Buskeismus


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Bund der Vertriebenen vs. Journalistin Lesser

Widerspruchverfahren gegen die Einstweilige Verfügung

Landgericht Hamburg

URTEIL

Im Namen des Volkes

Geschäfts-Nr.:
324 O 925/03
Verkündet am:
26.06.2004

In der Sache

xxxx, JAs
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
Bund der Vertriebenen, vertreten von xxxx  
 

- Klägerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte xxxx pp.,

gegen

Gabriele Lesser  
 

- Beklagte -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte

erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24 auf die mündliche Verhandlung vom 30.1.2004 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Dr. Weyhe
den Richter am Landgericht Dr. Gläser

für Recht:

I.

Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens € 250.000,00, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre),

zu unterlassen,

zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,

1.     die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Frau, xxxxxx habe vor einigen Jahren erklärt, heutzutage müsse man keine Bomber mehr nach Polen schicken, um den Polen klar zu machen, was „westliche Werte" seien;

2.     die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 sei bis heute ohne jede Antwort des BDV dageblieben.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziff. l des Tenors jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 40.000,00 und hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziff. II des Tenors nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet,

und beschließt:

Der Streitwert wird auf € 60.000,00 festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Wortberichterstattung in Anspruch.

Der Kläger bzw. xxxxxx, seit 1998 Präsidentin des Klägers, treten als Interessenvertreter der Deutschen auf, die im Zweiten Weltkrieg vertrieben wurden. Die Beklagte ist als freie Journalistin u.a. für deutsche Regionalzeitungen in Polen tätig. In einem Beitrag zum Thema „Zentrum gegen Vertreibungen“ setzte sich die Beklagte mit Äußerungen von xxxxx auseinander. Eine leicht veränderte Version ihres Originalbeitrags wurde unter dem Titel „Von Versöhnung noch weit entfernt" in den „Kieler Nachrichten" vorn 19.09.2003 abgedruckt. Darin heißt es unter anderem:

1.     „Das ist ganz im Sinne der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen. Heutzutage  müsse man keine Bomber mehr nach Polen schicken, um den Polen klarzumachen, was „westliche Werte" seien, erklärte sie vor ein paar Jahren."

2.     „Die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 blieb bis heute ohne Antwort der Vertriebenen."

3.     „Als der Bundestag 1999 beschloss, in Berlin ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten, forderte  der BDV, dass auch die deutschen Vertriebenen ihr Mahnmal in Berlin bekommen müssten."

Wegen des vollständigen Beitrags wird auf das Originalmanuskript (Anlage B 1) bzw. die Kopie des veröffentlichten Artikels in den „Kieler Nachrichten" (Anlage K 1} Bezug genommen. Im Originalbeitrag lautet die unter Ziffer 2 zitierte Äußerung: „Die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 blieb bis heute ohne jede Antwort der Vertriebenen." (Unterstreichung durch die Kammer); genauso ist sie auch in einem Artikel des „Kölner Stadt-Anzeiger" vom 22.09,2003 abgedruckt (Anlage K 13).

Der ersten Äußerung liegt eine Veröffentlichung von xxxxxx in der „Süddeutschen Zeitung" vom 26.08.1999 zugrunde (Anlage K 2). Darin hatte die xxxxx des  Klägers geäußert: „Es liegt im Gesamtinteresse Europas und der jungen Demokratien, die in die EU wollen, nicht ausgerechnet in Menschenrechtsfragen die Anforderungen abzusenken. Es bedarf keiner Kampfflugzeuge. Ein schlichtes 'Veto' zur Aufnahme uneinsichtiger Kandidaten ist ausreichend."

Auf die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe vom 18.11.1965 (Anlage B 3} hatte der Kläger in seinem eigenen Presseorgan unter dem Titel „Eine begrüßenswerte Geste" (DOD Nr. 49/50, 1965, S. 3ff., Anlage K 3) Bezug genommen. Darin heißt es u.a.: „Im Gegenteil, die polnischen Priester haben nicht nur vergeben, sondern sie haben ihrerseits im Geiste des Vaterunsers auch um Vergebung gebeten, und das muß hoch anerkannt werden. Wenn deshalb auch der Bund der Vertriebenen diesen ersten Anfang eines auf Versöhnung bedachten polnisch-deutschen Gespräches begrüßt, so glaubt er doch gleichzeitig vor übertriebenen Hoffnungen warnen zu müssen. (...)" Außerdem hatte sich der Kläger in einer Presseerklärung vom 09.12.1965 (Anlage B 4) zu der „Versöhnungsbotschaft des polnischen Episkopats" geäußert, und zwar u.a. wie folgt: „Gerade im Hinblick auf die begeisterte Aufnahme der EKD-Denkschrift in der polnischen Regime-Presse muß daher erneut vor der Einschleusung einer als Versöhnungsbeitrag getarnten Verzichtspropaganda in das Orientierungsringen im freien Teil Deutschlands gewarnt werden." 1999 bezeichnete die xxxxx des Klägers die Botschaft der Bischöfe als „eine christliche Wegmarkierung für die Zukunft" (Anlage K 18), in einer Rede am 01.09.2001 als „ein christlicher Lichtschimmer in einer verhärteten Zeit" (Anlage K 19). In einer Rede vom 06.09.2003 - einige Tage vor der Veröffentlichung der angegriffenen Behauptung in den „Kieler Nachrichten" - äußerte die xxxxxx des Klägers: „Die Worte der polnischen Bischöfe von 1965 ,Wir vergeben und bitten um Vergebung' war ein versöhnliches Signal. Wir Vertriebene können sagen: ,Wir bitten um Vergebung und wir vergeben'." (Anlage K 17, S. 9).

Die dritte angegriffene Äußerung bezieht sich auf den Beschluß des Bundestags vom 25.06.1999, ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten, welcher nach einer bereits 1988 begonnenen Diskussion und nach der Ausschreibung von drei Wettbewerben (1994 und 1997) gefasst worden war. Es gibt bereits ein zentrales Mahnmal für die vertriebenen Deutschen am Theodor-Heuss-Platz in Berlin. Daneben hat der Kläger 1999 die Errichtung eines Zentrums gegen Vertreibungen als zentrale Informations-, Archiv- und Begegnungsstätte beschlossen. Im Konzept (Anlage B 6) heißt es u.a.: „Zum Gedenken an die Opfer soll die Requiem-Rotunde der Sammlung, der Besinnung und der Andacht dienen". Die „dpa" meldete unter dem 06.06.2000 u.a.: „Nach der Entscheidung des Bundestags für das Holocaust-Mahnmal hat nun auch der Bund der Vertriebenen (BdV) eine zentrale Mahn- und Forschungsstätte im Zentrum Berlins verlangt." (Anlage B 11).

Außerdem erschien unter dem Titel „Vertriebene für Gedenkstätte neben Holocaust-Mahnmal" ein Bericht zu einem Hintergrundgespräch mit der xxxxx des Klägers in der „Leipziger Volkszeitung" vom 29.05.2000 (Anlage K 4), den die Beklagte ihrer Veröffentlichung zugrunde legte. Darin heißt es u.a.: „Das Zentrum solle in fünf Jahren seinen Betrieb aufnehmen können ,und in geschichtlicher und räumlicher Nähe zum Holocaust-Mahnmal angesiedelt werden. ,Die Juden waren letzten Endes in der ersten Phase auch Vertreibungsopfer', erklärte xxxxxx zur Begründung. ,lm Grunde genommen ergänzen sich die Themen Juden und Vertriebene miteinander. Dieser entmenschte Rassenwahn hier wie dort, der soll auch Thema in unserem Zentrum sein.'" Am 05.06.2000 veröffentlichte die „Leipziger Volkszeitung" einen Leserbrief der xxxx des Klägers (Anlage K 5), den die Beklagte nicht kannte. Darin heißt es u.a.: .Allerdings wird der Bericht von einem fundamentalen Mißverständnis überschrieben, Der BDV will anders als dargestellt, keine Gedenkstätte neben dem Holocaust-Mahnmal errichten. (...)"

Mit Rechtsanwaltschreiben vorn 29.10.2003 (Anlage K 9} forderte der Kläger die Beklagte auf, hinsichtlich der Verbreitung der oben genannten Äußerungen eine vertragsstrafenbewehrte Unterfassungsverpfllchtungserklärung abzugeben, was die Beklagte mit Schreiben vom 17.11.2003 (Anlage K 10) ablehnte.

Der Kläger trägt vor, mit der ersten Äußerung habe die Beklagte die xxxxx des Klägers falsch zitiert. Durch die Wiedergabe in indirekter Rede, das Voranstellen der Worte „Dies ist ganz im Sinne von xxxxxx und durch das Setzen von Anführungszeichen bei 'westliche Werte' erscheine die Passage dem Leser als Zitat, obwohl sich xxxxx so nicht geäußert habe, die Äußerung auch nicht ihrer Diktion oder dem Inhalt ihrer Äußerung in der SZ oder ihren Gedankengängen entspreche.

Die zweite Äußerung, jedenfalls im Originalbeitrag, an dem sich die Beklagte festhalten lassen müsse, wonach die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 bis heute ohne jede Antwort der Vertriebenen geblieben sei, entspreche angesichts des Artikels im Presseorgan des Klägers (Anlage K 3) nicht den Tatsachen; es könne bei dieser Formulierung, die nicht als Meinungaäußerung eingeordnet werden könne, auch nicht nur um eine „positive" Antwort gehen. Die xxxxxx des Klägers habe die Friedensbotschaft der polnischen Bischöfe im übrigen positiv aufgenommen.

Indem er die dritte Äußerung angreife, wende sich der Kläger gegen den Eindruck, zwischen seiner Entscheidung, die Errichtung des Zentrums gegen Vertreibungen in Berlin zu betreiben, und dem Beschluß des Bundestags über die Errichtung des Holocaust-Mahnmals bestehe eine inhaltliche Kausalität. Der Bundesvorstand des Klägers habe schon am 29.01.1999 die Errichtung des Zentrums beschlossen (Anlage K 14), dies hätten dann der Bundesvorstand und das Präsidium am 19./20.03.1999 bekräftigt, worüber die Öffentlichkeit mit der Presseerklärung vom 22.03.1999 (Anlage K 15) informiert worden sei (s. auch die Chronik zur Entstehung des Zentrums, Anlage K 3b). Einen entsprechenden Bericht habe die „Welt am Sonntag" bereits am veröffentlicht (Anlage K 15a). Die Beklagte habe sich nicht auf die typischerweise verkürzte und unvollständige „dpa"-Meldung verlassen dürfen, sondern hätte die benötigten Hintergrundinformationen der Pressemitteilung des Klägers vom (Anlage K 16) entnehmen müssen.

Der Kläger hat mit den Anträgen zu 2) und 3) zunächst beantragt, die Beklagte bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, 2. die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 sei bis heute ohne Antwort des dageblieben, 3. als der Bundestag 1999 beschließt, in Berlin ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten, habe xxxxx gefordert, daß  auch die deutschen Vertriebenen ihr Mahnmal in Berlin bekommen müßten. Der Kläger beantragt nach Umstellung seiner Anträge zu 2) und 3),

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes, und für den Fall, daß  dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordfnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 €, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), es zu unterlassen, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen,

1.     die xxxxx habe vor einigen Jahren erklärt, heutzutage müsse man keine Bomber mehr nach Polen schicken, um den Polen klar zu machen, was „westliche Werte" seien,

2.     die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1985 sei bis heute ohne jede Antwort des Abgeblieben,

3.     durch die Äußerung; „Als der Bundestag 1999 beschießt, in Berlin ein Mahnmal für die ermordeten Juden Europas zu errichten, forderte xxxxx, daß  auch die deutschen Vertriebenen ihr Mahnmal in Berlin bekommen müßten." den Eindruck zu erwecken, der xxxx sei durch die Entscheidung des Bundestages, ein Holocaust-Mahnmal in Berlin zu errichten, veranlaßt worden, die Errichtung eines „Vertriebenen-Mahnmals" in Berlin zu fordern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hält die „Konkretisierungen" der Klaganträge zu 2) und 3) für unzulässige Klagänderungen und stimmt ihnen nicht zu; sie seien auch nicht sachdienlich. Bezüglich des Antrags zu 2) liege ein Wechsel des Streitgegenstandes vor; die Beklagte habe ein Interesse an der Feststellung, daß es sich bei der Äußerung in der Fassung des ursprünglichen Antrags zu 2) (ohne die Formulierung „jede") um eine zulässige Meinungsäußerung handele. Indem der Kläger sich mit dem Antrag zu 3) nunmehr gegen das Erwecken eines Eindrucks wende, habe er ebenfalls einen neuen Streitgegenstand eingebracht. Der Antrag sei Außerdem nicht bestimmt genug.

Die Beklagte trägt weiter vor, mit der ersten Äußerung habe sie lediglich im Rahmen einer subjektiven Wertung in indirekter Rede den Gedankengang Klägers wiedergegeben und mit eigenen Worten die Äußerungen der xxxxx resümiert. Ähnlich habe im übrigen auch die „Süddeutsche Zeitung" vom 17.09.2003 (Anlage B 2) den Sinn der Äußerungder xxxxx wiedergegeben. Der Beitrag der Beklagten sei als Kommentar für jeden erkennbar als Meinungsäußerung geschrieben, weswegen nicht von einer Tatsachenbehauptung auszugehen sei. Die Präsidentin des Klägers habe (insoweit unstreitig) die Begriffe „giftiger“ „Eiterherd" benutzt, nämlich am 07.07.1998 laut Meldung des „epd" (Anlage B 12): „Die EU-Osterweiterung vertrage keine Menschenrechtsdefizite, erklärte xxxxxx am Dienstag vor Journalisten in Bonn. Ohne Aufarbeitung der völkerrechtswidrigen Vertreibung und offenen Vermögensfragen mache sich Mißtrauen breit, das als „Eiterherd“ wirke, der zerstörerisches Gift verbreite." Auch in einer Meldung der „dpa" vom selben Tag (Anlage B 13) wird die Äußerung von einem „Eiterherd" erwähnt. Die Art und Weise, wie die Beklagte in ihrem Kommentar die Worte „westliche Werte", „Wunden heilen" und „giftiger .Eiterherd" verwendet habe, belege deren subjektive Einordnung als „ganz im Sinne von xxxxx. Auch den Begriff „westliche Werte" habe sie zulässig eingeordnet im Hinblick auf eine weitere Äußerung xxxxx des Klägers laut Bericht des „epd" vom 07.07.1998 (Anlage B 12): „Sollte Polen bei dieser Haltung bleiben, wäre das Land für die EU nicht reif. Die EU sei nicht nur eine Wirtschafts- sondern auch eine Wertegemeinschaft...". Die Beklagte habe den Begriff „westliche Werte" als Synonym für den von xxxxx des Klägers verwendeten Ausdruck „Menschenrechtsfragen" eingesetzt und habe so den angegriffenen Satz zu einem Teil ihres umfassenden Werturteils über die Geisteshaltung xxxxx („Das ist ganz im Sinne xxxxx) gemacht. Mit den Anführungszeichen bei „westliche Werte" werde nicht notwendig ein Zitat gebracht; Anführungszeichen dienten auch dazu, einen bestimmten Begriff zu verfremden und den Leser daran zu hindern, den Begriff wörtlich zu nehmen. Die Anführungszeichen dienten hier - für den Durchschnittsleser offensichtlich - gerade dazu, deutlich zu machen, daß dieser Teil keine wörtliche Erklärung wiedergebe, sondern sich auf den Beispielsatz kurz zuvor im Text beziehe. Die Gleichsetzung von Menschenrechten und westlichen Werten sei in unserem Kulturkreis selbstverständlich; zum Beleg führt die Beklagte politische Äußerungen nach dem 11.09.2001 ein, wonach Menschenrechte „nicht (...) Grundwerte des Westens" (Anlage B 14) bzw. „universelle, nicht westliche Werte" seien - das Bemühen, hier eingefahrene Denkstrukturen aufzubrechen, zeige, wie selbstverständlich der synonyme Sprachgebrauch von „westlichen Werten" und „Menschenrechten" geworden sei. Das Wort „Bomber" sei ein zulässiges Synonym für „Kampfflugzeuge" (s, Anlage B 15).

Mit der zweiten angegriffenen Äußerung habe die Beklagte zum Ausdruck bringen wollen, daß es keinen positiven Schritt des Klägers in Bezug auf die Polen gegeben habe. Die Formulierung „eine begrüßenswerte Geste" bedeute nicht, daß  der Kläger auch seinerseits für die Vertriebenen die „Vergebung" erklärt habe. Die Beklagte bezieht sich insoweit auch auf eine Veröffentlichung von Edith Heller (Anlage B 5}. Die Äußerung „Die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 blieb bis heute ohne jede Antwort der Vertriebenen" sei eine zulässige Meinungsäußerung. Das Angebot der Bischöfe sei ein diplomatischer Akt von staatspolitischer Bedeutung gewesen, und die Beklagte habe sich mit der Äußerung von der fehlenden Antwort auf das Fehlen einer adäquaten Annahme bezogen. Eine solche sei mit Äußerungen xxxx des Klägers in ihren Reden gegenüber dem anwesenden Publikum nicht erfolgt, jedenfalls nicht den Bischöfen zugegangen. Auch die Erklärung der Präsidentin des Klägers vom 06.09.2003 („Wir Vertriebenen können sagen: ,Wir bitten um Vergebung und wir vergeben'.") habe nur den Charakter einer Randnotiz, die der diplomatischen Würde der Erklärung der Bischöfe ermangele, zumal die Bischöfe zu der alljährlichen Rede nicht geladen gewesen seien. So gingen die Katholiken in Polen auch heute noch davon aus, daß  ihr Friedensangebot vom Kläger nicht angenommen worden sei, da es an einer an das polnische Episkopat gerichteten offiziellen Erklärung fehle (Anlage B IG).
Der neugefaßte Antrag zu 3) treffe nicht den Kern der vom Kläger angegriffenen Erstmitteilung. Mit der Forderung nach einem Zentrum gegen Vertreibungen sei der Kläger erst nach dem Bundestagsbeschluß betreffend das Holocaust-Mahnmai aktiv geworden. Der Zusammenhang zwischen beiden werde auch durch Veröffentlichungen der „Welt" vorn 29.05.1999 (Anlage B 9) und des „Kölner Stadtanzeigers11 vom 07.10.2003 (Anlage B 10) deutlich; im übrigen ergebe sich der Kausalzusammenhang nun einmal aus der zeitlichen Abfolge der Ereignisse: im Frühjahr 1999 hätten einige Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion vorgeschlagen, auf das Holocaust-Mahnmal zu verzichten (Anlage B 18). Es sei eine Initiative zur Aufwertung des Vertriebenen-Mahnmals „Ewige Flamme" in Berlin-Charlottenburg zürn „Zentralmahnmai gegen Flucht und Vertreibung" gefolgt (Anlage B 19), wobei diese Initiative mit einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zugunsten des Projekts „Zentrum gegen Vertreibungen" im November 1999 aufgegeben worden sei (BT-Drucks. 14/2241; Anlage B 20). Einen Zusammenhang habe auch xxxx des Klägers suggeriert, indem sie in der „Leipziger Volkszeitung" vom 29.05.2000 geäußert habe, daß  in „geschichtlicher und räumlicher Nähe " zum Holocaust-Mahnmal ein „Zentrum gegen Vertreibungen" etabliert werden solle (Anlage K 4). Mit ihrem Leserbrief in der „Leipziger Volkszeitung" (Anlage K 5) wende sich xxxxxx des Klägers nur gegen die Überschrift, nicht gegen den Inhalt des Beitrags vom 29.05.2000 (Anlage K 4}. Einen derartigen Zusammenhang sehe schließlich auch der Geschichtswissenschaftler Samuel Salzborn (Anlage B 21). Soweit also in der Äußerung der Beklagten eine Aussage über die Beweggründe des Klägers zu sehen sei, genieße diese Äußerung den für Meinungsäußerungen anerkannten Schutz.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nur teilweise - im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang - begründet.

l.

Der Kläger kann von der Beklagten gemäß §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB (analog) i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG verlangen, daß  diese es unterläßt, zu behaupten und/oder behaupten zu lassen und/oder zu verbreiten und/oder verbreiten zu lassen, xxxxxx, habe vor einigen Jahren erklärt, heutzutage müsse man keine Bomber mehr nach Polen schicken, um den Polen klar zu machen, was „westliche Werte" seien.

Der Kläger, der als eingetragener Verein den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und den Schutz der persönlichen Ehre für sich in Anspruch nehmen kann (vgl. hierzu Soehring, Presserecht, 3. Aufl. 2000, Rz. 13.13f.), ist von der streitgegenständlichen Äußerung betroffen. Denn mit dieser wird seiner xxxxx eine Äußerung bzw. nach der Auffassung der Beklagten eine Geisteshaltung zugeschrieben, die diese in ihrer Funktion als xxxxx des Klägers und damit in Vertretung des Klägers zum Ausdruck gebracht haben seil. Der Unterlassungsanspruch besteht, weil die Beklagte xxxxx des Klägers unzutreffend zitiert hat. Unstreitig hat die xxxxx des Klägers die angegriffene Äußerung nicht, jedenfalls nicht in dem streitgegenständlichen Wortlaut, getätigt. Vielmehr bezieht sich die Beklagte auf die - inhaltlich und im Wortlaut stark abweichende - Äußerung der xxxxx des Klägers, wonach es „im Gesamtinteresse Europas und der jungen Demokratien, die in die EU wollen, (liege,) nicht ausgerechnet in Menschenrechtsfragen die Anforderungen abzusenken. Es bedarf keiner Kampfflugzeuge. Ein schlichtes ,Veto' zur Aufnahme uneinsichtiger Kandidaten ist ausreichend." Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schließt jedoch das Recht der Person ein, durch Art und Inhalt seiner Aussagen seinen eigenen sozialen Geltungsanspruch zu definieren; demnach ist es stets unzulässig, einer Person Äußerungen unterzuschieben, die sie nicht, nicht so oder nicht in dem Zusammenhang getan hat, in dem sie veröffentlicht sind (vgl. BVerfG NJW 1980, 2070- Eppler; Soehring, Presserecht, 3. Aufl., Rz. 16.52}. Wird jemand zitiert, so handelt es sich stets um die zumindest konkludente Behauptung, daß er sich in der wiedergegebenen Weise geäußert habe; das Zitat, das als Beleg für eine Kritik verwendet wird, ist demnach eine besonders scharfe Waffe im Meinungskampf, da der Betroffene sozusagen als Zeuge gegen sich selbst ins Feld geführt wird (BVerfG NJW 1980, 2072 - Bِll/. Waiden; Wenzel, Das Recht der Wort- und BiIdberichterstattung, 4. Aufl. 1994, Rz. 5.77). Hierbei sind an die Authentizität und Genauigkeit von Zitaten hohe Anforderungen zu stellen; diese müssen dem Leser unter Einschluß des Kontextes ein zutreffendes Bild von der Aussage des Zitierten geben (Soehring, a.a.O., Rz. 16.52).

Die Beklagte kann sich vorliegend nicht mit Erfolg darauf berufen, daß sie lediglich im Rahmen einer Wertung den Gedankengang der xxxx des Klägers wiedergegeben habe. Das Grundrecht der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG rechtfertigt es nicht, eine nach dem Maßstab des vertretbaren Verständnisses eines Durchschnittslesers zwar als „richtig" beurteilte Deutung einer Äußerung als Zitat auszugeben, ohne jedoch kenntlich zu machen, daß  es sich um eine Interpretation handelt. Wenn angesichts der besonderen scharfen Wirkung des Zitats im Meinungskampf Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Möglichkeit ausgeschlossen werden sollen, so verpflichtet dies den Zitierenden dazu, die eigene Deutung einer Äußerung, die mehrere Interpretationen zuläßt, als solche kenntlich zu machen. Nur auf diese Weise wird die Wiedergabe der Äußerung 3i;s dem Bereich des Tatsächlichen in den des Meinungsmäßigen gerückt (BVerfG NJW 1980, 2072, 2073 - Bِl! /Waiden). Soweit die Beklagte beabsichtigt haben mag, mit der streitgegenständlichen Äußerung verschiedene Äußerungen xxxxx des Klägers nicht im Sinne einer Tatsachenbehauptung wiederzugeben, sondern in wertender Weise zusammenzufassen, mangelt es jedenfalls an dem erforderlichen Kenntlichmachen dieser Interpretationsabsicht. Der streitgegenständlichen Äußerung stehen zunächst zwei Äußerungen voran, die man oft in Deutschland höre, zuletzt: „Wenn die Polen in die EU wollen, müssen sie auch unsere westlichen Werte akzeptieren." Sodann heißt es: „Das ist ganz im Sinne von xxxxx (Anlage B 1 bzw. Anlage K 1). Diese Einschätzung der Beklagten wird man als Meinungsäußerung einordnen können. Zum Beleg dieser Einschätzung folgt dann jedoch die streitgegenständliche Äußerung im Sinne einer Tatsachenbehauptung: Die Verwendung der indirekten Rede, das - für die Wiedergabe in direkter Rede gebräuchliche - Setzen von Anführungsstrichen um „westliche Werte" und schließlich die Formulierung „erklärte sie  xxxx vor ein paar Jahren" fungieren nach dem Verständnis des Lesers als Hinweise für die Wiedergabe eines Zitats; Hinweise darauf oder Anzeichen dafür, daß  es sich um eine Interpretation handele, fehlen gänzlich. Insbesondere fehlen Anhaltspunkte dafür, daß  die Anführungszeichen bei „westliche Werte" dazu dienen könnten, den Begriff als nicht wörtlich gemeint zu verfremden; vielmehr handelt es sich um einen gängigen Begriff, der im Kontext der streitgegenständiichen Äußerung nicht ironisch oder übertragen gemeint sein kann, Angesichts dieser mehrfachen Anzeichen für die Wiedergabe eines Zitats - in einer Mischung aus indirekter und direkter Rede -, ohne daß  die Absicht einer Interpretation deutlich würde, war die Art und Weise, in der die Beklagte die Streitgegenstand liehe Äußerung wiedergegeben hat, durch Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt.

Die den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB auslösende Wiederholungsgefahr ist indiziert, da zu vermuten ist, daß  ein einmal erfolgter rechtswidriger Eingriff wiederholt werden wird (vgl. BGH NJW 1994, 1281, 1283).

II.

Die Klage ist auch in Bezug auf die zweite streitgegenstandliche Äußerung - die Friedensbotschaft der polnischen katholischen Bischöfe von 1965 sei bis heute ohne jede Antwort des BDV geblieben - begründet, ohne daß  insoweit eine Klagänderung vorläge. Mit der Umstellung seines Antrags durch Hinzufügung des Wortes „jede" hat der Kläger den Antrag nicht im Sinne des § 263 ZPO geändert, sondern lediglich präzisiert, nachdem die Beklagte die entsprechende, ihr zuzurechnende Formulierung aus ihrem Originalmanuskript (Anlage B 1) in den Rechtsstreit eingeführt hatte. Selbst wenn im übrigen die Umstellung des Antrags als Klagänderung zu werten wäre, wäre angesichts ihrer Sachdienstlichkeit die Zustimmung der Beklagten entbehrlich (§ 263 ZPO).

In der Sache besteht auch in Bezug auf diese Äußerung entsprechend §§ 823 Abs. 2, 1004 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG ein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Die Frage, ob es sich bei der streitgegenstandlichen Äußerung um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung handelt, hängt davon ab, ob der Gehalt der Äußerung - jedenfalls schwerpunktmäßig - der objektiven Klärung, also dem Beweis, zugänglich ist oder ob sie durch die Elemente des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist (vgl. nur Wenzel, a.a.O., Rz. 4.40ff.). Ob eine Reaktion eine „Antwort" auf eine Äußerung, insbesondere auf eine Friedensbotschaft, darstellt, kann mit einer wertenden Betrachtung verbunden sein: Gerade wenn es nicht in einem Dialogsinne um die Beantwortung einer Frage geht, sondern darum, auf eine Friedensbotschaft zu reagieren, an deren Ende es heißt „(...) wir (...) gewähren Vergebung und bitten um Vergebung", kann mit „Antwort" im Sinne einer inhaltlichen Wertung nicht nur eine irgendwie geartete Bezugnahme oder Reaktion auf die Botschaft, sondern insbesondere das entsprechende Gewähren von Vergebung gemeint sein. Vorliegend ist daher von einer Äußerung auszugehen, die als - jedenfalls schwerpunktmäßiges - Werturteil grundsätzlich den Schutz der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG genießt. Die Meinungsfreiheit tritt allerdings im Rahmen der erforderlichen Abwägung regelmäßig hinter den grundrechtlich geschützten Achtungsanspruch des einzelnen zurück, wenn es sich bei der fraglichen Äußerung um eine Schmähkritik handelt. Zwar wird eine Meinungsäußerung nicht schon dadurch zur Schmähung, daß  sie herabsetzende Wirkung gegenüber Dritten entfaltet oder sich als überzogene oder ausfällige Kritik darstellt. Anders verhält es sich aber, wenn in einer herabsetzenden Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht (BVerfG NJW 1991, 1475, 1477), d.h. wenn die Äußerung nicht mehr auf eine verwertbare sachverhaltsmäßige Grundlage gestützt werden kann (Wenzel, a.a.O.. Rz. 5.84f.).

Als Meinungsäußerung ist es vertretbar, die Reaktionen des Klägers auf die Friedensbotschaft aus den Jahren 1965 (Anlagen K 3 und B 4), 1999 (Anlage K 18) und 2001 (Anlage K 19} nicht als .Antworten" zu werten; es mag insoweit auch noch vertretbar sein, vom Fehlen „jeder" Antwort zu sprechen. Denn mit diesen Äußerungen hat der Kläger bzw. xxxx die Friedensbotschaft zwar zum Teil begrüßt, zum Tei! vor übertriebenen Hoffnungen bzw. der Auslösung einer Verzichtspropaganda gewarnt - ein entsprechender Ausdruck des Vergebens war den Äußerungen jedoch nicht zu entnehmen. Tatsächliche Anknüpfungspunkte für eine Beurteilung als Fehlen „jeder Antwort" sind jedoch spätestens dadurch entfallen, daß xxxx des Klägers in ihrer Rede vom 06.09.2003 in Bezug auf die „Worte der polnischen Bischöfe von 1965" geäußert hat: „Wir als Vertriebene können sagen: ,Wir bitten um Vergebung und wir vergeben'." (Anlage K 17, S. 9). Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, daß  es sich bei der Friedensbotschaft der polnischen Bischöfe um einen diplomatischen Akt von staatspolitischer Bedeutung gehandelt habe, der einer „adäquaten Annahme" durch den Kläger im vertragsrechtlichen Sinne bedurft hätte, und daß die Äußerung seiner xxxx  im Rahmen einer Rede, zu der die Bischöfe nicht geladen gewesen seien, hierfür nicht ausgereicht habe. Selbst wenn man der Botschaft eine derartige Qualität zusprechen wollte, wäre sie jedenfalls, wie sich aus der Formulierung in ihrem Kontext ergibt, in einem solchen Sinne nicht an den Kläger, sondern an die deutschen Bischöfe gerichtet („Und wenn Sie, deutsche Bischöfe und Konzilsväter, unsere ausgestreckten Hände brüderlich erfassen, dann erst können wir wohl mit ruhigem Gewissen in Polen auf ganz christliche Art unser Millenium feiern."; Anlage B 3 am Ende). Jedenfalls übersteigt es die für eine Meinungsäußerung zulässige Grenze, trotz der Äußerung vom 06.09.2003 noch vom Fehlen „jeder Antwort" des Klägers auf die Friedensbotschaft der polnischen Bischöfe zu sprechen; es ist nicht gerechtfertigt, eine „Antwort" nur in einer offiziellen oder vertragsmäßigen Erklärung des Klägers zu sehen und hierbei die in ihrem Wortlaut eindeutige Äußerung vom 06.09.2003 Außer acht zu lassen.

Auch in Bezug auf diese Äußerung ist die den Unterlassungsanspruch auslösende Wiederholungsgefahr indiziert.

III.

Bezüglich des Antrags zu 3) ist die Klage zulässig, aber nicht begründet. Soweit der Kläger seinen Antrag von dem ursprünglich begehrten Verbot der erneuten Verbreitung der angegriffenen Äußerung dahingehend umgestellt hat, daß  die Unterlassung begehrt wird, durch diese Äußerung einen Eindruck zu erwecken, liegt ein ausreichend bestimmter Antrag im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vor: Sowohl die angegriffene Äußerung als auch der zu vermeidende Eindruck sind konkret bezeichnet worden. Mit der Umstellung seines Antrags hat der Kläger diesen nicht im Sinne des § 263 ZPO geändert, sondern lediglich im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO beschränkt, da das Verbot, durch eine Äußerung einen Eindruck zu erwecken, gegenüber dem auf die Äußerung selbst bezogenen Verbot eine Verringerung des Streitgegenstandes darstellt; diese führt allerdings, jedenfalls im vorliegenden Fall, nicht zu einer Änderung des Streitwertes, so daß  einer teilweisen Klagrücknahme nicht auszugehen war.
In der Sache kommt dem Unterlassungsbegehren jedoch kein Erfolg zu. Hierbei kann offen bleiben, ob es zutrifft, daß der Kläger für die Vertriebenen die Errichtung „ihres Mahnmals" im Hinblick auf bzw. veranlaßt durch den Bundestagsbeschluß für die Errichtung des sogenannten Holocaust-Mahnmais gefordert hat. Denn es ist schon fraglich, ob die streitgegenständiiche Äußerung den zwingenden Eindruck erweckt, der Kläger sei durch die Entscheidung des Bundestages veranlaßt worden, die Errichtung eines „Vertriebenen-Mahnmals" in Berlin zu fordern. Ein Unterlassungsanspruch käme jedoch nur in Betracht, wenn der angegriffene Eindruck zwingend erweckt würde: Denn bei der Annahme verdeckter Behauptungen ist besondere Zurückhaltung geboten, um die Spannungslage zwischen Ehrenschutz und Kritikfreiheit nicht einseitig unter Verletzung von Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu Lasten der letzteren zu verschieben. Bei der Ermittlung solcher verdeckter Aussagen ist zwischen der Mitteilung einzelner Fakten, aus denen der Leser eigene Schlüsse ziehen kann und soll, und der erst eigentlich Verdeckten Aussage des Autors zu unterscheiden, mit der dieser durch das Zusammenspiel der offenen Äußerungen eine zusätzliche Sachaussage macht bzw. sie dem Leser als unabweisliche Schlußfolgerungen nahelegt. Im Ehrenschutzprozeß kann unter dem Blickpunkt des Art. 5 Abs. 1 GG nur im zweiten Fall die 'verdeckte' Aussage einer 'offenen' Behauptung des Äußernden gleichgestellt werden. Denn der Betroffene kann sich in aller Regel nicht dagegen wehren, daß  der Leser aus den ihm 'offen' mitgeteilten Fakten eigene Schlüsse auf einen Sachverhalt zieht, für den die offenen Aussagen Anhaltspunkte bieten, der von fern kann der Autor verlangen, an seinem Text gemessen zu werden. Andernfalls würden in vielen Fällen Information und Kommunikation unmöglich gemacht. Deshalb bedarf es im Einzelfall genauer Prüfung, ob der Äußernde mit den 'offenen' Fakten dem Leser Schlußfolgerungen aufzwingt, die einen 'verdeckten' Sachverhalt ergeben (BGH NJW 1994, 1242, 1244).
Zwar wird in der streitgegenständlichen Äußerung durch die jeweilige Verwendung des Begriffes „Mahnmal" und des Wortes „auch" eine inhaltliche Parallelität nahegelegt; die Verwendung der Konjunktion „als", die die beiden Teilsätze zueinander in Beziehung setzt, ist jedoch zur Einleitung von Nebensätzen gebräuchlich, um die Gleichzeitigkeit zu der im Hauptsatz ausgedrückten Handlung zu bezeichnen (vgl. Wahrig, Deutsches Wörterbuch, Stichwort „als"). Mit dieser Verknüpfung werden ein zeitliches Nacheinander und eine kausale Verbindung zwischen den beiden Vorgängen zwar nicht ausgeschlossen, dem Leser aber auch nicht als zwingende Schlußfolgerung „aufgezwängt": Aus der Tatsache des zeitlichen Nebeneinander mag der Leser für sich die Schlußfolgerung ziehen, daß  sich hinter der Gleichzeitigkeit eine Kausalität verberge; einen derartigen Zusammenhang hat die Beklagte durch ihre Äußerung jedoch nicht unabweislich hergestellt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Verwendung des Verbes 'müßten'. Denn letztlich kann sich die Beklagte darauf berufen, ihrer journalistischen Sorgfaltspflicht in einem ausreichenden Maß  nachgekommen zu sein, indem sie sich als Quelle für ihre Äußerung der Meldung der anerkannten Presseagentur „dpa" vom 06.06.2000 (Anlage B 11) bedient hat. Für die Meldungen solcher anerkannten Nachrichtenagenturen gilt ein Vertrauensgrundsatz mit der Folge, daß  die pressemäßige Sorgfalt bei diesen in der Regel keine eigene Überprüfung des Wahrheitsgehaltes verlangt (Soehring, a.a.O., Rz. 2.21; Wenzel, a.a.O., Rz. 6.125). Vorliegend war von der „dpa" gemeldet worden, daß  der Kläger „nach der Entscheidung des Bundestages für die Holocaust-Mahnmal" „nun auch (...) eine zentrale Mahn- und Forschungsstätte im Zentrum Berlins verlangt" habe; Xxxxx des Klägers war zudem dahingehend zitiert worden, daß  sie „forderte", daß  die Einrichtung an das Schicksal der Heimatvertriebenen Deutschen erinnern und gleichzeitig Vertreibungen weltweit ächten solle. Gegenüber dieser Meldung, die ein zeitliches Nacheinander der jeweiligen Entscheidungen bzw. Forderungen zum Ausdruck bringt, bleibt die Äußerung der Beklagten in zeitlicher Hinsicht durch die bloße Verwendung der Konjunktion „als" zurück. Soweit die Äußerung der Beklagten durch die Verwendung der Worte „forderte" und „müßten" den Charakter eines zwingenden Verlangens erhalten haben sollte, findet dieser seine Stütze ebenfalls in der „dpa"-Me!dung mit ihren Formulierungen „verlangt" und „forderte". Schließlich wird in der „dpa"-Meldung durch die Formulierung, daß  der Kläger „nach" der Bundestag-Entscheidung „nun auch" eine zentrale Mahn- und Forschungsstelle verlange eine kausale Verbindung zwischen den Vorhaben dem Leser deutlicher nahegelegt, als dies durch die in der Wortwahl zurückhaltendere Äußerung der Beklagten geschehen ist. Im Ergebnis scheitert ein Unterlassungsanspruch des Klägers daher daran, daß  der angegriffene Eindruck nicht zwingend erweckt wird und im übrigen die Beklagte sich jedenfalls auf die privilegierte Quelle der „dpa“-Meldung berufen kann.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs.1, 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1 und 2, 711 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 3 ZPO (je € 20.000,00 pro angegriffener Äußerung).

Buske                        Weyhe                        Gläser

Kommentar:

Die zwölf Aktenordner der Gabriele Lesser - von Tomasz Potkaj

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 31.03.06
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