Leitsatz:
Die Veröffentlichung eines Zitates aus einem
anwaltlichen Schriftsatz kann das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit
Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwaltes in seiner Ausprägung als
Selbstbestimmungsrecht, in bestimmtem Umfang darüber zu entscheiden, ob
und wie die Persönlichkeit für öffentlich verbreitete Darstellungen
benutzt wird, beeinträchtigen. Jede sprachliche Festlegung eines
bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der Persönlichkeit des
Verfassers. Deshalb steht grundsätzlich allein dem Verfasser die
Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form eine
sprachliche Gedankenfestlegung seiner Person der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden soll. (vg!. BGH NJW 1954, 1404; BVerfG NJW
1980, 2070).
Auch dieses Recht ist allerdings nicht
schrankenlos gewährleistet.
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Kommentar [RS]
KAMMERGERICHT BERLIN
BESCHLUSS
Geschäftsnummer:
9 W 152/06
27 O 910/06 Landgericht Berlin
Verkündet am 12.01.2007
In dem Rechtsstreit
Dr. Cxxxxx Sxxx
c/o Rechtsanwälte Sxxxx Bxxxx,
Kxxxxxxxx, 1xxx Berlin - xxx Mxxx
Antragssteller und Berufungsführer
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Sxxxx Bxxxx,
Kxxxxxxxx, 1xxx Berlin - xxx Mxxx
gegen
Xxxxxx Sxxx
c/o Axx Sxxxx AG
Axxxxxx-Straße x, xxx B---
Antragsgegner und Beschwerdegegner
hat der 9. Zivilsenat des
Kammergerichts durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Nippe und die Richter am
Kammergericht Bulling sowie den Richter am Kammergericht am 31. Oktober
2006 beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers
gegen den Beschluss des Landgerichts vom 22. August 2006 (27.0.910/06)
wird auf dessen Kosten bei einem Beschwerdewert von 10.000,00 Euro
zurückgewiesen.
Gründe:
Die zulässige sofortige Beschwerde ist
unbegründet.
Dem Antragsteller steht ein
Unterlassungsanspruch gemäß §§ 823, 1004 BGB (analog) , Art. 1, Art. 2
Abs. 1 GG nicht zu, weil die angegriffene Berichterstattung mit einem
Zitat des Antragstellers letzteren in seinem allgemeinen
Persönlichkeitsrecht nicht rechtswidrig verletzt.
1. Die Veröffentlichung eines Zitates aus
einem anwaltlichen Schriftsatz kann das in Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine
Persönlichkeitsrecht des Rechtsanwaltes in seiner Ausprägung als
Selbstbestimmungsrecht, in bestimmtem Umfang darüber zu entscheiden, ob
und wie die Persönlichkeit für öffentlich verbreitete Darstellungen
benutzt wird, beeinträchtigen. Jede sprachliche Festlegung eines
bestimmten Gedankeninhalts ist Ausfluss der Persönlichkeit des
Verfassers. Deshalb steht grundsätzlich allein dem Verfasser die
Befugnis zu, darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form eine
sprachliche Gedankenfestlegung seiner Person der Öffentlichkeit
zugänglich gemacht werden soll. (vg!. BGH NJW 1954, 1404; BVerfG NJW
1980, 2070).
Auch dieses Recht ist allerdings nicht
schrankenlos gewährleistet. Ob eine Verletzung dieses Rechts vorliegt,
ist jeweils anhand des zu beurteilenden Einzelfalls festzustellen; denn
wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts
liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss grundsätzlich
erst durch eine Güterabwägung mit den schutzwürdigen Interessen der
anderen Seite, hier insbesondere mit der ebenfalls verfassungsrechtlich
gewährleisteten Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG) sowie der
Meinungsfreiheit des Antragsgegners (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG), bestimmt
werden (BGH NJW 1991, 1532). So hat der Senat schon in seinem Urteil vom
03. März 2006 (9 U 117/05) darauf hingewiesen, dass es ein generelles
Verbot, aus Schriftsätzen von Rechtsanwälten zu zitieren, nicht gibt
(vgl. auch BVerfG NJW 2000, 2416).
2. Diese Güterabwägung ergibt im vorliegenden
Fall, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegenüber den
schutzwürdigen Belangen des Antragstellers überwiegt.
a) Der Antragsgegner kann sich für seine
Berichterstattung in der Ausgabe von „Die Welt" vom 07. Juli 2006 auf
ein sachliches und ernsthaftes, für die Allgemeinheit bedeutsames
Informationsinteresse berufen. Thematisiert er in dem angegriffenen
Artikel doch gerade das Spannungsverhältnis zwischen Pressefreiheit und
Persönlichkeitsrecht und berichtet anhand konkreter juristischer
Auseinandersetzungen zwischen Presseunternehmen und von deren
Berichterstattung Betroffenen über die Entwicklung des Presserechts. Im
Rahmen dieser Berichterstattung setzt er sich auch mit der
Tätigkeit von Rechtsanwälten bei der Durchsetzung eines -
nach Auffassung der Autoren - immer umfassenderen
Persönlichkeitsschutzes ihrer Mandanten und den erheblichen
Auswirkungen dieser Tätigkeit auf das Pressewesen auseinander.
Gerade der Meinungsfreiheit, der das BVerfG
wegen ihrer herausragenden Bedeutung für die menschliche Persönlichkeit
und die demokratische Staatsordnung seit jeher einen besonders hohen
Rang zuerkennt (BVerfG NJW 1991, 2339), muss hier bei der Abwägung mit
den anderen Rechtsgütern ein höheres Gewicht eingeräumt werden. Dies
gilt insbesondere bei Äußerungen, die nicht im privaten Interesse,
sondern in öffentlichen Angelegenheiten gemacht werden, wie im
vorliegenden Fall. Hier spricht bereits eine Vermutung zugunsten der
Redefreiheit; an die Zulässigkeit öffentlicher Kritik dürfen keine
überhöhten Anforderungen gestellt werden {BVerfG a.a.O.).
Im Rahmen einer solchen kritischen
Auseinandersetzung um die Grenzen der Pressefreiheit einerseits sowie
des Persönlichkeitsrechts Betroffener andererseits, ist es deshalb
zulässig, das Wirken des Antragstellers und weiterer Medienanwälte für
deren Mandanten darzustellen und einer Wertung im Hinblick auf die
Auswirkungen für die Pressefreiheit zu unterziehen. Zu diesem Zwecke ist
es gerechtfertigt, Äußerungen des Antragstellers zu zitieren. Dies gilt
auch für Zitate aus anwaltlichen Schriftsätzen.
b) Eine Beeinträchtigung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts des Antragstellers wiegt
demgegenüber weniger schwer.
Der Antragsteller kann sich nicht darauf berufen, das zitierte Schreiben
sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen. Der Antragsteller ist
durch das verwendete Zitat nicht in seiner Geheimsphäre betroffen. Die
Tätigkeit des Antragstellers für seine Mandanten gegenüber
Presseunternehmen spielt sich vielmehr in der Sozialsphäre ab.
Der Antragsteller wird mit der wiedergegebenen
Äußerung weder falsch zitiert noch wird dem Zitat auch nur eine andere
Färbung oder Tendenz gegeben. Schließlich ist die Berichterstattung im
Zusammenhang mit dem Zitat auch sonst nicht beeinträchtigend. Der
Antragsteller wird durch die Verwendung des Zitates weder verächtlich
gemacht noch herabgewürdigt.
Auch soweit der Antragsteller geltend macht,
in seiner gleichermaßen verfassungsrechtlich gewährleisteten
Berufsausübung {Art. 12 Abs. 1 GG) beeinträchtigt zu sein, muss dies
vorliegend im Kontext des gesamten vom Antragsgegner verfassten Artikels
hinter der Presse- und Meinungsfreiheit zurücktreten. Die Tätigkeit des
Antragstellers, auftragsgemäß die Rechte seiner Mandanten durchzusetzen,
wird durch die Berichterstattung des Antragsgegners nicht unmittelbar
behindert oder erschwert. Auch das Verhältnis des Antragstellers zu
seinen Mandanten wird nur unerheblich berührt. Dies mag anders sein,
wenn ein an eine Redaktion gerichtetes Schreiben eines Rechtsanwalts,
welches zur Unterlassung der Verbreitung konkreter Tatsachen auffordert,
verkürzt und sinnentstellend veröffentlicht wird, weil auf diese Weise
der Sinn der anwaltlichen Tätigkeit, eine Berichterstattung gerade zu
verhindern, in sein Gegenteil verkehrt wird (Urteil des Senates vom 03.
März 2006 - 9 U 117/05). Im vorliegenden Fall hatte die
Berichterstattung des Antragsgegners jedoch keinen (aktuellen) Bezug zu
einer konkreten Tätigkeit des Antragstellers oder eines der anderen
namentlich erwähnten Anwälte im Auftrage eines Mandanten; vielmehr ging
es um die Darstellung eines Beispielsfalles aus der Praxis zur für den
Leser plastischen und nachvollziehbaren Beschreibung eines
gesellschaftspolitisch relevanten Phänomens, nämlich die - nach Meinung
des Antragsgegners - Zunahme juristischer Auseinandersetzungen zwischen
Prominenten mit Hilfe bestimmter spezialisierter Rechtsanwälte und der
Presse sowie deren Auswirkungen auf die Berichterstattungsfreiheit. Der
Antragsteller läuft durch den hier in Rede stehenden Bericht entgegen
seiner Meinung nicht Gefahr, mit Blick auf bestehende oder mögliche
zukünftige Mandate in den Ruf zu geraten, seine Art der Wahrnehmung der
Mandanteninteressen würden den Mandanten überhaupt erst in die Zeitung
bringen.
Das Zitat war im Kontext des Artikels auch
inhaltlich nicht geeignet, die Tätigkeit des Antragstellers für einen
Mandanten oder auch einen potentiellen Mandanten, in ein schlechtes
Licht zu rücken. Der Inhalt des verwendeten Zitates, nämlich dass es der
erklärte Wunsch des vom Antragsteller vertretenen, bekannten
Fernsehmoderators ist, in seiner Privatsphäre in Ruhe gelassen zu
werden, ist in der Öffentlichkeit hinlänglich bekannt. Dass der
Antragsgegner gerade aus diesem Grunde von dem Mandanten beauftragt
worden ist versteht sich von selbst. Weshalb der Mandant Anstoß daran
nehmen könnte, dass gerade dieser Umstand über die Tätigkeit des
Antragstellers in der Öffentlichkeit benannt wird, ist deshalb nicht
nachvollziehbar. Erst recht konnte nicht der Eindruck entstehen, der
Antragsteller habe irgendwelche Informationen „an die Presse lanciert".
Ebenso erweckt weder das Zitat selbst noch der Kontext der
Berichterstattung den Anschein, der Antragsteller gestalte seine
Tätigkeit entgegen der Interessen seiner Mandanten
öffentlichkeitswirksam.
Schließlich war das Zitat äußerlich als
solches aus einem konkreten Schriftsatz noch nicht einmal erkennbar. Es
handelte sich nicht um ein wörtliches Zitat, vielmehr wurden in der
angegriffenen Berichterstattung des Antragsgegners lediglich
Formulierungen aus dem anwaltlichen Schreiben des Antragstellers in
indirekter Rede wiedergegeben. Soweit der Antragsteller geltend macht,
sein Mandant, weichem der Schriftsatz im Wortlaut bekannt sei, könne das
Zitat erkennen, spielt dies hier schon deshalb keine Rolle, weil der
Mandant selbst die Öffentlichkeit über das zitierte Schreiben des
Antragstellers informiert hat (vgl. Handelsblatt vom 03. April 2006:
Hochzeit - Jxxxx geht gegen Medien vor).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 ZPO.
Nippe
Bulling
Damaske
Kommentar [RS]:
▲
Vermutlich handelt es sich um den folgenden
Artikel und das von mir hervorgehobene Zitat.
Prominente können Fotos nicht pauschal
verbieten lassen
Der Abdruck von Bildern aus dem privaten Alltag von Prominenten kann der
Presse nicht generell untersagt werden. Das ist die Auffassung des
Berliner Kammergerichts, das in fünf verschiedenen Verfahren über
entsprechende Verbote zu befinden hatte.
Für Thomas Gottschalk, Anke Engelke, Sabine Christiansen und Franziska
van Almsick wollte der Berliner Prominentenanwalt
Christian Schertz den
Verlagen Bauer, Burda und Axel Springer (WELT, "Bild") generell
verbieten, entsprechende Fotos zu veröffentlichen. In erster Instanz vor
dem Landgericht hatte er Entscheidungen erwirkt, die nicht nur die
jeweils beanstandeten konkreten Fotos, sondern jeden Abdruck von
"Bildnissen aus dem privaten Alltag" untersagen. In dieser Formulierung
sahen die Verlage ein generelles Berichtsverbot, das mit der
Pressefreiheit nicht vereinbar sei.
Das Kammergericht folgte nun den Bedenken: Die Formulierung sei "nicht
hinreichend bestimmt" und gehe über den konkreten Fall weit
hinaus. Es müsse in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen öffentlichem
Interesse und Persönlichkeitsrecht stattfinden. Anwalt Schertz zog
daraufhin die Formulierung für Engelke und
van Almsick zurück. Im
Fall
Gottschalk hielt das Gericht bereits den Abdruck der Fotos, die ihn an
einem Kiosk in Kalifornien zeigen, für Rechtens, weil der Moderator
selbst sich zuvor für ähnliche Berichte aus seinem Privatleben zur
Verfügung gestellt hatte. Im Fall Christiansen wird das Gericht nur noch
über die konkret veröffentlichten Fotos entscheiden.
Quelle:
Welt vom 06.07.2009 (Internet)
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 06.06.07
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