist auf eine Resozialisierung des Untergebrachten hinzuwirken (BVerfG, Urt. v. 5. 2. 2004, NJW 2004, S. 739 ff., 740 – Sicherungsverwahrung). Die Sicherungsverwahrung ist normativ wie tatsächlich geradezu am Resozialisierungsgedanken ausgerichtet (BVerfG aaO., S. 740 – Sicherungsverwahrung): Speziell für den Verurteilten in Sicherungsverwahrung regelt § 129 S. 2 StVollzG, dass ihm zu helfen sei, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Anordnung der Unterbringung ohne zeitliche Obergrenze erfolgt. Damit das Resozialisierungsziel zum Tragen kommt, hat der Gesetzgeber für jedes Vollzugsstadium der Maßregel Überprüfungsregelungen getroffen, die zur Freilassung des Betroffenen führen können. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist die Erledigung der Sicherungsverwahrung nach dem Ablauf von zehn Jahren die Regel. Eine Fortdauer ist nur ausnahmsweise gestattet. Der Sicherungsverwahrte kann so bereits vor Vollstreckungsbeginn voraussehen, zu welchen Zeitpunkten sich seine Chance auf Entlassung realisieren kann. Das Gesetz stellt Überprüfungen in jedem Vollzugsstadium der Maßregel sicher, die zur Freilassung des Betroffenen führen können; gemäß § 67c Abs. 1 Satz 1 StGB hat das Gericht vor dem Ende des Strafvollzugs zu prüfen, ob von dem Verurteilten unter Berücksichtigung seiner Entwicklung im Strafvollzug nach Strafende noch eine Gefahr ausgeht, die den Vollzug der Sicherungsverwahrung gebietet (vgl. BVerfG aaO. - Lebenslange Freiheitsstrafe). Nach Beginn der Unterbringung ist im Abstand von höchstens zwei Jahren (§ 67e Abs. 2 StGB) von Amts wegen zu untersuchen, ob der Maßregelvollzug gemäß § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Sind zehn Jahre der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollzogen worden, so erklärt das Gericht gemäß § 67d Abs. 3 StGB die Maßregel für erledigt, sofern nicht die qualifizierte Gefahr fortbesteht. Sollte eine Entlassung des Verwahrten dennoch nicht möglich sein, ist anschließend jeweils spätestens vor dem Ablauf von zwei Jahren über die Notwendigkeit weiterer Vollstreckung zu entscheiden (§ 67e StGB; dazu BVerfG aaO. S. 740 – Sicherungsverwahrung). Auch in diesem Zusammenhang gilt, dass die Vollzugsanstalten im Blick auf die Grundrechte der eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßenden Gefangenen verpflichtet sind, schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzugs, vor allem deformierenden Persönlichkeitsveränderungen, die die Lebenstüchtigkeit ernsthaft in Frage stellen und es ausschließen, dass sich der Gefangene im Falle einer Entlassung aus der Haft im normalen Leben noch zurechtzufinden vermag, im Rahmen des Möglichen zu begegnen (BVerfG aaO. S. 740 – Sicherungsverwahrung).

cc.) Auch ohne eine relative zeitliche Nähe zur Haftentlassung können die möglichen Folgen eines Berichts über die Straftat eines Verurteilten für sein Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gravierend sein, indem sie zu Stigmatisierung, sozialer Isolierung und einer darauf beruhenden grundlegenden Verunsicherung führen (dazu vgl. BVerfG aaO. – Lebach II). Mit dem Anspruch des Betroffenen, mit seiner Tat „in Ruhe gelassen“ zu werden, gewinnt es mit zeitlicher Distanz zur Straftat und zum Strafverfahren zunehmende Bedeutung, vor einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben (vgl. jüngst BVerfG, Beschl v. 13. 6. 2006, NJW 2006, S. 2835 f. m.w.N.). Die Grenze zwischen dem Zeitraum, in dem eine den Täter nennende Berichterstattung als aktuelle Berichterstattung über ein Ereignis von öffentlichem Interesse grundsätzlich zulässig ist, und dem Zeitraum, zu dem wegen Zurücktretens des berechtigten öffentlichen Interesses eine spätere Darstellung oder Erörterung unzulässig geworden ist, lässt sich nicht allgemein, jedenfalls nicht mit einer nach Monaten und Jahren für alle Fälle fest umrissenen Frist fixieren (so schon BVerfG aaO. – Lebach I; nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls kann bereits nach einem Zeitraum von nur sechs Monaten nach Rechtskraft des Strafurteils die Namensnennung unzulässig geworden sein, s. etwa BGH, Urt. v. 9. 6. 1965, NJW 1965, S. 2148 ff. – Spielgefährtin I). Der maßgebende Zeitpunkt für eine die Resozialisierung gefährdende, unzulässige Berichterstattung unter Namensnennung ist aber jedenfalls erheblich früher anzusetzen, als auf das Ende der Strafverbüßung. § 2 StVollzG gebietet es, vom Beginn der Strafzeit an auf das Vollzugsziel der Resozialisierung hinzuarbeiten. Dem Gefangenen sollen Fähigkeit und Willen zu verantwortlicher Lebensführung vermittelt werden. Er soll es lernen, sich unter den Bedingungen einer freien Gesellschaft ohne Rechtsbruch zu behaupten, ihre Chancen wahrzunehmen und ihre Risiken zu bestehen (BVerfG aaO. – Lebach I). Eine Gefährdung der Resozialisierung ist durch eine Berichterstattung auch dann zu befürchten, wenn die Tat bereits lange Zeit zurückliegt. Gerade ein Mord ist derart persönlichkeitsbestimmend, dass der Mörder mit der Tat praktisch lebenslang identifiziert wird (BVerfG aaO. – Lebach II). Bezogen auf den Kläger bedeutet dies, dass in der besonderen Situation der Haft, die seine derzeitige Umwelt darstellt, sich bereits zum jetzigen Zeitpunkt schädliche Wirkungen für ihn ergeben können. So ist nicht auszuschließen, dass der Kläger durch eine mediale Reaktualisierung von – möglicherweise auch erst neu in der Haft hinzukommenden – Mithäftlingen und Vollzugsbeamten als F.-Mörder erkannt und er sich aus Furcht vor Missachtung und Ablehnung isolieren wird. Erhebliche negative Folgen für den Kläger können sich aber auch dann ergeben, wenn bereits sämtliche Personen, mit denen er in der Haft in Kontakt kommt, von seiner Tat und seiner Verurteilung grundsätzlich Kenntnis haben. Denn der Kläger muss zumindest befürchten, dass bei diesen Mithäftlingen oder Justizbediensteten durch eine fortdauernde identifizierende Berichterstattung – sei es durch eigene Wahrnehmung oder durch ein Herantragen durch Dritte – die Erinnerung an seine Taten in einer Weise ständig reaktualisiert wird, die die Entwicklung eines auch nur halbwegs unbefangenen Umgangs faktisch unmöglich macht. Zu berücksichtigen ist ferner, dass durch eine fortdauernde identifizierende Berichterstattung der Name des Klägers in der Öffentlichkeit immer untrennbarer mit den von ihm begangenen Taten verknüpft wird, so dass es ihm immer aussichtsloser erscheinen muss, sich nach Verbüßung seiner Haft in die Öffentlichkeit wieder einzugliedern. In einer Situation, die ohnehin von Isolation geprägt ist, kann ein innerer und äußerer Rückzug des Betroffenen – z.B. durch Einrichtung von Einzelfreistunde, Aufgabe einer Teilnahme an Gruppenveranstaltungen – dazu führen, dass die Resozialisierung scheitert. Eine solche Isolierung kann gerade labilen Naturen den Mut zu neuem Anfang nehmen und sie auf den gleichen Weg zurückwerfen, der sie schon einmal in die Kriminalität führte (s. hierzu BVerfG aaO. – Lebach I). Das aber widerspräche den oben dargelegten Vollzugszielen, wonach auch ein Straftäter wie der Kläger ein Recht darauf haben soll, schon während seiner Haftzeit die Erfahrung machen zu können, dass ihn seine Umwelt vorurteilslos wieder aufnimmt.

b.) Es besteht auch kein vorrangiges, die Interessen des Klägers überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an einer Aufrechterhaltung einer solchen Berichterstattung über die nunmehr beinahe zehn Jahre zurückliegende Straftat, durch die der Kläger ohne weiteres identifizierbar gemacht wird. Das Bereithalten der angegriffenen Artikel durch die Beklagte auf ihren Internetseiten begründet nunmehr nach Zeitablauf die Gefahr der ständigen Reaktualisierung der Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers, die sich durch jeden Abruf der Berichterstattung erneut realisiert. Die Unzulässigkeit einer solchen Berichterstattung beschränkt die Beklagte in ihren Grundrechten aus Art. 5 Abs. 1 GG nur geringfügig. Denn die Tat selbst wird dadurch nicht dem Bereich der Gegenstände, über die öffentlich berichtet werden darf, entzogen.

Eingeschränkt wird das Recht, über die spektakuläre Tat des Klägers zu berichten, nur dadurch, dass er den Lesern nicht durch Nennung seines Namens ohne weiteres erkennbar gemacht werden darf. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dadurch die Berichterstattungsfreiheit mehr als nur marginal begrenzt würde.

2.) Die nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB den Unterlassungsanspruch auslösende Wiederholungsgefahr ist aufgrund der eingetretenen Rechtsverletzung indiziert.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Buske                                           Dr. Korte                                       Zink

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 09.05.08
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