Zur Haftung von
Privatsendern für Fensterprogramme
OLG Hamburg, Urt. v. 23.8.2002, Az.: 324 O 267/02
Leitsatz
des Gerichts:
Privatsender haften auch für Inhalte in sog.
Fensterprogrammen.
Die
Antragsgegnerin (AG) zu 1) strahlt das Fernsehprogramm
„Sat 1“ aus. Sie ist aufgrund des RFStV und des
Landesrundfunkgesetzes Rheinland-Pfalz verpflichtet,
unabhängigen Dritten Sendezeiten zur Verfügung zu
stellen, in denen diese Beiträge in eigener
Verantwortung ausstrahlen (sog. Fensterprogramme).
Dementsprechend wurde die AG zu 1) in der
rundfunkrechtlichen Erlaubnis verpflichtet, der „DCTP
Entwicklungsgesellschaft für TV-Programme mbH“
verschiedene Sendezeitschienen einzuräumen. Aufgrund
einer Vereinbarung mit der AG zu 2) lässt DCTP das
Magazin „Spiegel TV Reportage“ in dieser
Sendezeitschiene ausstrahlen. In einer Reportage wurde
ein Beitrag über Kampfhunde ausgestrahlt, der die
Antragstellerin (ASt.) Fahrrad fahrend mit ihrem Hund
zeigte, der später in eine Beißerei mit anderen Hunden
verwickelt wurde. Während der Anmoderation des Beitrags
ist das Logo der AG zu 2), nicht aber das der AG zu 1)
zu sehen. Erst während des weiteren Beitrags findet sich
durchgängig auch das Logo der AG zu 1). Die ASt.
verlangt Unterlassung der Veröffentlichung.
Das
Unterlassungsgebot des LG ist zu Recht ergangen. Der ASt.
steht der auf §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. § 22 KUG
gestützte Anspruch gegen die AG zu 1) zu.
1.
Die AG zu 1) hat die Ausstrahlung des inkriminierten
Beitrags von Spiegel TV unstreitig durch die sachlichen
und persönlichen Mittel ihres Sendeunternehmens
ermöglicht. Sie ist damit ohne Rücksicht auf ein
etwaiges Verschulden als Störer i.S.d. § 1004 BGB
anzusehen und unter dem Gesichtspunkt der
Verbreiterhaftung hinsichtlich des
Unterlassungsanspruchs passivlegitimiert. Auf Art und
Umfang des Tatbeitrags kommt es nicht an.
2.
Ob etwa ein Ausnahmefall unter dem Gesichtspunkt
vorliegt, wenn das Fernsehen als Veranlasser oder
Verbreiter einer Äußerung erkennbar zurücktritt und –
etwa im Rahmen einer „live“ ausgestrahlten
Fernsehdiskussion – nur als „Markt der Meinungen“ in
Erscheinung tritt, bedarf keiner Erörterung. Derartige
Umstände sind hier ersichtlich nicht gegeben. Für eine
Livesendung ergeben sich keine Anhaltspunkte. Außerdem
wird weder in einem Vor- oder Nachspann auf die
eigenständige Verantwortlichkeit eines Dritten für die
Sendung hingewiesen. Vielmehr beginnt der Beitrag mit
dem Schrifttext „Spiegel TV Reportage“ und endet auch
abrupt ohne irgendwie geartete Hinweise auf die Herkunft
oder die Verantwortlichkeit für die Sendung.
Während der
gesamten Ausstrahlung der Fenstersendung wird
durchgehend und auch dominierend das Sat-1-Logo gezeigt
und nur zusätzlich und klein das Wort Spiegel TV. Bei
dieser Gestaltung sprechen keinerlei Anhaltspunkte für
eine Einschränkung der zivilrechtlichen
Verbreiterhaftung. Insbesondere wurde nicht in
fernsehtypischer Weise die Fremdverantwortlichkeit
deutlich gemacht. Es liegt daher nicht fern, dass der
durchschnittliche Zuschauer den Beitrag als Sendung der
AG zu 1) auffasst bzw. ein sich zu eigen gemachter
Inhalt vorliegt. Eine klare Unterscheidung zwischen
Hauptprogrammveranstalter und dem
Fensterprogrammveranstalter fehlt, so dass auch das
Fensterprogramm dem Hauptveranstalter zugerechnet wird.
Bearbeitet
von
Ass. iur.
Andreas Heim aus
http://www.jura-lotse.de/newsletter/nl87-004.shtml
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HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT
URTEIL
IM
NAMEN DES VOLKES
Aktenzeichen: 7 U 94/02
Entscheidung vom 28. Januar 2003
In dem
Rechtsstreit
... gegen
...
nach der am
21. Januar 2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung für
Recht erkannt:
Die Berufung
der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts
Hamburg, Zivilkammer 24, vom 23.8.2002 — 324 O 267/02 —
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sich das mit
der einstweiligen Verfügung vom 4.6.2002 ausgesprochene
Verbreitungsverbot lediglich auf die Aufnahmen bezieht,
die in der Sendung „Spiegel TV Reportage“ mit dem Titel
„Der Kampf mit dem Kampfhund“ auf SAT 1 am 29.4.2002 ab
23.15 Uhr ausgestrahlt wurden und die Antragstellerin
zeigen.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des
Berufungsverfahrens zu tragen.
Gründe:
Gemäß §§ 540
Abs. 1, Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO:
Die
zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache
keinen Erfolg.
Sie führt
lediglich zu der aus dem Tenor ersichtlichen, von der
Antragstellerin beantragten Klarstellung der Reichweite
des vom Landgericht ausgesprochenen und bestätigten
Verbreitungsverbotes.
Das
Landgericht hat im Ergebnis zu Recht das von der
Antragsgegnerin bekämpfte durch einstweilige Verfügung
ausgesprochene Verbreitungsverbot bestätigt.
Das
Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Beurteilung.
Vielmehr ist nach wie vor davon auszugehen, dass der
Antragstellerin der geltend gemachte, auf §§ 823 Abs. 2,
1004 BGB i.V.m. § 22 KUG zu stützende
Unterlassungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zusteht.
In Hinblick
auf das Berufungsvorbringen ist folgendes auszuführen.
Unstreitig
hat die Antragsgegnerin die Ausstrahlung des
inkriminierten Beitrages von Spiegel TV, durch welche
rechtswidrig in das Bildnisrecht der Antragstellerin
eingegriffen worden ist, durch die sachlichen und
persönlichen Mittel ihres Sendeunternehmens ermöglicht.
Damit ist sie ohne weiteres — und zwar ohne Rücksicht
darauf, ob sie ein Verschulden trifft - als Störer im
Sinne des § 1004 BGB anzusehen und jedenfalls
grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt der
Verbreiterhaftung hinsichtlich eines
Unterlassungsanspruches passivlegitimiert. Sind bei
einer Beeinträchtigung — wie hier — mehrere Personen
beteiligt, so kommt es für die Frage. ob ein
Unterlassungsanspruch gegeben ist, grundsätzlich nicht
auf Art und Umfang des Tatbeitrages oder auf das
Interesse des einzelnen Beteiligten an der
Verwirklichung der Störung an (vgl. BGH NJW 1986, 2503
f, 2504 „Landesverrat“ m.w.N.) Selbst wenn etwa ein
Verleger einer Zeitung lediglich Äußerungen Dritter
wiedergibt und sich von deren Inhalt distanziert ändert
das nichts daran, dass der Verleger einen entscheidenden
Tatbeitrag zur Verbreitung der betreffenen Behauptung
leistet.
Allerdings
kann hier dahinstehen und bedarf keiner abschließenden
Entscheidung, ob etwa Gesichtspunkte, die sich aus einer
strafrechtlichen und spezifisch presserechtlichen
Verantwortlichkeit herleiten, zu einer Begrenzung des
zivilrechtlich haftenden Störerkreises führen können
(wohl ablehnend: BGH NJW 1976, 799, 800 Ziffer 2 c). Das
könnte etwa bei einer Fernsehanstalt dann in Betracht
kommen, wenn das Fernsehen als Veranlasser oder
Verbreiter einer Äußerung erkennbar zurücktritt und —
etwa im Rahmen einer „live“ ausgestrahlten
Fernsehdiskussion — gewissermaßen nur als „Markt“ der
verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung
tritt. Dann widerspräche es dem Wesen des Mediums und
seiner Funktion, es neben oder gar anstelle des
eigentlichen Urhebers der Äußerung in Anspruch nehmen zu
können (vgl. etwa BGH NJW 1976, 1198, 199 — „Panorama“).
Ferner wäre dieses etwa zu erwägen, wenn bei
Ausstrahlung von Fenstersendungen — wie hier — die
Herkunft der entsprechenden Sendung aus dritter Quelle,
insbesondere die eigenständige Verantwortlichkeit des
Dritten für einen Sendebeitrag in fernsehtypischer Weise
zweifelsfrei deutlich gemacht wird (vgl. etwa Soehring:
Presserecht 3.Aufl. Rdn. 28.5 a.E.).
Derartige
(Ausnahme-) Umstande sind hier indes weder
nachvollziehbar dargelegt noch sonst ersichtlich.
Vielmehr ergeben sich aus Aufmachung und Inhalt des in
Frage stehenden, gerade keine Livesendung darstellenden
Beitrags, den sich der Senat in Vorbereitung auf die
mündliche Verhandlung angesehen hat, keinerlei
Anhaltspunkte, die für eine Einschränkung der Haftung
aus den vorgenannten Gesichtspunkten sprechen könnten,
Insoweit wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen
im angefochtenen Urteil verwiesen. Weder in einem
Vorspann noch in einem Nachspann noch während der
laufenden Sendung wird ausdrücklich auf die
eigenständige Verantwortlichkeit eines Dritten für die
Sendung hingewiesen. Vielmehr beginnt der Beitrag mit
dem nicht verbal begleiteten schlichten Schrifttext
„Spiegel TV Reportage“ und endet sodann auch abrupt ohne
irgendwelche wirtlichen oder schriftlichen Hinweise auf
die Herkunft, geschweige denn auf den Verantwortlichen
für die Sendung. Während der gesamten Ausstrahlung der
eigentlichen Fenstersendung werden durchgehend und zwar
dominierend das SAT 1 Logo und zusätzlich klein das Wort
Spiegel TV gezeigt. Bei dieser Gestaltung sprechen — wie
ausgeführt — keinerlei Anhaltspunkte für eine
Einschränkung der zivilrechtlichen Verbreiterhaftung;
insbesondere ist nicht in fernsehtypischer Weise die
Fremdverantwortlichkeit deutlich gemacht. Vielmehr liegt
es nicht fern, dass der durchschnittliche Fernseh- bzw.
Spiegel TV Zuschauer den Beitrag angesichts dessen
Aufmachung sogar dahin versteht, dass sich die
Antragsgegnerin dessen Inhalt zu eigen gemacht hat oder
es sich sogar um eine eigene Sendung der Antragsgegnerin
handelt, die Antragsgegnerin also auch „Herr der
Sendung“ ist.
Demgegenüber
vermag der Senat das Vorbringen auf Seite 6 der
Berufungsbegründung, die Antragsgegnerin habe sowohl zu
Beginn als auch am Ende des Beitrags deutlich - in
fernsehtypischer Weise - darauf hingewiesen dass es sich
hier um eine von einem Dritten eigenverantwortlich
produzierte Sendung gehandelt habe, nicht
nachzuvollziehen. Derartiges ergibt sich, worauf in der
mündlichen Verhandlung hingewiesen worden ist,
jedenfalls nicht aus dem Senat als Anlage AST 1
vorliegenden Videosendemitschnitt.
Dem
Zuschauer wird eben gerade nicht deutlich vor Augen
geführt, dass SAT 1 hier nur einem Dritten als
eigenverantwortlichem Veranstalter einen Sendeplatz und
eine Sendezeit zur Verfügung stellt; es fehlt vielmehr
gerade eine klare Unterscheidung zwischen und
sogenanntem Fensterprogrammveranstalter so dass wie hier
— das Fensterprogramm vom durchschnittlichen Betrachter
fast automatisch auch dem Hauptveranstalter
zugeschrieben wird. Auf welche Art und Weise die
Antragsgegnerin der Notwendigkeit der klaren
Unterscheidung Rechnung trägt, hat der Senat ihr nicht
vorzugeben. § 31 des Rundfunkstaatsvertrages enthält
ersichtlich keine verbindlichen Vorgaben, desgleichen
nicht die zu § 31 RStV ergangenen Richtlinien u.a. zu
der organisatorisch Einpassung des Fensterprogram~5 in
das Hauptprogramm abgesehen davon, dass derartige
Verträge und Richtlinien ohnehin nicht zu einer
Verneinung der zivilrechtlichen Störereigenschaft führen
können. Insoweit mag hier nur an die An- und
Abmoderation des Hauptprogrammveranstalters bei der
Ausstrahlung von Wahlwerbespots erinnert werden.
Bei dieser
Sachlage kann angesichts des Gewichtes der Mitwirkung
der Antragsgegnerin an der Verbreitung des in Frage
stehen Beitrages — anders als etwa bei der
Inanspruchnahme des Zeitungsbotens hinsichtlich der
Verbreitung eines Zeitungsartikels — auch eine wertende
Ermittlung der zur Haftung führenden Störereigenschaft
unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses
oder der Zumutbarkeit nicht zu einem Fortfall der
verschuldensunabhängigen Verbreiterhaftung führen.
Der — nach
allem jedenfalls für einen Unterlassungsanspruch gemäß §
1004 BGB ausreichende — rechtswidrige Eingriff in das
Recht der Antragstellerin gemäß § 22 KUG indiziert die
Wiederholungsgefahr, Insoweit wird auf die zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Urteil verwiesen Umstände,
die durchaus zu einer anderen Beurteilung führen
könnten, sind auch mit der Berufung nicht vorgetragen.
Das übrige
Vorbringen der Antragsgegnerin rechtfertigt keine andere
Entscheidung. Zwar mögen die Hinweise der
Antragsgegnerin auf die Regelungen im
Rundfunkstaatsvertrag und im Landesrundfunkgesetz
Rheinland-Pfalz sowie auf den Inhalt der Bescheide der
Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter
Rheinland-Pfalz dazu führen, dass hinsichtlich der hier
vorliegenden Bildnisrechtsverletzung ein Verschulden der
Antragsgegnerin fehlt und demgemäß keine
Schadensersatzansprüche in Betracht kommen. Dies steht
indes verschuldensunabhängigen Unterlassungsansprüchen
nicht entgegen (vgl. etwa: Prinz/Peters Medienrecht Rdn.
322).
In Hinblick
auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung sei
noch einmal erwähnt, dass durch die vorgenannten
öffentlich-rechtlichen Regelungen bzw. Bescheide
insbesondere die Vorschrift des § 1004 BGB nicht außer
Kraft gesetzt werden kann.
Schließlich
sei auch noch einmal darauf hingewiesen, dass im ersten
Rechtszug unstreitig war, dass sich aus dem Vertrag
zwischen der Antragsgegnerin und der DCTP durchaus die
Verpflichtung ergibt, nur rechtmäßige Programme des
Herstellers auszustrahlen.
Davon ist
die Antragsgegnerin im Berufungsverfahren jedenfalls
nicht in nachvollziehbarer, substantiierter Weise
abgerückt, zumal der Inhalt des maßgeblichen Vertrages
mit der DCTP nach wie vor nicht dargelegt ist.
Die
Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 92 Abs. 2 ZPO.
In Hinblick
auf die mit Verkündung eintretende Rechtskraft der
Entscheidung bedarf es eines Ausspruches über die
vorläufige Vollstreckbarkeit nicht (§§ 542 Abs. 2, 704,
705 ZPO).
(Unterschriften) |