Buskeismus


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Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.
324 O 952/06
Verkündet am:
12.02.2007
In der Sache

M.L.
 

 
  - Antragsteller -
 
Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte Stopp pp.
Arnsburger Straße 5, 61184 Karben
Gz.: 142/06,
 
gegen
 
Wikipedia  
  - Antragsgegnerin -
 
Prozessbevollmächtigte RA  JBB Rechtsanwälte
RA Thorsten Feldmann
   

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24, ...
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
...,
...

für Recht:
 

Der Antrag vom 15. Dezember 2006 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen nach einem Wert von EUR 10.000, 00.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der es der Antragsgegnerin untersagt werden soll, über den Antragsteller unter voller Nennung seines Namens im Zusammenhang mit dem Mord an dem Schauspieler „W. S.“ zu berichten. Der Antragsteller ist 1993 wegen Mordes an W.S. zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Aufgrund dieser Verurteilung befindet sich seither in Strafhaft. Der Kammer ist aus dem Parallelverfahren 324 O 763/06 bekannt, dass der Strafverteidiger des Antragstellers unter dem 15. April 2005 eine Pressemitteilung herausgab, wonach der Antragsteller weiterhin ein Wiederaufnahmeverfahren betreibe; in dieser Pressemitteilung heißt es u. a. : „Das S.- Wiederaufnahmeverfahren wird in die nächste Runde gehen. …Es handelt sich bereits um das dritte Wiederaufnahmeverfahren der Brüder … und …“. Die Antragsgegnerin unterhält einen Internetauftritt. Hier war ein auf den 15. Januar 2005 datierter ... enthalten, in dem über den Mord an W. S. berichtet und mitgeteilt wurde, dass der – in dem Beitrag namentlich genannte – Antragsteller wegen dieses Mordes verurteilt worden war.

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist nicht begründet. Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Unterlassung einer seinen Namen nennenden Berichterstattung über den Mord an W. S. aus §§ 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht zu.

Der Antragsteller geht zu Recht davon aus, dass auch die Täter schwerer Straftaten bei Vorliegen der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze (BVerfG, Urt. v. 5.6.1973, BVerfGE 35, S. 202 ff, 233 ff. – Lebach) aus ihrem über Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen Anspruch darauf haben können, geraume Zeit nach der Tat von einer Berichterstattung jedenfalls unter voller Nennung ihres Namens (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 25.11.1999, NJW 2000, S. 1859 ff, 1860 f. – „Lebach II“) verschont zu bleiben. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist durch eine Abwägung der für und gegen eine solche Berichterstattung streitenden Interessen des betroffenen Täters einerseits und den ebenfalls, und zwar über Art. 5 Abs. 1 GG, verfassungsrechtlich garantierten Interessen des Publikationsorgans und der Öffentlichkeit an umfassender Information andererseits zu ermitteln. Im Rahmen dieser Abwägung ist bei einer Berichterstattung über Länger zurück liegende Straftaten insbesondere zu berücksichtigen, ob ein konkreter Anlass zu einer „Reaktualisierung“ der Straftat des Betroffenen besteht (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.6.2006, NJW 2006, S. 2835 f., 2835).

Während hier zwar der lange Zeitablauf seit der Verurteilung des Antragstellers sowie im Hinblick auf eine etwaige künftige Resozialisierung die Möglichkeit, dass er trotz seiner Verurteilung einmal wieder auf freien Fuß gesetzt wird (dazu BVerfG, Beschl. v. 3.6.1992, NJW 1992, S. 2947 ff., 1948), dafür sprechen, ihm Anonymitätsschutz zu gewähren, ist im vorliegenden Fall auch ein starkes berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit und der Antragsgegnerin gegeben, über den Mord an W.S. auch unter Nennung des Namens des Antragstellers zu berichten. Denn mit Verbreitung der Pressemitteilung des Verteidigers des Antragstellers vom 15. April 2005 sind nicht nur die Tat als solche, sondern auch der Name des Antragstellers als einer der wegen der Tat verurteilten Personen der Öffentlichkeit in Erinnerung gerufen worden. Dies begründet auch dann ein berechtigtes Interesse daran, trotz der seit der Verurteilung des Antragstellers vergangenen Zeitspanne erneut (oder immer noch) unter Nennung seines Namens über die ihm zugeschriebene Tat zu berichten, wenn er selbst die Pressemitteilung nicht veranlasst und sie möglicherweise noch nicht einmal gebilligt haben mag. Der Antragsteller muss sich den Inhalt der Pressemitteilung seines Verteidigers zurechnen lassen, da dieser sich in seiner Eigenschaft als Verteidiger in dieser Sache an die Öffentlichkeit gewendet hat; denn da es in dem im Rechtsstaatgedanken wurzelnden Wesen der Tätigkeit des Strafverteidigers liegt, dem beschuldigten Bürger als ein rechtskundiger Berater und Helfer zur Verfügung zu stehen, zu dem er Vertrauen haben darf und von dem er erwarten kann, dass er seine Interessen frei und unabhängig von der Einflussnahme dritter Stellen wahrnimmt (s. dazu BVerfG, Beschl. v. 9.8.1995, NJW 1995, NJW 1996, S. 709 ff., 710), erscheint der Strafverteidiger den Medien und der Öffentlichkeit gegenüber in einem solchen Fall gleichsam als Sprachrohr seines Mandanten. Unter Berücksichtigung dieses sowie des weiteren Umstandes, dass das Interesse der Öffentlichkeit an der Tat und auch und gerade an der Person des Antragstellers nicht nur kurzfristig und punktuell in einer dem Antragsteller zurechenbarer Weise wachgehalten worden ist, sondern zudem dadurch, dass auch über vorangegangene Bestrebungen des Antragstellers, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, jeweils unter Nennung des Namens des Antragstellers berichtet worden war, muss die Abwägung der widerstreitenden Interessen im vorliegenden Fall zugunsten der Antragsgegnerin ausgehen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Antragsteller oder sein Verteidiger die Öffentlichkeit mit der Behauptung gesucht hat, er sei zu Unrecht verurteilt worden; denn auch damit ist eben eine Tatsache publik gemacht worden, die den Gegenstand der angegriffenen Berichterstattung bildet, nämlich der Umstand, dass der Antragsteller wegen eben dieser Tat verurteilt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 3 ZPO

Buske                                                  ...                                     ....

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 10.05.08
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