Fall meinprof.de
Leitsätze:
Von Dritten, die eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv
durch ihr Handeln unterstützen, darf durch eine Störerhaftung nichts
Unzumutbares verlangt werden. Die Haftung als Störer setzt daher die
Verletzung von Prüfpflichten voraus.
Eine Prüfpflicht ist nur zumutbar, wenn der Betroffene im Wege einer
Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte Inhalte konkrete
Persönlichkeitsverletzungen geltend macht.
Verhandlungsbericht
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
27 S 2/07
(7 C 208/06)
31.05.2007
In dem Rechtsstreit
Company Consulting Team e.V.
- Berufungsklägerin (Beklagte)
gegen
Prof. Dr. Tauchnitz
- Berufungsbeklagter (Kläger)
hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin
in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die
mündliche Verhandlung vom 31.05.2007 durch den Vorsitzenden Richter am
Landgericht Mauck, die Richterin Becker und den Richter von Bresinsky
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das
Urteil des Amtsgerichts Tiergarten Vorn 22. Januar 2007 -
7 C 208/06 - geändert,
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des
Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß
§ 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist form- und fristgerecht
eingelegt und begründet, mithin zulässig. In der Sache hat sie Erfolg.
Die Klage ist, soweit der Kläger - über die konkret beanstandeten
Äußerungen hinaus - Unterlassung von Beleidigungen in Form unzulässiger
Schmähkritiken begehrt, mangels hinreichender Bestimmtheit bereits
unzulässig.
Im Hinblick auf § 253 Abs 2 Nr. 2 ZPO muss ein
Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf
beruhende Verurteilung - so deutlich gefasst sein, dass der
Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis
des Gerichts klar umrissen sind, sich der Beklagte umfassend verteidigen
kann und die Entscheidung darüber, was ihm verboten ist, nicht im
Ergebnis dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (BGH NJW 2006,
2550, 2551; NJW 2003, 3046., 3047; WRP 1992, 500,661).
Zwar muss sich der Kläger bei der Formulierung
des Verbotsantrages nicht auf eine konkrete Verletzungsform beschränken.
Bei der Formulierung eines Unterlassungsantrages sind im Interesse eines
hinreichenden Rechtsschutzes gewisse Verallgemeinerungen zulässig, weil
eine Verletzungshandlung die Vermutung der Begehungsgefahr nicht nur für
die identische Verletzungsform begründet, sondern auch für alle im Kern
gleichartigen Verletzungsmöglichkeiten (BGH NJW 2000, 2195, 2196), wobei
auch in der verallgemeinerten Form des Antrages das Charakteristische
der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommen muss (BGH WRP 2000,
7258, 1260).
Auslegungsbedürftige Begriffe im Antrag und in
der Urteilsformel sind nicht generell unzulässig (BGH NJW 2000,
2195, 2196). Der Gebrauch solcher Begriffe kann hinnehmbar oder im
Interesse einer sachgerechten Verurteilung zweckmäßig und sogar geboten
sein (BGH WRP 1998, 42, 46). Zur Konkretisierung eines begehrten
Verbotes kann eine Auslegung des Antragsinhalts unter Heranziehung des
Sachvortrages des Klägers erfolgen (BGH NJW 1995, 3187, 3188).
Vorliegend umschreibt der Antrag das begehrte Verbot, jedoch derart
abstrakt wie ein Unterlassungsantrag, der sich auf die bloße Wiedergabe
des gesetzlichen Verbotstatbestandes beschränkt (BGH NJW 2000,
1792,1793; NJW 1995, 3187, 3188). Die verbotene Handlung wird unter
Zuhilfenahme von dem Wortlaut eines Gesetzes vergleichbaren, abstrakten
Tatbestandsmerkmalen beschrieben, ohne dass sie - über die beanstandeten
Äußerungen hinaus -konkretisiert wird. Welche weiteren Verletzungsformen
- jenen unmittelbar vergleichbar - das für die konkrete Verletzungsform
Charakteristische enthalten (BGH WRP 1998, 42, 46; NJW 1991, 1114,
1115), vermag die Kammer mangels jeglichen Sachvortrags nicht zu
erkennen.
Dem Kläger steht der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch bezüglich der konkret beanstandeten Äußerungen
gegen die Beklagte nicht aus §§ 823, analog 1004 Abs. 1 S. BGB, Art 1
Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.
Abgesehen davon, dass an sich bei den
angegriffenen Äußerungen um zulässige Meinungsäußerungen handeln dürfte,
die die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik nicht überschreiten (vgl.
hierzu BGH NJW 2007, 688, 888) ist die Beklagte hier nicht
passiv legitimiert. Spezialgesetzliche Vorschriften des TDG oder MDStV
nach denen die Verantwortlichkeit der Beklagten als Betreiberin der
Meinungsplattform www.meinprof.de
in der beanstandeten Art und Weise zu beurteilen wäre, bestehen nach der
geltenden Rechtslage nicht. Die Störerhaftung der Beklagten für die
Ermöglichung des Zugriffs auf rechtswidrige fremde Informationen ist
vorliegend nach den allgemeinen Grundsätzen zu verneinen.
Im Presserecht kann jeder Verbreiter als
Störer in Anspruch genommen werden (Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rn,
35). Verbreiter ist jeder, der - wie hier - an der Verbreitung einer
Behauptung mitwirkt (BGH NJW 1986, 2503 (2504) - Ostkontakte).
Von Dritten, die eine rechtswidrige
Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr Handeln unterstützen, darf
durch eine Störerhaftung nichts Unzumutbares verlangt werden. Die
Haftung als Störer setzt daher die Verletzung von Prüfpflichten voraus.
Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist,
richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, wobei die
Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen
sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige
Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu
berücksichtigen sind. Eine solche Prüfpflicht hat die Beklagte als
Betreiberin einer Meinungsplattform vorliegend nicht verletzt. Die
Annahme einer Pflicht zur inhaltlichen Überprüfung aller eingestellten
Beiträge scheiden für den Betreiber eines Onlineportals aus, sie wäre
wegen der Fülle der Beiträge praktisch nicht durchführbar (so
Kammergericht, Beschluss vom 7.12.2006 - Az. 10 W 106/06; BGH NJW 2004,
3102). Allein der Umstand, dass sich die Beklagte in ihren
Nutzungsbedingungen die Löschung rechtswidriger Äußerungen vorbehalten
hat, führt entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend nicht zu einer
generellen Prüfpflicht.
Eine Prüfpflicht ist nur zumutbar, wenn der
Betroffene im Wege einer Abmahnung in Bezug auf bestimmte vermittelte
Inhalte konkrete Persönlichkeitsverletzungen geltend macht. In einem
solchen Fall braucht der Betreiber keine umfangreichen Nachforschungen
unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen. Ihm wird
lediglich zugemutet nachzuprüfen, ob der abgemahnte Beitrag aus der
Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtmäßig anzusehen
ist.
Gegen diese Prüfungspflicht hat die Beklagte -
anders als der Betreiber anders als der Betreiber im BGH-Entscheidung
a.a.O. zugrunde liegenden Fall - nicht verstoßen.
Nachdem sie von den rechtswidrigen Beiträgen
durch Hinweis des Klägers Kenntnis erhalten hat, hat sie jene
unverzüglich aus dem Forum entfernt.
Auf einen Verstoß gegen Vorschriften des
Bundessdatenschutzgesetzes kann der Kläger dem geltend gemachten
Unterlassungsanspruch nicht stützen. Zwar stellt jede durch das
Bundesdatenschutzgesetz nicht gedeckte Übermittlung personenbezogener
Daten eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar (BGH NJW
1984, 436). Soweit in den konkret angegriffenen Äußerungen eine
Persönlichkeitsverletzung liegen sollte, ist der Beklagte aber - wie
ausgeführt schon nicht Störer.
Die Veröffentlichung personenbezogener Daten
des Klägers an sich - wie Titel, Name, Tätigkeitsbereich - ist nicht
Gegenstand des Unterlassungsantrages. Unabhängig davon liegt insoweit
ein Verstoß gegen § 41 BDSG auch gar nicht vor, da diese Angaben, weil
aus allgemein zugänglichen Quellen entnommen, gemäß §28 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 BDSG privilegiert sind. Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen des Beklagten zuletzt im Schriftsatz vom 15. Mai 2007
verwiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1
ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf
§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO
Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für
eine Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Sache
grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Die Kammer sieht sich bei ihrer Würdigung der
Umstände des Einzelfalls im Einklang mit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung.
Mauck
Becker
von Bresinsky
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am10.04.07
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