Internet-Archive
1. Der Unterlassungsanspruch
eines schon seit mehreren Jahren wegen einer Straftat rechtskräftig
Verurteilten gegen einen ihn identifizierenden Artikel in einem sog.
Online-Archiv hängt wesentlich von der durch den Bericht erzielten
Breitenwirkung ab.
2. Kein Unterlassungsanspruch gegen eine im Zeitpunkt der
Veröffentlichung zulässige Berichterstattung, in der der Verurteilte nur
ganz beiläufig erwähnt wird
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
11 U 72/06
(2/3 O 375/06)
22.05.2007
In dem Rechtsstreit
Anwalt, Adresse
- -
Prozess bevollmächtigte/r: Rechtsanwälte
,
Adresse
gegen
- -
Prozessbevollmächtigte/r:
Tenor:
In dem Rechtsstreit (…) hat der 11. Zivilsenat
des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die mündliche Verhandlung
vom 08.05.2007 durch die Richter (…) für
Recht erkannt:
Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer - vom 02.11.2006
abgeändert.
Die Beschlussverfügung vom 09.06.2006 wird aufgehoben und der Antrag auf
ihren Erlass zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Verfügungskläger zu tragen.
Das
Urteil ist rechtskräftig.
Sachverhalt:
I.
Der Verfügungskläger (nachfolgend Kläger)
wurde 1993 wegen Mordes an dem Schauspieler A zu lebenslanger Haft
verurteilt. Die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof 1994
verworfen. Die dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde hat das
Bundesverfassungsgericht Anfang 2000 nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend Beklagte)
strahlte am 25.01.2001 eine Dokumentation über die Hintergründe des
Mordes an A unter der Überschrift "..." aus. Sie hat in ihrem
Online-Archiv in einer zuletzt am 26.04.2002 aktualisierten Fassung über
diese Sendung, wie aus der Anlage AS 1 ersichtlich, unter namentlicher
Nennung des Klägers berichtet.
Auf die Abmahnung des Klägers vom 30. Mai 2006
hat die Beklagte den Beitrag von ihrer Website entfernt, jedoch keine
Unterlassungserklärung abgegeben. Das Landgericht hat mit
Beschlussverfügung vom 09.06.2006 der Beklagten untersagt, über den
Kläger im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender Weise,
insbesondere bei voller Namensnennung, zu berichten.
Auf den Widerspruch der Beklagten hat es die
einstweilige Verfügung durch Urteil vom 02.11.2006 bestätigt.
Begründet hat es die Entscheidung im
Wesentlichen damit, dass die angegriffene Berichterstattung im Internet
bereits bei ihrem Erscheinen im Jahre 2001 nicht zulässig gewesen sei,
weil sie sich auf eine im Zeitpunkt ihres Erscheinens nicht zulässige
Fernsehdokumentation bezogen habe. Die Namensnennung des Klägers in dem
Dokumentarfilm sei nicht durch die Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1
Satz 2 GG oder Art. 5 Abs. 3 GG gerechtfertigt gewesen, weil ihr bereits
im Zeitpunkt der Erstausstrahlung das Resozialisierungsinteresse des
Klägers entgegengestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der
Beklagten. Sie meint, das Landgericht habe zu Unrecht darauf abgestellt,
ob die Namensnennung des Klägers in dem Fernsehbeitrag zulässig gewesen
sei.
Die Zulässigkeit der Sendezusammenfassung und
der Sendung selbst seien unabhängig voneinander zu beurteilen. Für die
Berichterstattung gälten andere Maßstäbe als für die Archivierung.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei
die zugrunde liegende Fernsehdokumentation im Zeitpunkt ihrer
Erstveröffentlichung aber auch nicht rechtswidrig gewesen. Im Zeitpunkt
der Erstausstrahlung habe sich der Kläger noch nicht auf ein
Resozialisierungsinteresse berufen können, da seit seiner Festnahme noch
nicht einmal 10 Jahre vergangen gewesen seien. Es habe sich bei der
Fernsehsendung auch nicht um ein Dokumentarspiel, sondern um eine
Dokumentation gehandelt, von der weder eine "Breiten- und
Tiefenwirkung" noch eine Stigmatisierung des Klägers ausgegangen
sei.
Der Kläger habe insbesondere durch das
Verhalten seines damaligen Verteidigers (...) schon vor Entstehung der
Sendung konkludent in die Aufhebung seiner Anonymität eingewilligt.
(...) sei außerordentlich daran interessiert gewesen, dass durch die
Veröffentlichung der Dokumentation die im Wiederaufnahmeverfahren
vertretene These der Unschuld des Klägers öffentlichkeitswirksam
verbreitet werde.
Die sachlichen Argumente dafür seien auch in
den Fernsehbeitrag eingeflossen. Auch aus späteren Äußerungen des
Verteidigers, so etwa bei einer Presseerklärung am 15.04.2005, ergebe
sich, dass der Kläger jedenfalls für die Dauer noch laufender
Wiederaufnahmeverfahren mit seiner Identifizierung in der Öffentlichkeit
einverstanden gewesen sei.
Die Erstveröffentlichung des Fernsehbeitrags
der (...) im Juni 2000 sei während des laufenden zweiten
Wiederaufnahmeverfahrens erfolgt, während kurz zuvor die Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichtes veröffentlicht worden sei, mit der die
Verfassungsbeschwerde gegen die Verurteilung des Klägers nicht
angenommen wurde. Mithin habe es nicht an einem hinreichenden Anlass zu
der fraglichen Berichterstattung gefehlt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des
Landgerichts Frankfurt am Main vom 02.11.2006 (Az. 2-3 0 375/06)
aufzuheben und den Verfügungsantrag des Berufungsbeklagten vom
07.06.2006 kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die
Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Antragsgegnerin bei
Meidung der entsprechenden Ordnungsmittel untersagt wird, über den
Antragsteller im Zusammenhang mit dem Mord an A in identifizierender
Weise zu berichten wie aus Anlage AS 1 ersichtlich.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und
meint insbesondere, die Ausführungen der Beklagten zur Archivausnahme
lägen neben der Sache. Die Offenheit des Mediums Internet spreche
dagegen, hier überhaupt von einem Archiv auszugehen. Die Beklagte habe
die angegriffenen Artikel als eigene und aktuelle Artikel
veröffentlicht. Es sei nicht möglich, zwischen angeblichem Archiv und
anderen Inhalten, die die Beklagte öffentlich zugänglich mache, zu
unterscheiden.
Entscheidungsgründe:
II
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Unterlassung
der konkreten Berichterstattung im Online-Archiv der Beklagten nicht zu.
Zwar ist das Landgericht im Ansatz zutreffend
davon ausgegangen, dass sich ein Unterlassungsanspruch gegen eine
identifizierende Berichterstattung grundsätzlich aus §§ 1004, 823 BGB
i.V.m. Artikel 1 Abs. 1 und Artikel 2 Abs. 1 GG ergeben kann, weil auch
bei verurteilten Straftätern das Persönlichkeitsrecht chutz vor einer
zeitlich unbeschränkten Berichterstattung durch die Medien gewährt.
Entscheidend ist aber stets, in welchem Maß
eine Berichterstattung die Persönlichkeitsentfaltung beeinträchtigen
kann (BVerfGE 97,391; BVerfG NJW 2000,1860). Der Schutz, den das
Grundrecht insoweit vermittelt, wirkt nicht im Sinn eines generellen
Verfügungsrechts über sämtliche Informationen, die Dritte hinsichtlich
einer Person äußern.
Das Grundrecht entfaltet seinen Schutz
vielmehr gegenüber solchen Darstellungen, die das Persönlichkeitsbild
des Einzelnen in der Öffentlichkeit verfälschen oder entstellen oder
seine Persönlichkeitsentfaltung, etwa durch die von ihr ausgehenden
Stigmatisierungsgefahren, erheblich beeinträchtigen (BVerfG a.a.O.).
Eine derartige Beeinträchtigung liegt auch in Darstellungen, die die
Wiedereingliederung von Straftätern in die Gesellschaft nach Verbüßung
der Strafe wesentlich zu erschweren drohen.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht vermittelt
Straftätern aber keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit überhaupt
nicht mehr mit der Tat konfrontiert zu werden. Ein solches Recht lässt
sich weder dem Lebach-Urteil noch einer sonstigen Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts entnehmen.
Im Lebach-Urteil hat das
Bundesverfassungsgericht lediglich festgestellt, dass das
Persönlichkeitsrecht vor einer zeitlich unbeschränkten Befassung der
Medien mit der Person des Straftäters und seiner Privatsphäre Schutz
bietet (BVerfGE 35,202). Eine vollständige Immunisierung vor der
ungewollten Darstellung persönlichkeitsrelevanter Geschehnisse war damit
nicht gemeint (BVerfG NJW 2000, 1860).
Auch die Verbüßung der Strafhaft führt nicht
dazu, dass ein Täter den Anspruch erwirbt, mit der "Tat allein
gelassen zu werden". Mit der Strafverbüßung ist dem Strafanspruch
des Staates Genüge getan. Das Verhältnis des Täters zu sonstigen
Dritten, insbesondere den Medien, bleibt davon unberührt (BVerfG a.a.O.).
Kommt es aber wesentlich auf das von der Art
der Berichterstattung ausgehende Maß der Beeinträchtigung an, so kann
die Zulässigkeit der Archivierung des angegriffenen Berichts nicht von
der Frage abhängen, ob die Erstausstrahlung der Fernsehdokumentation im
Jahr 2000 oder die Ausstrahlung durch die Beklagte im Jahr 2001 das
Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzte.
Ganz offensichtlich erzielt die Ausstrahlung
einer Fernsehdokumentation über "Die
großen Kriminalfälle" für ein Massenpublikum eine völlig andere
Breiten- und Tiefenwirkung als eine nur wenige Zeilen umfassende
Inhaltsangabe zur Sendung, die in einem Online-Archiv vorgehalten wird.
Schon die Breitenwirkung und Suggestivkraft
einer Fernsehsendung kann deutlich stärker sein, als bei einer
Presseberichterstattung. Von Fernsehbeiträgen kann deshalb ein weitaus
stärkerer Eingriff in die Privatsphäre ausgehen als im Rahmen einer
Wortberichterstattung in Hörfunk oder Presse (Wenzel/ Burkhardt, Das
Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 5. Aufl. Kap. 10, Rn. 206).
Erst recht ist die Breitenwirkung eines in
einem Online-Archiv zum Abruf bereit gehaltenen kurzen Artikels in der
Regel nicht mit derjenigen einer öffentlichen Berichterstattung
vergleichbar (so auch OLG Köln, Beschluss v. 14.11.2005 Az: 15 W 60/05,
Anlage Ag 4).
Die Rechtmäßigkeit des angegriffenen
Archiv-Berichts hängt danach nicht unmittelbar von der Rechtmäßigkeit
oder Rechtswidrigkeit der dem Bericht zugrundeliegenden
Fernsehdokumentation ab, sondern ist eigenständig zu beurteilen.
Selbst wenn die Ausstrahlung der
Fernsehdokumentation rechtswidrig gewesen sein sollte, weil im Zeitpunkt
der Erstausstrahlung kein rechtfertigender Anlass mehr für eine
identifizierende Berichterstattung vorlag, folgt daraus im Hinblick auf
die völlig unterschiedliche Darstellungsweise und Breitenwirkung nicht
zwangsläufig, dass auch die Einstellung einer kurzen Inhaltsangabe zu
dem Fernsehbeitrag, in der der Nachname des Klägers ein einziges Mal
erwähnt wird, rechtswidrig wäre. Vielmehr ist allein entscheidend, ob
durch den inkriminierten Archivbeitrag selbst das Persönlichkeitsrecht
des Klägers in nicht hinzunehmender Weise beeinträchtigt worden ist.
Das ist nicht der Fall.
Bei einer besonders spektakulären, aufsehenerregenden Tat kann die
namentliche Erwähnung des Täters auch noch viele Jahre später zulässig
sein (OLG Hamburg, AfP 1987, 518; Wenzel/Burkhardt a.a.O. Rn. 204;
Soehring, Presserecht,3. Aufl., Rn. 19.29). Der 16. Zivilsenat des OLG
Frankfurt hat es für zulässig angesehen, wenn über "einen der
spektakulären Kriminalfälle der jüngeren Geschichte" fünf Jahre nach
Rechtskraft des Urteils über den Antragsteller noch mit voller
Namensnennung berichtet wird (Beschluss v. 20.09.2006, 16 W 56/06).
Es kann dahin stehen, ob sich insoweit starre Fristen bestimmen lassen
(vgl. auch Wenzel/Burkhardt a.a.O. Rn. 201). Vorliegend erfolgte die
namentliche Nennung des Klägers zwar mehr als fünf Jahre nach Eintritt
der Rechtskraft. Der Name des Klägers ist in der Folgezeit jedoch immer
wieder in der Öffentlichkeit gefallen, was auf die von dem Kläger und
dessen Halbbruder angestrengten Wiederaufnahmeverfahren, auf die gegen
die Entscheidung des Bundesgerichtshofs eingelegte
Verfassungsbeschwerde, aber auch auf Aktivitäten des Klägers und dessen
Halbbruder zurückzuführen ist. So hat der Halbbruder des Klägers an
einem 1999 in der Zeitschrift "X" veröffentlichten Artikel mitgewirkt,
der auf seine Informationen zurückgehen soll.
Gemessen hieran erscheint die namentliche Erwähnung des Klägers und
seines Halbbruders in dem Archivbeitrag eher marginal. Die Familiennamen
des Klägers und seines Halbbruders werden ein einziges Mal am Ende des
Artikels im Zusammenhang mit ihrer Festnahme und Verurteilung erwähnt,
wobei zugleich darauf hingewiesen wird, dass beide "auch heute noch"
eine Tatbeteiligung abstreiten. Damit handelt es sich um eine kurze,
sachliche Darstellung der Hintergründe des Mordes an dem Schauspieler A,
der Fahndung nach den Tätern sowie deren Festnahme und Verurteilung.
Vor dem Hintergrund der im Veröffentlichungszeitraum nach wie vor
aktuellen Berichterstattung über die Wiederaufnahmeverfahren und des
Umstands, dass es sich um einen der spektakulärsten Kriminalfälle des
letzten Jahrhunderts in Deutschland handelte, erscheint die marginale
namentliche Erwähnung des Klägers und dessen Halbbruders an einer
einzigen Stelle des Artikels in keiner Weise vergleichbar mit einer
öffentlichen identifizierenden Berichterstattung, in deren Mittelpunkt
der Kläger und sein Halbbruder stehen.
Es erscheint schon zweifelhaft, ob die Erwähnung des Familiennamens
überhaupt zu einer Identifizierbarkeit des Klägers führt. Wer den Kläger
bis dahin nicht kannte, wird ihn allein aufgrund des Namens nicht ohne
weiteres mit dem Mord an A in Verbindung bringen.
Die Beklagte weist zu Recht und unwidersprochen darauf hin, dass der
Familienname des Klägers nicht so selten ist, dass seine Person allein
über den Namen mit dem Mord in Verbindung gebracht würde. Hinsichtlich
solcher Personen, denen der Kläger ohnehin als Tatbeteiligter bekannt
ist, führt der kurze Textbeitrag nicht zu einer erheblichen
Beeinträchtigung seiner Persönlichkeitsbelange.
Es ist jedenfalls nichts dafür ersichtlich, dass von der namentlichen
Erwähnung des Klägers in dem Archivartikel negative Auswirkungen auf
seine Person, insbesondere eine erneute Stigmatisierung oder Isolierung
ausgehen konnten oder ausgegangen wären. Konkrete Auswirkungen hat der
Kläger nicht einmal behauptet.
Spricht mithin nichts dafür, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers
im Zeitpunkt der Einstellung des Artikels in das Online-Archiv in einer
nicht mehr hinnehmbaren Weise beeinträchtigt worden wäre, war die
Veröffentlichung im Zeitpunkt der aktuellen Berichterstattung nach allem
rechtmäßig.
Das gilt erst recht vor dem Hintergrund, dass der Kläger und sein
Halbbruder - soweit ersichtlich - sogar die Ausstrahlung der
Fernsehdokumentation selbst hingenommen haben, ohne sich seinerzeit auf
eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts zu berufen. Wenngleich
hierin keine konkludente Einwilligung zu sehen sein mag, so spricht
dieser Umstand doch Indizien dafür, dass die eher beiläufige namentliche
Erwähnung in einem Online-Archiv keine nennenswerten weiteren negativen
Auswirkungen auf die Person des Klägers bewirkt hat.
Daraus folgt, dass der Kläger heute keinen Anspruch auf Unterlassung der
Bereithaltung des Archivbeitrags hat. Die Archivierung von
Informationen, die im Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung nach
äußerungsrechtlichen Maßstäben nicht zu beanstanden waren, bleibt nach
in der Rechtsprechung überwiegend vertretener Auffassung, der der Senat
jedenfalls für den vorliegenden Fall folgt, zulässig (KG, Beschluss v.
19.10.2001 - 9 W 132/01; OLG Köln, Beschluss v. 14.11.2005 15 W 60/05;
OLG Frankfurt, Beschlüsse v. 20.09.2006, 16 W 54/06; 56/06 = OLGR 2007,
335; 57 /06).
Die Herausgabe archivierter Informationen bei zulässigerweise
archiviertem, nach äußerungsrechtlichen Maßstäben bei der
Erstveröffentlichung beanstandungsfreiem Material ist nach Art. 5 Abs. 1
Satz 3 S.Var. GG gerechtfertigt und nicht von einem besonderen
Informationsinteresse des Dritten abhängig, so dass ihr Abruf über das
Internet nicht von dem Archivbetreiber verhindert werden muss (OLG Köln
a.a.O).
Allein durch die Bereithaltung eines zu einem
früheren Zeitpunkt erschienenen, zulässigen Artikels in einem Archiv
wird der Betroffene nicht erneut "an das Licht der Öffentlichkeit"
gezerrt, da sich der Äußerungsgehalt lediglich in einem Hinweis auf
eine in der Vergangenheit zulässige Berichterstattung erschöpft (KG,
Beschl. V. 19.10.2001, 9 W 132/01; OLG Frankfurt a.a.O.).
Das gilt umso mehr, als der Artikel nicht ohne
weiteres zugänglich ist, sondern der interessierte Nutzer konkret danach
suchen muss. Nach den tatsächlichen Feststellungen im erstinstanzlichen
Urteil in Form des Berichtigungsbeschlusses vom 11.01.2007 gelangt der
Internet-Nutzer - außer durch gezielte Eingabe entsprechender
Suchbegriffe - nur über das Anklicken mehrerer Verlinkungen über die
Hauptseite des Beklagten zu den im Online-Archiv der Beklagten
archivierten Inhalten.
Dabei spielt es keine Rolle, dass das Archiv
nicht in Papierform, sondern elektronisch geführt wird. Zwar mag
letzteres für den Nutzer schneller greifbar sein; dennoch geht mit der
Nutzung elektronischer Archive keine mit der Publikation in Fernsehen
und Presse vergleichbare Breitenwirkung einher.
Im Übrigen streitet für die Unangreifbarkeit
des Archivs das Grundrecht auf Informationsfreiheit. Danach hat jeder
das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Diese Quellen dürfen nicht dadurch verändert werden, dass
eine ursprünglich zulässige Berichterstattung nachträglich gelöscht wird
(OLG Frankfurt a.a.O.).
Ob diese Grundsätze ausnahmslos dazu führen,
dass gegen die Bereitstellung eines zulässigerweise veröffentlichten
Artikels in einem Online - Archiv kein Unterlassungsanspruch besteht,
braucht der Senat nicht zu entscheiden. Soweit sich der Kläger auf ein
Urteil des LG Hamburg v. 07.11.2006 bezieht (Az: 324 O 521/06) [2],
ist der dort zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht
vergleichbar.
Gegenstand des dortigen Unterlassungsantrags
war eine identifizierende Presseberichterstattung, die im Zeitpunkt
ihrer Erstveröffentlichung zwar ebenfalls zulässig gewesen war, von der
indessen auch noch nach Einstellung in ein Online-Archiv eine größere
Breitenwirkung und Suggestivkraft ausgegangen sein dürfte, als von der
marginalen Erwähnung des Namens des Klägers im hier streitigen Beitrag.
Ungeachtet dessen scheint das LG Hamburg von
einem uneingeschränkten "Recht (mit der Tat) allein gelassen zu
werden" und einem "Verfügungsrecht über Darstellungen der eigenen
Person" auszugehen, was der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts - wie oben dargelegt - nicht ohne weiteres zu
entnehmen ist. Vielmehr kommt es auf die Auswirkung der
Berichterstattung im Einzelfall an.
Die von dem Kläger vorgelegten Beschlüsse des
OLG Hamburg lassen den konkreten Sachverhalt, über den entschieden
worden ist, nur andeutungsweise erkennen. Bei dem Beschluss vom
28.03.2007 (Az: 7 W 9/07) handelt es sich zudem um die Gewährung von
Prozesskostenhilfe, wobei ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass es
sich bei dem Verhältnis von Informationsfreiheit und Nutzbarkeit von
Online -Archiven um eine schwierige und relativ neue Rechtsfrage
handelt, die nicht abschließend im PKH-Verfahren entschieden werden
könne.
Der Beschluss stellt also noch keine abschließende Entscheidung des OLG
Hamburg dar. Jedenfalls ist das mögliche negative Gewicht der hier
inkriminierten Berichterstattung deutlich geringer als bei der
Einstellung eines identifizierenden Zeitschriftenartikels, der sich
ausführlich mit der Tat und dem Täter befasst. Im Hinblick auf die in
keiner Weise vergleichbare Breitenwirkung und Stigmatisierung sind
irgendwelche negativen Folgen aus dem Online - Beitrag auch heute noch
nicht erkennbar und vom Kläger nicht dargelegt.
Da dem Kläger nach alledem kein Verfügungsanspruch zusteht, war die
Beschlussverfügung auf den Widerspruch der Beklagten aufzuheben und der
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen (§§ 925
Abs. 2; 936 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, diejenige über die
sofortige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 6,711,713 ZPO. Die Revision
findet nicht statt (§ 542 Abs. 2 ZPO).
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 10.11.07
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