Bericht
HansOLG, Zivilsenat 7, Pressesenat
Sitzung, Dienstag, den 20. März 2007
Rolf Schälike - 24.-26.03.2007
Auch für diesen Bericht gilt wie für alle
anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht
unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was
hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft
verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen.
Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein
weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht
lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen
Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen
stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann
ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter
werden sich an nichts erinnern - sie haben Besseres zu tun. Was
merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden.
Eine Meinung habe ich nicht; es handelt sich um Verschwörungstheorien.
Contergan -
"Eine einzige Tablette"
7 U 141/06 - "Eine einzige
Tablette"
324 O 14/06 (Grünenthal ./.
Zeitsprung) - EV v. 14.02.2006
324 O 15/06 (Grünenthal ./. WDR) - EV v. März 2006
324 O 62/06 (Schulte-Hillen ./. Zeitsprung) - EV vom 09.02.2006
324 O 63/06 (Schulte-Hillen ./. WDR) - EV v. März 2006
In den vier o.g. Verfahren verloren der WDR und die
Produktionsfima Zeitsprung. Wir
berichteten.
In den Verfahren ging es um 32 teilweise
identische Verbotsanträge - 15 von Grünenthal und 17 von Schulte-Hillen
beantragt -, deren öffentliche Verbreitung der Pharmakonzern sowie
der damalige gegnerische Anwalt mittels einstweiliger Verfügungen im
Februar 2006 untersagen ließen. Am 28.07.06 bestätigte die Pressekammer
Hamburg mit dem Vorsitzenden Richter Andreas Buske 30 dieser
Untersagungen. Es seien unwahre Tatsachenbehauptungen, heißt es in der
Urteilsbegründung.
Auf der Site des Klägers lesen wir:
War diese neue vor drei Tagen erreichte
Einstweilige Verfügung ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens? Wissen wir nicht. Jedenfalls beruht diese nicht auf dem Drehbuch,
sondern auf dem Film selbst.
Zu den wahren
Hintergründen des Contergan-Skandals. [Die Richtigkeit wurde von mir
nicht überprüpft. Die Kläger bestreiten Vieles.]
Anwesend
waren ca. 50 Journalisten und andere Personen der
interessierten Öffentlichkeit, ebenfalls Contergan-Geschädigte.
Die Sitzung wurde verlegt vom Saal 210 in
den Großen Saal A156 des LG Hamburg (Nachbargebäude).
Ich selbst war nicht anwesend. Habe weniger
aufsehenderregenbde Verhandlungen beim Landgericht Berlin
beobachtet.
An dieser Stelle wird deswegen lediglich das
zusammengetragen, was mir berichtet wurde bzw. was ich aus dem Internet
zusammentragen konnte.
Das Protokoll ist quasi ein fiktives. Die
Zitate sind nicht belegt, damit nicht authentisch, möglicherweise
falsch.
An der Verhandlung nahmen teil: Frau Dr. Raben
als Vorsitzende Richterin, Richter Kleffel sowie Frau Lemcke als Beisitzende Richterin
Von den Klägern waren anwesend: Klägeranwalt Schulte-Hillen
als Vertreter seines klagenden Vaters, die Firma Grünenthal, vertreten von Anwalt Dünnwald der Kanzlei Prof. Dr. Prinz.
Von der Beklagtenseite waren anwesend WDR-Anwalt Herr Michael Fricke,
Zeitsprung-Anwalt Peter Raue, Zeitsprung-Justiziar Herr Mirek Nitsch, Herr Michael Souvignier,
Geschäftsführer von Zeitsprung.
Die Verhandlung dauerte mehr als drei
Stunden.
Gestritten wird um ca. 15 Schlüsselszenen,
welche die geschichtlich verbürgten Ereignisse um Contergan
entstellen:
1. Im Drehbuch wird dargestellt, die
Behörden hätten die Abgabe von Contergan verboten, nachdem Grünenthal
das Medikament ein Jahr und drei Monate nach dem ersten Verdacht noch
immer nicht zurückgezogen habe. Tatsächlich habe Grünenthal das
Medikament bereits zwölf Tage nach dem ersten Verdachtsmoment aus
eigenem Entschluss vom Markt genommen, so die Pharmafirma.
2. Unzutreffend sei die Darstellung, dass das
erste Entschädigungsangebot zehn Millionen D-Mark betragen habe , und es
sei mit der Maßgabe unterbreitet worden, es müsse sofort angenommen
werden. Tatsächlich habe das Unternehmen einen bedingungslosen
Entschädigungsbetrag von 100 Millionen angeboten und später auch
ausgezahlt.
3. Schlussszene des Films, welcher den
Verlauf der Entschädigungsverhandlungen beschreibt.
Die mehr als ein Dutzend weiteren
„Schlüsselszenen“ kennen wir nicht. Es handelt sich um eine
laufende juristische Auseinandersetzung. Die Parteien informieren die
Öffentlichkeit ungern.
Insgesamt sind es mehr als 30 Passagen,
welche die Kläger beanstanden.
1. Schulte-Hillen habe niemals in einem
Neubautraum der 60er Jahre gewohnt.
2. Der Pharmakonzern habe keinen
Privatdetektiv auf den Anwalt (wie im Film) angesetzt. In der Realität
war dieser auf einen Arzt angesetzt worden.
3. ... .
... .
Fiktives Protokoll
Wir stellen uns die Verhandlung etwa
folgendermaßen vor:
Vorsitzende Frau Dr. Raben gleich zu Beginn:
Die Formalien der Berufung sind gewahrt.
Wir gedenken, nach Vorberatung vieles anders
zu machen als das Landgericht in seiner durchaus eigenwilligen
Entscheidung.
Herr Buske hat die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ausdrücklich beiseite geschoben.
Wir urteilen nicht auf Grundlage des
Drehbuchs von „Eine einzige Tablette“ wie das Landgericht, sondern
ausschließlich nach Ansicht des fertig geschnittenen Films.
Der Film ist im Vergleich zum Drehbuch jedoch weitgehend entschärft.
Im Sinne des Klägers Grünenthal gibt es im
Film nur noch wenig zu beanstanden.
Die verbliebenen Bedenken werden wir Punkt für
Punkt an den vom BGH entwickelten Maßstab prüfen, dass bei der Darstellung
historischer Personen und Ereignisse nicht schon jede Abweichung von der
Wahrheit eine Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, sondern dass
vielmehr eine grobe Entstellung, eine schwere Beeinträchtigung vorliegen
muss.
Grünenthal habe durchaus einen
Privatdetektiv auf Ärzte und Geschädigte angesetzt und sich überhaupt
streckenweise „inakzeptabel“ verhalten. Der unbefangene Betrachter des Films kann
jedoch kaum unterscheiden, was in diesen Szenen Nacherzählung der
Realität und was Fiktion sei.
Diese Beanstandungen können berücksichtigt
werden, und rechtfertigen nicht ein generelles Aufführungsverbot.
Diese Unklarheit gehe jedoch zu Lasten
Grünenthals, sei auch nicht von der Kunstfreiheit gedeckt und müsse
deshalb von der Firma nicht hingenommen werden.
Die Einwände von Schulte-Hillen hingegen,
der Film schade seinem Ansehen, möchten wir nicht akzeptieren.
"Eine einzige Tablette" ist eindeutig ein
Spielfilm.
Familiäre Geschehnisse und Gespräche
zwischen Firmenmitarbeitern etwa sind nirgendwo dokumentiert, die
Filmemacher sind gezwungen, etwas zu erfinden. Das ist dem
Durchschnittszuschauer klar.
Der Klägervertreter [keine wörtlichen
Zitate]:
Grünenthal ist eine historische Firma ... .
Es geht um die Verletzung des
Unternehmens-Persönlichkeitsbildes, um eine Diffamierungskampagne,
Entstellung des Lebensbildes, schwerst ehrenrührig.
Unsere Unternehmensrechte werden durch
schwer beeinträchtigenden Darstellungen verletzt.
... .
Der Zuschauer kann nicht unterscheiden, was
Tatsache sei und was nicht.
Der Beklagtenvertreter [keine wörtlichen
Zitate]:
Das Urteil der Pressekammer ist ein
Unwerturteil.
Es sei eine besondere Schweinerei. Der Spielfilm sei
geschützt durch die Kunstfreiheit.
Der Vorwurf, „Eine einzige Tablette“ sei ein
Unterhaltungsfilm, möchten wir zurückweisen.
Der Film gehöret in die Tradition der
politischen und zeitkritischen WDR-Fernsehfilme.
Wir haben uns historisch sensibel und
künstlerisch verantwortungsvoll mit diesem Thema auseinandergesetzt. Im Film werden die wesentlichen historischen
Begebenheiten korrekt wiedergeben.
Grünenthal ließ neben anderen Ärzten auch
den kritischen Hamburger Arzt Widukind Lenz von einem Privatdetektiv
beobachten und übte Druck aus. Das ist unbestritten. Es ist in den Akten
des damaligen Contergan-Prozesses nachzulesen.
Im Film wird daraus die Beschattung des
Anwalts Wegener und seiner Familie. Das ist dramaturgisch bedingt, und
gegenüber der Ungeheuerlichkeit der Bespitzelung missliebiger Kritiker
nicht entstellend.
Das aus den zwölf Tagen 15 Monate geworden
sind, stimme nicht.
Auf den Arzt Widukind Lenz, der zwölf Tage
vor dem Vertriebsstopp von Contergan Alarm schlug, nehme der Film gar
keinen Bezug.
Zu sehen ist eine historisch belegte
Tatsache, in der ein anderer Arzt bereits neun Monate früher begründet
anfragte, ob durch Contergan Schädigungen von Neugeborenen zu befürchten
seien. Die Befürchtung des Arztes wurde damals von Grünenthal ignoriert,
und genau dies sei auch im Film dargestellt.
Die beanstandeten Punkte rücken weder
Grünenthal noch Schulte-Hillen, an den sich die Filmfigur Paul Wegener
lose anlehne, in ein anderes Licht als historisch wahr. Paul Wegner wird
als sympathischer Held dargestellt, und auch der Grünenthal-Patriarch
vollziehe letztlich eine Kehrtwende zum Positiven.
Für Drehbuchautor Röskau [Aus dem
Internet; Wir wissen nicht , ob Herr Röskau anwesend war und gesprochen
hat]:
Man will uns die Freiheit nehmen,
Zeitgeschichte künstlerisch aufzuarbeiten. Das können wir nicht
zulassen.
Der Widerspruch und die Berufung gegen die
ergangene Einstweilige Verfügung hat bei uns neuerliche Recherchen nach
dem Wahrheitsgehalt der Sicht der Dinge ausgelöst.
Die Frage, wie schnell der Kläger
tatsächlich auf „erste Verdachtsmomente“ gegen Contergan reagierte, wird
seit je äußerst kontrovers diskutiert.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
... hochhängende Kunstfreiheit.
Der Klägervertreter [keine wörtlichen
Zitate]:
Esra-Entscheidung des BGH
ist anzuwenden.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
Die Esra-Entscheidung trifft nicht den Kern
... .
Schulte-Hillen, der zweite Sohn des
Klägers [keine wörtlichen
Zitate]:
Paul Wegner ist eine Entstellung des
Lebensbildes meines Vaters.
Es ist geradezu unmöglich, bei der Filmfigur
Wegener nicht an meinen Vater zu denken.
Im Kampf um die Entschädigung der
Contergan-Opfer sei damals nur ein einziger Jurist aufgetreten, der
selbst ein contergangeschädigtes Kind hatte, mein Vater.
Dessen Gefühle und die Gefühle meiner
Mutter, die Intimität ihres Familienlebens zum Gegenstand eines
Spielfilms zu machen, ist schlicht inakzeptabel, es verletze das
Innerste ihrer Privatsphäre und gehe niemanden etwas an.
Klägervertreter:
Um heute einen Unterhaltungsfilm einem
Sender gut verkaufen zu können, müssen anscheinend möglichst viele
falsche Aussagen mit der historischen Wahrheit vermischt werden.
Das
können wir als davon schwerwiegend betroffenes Unternehmen, das zu
seiner Geschichte steht, nicht akzeptieren. Vor allem dann nicht, wenn
die historischen Fakten den Filmemachern aus der gerichtlichen
Auseinandersetzung exakt bekannt sind. Offensichtlich soll die Realität
in ihrem Film nicht abgebildet werden.
Anders lassen sich diese
neuen handwerklichen Fehler nicht erklären.
Zeitsprung-Anwalt Peter Raue
Die Figur Paul Wegner ist weder
namensgleich noch ... , es ist eine fiktive Figur.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
Das Gericht regt
an, vor dem Vorspann von beiden Teilen jeweils einen mindestens
30-sekündiger Text zu verlesen, welcher deutlich macht, dass es
sich nicht um einen Dokumentarfilm, sondern um einen "Spiel- und
Unterhaltungsfilm" handelt, und dass diverse Figuren, Szenen und
Passagen frei erfunden sind.
Zweitsprung-Geschäftsführer Souvigniert:
Diese Moderationen werden Teil des Films.
Darauf könne wir uns einigen.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
Das macht den Film nur interessanter.
... .
Wenn der Vorspann auch als Abspann
erscheint, wäre das eindeutig nicht der Kläger.
Aus dem Publikum ein Contergan-Geschädigter
im Rollstuhl mit zwei Arm- und Beinstummeln:
Dass Schulte-Hille jetzt auf der anderen,
der Klägerseite steht, spricht für sich.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
Es wird der Vorschlag unterbreitet, einen
Vergleich zu treffen.
Das ist nicht sachdienlich.
Zeitsprung-Anwalt Peter Raue
Einverstanden.
Kann mir allerdings momentan keinen
Vergleich vorstellen, falls der Film überhaupt je zur Ausstrahlung
kommt.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben diktiert [keine
wörtlichen Zitate]:
Zeitsprung und der WDR verpflichten sich auf
Anregung des Gerichts zu einen Vor- und Abspann ... . Die Moderationen
werden Teil des Filmes.
Die Vorsitzende Frau Dr. Raben [keine
wörtlichen Zitate]:
Die Parteien haben eine Woche Zeit, sich
außergerichtlich zu einigen.
Einigen sich die Parteinen nicht, so wird
das Urteile am 10.04.07, 10:00 verkündet.
Das Urteil, das zunächst für den
Dienstagnachmittag angekündigt worden war, wird das Gericht erst am
10.04.07 verkünden, nachdem eine der Parteien nach Schluss der
mündlichen Verhandlung überraschend eine außergerichtliche Einigung
angeregt hatte. Dafür haben die Parteien eine Woche Zeit.
10.04.07: Alle Einstweiligen
Verfügungen wurden bis auf einige Teile aufgehoben.
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Rolf Schälike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am
11.04.07
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