Bericht Rolf Schälike - 09.-19.07.2006 Auch für diesen Bericht gilt, wie für alle anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen. Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung habe ich nicht; es handelt sich um Verschwörungstheorien. -> Terminrolle - 07.07.2006
In den letzten Wochen genoss ich die Öffentlichkeit von Feierlichkeiten. Beide luden zu ihrem Sommerfest; sowohl der Hamburger Bürgerschaftspräsident als auch unser Bundespräsident in Berlin.
Die Öffentlichkeit im Gerichtssaal 833 des Landgerichts Hamburg besteht - falls vorhanden – selten aus anderen Personen als den üblichen Juristen und Journalisten. Dagegen war die Atmosphäre der Feierlichkeiten angenehmer, freundlicher, toleranter... erwünschter! Zudem fand sich bei diesen Sommerfesten eine Verbindung zur Praxis. Wie oft hätte ich mir so etwas im Gerichtssaal erträumt... An diesem Freitag gab es im Gerichtssaal 833 so gut wie keine Öffentlichkeit, abgesehen von einem verärgerten Künstler, einem auf die Zuschauerbank gesetzten Verursacher einer Fernsehsendung und - wie meist – meiner Person. Die Themen waren nicht uninteressant - Ronald Schill. Weiteres Thema: das Recht von Wissenschaftlern auf Öffentlichkeit. Der Vorsitzende Richter der Pressekammer, Herr Andreas Buske, wurde vertreten vom dienstältesten Richter, Herrn Zink.
Richter Zink stand dem Vorsitzenden Richter Herrn Buske in nichts nach. In Sachen 236/06 wird ein Beschluss verkündet. In Sachen 61/06 wird ein Urteil verkündet. In Sachen 1000/05 wird ein Aussetzungsbeschluss verkündet. Das war´s für die Öffentlichkeit. In den Pausen konnte ich von Richter Dr. Weyhe mehr erfahren. In Sachen 236/06 haben sich beide Seiten geeinigt. Der Beschluss betrifft hier lediglich noch die Kostenfestsetzung. In Sachen 61/06 obsiegt der Kläger. Tenor ist recht kompliziert. In Sachen 989/05 ist die Verkündung aufgehoben. Beide Seiten (Schröder ./. Springer) haben sich geeinigt. Die Verkündung in Sachen 324 O 146/06 Kozlowski gegen NDR wurde anberaumt auf Ende der Sitzung. Die Verhandlungen endeten um 15:10. Wir gehen erst mal Essen, sagten die Richter. Wann heute Ende der Sitzung sei, konnten diese Herren mir nicht sagen. Vor 16:00 kommen wir nicht wieder. Kann dauern bis 21:40. Kurz vor siebzehn Uhr kamen die Richter ohne Robe. Richter Zink in kurzen Hosen und bunt kariertem Hemd. Nach einer halben Stunde öffnete Richter Herr Dr. Weyhe die Tür von innen, rief in den Gang, dass öffentliche Verkündung sei. Diesmal kein Theater mit drei Richtern in Roben. Richter Dr. Weyhe verkündete: In Sachen 324 O 146/06 ergeht ein Urteil. Die Einstweilige Verfügung vom 18.04.2006 wird in Pos. I.4 mit der Maßgabe bestätigt. Das war´s mit öffentlichen Pseudoverkündungen.
Wo ist Ronald Barnabas Schill? ▲ In Sachen Schill gegen Morgenpost (Az.: 324 O 211/06) ging es zunächst um Prozesskostensicherheit. Richter Zink: Schill hat offensichtlich keinen Aufenthaltsort hier. Der Aufenthaltsort ist im Ausland. Einen Aufenthaltsort braucht man schon. Wir werden nochmals verhandeln müssen. Eine Prozesskostensicherheit in Höhe von 5.000,00 EUR Bürgschaft wird beigebracht werden. In der Morgenpost vom 23.06.06 kann man lesen:
Der Polit-Rambo ist einfach nicht zu
fassen. Jetzt ist es so gut wie sicher: Aus dem großen Auftritt von
Ex-Innensenator Ronald Schill am 7. Juli vor dem Parlamentarischen
Untersuchungsausschuss (PUA) zum Skandal-Kinderknast Feuerbergstraße
wird nichts. PUA-Vorsitzender Manfred Jäger (CDU) zur MOPO: "Ich bin
pessimistisch, dass es uns gelingt, ihn noch aufzutreiben." An diesem Freitag ging es um eine beantragte Unterlassung, über das Privatleben von Schill zu berichten, sowie um Schadensersatz. Richter Zink: Punkt 3 betrifft die Unterlassung von Berichten über das Privatleben. Punkt 5 hat eine mangelnde Bestimmtheit und ist so nicht durchsetzbar. Es fehle auch die Wiederholungsgefahr. Zu 4 - Schadensersatz - ebenfalls nicht zulässig. Es fehle die Darlegung der Art des entstandenen Schadens. Eine Untersagung mit Vertragsstrafe werden wir nicht festlegen. Zum Klageantrag 2: Dazu finden wir, dass das Interesse [auf Unterlassung zu klagen] fehle. Dazu war er [Schill] zu lange im Rampenlicht, hat auch sein Privatleben präsentiert. Damit ist das eine andere Sache. [Schill] müsse sich im laufe der Jahre ändern. Für die Öffentlichkeit sei er noch interessant. Sofort in das Privatleben abzutauchen ginge nicht. Ginge auch nicht bezüglich jeglicher Berichterstattung über seine Person. Das Passfoto mit dem Videohintergrund ist offensichtlich erkennbar als Fotomontage. Die Berichterstattung erfolgt mit einem relativ neutralem Foto. Was wir nicht schön finden, sei die Berichterstattung, dass er sein Leben mit Prostituierten führe. Anwalt Fricke: Ist nicht so. Richter Zink: Aber ich habe gerade gedacht, dass es um Prostituierte gehe. Zu überlegen wäre, ob in diesem Punkt eine Unterlassung abgegeben werden könne. Anwalt Fricke: Nur, wenn Prozesskostensicherheit hinterlegt ist. Richter Zink: Wird alles als Hinweis ins Protokoll aufgenommen. Fortsetzung der Verhandlung am 15.09.2006, 11:30, Saal 833 Langweilig.
In Sachen 3W Membership Marketing GmbH gegen Zweites Deutsches Fernsehen (WISO) (Az.: 324 O 238/06) ging es vermutlich um die folgende Meinung des ZDF:
Internet: Achtung Datensammler Christian Fronczak von der Verbraucherzentrale Bundesverband aus Berlin kennt das mögliche Ziel solcher Angebote: "Viele Beschwerden in den Verbraucherzentralen, lassen vermuten, dass es vielen Anbietern nicht um Inhalte oder Informationen geht, sondern nur um ein Sammeln von Daten. Diese können anschließend sehr lukrativ verkauft werden." Richter Zink: Finden den Unterlassungsantrag nicht so schlimm. Der Begriff "Datensammler" soll nicht verwendet werden. Dem möchten wir nicht näher treten. Schon die AGB [sagen anderes aus]. Steht auch im Internet. Er dürfe schon als "Datensammler" bezeichnet werden. Klägeranwalt: Es gehe nicht um den isolierten Begriff "Datensammler", sondern darum, diese [Datensammlung] "weiter zu verkaufen". Danach entbrannte ein Streit, an wen weiter verkauft wird: an die Rabatt gewährenden Firmen, welche den Kunden bekannt sind, oder an beliebige andere Firmen gegen den Willen der die Daten liefernden Kunden. In der Sendung war dies nur eine Vermutung. Der Klägeranwalt konterte richtig, auch eine Vermutung könne Behauptung sein. Richter Zink korrigierte: Vermutung bleibe Vermutung. Wichtig sei, ob diese zulässig. Es wird ein Verdacht geäußert, doch was passiere hat die Beklagte nicht dargelegt. Kunden finden auf einmal Werbepost. Braucht aber nicht der [Partner] Sparmax gewesen zu sein. Klägeranwalt Streitboerger von der Kanzlei Speckmann: Es werde etwas gemacht, was mein Mandant nicht weiß. Richter Zink: Ob das nicht ein Schuss ins Blaue ist? Klägeranwalt pfiffig: Manchmal trifft auch ein Schuss ins Blaue. Nach kurzem Austausch von Argumenten Richter Zink: Im Augenblick denken wir, dass da was drin ist.
Beispiel, Frau S.; Kontodaten. Darüber darf berichtet werden. Ist doch merkwürdig. Richter Dr. Weyhe: Warum muss das repräsentativ sein? Richter Zink: Da sehen wir wenig Chancen für Sie [den Kläger]. Ich würde überhaupt keinen Vertrag im Internet abschließen. Klägeranwalt: Ich auch nicht. Doch gibt es gibt genug Kunden, die das tun. Richter Zink: Möchten Sie ein Urteil? Da steht nicht viel drin. Klägeranwalt: Wenn nicht viel drin steht, habe ich es leichter mit der Berufung. Danach wird von der Kammer ein Vergleich angeregt. Die Beklagte hat zu unterlassen, zu warnen und zu behaupten, die Klägerin verkaufe die Daten weiter. 4/5 der Kosten hat die Klägerin zu tragen, 1/5 die Beklagte. Dieser Vergleich wird nicht angenommen. Ein schriftliches Verfahren zur Weiterführung wird vereinbart und angeordnet. Streitwert 101.570,40 EUR. Verkündung am Freitag, den 25.08.06, 9:55, Saal 833
22.09.06: Verkündung: Urteil: Im Wege
der Anerkenntnis zahlt die Beklagte an die Klägerin 510,28 EUR. 03.07.07: Berufungsverhandlung vor dem HasnOLG 7 U 133/06 - Bericht
Wissenschaftler müssen mit ihren Äußerungen vorsichtig sein ▲ Bis heute hatte ich gedacht, Wissenschaftler würden von der Pressekammer Hamburg verschont, denn sie werden geachtet, ihren Worten wird Gehör geschenkt. Die Verhandlung in Sachen 324 O 205/06 Pohl Boskamp GmbH & Co. KG gegen den Westdeutschen Rundfunk (WDR) belehrte mich eines Besseren. Was war passiert? Am 06.03.2006 informierte der WDR in [plusminus] Arzneimittel / Gefährliche Zusatzstoffe über die folgenden Medikamente: Aspectron, GeloMyrtol und GeloMyrtol forte. Es ging um die Kapsel mit einer gefährlichen Chemikalie: Dibutylphthalat, kurz DBP genannt. Diese Substanz soll bewirken, dass sich die Tabletten nicht schon im Magen, sondern erst im Darm auflösen. Und genau diese Chemikalie DBP haben die Europäische Union und die Weltgesundheitsorganisation als „fruchtbarkeitsschädigend“ und „entwicklungsschädigend“ eingestuft. Der Stoff stellt also ein Risiko für ungeborenes Leben dar. Das Ergebnis: Nach dem Schlucken der Pillen steigt die Belastung um mehrere Hundertfache an. Der Langzeitgrenzwert der Europäischen Union für Dibutylphthalat in Lebensmitteln wird bei Einnahme von Aspecton Eukaps gegen Erkältungen um das 40fache und bei Gelomyrtol gegen Bronchitis um das bis zu 63fache überschritten. Die Parteien erschienen in voller Besetzung. Für den Kläger erschienen neben dem Anwalt ein Mitglied der Geschäftsleitung - Herr Klapszus - sowie Frau Dr. Roewer von der medizinischen Abteilung. Für die Beklagten neben dem Anwalt Herrn Fricke Herr Stephan Michelfelder, stellvertretender WDR-Justiziar, sowie die Autoren des Beitrages: Journalist Herr Dr. Jörg Heimbrecht und WDR-Redakteur Herr Klaus Schmidt. Herr Dr. Heimbrecht hat in Bonn physikalische Chemie studiert. Seine Promotion befasste sich u.a. mit dem Thema Reaktor- und Kernchemie. Er ist also Fachmann. Fachleute waren während der Verhandlung selbstverständlich nicht gefragt, mussten Platz nehmen auf der Zuschauerbank. Sind ja schließlich keine Juristen, auch keine Geschäftsführer. Die Klägerseite saß vollzählig am Richtertisch. Wieder ging es nur um Formalitäten. Richter Zink gleich zu Beginn: Wollen dabei bleiben, was in der Unterlassung gemacht wurde. Anwalt Fricke: Ein kleiner Schritt, und es kann äußerungsfreundlich entschieden werden. Wir kennen es doch: Anwälte erhalten den Auftrag, zu suchen, was immer sie finden können. Der Beitrag muss raus. Natürlich widersprach der Klägeranwalt: Ist nicht so. Ein Nebenschauplatz entwickelt sich hier zum Hauptschlachtfeld. Es wird behauptet, DBP sei ganz fürchterlich. Ihr bringt euch alle um oder Ihr erhaltet alle keinen Nachwuchs. Welche Botschaft kommt rüber? Hier wirst du in Sicherheit gewogen, doch es gibt eine Gefahr. Richter Zink ruhig:
Die Einstweilige Verfügung zum Medikament
möchten wir bestätigen. Es geht um GeloMyrtol forte. Richter Dr. Korte hakte nach: Eine Million Zuschauer sehen, ja, die nehme ich auch. Ich selbst habe die Kapsel sofort erkannt. WDR-Justiziar Michelfelder: Ich nehme die Kapsel auch. Richter Zink schlichtend: Wir haben auch den Eindruck, dass es sich hier um ein Versehen handelt. Richter Dr. Korte zur Begründung: Wenn schon konkrete Zahlen genannt werden, müssen diese auch stimmen. In der Sendung wurde von 63facher Überscheitung gesprochen. Ein 51facher Wert [zur Überschreitung der Grenzwerte] sei kein Verstoß [gegen eine zulässige Berichterstattung]. Richter Zink geht noch weiter: Die Aussage von Prof. Jürgen Angerer, dass bei Menschen Veränderungen geschehen, wurde nicht genug glaubhaft gemacht. Es gilt nur die gleiche Richtung, wie bei den Nagetieren. Wird aber ein Verdacht formuliert. Das Material, auf welchen sie [plusminus] sich beziehen, zeigt keinen kausalen Zusammenhang. Diesen scheinen die Wissenschaftler nicht zu haben. Unerwartet war ich Teilnehmer einer wissenschaftlichen Diskussion über die schädliche Wirksamkeit von Dibutylphthalat (DBP) und Phthalaten an sich. Die Fachleute durften bzw. brauchten nicht daran teilzunehmen. Folgendes war die wissenschaftliche Argumentation der Juristen: Anwalt Fricke: Einen kausalen Zusammenhang kann man nie bringen. Bei Zigarettenrauchen ist es ebenfalls so. Wir sehen das Risiko. Niemand wollte eine Kausalität behaupten. WDR-Justiziar Michelfelder: Wir sind überrascht. Da kommen wir doch in Größenordnungen, wo wir Veränderungen festgestellt haben. Klägeranwalt: Prof. Angerer sei ein Kreuzritter, der immer gegen Phthalate angeht. WDR-Justiziar Michelfelder: Bin froh, dass kein moderativer Text angegriffen wird. Richter Dr. Korte: Mit der viel zitierten Stolpe-Entscheidung [sieht es anders aus]. Richter Dr. Weyhe: Darüber gibt es bezüglich der tiefsten Betroffenheit eine aktuelle Babycaust-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai dieses Jahres (1 BvR 49/00). Beklagtenanwalt Herr Fricke: Der Beschluss ist eine Einladung für alle Betroffenen. Wer kann denn schon genau formulieren?. WDR-Justiziar Michelfelder: Wichtig ist die Sicht der Zuschauer, nicht die der Wissenschaftler. Politiker äußern sich auf rein intellektuellem Niveau. Klägeranwalt: Warum nehmen Sie Wissenschaftler? Damit es mehr Gewicht hat. Richter Dr. Korte: Hätte plusminus gesagt, das sei lediglich eine wissenschaftliche Auffassung, eine wissenschaftliche Meinung, [wäre keine Unterlassung notwendig]. Bei Zigaretten sei das doch so. Wenn es keine Einigkeit unter den Wissenschaftlern gibt, so werde ich eben weiter rauchen. Richter Zink: Wir meinen, uns besprochen zu haben. Die Entscheidung zu diesem wissenschaftlichen Streit ist zu hören am Freitag, den 14.07.06, 9:55, in Saal 833. 14.07.06: Einstweilige Verfügung vom 22.03.06 wird bestätigt. Der Antragsgegner (WDR) hat die weiteren Kosten zu tragen.
Die deutsche Sprache gewann auch an diesem Freitag an Genauigkeit. Abgesehen davon, dass durch die Stolpe-Entscheidung die deutsche Sprache zu einer Sklavensprache verkommt, wurde diese heute einen weiteren Schritt in diese Richtung entwickelt. Dank der Babycaust-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Zitat NDR-Anwalt Fricke (Sache 324 O 65/06): Das haben wir auch gelernt Zwischen "nicht erreichbar" und "wir können keinen Zeitpunkt nennen" besteht ein juristisch relevanter Unterschied (Az.: 324 O146/06). Sagt Ihnen jemand am Telefon, wir können keinen Zeitpunkt nennen, wann Sie den Chef sprechen können, da dürfen Sie nicht behaupten, der Chef sei nicht erreichbar gewesen. Es spielt keine Rolle, dass nicht nach Ihrer Telefonnummer gefragt wurde mit dem Versprechen eines Rückrufs bzw. einer Rückmeldung. Sie dürfen - egal, welche Ausreden vom anderen Ende der Telefonstrippe zu hören sind - nicht behaupten, der Chef sei nicht erreichbar. Es sei denn, Sie haben das so gehört. Das Risiko der Beweislast bleibt jedoch weiterhin bei Ihnen. So einfach ist es mit der deutschen Sprache. Am besten ist, man schweigt.
Die Stolpe-Entscheidung wurde heute im Rechtsstreit 324 O 205/06 G. Pohl-Boskamp & Co. KG gegen Westdeutschen Rundfunk (WDR) vom Klägeranwalt aus der Kanzlei Schultz-Süchting verwendet auf dem Gipfel der Auseinadersetzung. Wichtig ist nicht, was der WDR meinte, sondern, was der Betroffene empfinden darf. In diesem Zusammenhang erfuhren wir von einer anderen, neuen Entscheidung, welche noch weiter gehe als die Stolpe-Entscheidung. Die so genannte Babycaust-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai dieses Jahres (1 BvR 49/00). Sechs Jahre nach der Beantragung wurde die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt. Aus der Begründung der Verfassungsrichter: Die Bestrafung ist nicht darauf gestützt worden, dass die Beschwerdeführer mit drastischen Worten öffentliche Kritik an Abtreibungen geübt haben. Das bleibt ihnen unbenommen. Die Verurteilung beruht vielmehr auf dem Umstand, dass sie die von ihnen gewählten Formulierungen nicht als allgemeine Kritik vorgebracht, sondern speziell gegen Dr. F. gerichtet haben. Die Gerichte haben die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts in dieser direkten Bezugnahme gesehen. Das ist verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die Annahme der Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung. Also keine namentliche Nennung von Vertretern allgemein zulässiger, jedoch beleidigender Kritik. Ich darf z.B. nicht behaupten, die Entscheidung des Richters X bedeute Rechtsbeugung. Sagen und schreiben darf man, dass es Rechtsbeugung sein müsste, wenn Gerichte Anwälte zu schützen versuchen, welche eidesstattlich lügen. Doch wehe dem, der als Beispiele seiner Meinungsäußerung Personen benennt. Die Bewertung dürfen nur Gerichte vornehmen.
Krumme Streitwerte kommen zustande, weil die Anwaltskosten zu den Streitwerten gerechnet werden. Die Anwaltskosten sind bekannterweise krumme Werte. Sieht aus, als ob seriös kalkuliert. Heute wurde wieder einmal gerichtet über den Streitwert. Richter Zink (3214 O 204/06): Wir finden, der Streitwert sei viel zu niedrig. Er solle nicht 50.000,00 betragen, sondern 100.000,00 EUR. Gewichtig sei das mit den Aktien schon. 100.000,00 EUR Geldentschädigung sei auch etwas zu niedrig. War wohl gegen den Kläger gerichtet. Der NDR-Anwalt sollte mehr verdienen. Wir werden das erfahren am 04.08.06, 9:55, Saal 833.
Während der Sitzung herausgehörte interessante Leitsätze ▲ Gegenüber Personen, welche in einer Konfrontation stehen mit der Polizei, erwartet die Kammer von den Journalisten besondere Rücksicht (Az.: 324 O 65/06) bezüglich der Berichterstattung. Passfoto mit Videohintergrund ist eine Fotomontage, kein Bild. (Az.: 324 O 211/06). Verdachtsberichterstattung, welche nicht als Verdacht formuliert ist, darf untersagt werden. Direkte Rede solle in Anführungsstrichen stehen. Ansonsten gehe es erfahrungsgemäß etwas schräg. Eine Vermutung bleibt eine Vermutung. Wichtig sei, ob diese zulässig. Es bestehe kein Unterschied, ob vor der Veröffentlichung eine Recherche zwecks Beweis erfolgte oder nachher. Die Veröffentlichung tatsächlich begangener Verkehrsverstöße auf öffentlichen Straßen begründet keine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung des gefilmten Verkehrssünders. Die veröffentlichten Verkehrsverstöße wurden tatsächlich begangen und konnten von zahlreichen Dritten wahrgenommen werden. Es ist ein für die Allgemeinheit in nicht unerheblichem Maße gefährdendes Verhalten. Der Verkehrssünder äußerte sich zudem freimütig vor laufender Kamera. So ist ein Verschulden der Fernsehanstalt wegen berechtigter Annahme einer konkludenten Einwilligung ausgeschlossen. (Az.: 324 O 65/06) Der Vorsitzende Richter an diesem Freitag im Gerichtssaal [keine wörtlichen Zitate; lediglich Wiedergaben meiner Notizen] ▲ Die netten Sprüche von Richter Zink möchten wir nicht zitieren.
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