Landgericht Hamburg
URTEIL
Im Namen des
Volkes
Geschäfts - Nr. :
324 O 922/05
Verkündet am:
20.10.2006
In der Sache
...
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte: ...
gegen
...
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Urteil:
Der Beklagte hat an
den Kläger 25.000,00 EUR zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Zum
Sachverhalt
Die Klägerin begehrt von dem beklagten Medienunternehmen die
Zahlung einer Geldentschädigung wegen schwerer Verletzung ihres
allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch eine Presseveröffentlichung.
Hintergund war die Berichterstattung über einen Strafprozess vor
dem Amtsgericht Marburg. Wegen Beleidigung und Verbreitung
pornografischer Schriften war in dem Strafprozess ein Mann
angeklagt, der nach dem Scheitern einer Liebesbeziehung
pornografische Aufnahmen, die ihn und seine ehemalige Geliebte - die
Tante der Klägerin - zeigten und die er heimlich angefertigt hatte,
im Internet veröffentlicht hatte.
Die Klägerin selbst hatte mit dem Geschehen nichts zu tun. Über
den Strafprozess berichtete die Beklagte in der Ausgabe vom
26.7.2005 der von ihr verlegten Tageszeitung „XY“. Illustriert war
der Beitrag mit einer der in das Internet gestellten Aufnahmen, die
den Angeklagten und die Tante der Klägerin beim Oralverkehr zeigt
und auf der u.a. ein Teil des Gesichts der Frau mit einem
„Augenbalken“ überdeckt war, einer kleinen „gepixelten“ Aufnahme des
Angeklagten und einer großen Aufnahme, auf der Kopf und Oberkörper
einer Frau in Frontansicht zu sehen sind, wobei die Gesichtspartie
(Auge, Mund, Nase) grobflächig „gepixelt“ war. Diese Aufnahme zeigt
die Klägerin.
Die Klägerin meint, der Leser denke, sie sei die Person, deren
Liebhaber pornografische Bilder von ihr in das Internet gestellt
habe. Sie sei von einer Vielzahl von Personen, insbesondere von
Personen ihres näheren Umfelds - Freunde, Bekannte, Verwandte -
erkannt worden. Die Beklagte bestreitet, dass die Klägerin auf der
Aufnahme erkennbar sei.
Aus den Gründen
[...] 1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 1
BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ein Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung i.H.v. [Euro ] 25.000,00 zu.
Bei dem Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen einer
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich um
einen Rechtsbehelf, der auf den Schutzauftrag aus Art. 1 Abs. 1, 2
Abs. 1 GG zurückgeht; die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht
auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der
Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der
Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde.
Der Anspruch auf eine Geldentschädigung steht dem Opfer einer
schuldhaften Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu,
wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die
Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen
werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung des
Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer
Geldentschädigung erfordert, hängt insb. von der Bedeutung und
Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlass und Beweggrund des
Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab und setzt grds.
das Fehlen anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten voraus (BGHZ 128, 1
ff. = NJW 1995, 861 ff., 864 f.). Diese Anspruchsvoraussetzungen
liegen hier vor.
a) In der Veröffentlichung der beanstandeten Aufnahme lag eine
Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin, indem
durch diese Veröffentlichung zum einen ihr Recht am eigenen Bild (§§
22, 23 Abs. 1 KUG) verletzt worden ist - die Klägerin war keine
Person der Zeitgeschichte i.S.v. § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, da sie mit
dem Geschehen, das den Gegenstand der Berichterstattung bildete,
nichts zu tun hatte und zum anderen mit der Berichterstattung die
unzutreffende - und zur Minderung des Ansehens der Kl. in der
Öffentlichkeit geeignete (§ 186 StGB) - Behauptung verbreitet worden
ist, dass es sich bei der Kl. um die Frau handle, von der Bilder,
die sie bei der Vornahme sexueller Handlungen zeigen, in das
Internet gestellt worden seien.
Die Klägerin ist von der angegriffenen Berichterstattung
betroffen. Sie ist auf dem Bild erkennbar. Erkennbar ist eine
abgebildete Person schon dann, wenn sie begründeten Anlass hat
anzunehmen, dass sie nach der Art der Abbildung erkannt werden
könne, weil es der betroffenen Person naturgemäß nicht zugemutet
werden kann, im Einzelnen darzulegen, welche Personen das
veröffentlichte Bild wahrgenommen und sie darauf erkannt haben (BGH
NJW 1971, 698 ff., 700). ... Eine Erkennbarkeit in diesem Sinne war
auf Grund der beanstandeten Aufnahme gegeben. Auf dieser sind zwar
die Einzelheiten der Gesichtszüge der Klägerin infolge der „Pixelung“
nicht zu erkennen; deutlich zu sehen auf der veröffentlichten
Aufnahme sind aber ihre Kopfform, Ohren, Frisur, Körperhaltung und
ihre Kleidung. [...]
Die Bildveröffentlichung verletzte nicht allein das Recht der
Klägerin am eigenen Bild. In der konkreten Verwendung der Fotografie
zur Illustrierung eines Beitrags über den Prozess gegen einen Mann,
der sexuelle Handlungen zeigende Bilder seiner ehemaligen
Lebensgefährtin in das Internet gestellt hat, lag zugleich die
Behauptung, dass die abgebildete Frau auch die betroffene Frau sei;
anders kann die Bildnisbeigabe schlechthin nicht verstanden werden.
[...]
Die beanstandete Veröffentlichung war rechtswidrig. Sie war
weder, wie bereits ausgeführt, durch § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gedeckt,
noch durch Art. 5 Abs. 1 GG, denn die in der Bildnisveröffentlichung
liegende Behauptung war unwahr. Die Rechtsverletzung ist auch
schuldhaft erfolgt, indem der beanstandeten Veröffentlichung keine
erkennbare Recherche zu Grunde lag.
Die schuldhaft rechtswidrige Veröffentlichung stellt auch eine
schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der
Klägerin dar. Sie verletzt nicht nur das Recht der Kl. am eigenen
Bild und ist geeignet, das Ansehen der Klägerin herabzusetzen; in
der Behauptung, Bilder, die die Kl. bei sexuellen Handlungen zeigen,
seien im Internet frei zugänglich gezeigt worden, liegt zugleich ein
besonders schwerer Eingriff in die Intimsphäre der Klägerin, der
durch die Beigabe eines Beispielfotos noch erhebliches zusätzliches
Gewicht erhält. Diese Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts beruhte zudem auf einem schweren Verschulden
der Beklagten. Denn Medienunternehmen, die Bildnisse
veröffentlichen, sind ohnehin schon verpflichtet, gründlich zu
prüfen, ob eine Veröffentlichungsbefugnis besteht und wie weit diese
reicht (BGH GRUR 1962, 211 ff., 214); diese Prüfungspflicht ist
naturgemäß dann besonders hoch, wenn es sich um Bilder aus einem
derart „brisanten“ Bereich handelt wie dem, der den Gegenstand der
Berichterstattung bildete. War es danach schon höchst zweifelhaft,
ob überhaupt Bildnisse der betroffenen Frau hätten gezeigt werden
dürfen, so musste unter allen Umständen Sorge dafür getragen werden,
nicht unbeteiligte Personen ohne deren Willen in das Geschehen
einzubeziehen. In ihrer diesbezüglichen Sorglosigkeit hat sich die
Beklagte in besonders vorwerfbarer Weise über die
persönlichkeitsrechtlichen Interessen der Kl. hinweggesetzt.
Andere, die Verletzungsintensität auf zumutbare Weise mindernde
Rechtsbehelfe standen der Kl. nicht zu Gebote. Schon dem bloßen
Unterlassungsanspruch hat die Bekl. sich widersetzt, was darauf
hindeutet, dass die Klägerin eine Richtigstellung allenfalls über
einen aufwendigen Prozess hätte erstreiten können. [...]
b) Die schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts
der Klägerin rechtfertigt die Zuerkennung einer Geldentschädigung
i.H.v. [Euro ] 25.000,00.
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