Leitsätze 1. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht auch bezüglich solcher Tatsachenbehauptungen, die lediglich verdeckt aufgestellt werden bzw. sich aus dem Gesamtzusammenhang des Textes - unter Einbeziehung diesem etwa beigegebener Bilder - im Wege der Sinninterpretation ergeben. 2. Entscheidend für das Bestehen eines Anspruchs auf Veröffentlichung einer Eindrucksgegendarstellung ist, in welchem Sinne der dem konkreten Adressatenkreis angehörende Leser die Erstmitteilung versteht. 3. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht nicht, wenn lediglich bei einem unbedeutenden Teil der Adressaten - hier: 5 bis 10 % - der Eindruck entsteht, die Erstmitteilung enthalte die mit der Gegendarstellung bekämpfte Tatsachenbehauptung.
Verhandkungsbericht (ähnlicher Fall bei LG HH)
OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit ...... - Kläger - Prozessbevollmächtige - Kläger und Berufungskläger - Prozessbevollmächtigte: gegen - Antragsgegnerin / Berufungsbeklagte – Prozessbevollmächtigte: hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 09. November 2007 unter Mitwirkung von
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Bauer für Recht erkannt: 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Offenburg vom 01.08.2007 - 3 O 260/07 - wird als unbegründet zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt auch die Kosten der Berufung. 3. Der Streitwert wird für die Berufungsinstanz auf 20.000,00 EUR festgesetzt. Tatbestand I. Die jetzt 72 Jahre alte (Verfügungs-) Klägerin war eine bekannte deutsche Fernseh-Moderatorin. Auf der Titelseite der Ausgabe Nr. 24/07 vom 06.06.2007 der von der (Verfügungs-) Beklagten herausgegebenen Zeitschrift „F. S.“ wurde mit den Worten „P. Sch. Sechs Jahre nach dem Unfall-Drama ihrer Tochter Alexandra bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Dasein?“ auf einen im Inneren des Heftes veröffentlichten Artikel hingewiesen. Links des Textes ist ein die Klägerin in früheren Jahren zeigendes Brustbild plaziert. In der unteren Hälfte dieses Bildes - unterhalb von Kopf und Hals der Klägerin - ist ein weiß umrahmtes Bild eines deutlichen jüngeren Paares zusammen mit dem in Kleindruck gehaltenen Text angebracht: „P.S. Fast-Schwiegersohn und seine Verlobte erwarten Nachwuchs“ Mit der Begründung, die genannte Veröffentlichung erwecke den Eindruck, daß sie schwanger sei, hat die Klägerin beantragt, der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzuerlegen, im gleichen Teil der Zeitschrift „F. S.“, in dem der Artikel „P. Sch. ... Bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Dasein?“ (F. S. Nr. .../07 vom ....07, S. 68/69) erschienen ist und mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung als Überschrift durch entsprechende drucktechnische Anordnung und Schriftgröße in der nächsten für den Druck noch nicht abgeschlossenen Nummer die folgende Gegendarstellung zu veröffentlichen: Gegendarstellung
Auf der Titelseite der F. S. vom ....2007 heißt es: Die Beklagte ist diesem Antrag entgegengetreten. Wegen des von der Klägerin verfolgten Anspruchs und des zugrunde liegenden Sachverhalts im einzelnen sowie wegen des Vorbringens der Parteien wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO). Das Landgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mit der Begründung zurückgewiesen, die Erstmitteilung erwecke jedenfalls bei der gebotenen Berücksichtigung des links neben dem beanstandeten Text eingefügten - die untere Hälfte des Fotos der Klägerin überlagernden - Bildes des jüngeren Paares und des dazugehörigen erläuternden Textes nicht den von der Klägerin vorausgesetzten Eindruck, diese erwarte ein Kind. Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren erstinstanzlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag zu der von ihr vertretenen Auffassung, wonach die graphische Gestaltung der auf der Titelseite angeordneten Fotos und Textpassagen „gezielt und beabsichtigt“ den Eindruck von einer Schwangerschaft der Klägerin erwecke. Bei der Frage, welchen Eindruck Titelbildveröffentlichungen erwecken, sei in erster Linie auf den „Kiosk- und Gegenüberleser“ abzustellen. Diesem sei die Antragstellerin - und damit auch ihr die Wahrscheinlichkeit einer Schwangerschaft als gering erscheinen lassendes Alter - nicht bekannt. Er sei deshalb auch nicht gehalten, sich mit dem neben dem inkriminierten Text angeordneten Bild des jüngeren Paares zu befassen. Zudem sei der erläuternde Text so klein gehalten, daß er vom „Kiosk- und Gegenübersitzerleser“ nicht zur Kenntnis genommen werde. - Zur Bewertung des Eindrucks, den die inkriminierte Veröffentlichung erwecke, sei das Gericht berufen; einer Glaubhaftmachung durch Vorlage des Ergebnisses einer Meinungsumfrage bedürfe es nicht. Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt die Zurückweisung der Berufung. Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen. Entscheidungsgründe II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Mit Recht hat das Landgericht den Antrag der Klägerin zurückgewiesen. Für eine Verpflichtung der Beklagten zum Abdruck einer Gegendarstellung mit dem begehrten Inhalt fehlt es am hierfür erforderlichen rechtlichen Interesse. 1. Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 bad-würt. LPG ist der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegendarstellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsachenbehauptung betroffen ist. Anspruchsvoraussetzung ist dabei, daß sich die beantragte Gegendarstellung als Entgegnung auf die in der Erstmitteilung enthaltene Tatsachenbehauptung darstellt (vgl. etwa Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl. 1998, Rdn. 224; Prinz/Peters, Medienrecht, 1999, Rdn. 529; Burkhardt, in: Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. 2003, Rdn. 11.100; Sedelmeier, in: Löffler, Presserecht, 5. Aufl. 2005, Rdn. 11.126 - j.m.w.N.). Die Veröffentlichung einer Gegendarstellung mit dem Inhalt, sie erwarte kein Kind, kann die Klägerin deshalb nur dann verlangen, wenn die beanstandete Erstmitteilung eine entsprechende Tatsachenbehauptung enthält. Dabei braucht die Tatsachenbehauptung nicht expressis verbis aufgestellt worden zu sein. Ein Gegendarstellungsanspruch besteht nach allgemeiner Auffassung vielmehr auch bezüglich solcher Tatsachen, die lediglich verdeckt - gleichsam zwischen den Zeilen - mitgeteilt werden oder sich erst aus dem Gesamtzusammenhang im Wege einer Sinninterpretation der beanstandeten Äußerung ergeben (hierzu Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 221 und 313 ff.; Prinz/Peters, a.a.O., Rdn. 488; Burkhardt, a.a.O., Rdn. 11.41; Sedelmeier, a.a.O., Rdn. 11.99), wobei neben dem Text auch die diesem beigegebenen Bilder zu berücksichtigen sind (vgl. Burkhardt, a.a.O., Rdn. 4.4 und 11.45). 2. In der inkriminierten Erstmitteilung wird die Behauptung, die Klägerin erwarte ein Kind, nicht ausdrücklich aufgestellt. Für das Bestehen eines entsprechenden Gegendarstellungsanspruchs ist daher entscheidend, ob der maßgebliche Empfängerkreis die Äußerung in diesem Sinne auffasst (vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 327; Burkhardt, a.a.O., Rdn. 4.6). Adressaten der hier in Rede stehenden Mitteilung - die auf der Titelseite einer dem Genre der Regenbogenpresse zuzuordnenden Zeitschrift platziert ist - sind vor allem solche Besucher von Kiosken und von Zeitschriftenabteilungen in Supermärkten u.ä., die als Käufer dieser Presseprodukte in Betracht kommen oder zumindest bereit sind, das einschlägige Angebot zur Kenntnis zu nehmen („Kiosk-Leser“). Wie das Landgericht ist auch der Senat nicht davon überzeugt, daß zumindest ein nicht ganz unbedeutender Teil der zu diesem - durchaus heterogenen - Adressatenkreis gehörenden Leser die in Rede stehende Aussage in dem von der Klägerin angenommenen Sinne versteht. a) Die Äußerung kann in verschiedener Weise verstanden werden. a) Angesichts der graphischen Gestaltung ist zwar für jeden Leser ohne weiteres erkennbar, daß sich die in großen Lettern gehaltene Frage „Bringt ein Baby endlich wieder Licht in ihr tristes Leben?“ auf die Klägerin bezieht, deren Name blickfangmäßig oberhalb dieses Textes - und hiervon durch einen farblich abgesetzten Zwischentext getrennt - herausgestellt ist. Um wessen Baby es dabei geht, bleibt bei der in Frageform gefassten Erstmitteilung aber offen und wird nur aus dem daneben angebrachten Bild eines jüngeren Paares und insbesondere aus dem dazugehörenden, in kleiner und schwer lesbarer Schrift gehaltenen erläuternden Text deutlich. bb) Der allein die ins Auge fallende Erstmitteilung zur Kenntnis nehmende Leser kann angesichts deren diesbezüglicher Unbestimmtheit lediglich Spekulationen darüber anstellen, in welcher Weise das möglicherweise Licht in ihr tristes Leben bringende Baby mit P. Sch. in Verbindung steht. Daß diese selbst ein Kind erwartet, ist dabei lediglich eine von mehreren durch den Wortlaut der Erstmitteilung gedeckten Möglichkeiten, denn „Licht in ein tristes Leben“ kann nicht nur durch ein eigenes Kind gebracht werden. Bei dem genannten Baby kann es sich deshalb z.B. auch um ein solches naher Angehöriger - etwa ein Enkelkind -, um ein Nachbarkind oder um ein Adoptivkind handeln; zudem läßt die angegriffene Formulierung auch die Interpretationsmöglichkeit offen, daß das Kind bereits geboren ist. b) Ein Verständnis dahin, daß die Erstmitteilung auf eine Schwangerschaft der Klägerin selbst anspielt, kommt jedenfalls für solche Leser keinesfalls in Betracht, die Kenntnis von P. Sch. und ihrem Lebensweg und damit auch eine ungefähre Vorstellung von ihrem Alter haben. Gleiches gilt für diejenigen Leser, die das neben der Erstmitteilung platzierte Bild des jüngeren Paares nebst dazugehörendem Text zur Kenntnis nehmen. c) Zwar haben die Parteien keine Meinungsumfrage dazu durchgeführt, in welcher Weise die inkriminierte Erstmitteilung vom Adressatenkreis zur Kenntnis genommen und wie sie verstanden wird. Dem häufig mit Pressesachen befassten Senat ist aber bekannt, daß Aussagen auf der Titelseite von der Regenbogenpresse zuzuordnenden Zeitschriften insbesondere von solchen Personen beachtet werden, die nicht mehr der jüngeren, sondern der mittleren und der älteren Generation angehören. Diesem Personenkreis - das mögen 75 % der „Kiosk-Leser“ im oben vor Abschnitt a) genannten Sinne sein - ist P. Sch. wohlbekannt, so daß bei ihm der Eindruck einer Schwangerschaft der Klägerin nicht entstehen kann. Auf „Spekulationen“ zu dem genannten Baby angewiesen ist damit nur der kleine Teil - ca. 25 % - des Adressatenkreises, dem P. Sch. kein Begriff ist. Angesichts der weiteren Verständnismöglichkeiten wird von diesen Lesern lediglich ein Bruchteil - allenfalls die Hälfte, mithin 10 bis 15 % des Adressatenkreises - ohne weitere Reflexion zunächst davon ausgehen, daß die ihnen unbekannte Klägerin selbst ein Kind erwartet. Weiter kann davon ausgegangen werden, daß ein nicht geringer Anteil dieses Personenkreises - den der Senat auf 30 bis 50 % schätzt, das wären ca. 5 % aller Adressaten der Erstmitteilung - unabhängig von der Person der Klägerin aus Interesse am Sujet „Freude durch Kinder“ sich mit dem „Umfeld“ der angegriffenen Äußerung befasst und damit von dem sich daneben befindlichen Bild nebst erläuterndem Text Kenntnis nimmt. Damit verbleibt ein Anteil von lediglich 5 bis allenfalls 10 % der Adressaten, bei denen tatsächlich der Eindruck entsteht, den die Klägerin mit der von ihr beantragten Gegendarstellung bekämpfen will. Daran, den bei einer derart geringen Zahl der Adressaten durch die Erstmitteilung entstandenen falschen Eindruck richtigzustellen, fehlt es an dem für einen Gegendarstellungsanspruch erforderlichen berechtigten Interesse (ähnlich - wenn auch nicht dezidiert - Seitz/Schmidt/Schoener, Rdn. 316, die auch in Frage stellen, ob unter solchen Umständen eine Behauptung überhaupt „aufgestellt“ oder „verbreitet“ wurde); umso mehr gilt das, als es sich bei den dem Missverständnis unterliegenden Lesern so gut wie ausschließlich um solche handelt, denen die Klägerin kein Begriff ist und für die die Frage, ob sie ein Kind erwartet oder nicht, ohne Relevanz ist (zum berechtigten Interesse als Voraussetzung für einen Gegendarstellungsanspruch und zum Fehlen dieses Interesses bei Belanglosigkeit der Erstmitteilung Seitz/Schmidt/Schoener, a.a.O., Rdn. 252). III. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Da das Urteil rechtkräftig ist (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO), bedarf es keines Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit.
Bauer
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Rolf Schälike |