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Bericht

Pressekammer LG Hamburg
Sitzung, Freitag, den 24. Februar 2006 (Terminrolle)

Rolf Schälike - 24.02-26.03.2006

 

Auch für diesen Bericht gilt,  wie für alle anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach den strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was hier in Anführungszeichen steht ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen. Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als  Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung habe ich nicht; es handelt sich um Verschwörungstheorien.

Rätselraten                    

Freitag früh habe ich den Terminplan abgeschrieben und dabei gedacht: "Rate mal, wer obsiegen wird?" Ich wollte meine Thesen überprüfen und Entscheidungen voraussagen, ohne den Sachverhalt zu kennen.

Das klappt. Ich hatte gut geraten.

Prinz vertritt Prinz                    

Bei Prof. Dr. Prinz als Kläger interessierte mich lediglich, ob der Professor persönlich erscheint, so wie der gegen mich klagende Anwalt, der sich zunächst selbst vor Gericht vertrat. Das spart Anwaltskosten. Anwälte dürfen dies tun. Im Gegensatz zu uns Nichtjuristen. Unsere eigene Arbeit bezahlt niemand, auch wenn wir obsiegen.

Den Anwälten wird jedoch nicht geraten, sich selbst zu vertreten. Kaum ein Anwalt sei in der Lage, emotionale Distanz zwischen dem Mandanten, d.h. zwischen sich und dem Gericht zu bewahren, um sich nur um die Paragraphen zu kümmern, ohne Seele und Intention. Prof. Prinz war schon o.k., er erschien nicht selbst, ließ sich von einem jungen Anwalt, Herrn Dr. Dirk Dünnwald in der Sache 324 O 36/06 vertreten.

O.k. doch nur halbherzig, denn Anwalt Dr. Dirk Dünnwald ist Anwalt für Medienrecht in der Kanzlei Prinz • Neidhardt • Engelschall, was eigentlich auch nicht empfohlen wird. Doch in diesem Fall bleibt bei verlorenen Prozessen das Anwaltsgeld der einen Seite zumindest in der eigenen Kanzlei. Wer weiß, wie in der Kanzlei verrechnet wird.

Wurde Prof. Prinz zu nahe am Mandanten, mit einer zu geringen juristischen Distanz und Unabhängigkeit vertreten?

Aha!

Gegen mich klagten zwei Anwälte, gegen einen klagte ich. Derjenige, gegen den ich klagte, ließ sich von einem anderen Anwalt vertreten. Nicht aus der eigenen Kanzlei. Dies entsprach den Empfehlungen.

Der andere, der gegen mich klagte, vertrat sich zunächst selbst. Jetzt vertritt ihn ein Anwalt einer fremden Kanzlei. Er  folgte den Empfehlungen mit Verzögerung. Den dritten Anwalt vertritt sein Vater, der auch Anwalt ist. Das dürfte gegen die erwähnte Empfehlungen sein.

Im Schnitt liegt Prof. Prinz somit etwas über dem Durchschnitt meiner Erfahrungen, denn er vertritt weder sich selbst noch sendet er als Anwalt zur Pressekammer seinen Vater oder einen Vetter. An die empfohlenen Regeln hält er sich jedoch nicht konsequent.

Zu verstecken vor dem prominenten Anwalt, Prof. Prinz braucht sich kein anderer. Alles menschlich - zu verstehen - und Prinz kocht ja auch nur mit dem Wasser der Gesetze.

Vielleicht ist auch die Verteidigungs- und Klagestrategie der Kanzlei Prinz • Neidhard •Engelschall SO einmalig, dass kein Anwalt einer fremden Kanzlei zu finden ist, der diese Strategie beherrscht.

 

Kanzlei Prinz gestaltet maßgeblich das Presserecht                    

Denn auf der Kanzlei-Seite lesen wir:

"Medienrecht
Unser Gründungspartner, Manfred Engelschall, war 40 Jahre lang Richter. 1967 wurde er Vorsitzender der ersten Landgerichtskammer mit Spezialzuständigkeit für Presserecht in Deutschland. In seinen elf Jahren als Vorsitzender dieser Kammer und seiner anschließenden Tätigkeit als Vorsitzender des Beschwerdeausschusses des Deutschen Presserates hat er das Presserecht maßgeblich mitgestaltet. 
Als Anwälte haben wir dieses Rechtsgebiet seit 1985 mit weit über 6.000 Gerichtsverfahren im In- und Ausland geprägt.
Wir beraten Unternehmen, Prominente und ganz normale Bürger bei Auseinandersetzungen mit den Medien - am liebsten schon vor Auseinandersetzungen mit den Medien." [Hervorhebungen im Text von RS]

Die Kanzlei Prinz prägt, und man kann getrost hinzufügen, gestaltet mit all ihren Anwälten, so auch mit Dr. Dirk Dünnwald, immer noch das Medienrecht und damit die Medienlandschaft.

Im Volksmund heißt das Meinungsfreiheit.

Die Zuhörer erfuhren nebenbei, dass Prof. Dr. Prinz in dieser Sache (324 O 36/06) gleich sieben ähnliche Klagen gegen die Springer-Mitarbeiter - Redakteure, Journalisten usw. - eingeleitet hat. Nicht nur in Hamburg. Die Prägung des Presserechts erfolgt deutschlandweit und durchgreifend.

Dass Prof. Dr. Prinz gern gegen die 'Bild' und andere Boulevard-Blätter klagt, ist kein Geheimnis. Dabei spielen nicht nur inhaltliche Argumente ihre Rolle, sondern auch die beschriebenen Formen der Druckerzeugung. Geld und Druck obsiegen, weniger Paragraphen und erst recht nicht die Gerechtigkeit.

Wobei für diese in konkreten Fällen kaum Platz denkbar wäre. Es fällt schwer, den Sachverhalt der Verfahren mit dem Begriff 'Gerechtigkeit' in Verbindung zu bringen.

Das war schon recht interessant, eine solch juristische Maschinerie zu erleben in der Pressekammer Hamburg.

Der Vorsitzender eierte. "Im Prinzip muss die Kanzlei es hinnehmen," verteidigte der Vorsitzende den Springer Verlag, fügte jedoch hinzu: "Die Sache mit dem Telefon muss er nicht hinnehmen," was Dr. Dünnwald gern aufgriff: "Was unwahr ist, muss man nicht hinnehmen."

Das klang ganz nach Prinz vom 10.02.06: "Wo ist der Anspruch, Boeing zu schreiben, wenn sie es jetzt wissen, dass es keine Boeing war? Wo ist da das Problem?"

Einfach und überzeugend.

Prinz wird in Hamburg bestimmt obsiegen, klagt ja gegen 'Bild'. Die Entscheidung werden wir am 03.03.06 am frühen Morgen hören.

 

Basar                    

An diesem Freitag erlebte ich mal einen Basar.

Die junge Klägervertreterin sagte so gut wie kein Wort. Der Vorsitzende meinte in der Sache 324 O 323/05 Sogulu vs. Ihlas Media & Trade Center GmbH (verlegt in Deutschland die türkischsprachige Zeitung Türkiye), dass eine Schadensentschädigung ohne Erfolg sein wird. Der Streitwert könnte 10.000,00 betragen. Eine Unterlassungserklärung wäre drin, Streitwert 20.000,00 EUR und dazu eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00, was nach geltendem Anrechnungsverfahren 1.416,41 EUR ausmacht. 2/3 der Kosten soll die eine Seite übernehmen, 1/3 die andere.

Nun kann jeder nachrechnen, was der Kläger und die Beklagte an Kosten zu tragen haben, und was die Anwälte verdienten.

Wozu inhaltlich vor Gericht im Hauptsacheverfahren streiten, wenn der Vorsitzende einleitend erklärte: "Bleibt alles beim Alten." Der Beklagtenvertreter ging auf den Vergleich nicht ein - wozu auch  - mit einer Gerichtsentscheidung kann er gegenüber seinem Mandanten leichter argumentieren. War eben nichts zu machen.

23.06.06: Urteil: Die Beklagte zahlt eine Entschädigung in Höhe von 5.000,00 EUR; 1.400.00 EUR Kosten des Verfahrens.
2/3 der Verfahrenskosten trägt der Kläger, 1/3 die Beklagte. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Kritik im Internet obsiegte aus formalen Gründen                    

Am interessantesten war die Sache NewAdMedia gegen H2 media factory GmbH (324 O 944/05). Der Fall traf mich unvorbereitet.

Im Internet steht folgende Vorgeschichte:

Füllhorn voller Dubiositäten

Zwei in Justiz- und Verbraucherschutzkreisen einschlägig bekannte Unternehmen haben kurz vor Jahresende per Einstweiliger Verfügung Einfluss auf die Veröffentlichungen der netzwelt genommen. Sowohl die Hochheimer newadmedia des Brian C. als auch das von dem Wiener Valentin F. betriebene firstload erwirkten entsprechende Beschlüsse beim Hamburger Landgericht.

Beide Unternehmen waren im Vorfeld vor allem bei netzwelt, aber auch in anderen Medien in die Kritik geraten: Die das Internetportal probino.de betreibende newadmedia durch das Stellen Hunderter von Rechnungen an Verbraucher - die ihrerseits fast allesamt einhellig behaupteten, dort nie etwas bestellt zu haben. Der Usenet-Zugangsanbieter firstload.de durch ähnliche Vorwürfe, neben dem Kritikpunkt, Kündigungen seiner Kunden schlichtweg ignoriert zu haben.
Allein 500 Anzeigen im Fall probino.de.

Hier wollte netzwelt einschreiten. Und mit fundierten Recherchen und Veröffentlichungen nicht nur Licht ins Proben- und Download-Dunkel bringen. Sondern sich auch mit der Einführung einer Datenbank eine Vorstellung von der wahren Art und Größe der Fälle machen. Und den Betroffenen letztendlich eines zu signalisieren: Du bist nicht allein!

Und das waren sie in der Tat nicht. Massive Aufregung der Betroffenen als auch Blätterrauschen der Medien waren nicht ohne Folgen: Allein bei der für die probino-Fälle zuständigen Staatsanwaltschaft Wiesbaden sind inzwischen mehr als 500 Anzeigen eingegangen. Auch die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt in Sachen firstload.de auf Hochtouren, während sich die netzwelt-Datenbank bislang fast täglich mit Betroffenen füllte.

Zum Hauptsacheverfahren musste der Geschäftführer von H2 media factory GmbH, Sascha Hottes, extra von Bonn anreisen. Auch in diesem Fall nutzte die NewAdMedia, welche keinesfalls ihren Sitz in Hamburg hat, die bei Internet-Veröffentlichungen übliche freie Wahl des Gerichtsstandes. Die Richter interessierten sich weder für die Tätigkeit der negativ bekannten NewAdMedia noch die ihrer Inkasso-Unternehmen.

Der  Vorsitzende Richter: "Haben alles sehr eilig gelesen."

Wer den Fall kennt, sollte nicht denken, es ginge um die Tätigkeit von NewAdMedia bzw. probino.de oder firstload.de. Das Thema war die Legimitation. NewAdMedia ist nur ein Name; eine geschäftliche Bezeichnung, keine eingetragene Firma, stellte der Klägeranwalt Dr. Bahr klar und versuchte die Legimitation zu verteidigen.

Das Verfahren scheitert deshalb vermutlich an der Aktivlegitimation, also H²  media factory GmbH wird in diesem Fall gewinnen. Die Herren von NewAdMedia können danach nochmals aktiv legitimiert klagen, denn obwohl der Widerspruch vom Vorsitzenden als erfolgversprechend eingeschätzt wurde, kann die Klage auf Verleumdung ebenfalls Erfolg haben. Es wurde behauptet, H² media factory GmbH habe die Informationen nicht gründlich genug geprüft. 17.793,83 EUR Gesamtschaden stünden in deren Internet-Datenbank. Auch wenn der Gesamtschaden durchaus wesentlich höher sein könne und die Staatsanwaltschaft Bürodurchsuchungen sowie Verhaftungen innerhalb der Strukturen des Klägers veranlasse, könne die H² media factory GmbH diese Zahl nicht genau belegen, da nicht jeder einzelne Fall durch die H² media factory GmbH juristisch sauber aufgeklärt worden sei. Auch die vorliegenden Eidesstattlichen Versicherungen mehrerer Betroffener ergäben keinesfalls genau den Gesamtbetrag von 17.793,83 EUR. Jede Anzeige bei der Polizei habe keinen Bezug zum Persönlichkeitsrecht des Klägers.

Die Pressekammer stand vor einem formalen Dilemma. Eine Zurückweisung der Klage - nach einer kurzen Beratungspause des Gerichts - wegen fehlender Aktivlegitimation schien mehr als logisch. NewAdMedia kann jedoch weiter klagen, dazu ihre fragwürdige Geschäftstätigkeit fortsetzen. Über NewAdMedia zu berichten - noch dazu mit konkreten Zahlen - kann teuer werden und gefährlich.

Warnung an alle Internet-Aufklärer und -Verbraucherschützer: Vergesst nicht die Pressekammer Hamburg!

Das jedenfalls habe ICH so verstanden. Könnte anders gewesen sein.

Am 28.02.06 wurde folgende Entscheidung verlesen: Die von Dr. Bahr erreichte einstweilige Verfügung vom 27.12.2005 wird aufgehoben. Der Antragsteller trägt die Kosten.

Nun können wir gespannt warten auf die Hauptverhandlung. Sollte ich richtig verstanden haben, hat diese angekündigt: Dr. Bahr.

Wir wissen jedoch, dass in einem ähnlichen Verfahren der Wiener Valentin Fritzmann gegen H²  Anwalt Dr. Bahr kurz nach der Urteilsverkündung zwecks Kostenersparnis die EV zurückgezogen hatte.

Zudem würde vermutlich im Hauptsacheverfahren der Grund für eine Niederlage wieder wie üblich sein: eine Formalie.

Im Internet erfahren wir am 01.03.06 den Hintergrund: Netzwelt sprengt den Probinomaulkorb.  Ob dies der Wahrheit entspricht, ist uns allerdings unbekannt. Wir haben nicht nach Kriterien der Pressekammer recherchiert, berichten lediglich.

Ebenfalls teilen wir auch nicht die freudige Meinung von Netwelt: "Jetzt stellte das Landgericht Hamburg Presse- und Meinungsfreiheit wieder her." Es fehlen die Zusätze "aus formalen Gründen" und "in unserem Fall" ist diese Aussage nur halb wahr, halb unwahr.

Im Bericht der Netzwelt finden wir die Beteiligten benannt als "... der 20-jährige Brian C. ... " und "...  Ein Dr. B. aus Hamburg  ..." Warum "Dr. B." und  nicht gleich: "Anwalt Dr. Martin Bahr"?

Darf der 20-jährige Brian C. weiter sein Geschäft betreiben, ohne Recht Betroffener auf Warnung der Öffentlichkeit? Sieht so die Wahrung der Meinungsfreiheit durch das Landgericht Hamburg aus?

Wir stellen fest: Sieg der Internet-Öffentlichkeit bei der Pressekammer Hamburg.

Grund des Sieges:  eine Formalie.

26.06.07: Polizei-Einsatz in Hochheim
EILMELDUNG: Hausdurchsuchung bei newadmedia
Alex Leinhos
Seit heute morgen um 9.00 Uhr durchsucht die Polizei Objekte mehrerer Tatverdächtiger im Fall probino.de. In Hochheim verschafften sich die hessischen Beamten mit einem von der Staatsanwaltschaft Wiesbaden erwirkten Durchsuchungsbefehl Zugang zum Büro von newadmedia-Chef Brian C. - Dieser hatte probino.de mehrere Monate lang betrieben. Auch dessen Wohnsitz wird derzeit durchsucht.

 

Duden-Lehrstunde - Die deutsche Sprache                    

Die Duden-Lehrstunde fehlte natürlich auch an diesem Freitag nicht.

Es ging um den Unterschied zwischen 'totalem Schiffbruch' und 'Schiffbruch' ohne den Zusatz 'total'.

Der Klägervertreter in der Sache 324 O 2/06 stritt im Namen von Herrn Förtsch - wahrscheinlich Herausgeber der Zeitschrift 'Der Aktionär', Bernd Förtsch (muss eine alte Geschichte sein) - um den Zusatz 'total'.

Bestimmt rechnete der Klägervertreter  bezüglich der deutschen Sprache mit der Genauigkeit und dem Definitionsmonopol der Pressekammer Hamburg. 'Totaler Schiffbruch' und 'Schiffbruch' dürften doch nicht das gleiche sein. Die Pressekammer ist bekannt für feine Definitionen.

Die Vorgeschichte der Streitigkeiten vor der Pressekammer ist mir unbekannt. Im Internet finde ich jedoch zu den Ereignissen aus dem Jahre 2000:

"Die 'Bild'-Zeitung darf nicht mehr behaupten, der Fondsmanager und Herausgeber der Zeitschrift 'Der Aktionär', Bernd Förtsch, sei 'in einen Riesen-Börsen-Betrug' verwickelt und stehe 'im Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden'. Wie Förtsch am Freitag in Kulmbach mitteilte, erwirkte er beim Landgericht Hamburg eine entsprechende Einstweilige Verfügung."

Ob es der gleiche Bernd Förtsch wie der Börsen-Guru Förtsch ist bzw. die gleiche Kammer, habe ich, auch wenn es den Eindruck macht,  nicht recherchiert. Aber diesmal ging es nicht um einen Riesen-Börsen-Betrug, sondern um den Schiffbruch. War dieser total oder nur ein einfacher Schiffbruch?

An diesem Freitag irrte jedoch der Prozessvertreter von Herrn Förtsch bezüglich der Definitionslust der Pressekammer. Er kämpfte fleißig. Die Richter waren belustigt.

"Total ist gar nichts. Mist oder totaler Mist, ist schon ein Unterschied" versuchte der Anwalt die Klage zu begründen.

Ich lachte leise ich mich hinein, denn 'Mist' und 'Scheiße' sind Worte, die angeblich im Gerichtsaal, zumindest seitens der Rechtsanwälte so gut wie nie fallen. Der Vorsitzende widersprach schmunzelnd: "Auch bei einem totalen Schiffbruch bleibt eine Planke übrig." Zu 'Mist' sagte er nichts.

Die Phantasie der Richter - bzw. deren Wille - reichten nicht aus, einen Unterschied zu finden und den Duden zu bereichern.

Nicht ganz klar war jedoch, ab wann der Begriff 'Schiffbruch' an sich verwendet werden darf.

Haben die Erstaktionäre keinen Verlust, jedoch die späteren, die beim vielfachen Höhenflug der Aktie einstiegen, welche dann auf den der Ursprungsstand zurückfiel, nun einen Schiffbruch erlitten?

Wie tief dürfen Aktien (Fonds) fallen, um von Schiffbruch zu sprechen? Zehn Prozent vom Ausgabewertes bzw. des Einstiegswertes? Darf bei zehn Fonds von Schiffbruch der Fonds eines Fondanbieters gesprochen werden, wenn nur ein Fond in den Keller geht? Die Duden-Diskussion entwickelte sich zu einem Lehrgang für Aktienkurse, Risiko und deren Beschreibung. Grafiken wurden den Richtern übergeben.

Das Ergebnis konnten wir am Dienstag, den 28.02.2006 hören. Die Kammer hob die einstweilige Verfügung auf. Die Prozesskosten trägt Herr Förtsch.

 

Stolpe-Entscheidung                    

Der genüssliche Verweis auf die Stolpe-Entscheidung durfte natürlich auch an diesem Freitag nicht fehlen. Auf diese berief sich im Verfahren 324 O 881/05 der Prozessbevollmächtigte von Dr. Thomas Middelhoff, der gegen die Veröffentlichung im 'manager magazin', Heft  v. 16.10.2005 eine einstweilige Verfügung in der endgültigen nachgebesserten Fassung Ende Dezember 2005 erwirkte.

Das OLG Köln hätte schon die Stolpe-Entscheidung genutzt. Es gäbe verdeckte Äußerungen. Das Äußerungsrecht müsse überdacht werden. Bei mehreren Deutungen müssten die Journalisten sich klarer ausdrücken. Die Stolpe-Entscheidung wäre keine Einzel-Entscheidung. Die erste Entscheidung in diesem Sinn kam aus Hamburg.

Der Vorsitzende Richter ergänzte erfreut, vielleicht auch ironisch (schwer zu deuten): Möglicherweise sollten wir noch eine Entscheidung hinzugeben. [Das ist kein wörtliches Zitat, überhaupt kein Zitat.

So finde ich das in meinen Notizen. Könnte alles falsch verstanden haben. - RS].

Autsch, tat das alles weh.

 

Juristen unter sich                    

Auch an diesem Freitag waren die Juristen fast unter sich und entschieden über die Meinungsfreiheit in unserer Republik.

 

Vergleich mit Russland                    

Mit der Stolpe-Entscheidung gibt es mehr Einschränkungen in der Pressefreiheit und im Äußerungsrecht. Erstaunlicherweise parallel zu der Entwicklung in Russland.

Ist das Zufall?

 

Der Vorsitzende Richter heute im Gerichtssaal [es sind keine wörtlichen Zitate; es lediglich nur Wider ... ääh ... Wiedergaben meiner Notizen als Besucher]:                    

"Wir meinen, das die Bundesrepublik Anspruch auf Unterlassung hat."

"Zum Beispiel, ein leitender Arzt manipuliert mit den Krankendaten, um Schwachstellen aufzudecken."

"Könnte zu einer Richtigstellung kommen. Da kann aber manipuliert werden bei einer Richtigstellung."

"Vielleicht ein Vergleich."

"Es ist immer schwer etwas zu beweisen, was nicht stattgefunden hat." :)

"Wir meinen, es ist ein zeitgeschichtliches Ereignis."

"... bei über Leichen zu gehen, gibt es keinen Tatsachenhintergrund." :)

"Wenn Blair Frau Merkel frühmorgens trifft, dann kann auch nicht gleich angefangen werden, über Intimes zu berichten."

"40.000,00 würden wir entscheiden, und auf drei Jahre aussetzen." (wohl spaßig gemeint)

"Herr Thomas, jetzt haben Sie es geschafft. Mit Ihren Unterstreichungen müssen wir uns jetzt auf den Rücken legen."

"Super, wie sich eins nach dem anderen klärt!"

"Im Prinzip muss die Kanzlei das hinnehmen."

"Diesen spannenden Fall werden wir im BGH wiederfinden müssen." (spaßig oder ironisch gemeint)

"Bleibt alles beim Alten."

"Muss man Ihnen diese Einstellung einräumen?"

"So oder so. Dienstag."

"Haben alles sehr eilig gelesen."

"Wenn das schlichtweg nicht übereinstimmt."

"Eine Nichtnachricht ..."

"D.h., der reklamierte Eindruck ist schon richtig."

"Die Geschichte des Falles geht ja in Richtung der Stolpe-Entscheidung."

"Jetzt müssen wir sehen, wie wir mit der Stolpe-Entscheidung zurecht kommen."

"Grundsätzlich steht Interesse an Anonymität bei geringfügigen Anteilen von 10 Prozent zu, auch wenn 10 Prozent hohe Summen sein können."

"10 Prozent greifen nicht, wenn es andere Interessen gibt."

"Bei Meinungsäußerungen brauchen wir keine Erstbegehung."

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 14.05.08
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