erkennt das Landgericht
Hamburg, Zivilkammer 24,
im schriftlichen Verfahren, in dem Schriftsätze eingereicht
werden konnten
bis zum 15. Dezember 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske
den Richter am Landgericht Zink,
den Richter am Landgericht Dr. Korte
für Recht:
I. Auf den Kostenwiderspruch der
Antragsgegnerin wird die einstweilige Verfügung vom 15.
November 2006 im Kostenpunkt aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die
Antragstellerin zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die
Zwangsvollstreckung durch die Antragsgegnerin durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die
Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschließt:
Der Streitwert für das Erlassverfahren
wird auf Euro 50.000,00 festgesetzt, der Streitwert für das
Widerspruchsverfahren auf Euro 1.200,00.
Tatbestand
Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrem auf
den Kostenausspruch beschränkten Widerspruch gegen die
einstweilige Verfügung vom 15. November 2006, soweit ihr in
Ziffer II. des Beschlusses anteilig die Kosten auferlegt
wurden.
Die Antragstellerin betreibt unter der
Marke "r" Warenhäuser. Die Antragsgegnerin ist als
Diensteanbieter für den Internetauftritt der
Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands (ARD)
verantwortlich. Unter der Domain "DasErste.de" hielt sie u.
a. einen redaktionellen Text zur " plusminus
"-Sendung vom 12. September 2006 bereit. In dieser Sendung,
die über das Gemeinschaftsprogramm der ARD bundesweit
ausgestrahlt worden ist, wurde über den so genannten
"Gammelfleisch-Handel" berichtet. In diesem Zusammenhang
wurde das Unternehmen der Antragstellerin genannt, bei der
im März 2005 in zwei Märkten Verstöße gegen das
Lebensmittelrecht festgestellt worden waren. Nach
fruchtloser Abmahnung erwirkte die Antragstellerin gegen den
Norddeutschen Rundfunk (NDR) eine einstweiligen Verfügung
vom 9. Oktober 2006, durch die diesem verboten wurde, durch
die zitierte Berichterstattung den Verdacht zu erwecken,
ihre Geschäftsleitung habe davon gewusst, dass im Frühjahr
2005 in Filialen ihrer Supermarktkette altes Fleisch neu
verpackt wurde. In dem Beitrag der Antragsgegnerin, der die
Sendung zusammenfassend darstellt, wird unter der
Überschrift "Gammelfleisch ohne Ende" berichtet (Anlage Ast
2):
"Zum Beispiel der Fall "R". Dort kam im
März ein Umetikettierungsskandal an die Öffentlichkeit.
Heimlich gemachte Filmaufnahmen haben bewiesen:
Mitarbeiter verpackten abgelaufenes Fleisch neu und
versahen die Packungen mit neuem
Mindesthaltbarkeitsdatum. Die Unternehmensleitung
behauptete, nichts von der Umetikettierung zu wissen,
und das Unternehmen "R" musste keine Strafe zahlen. Ein
unhaltbarer Zustand, finden Verbraucherschützer."
Die Antragstellerin mochte auch diese
Berichterstattung nicht hinnehmen. Mit Schreiben vom 16.
Oktober 2006 (Anlage Ast 6) ließ sie auch die
Antragsgegnerin auffordern, es zu unterlassen, durch die
zitierte Berichterstattung den Verdacht zu erwecken, ihre
Geschäftsleitung habe davon gewusst, dass im Frühjahr 2005
in Filialen ihrer Supermarktkette altes Fleisch neu verpackt
wurde. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 (Anlage Ast 7)
ließ die Antragsgegnerin mitteilen, dass sie die begehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht abgeben werde,
weil der reklamierte Verdacht ihrer Ansicht nach nicht
erweckt werde. Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2006 stellte
die Antragstellerin den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Verfügung, nach dessen Ziffer 2. deren Tenor
dem Unterlassungsbegehren aus der Abmahnung entsprechen
sollte und nach dessen Ziffer 1. der Antragsgegnerin weiter
verboten werden sollte, durch die zitierte Äußerung den
Eindruck zu erwecken, bei der Antragstellerin habe es im
März 2006 einen Umetikettierungs- Skandal gegeben. Nachdem
die Antragstellerin den Antrag zu Ziffer 2 zurückgenommen
hatte, ist durch Beschluss der Kammer vom 15. November 2006
die einstweilige Verfügung gemäß dem Antrag zu Ziffer 1
erlassen worden, gegen deren Entscheidung im Kostenpunkt
sich der Kostenwiderspruch der Antragsgegnerin richtet.
Die Antragsgegnerin rügt das Fehlen
einer Abmahnung hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 1., dem
durch die einstweilige Verfügung entsprochen worden ist.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Kostenentscheidung der einstweiligen
Verfügung vom 15. 11. 2006 in Ziffer II. abzuändern und
der Antragstellerin die Kosten des Rechtsstreits
aufzuerlegen.
Die Antragsstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 15. 11.
2006 im Kostenausspruch zu bestätigen.
Sie ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin
durch ihr Verhalten auch ohne vorherige Abmahnung
hinreichende Veranlassung zu der Stellung des Antrags auf
Erlass der einstweiligen Verfügung gegeben habe.
Wegen der Einzelheiten wird auf die
zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen und den Beschluss der Kammer vom 15. November 2006
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Der zulässige Kostenwiderspruch ist
begründet. Der Antragstellerin sind die gesamten Kosten des
Erlass- und des Widerspruchsverfahrens aufzuerlegen.
1. Für die Kosten des Erlassverfahrens
ergibt sich dies über den aus § 269 Abs. 3 ZPO folgenden
Teil hinaus aus der entsprechenden Anwendung des § 93 ZPO.
Die Antragsgegnerin hat den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch durch Abgabe der Abschlusserklärung
sowie durch Beschränkung des Widerspruchs auf die
Kostenentscheidung sofort anerkannt. Auch die weiteren
Voraussetzungen dieser Norm liegen vor. Die Antragsgegnerin
hat der Antragstellerin keine Veranlassung gegeben, den
Antrag zu Ziffer 1 gerichtlich zu verfolgen, ohne sie zuvor
hinsichtlich des beanstandeten Eindrucks abzumahnen.
Wann eine Veranlassung zur
Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe gegeben ist, bestimmt
sich nach Sinn und Zweck des § 93 ZPO (vgl.: LG Hamburg,
Urt. v. 19.3.2004, GRUR-RR 2004, S. 191). Veranlassung zur
Erhebung einer Klage oder Einreichung des Antrags auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung gibt der Beklagte oder
Antragsgegner danach durch ein Verhalten, das
vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines
Prozesses rechtfertigt (BGH, Urt. v. 27. 6. 1979, NJW 1979,
S. 2040 ff., 2041; Hartmann in
Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 93 Rn. 29 m.w.N.),
wenn also der Antragsteller bei vernünftiger Würdigung
annehmen muss, ohne Anrufung des Gerichts sein
Rechtsschutzziel nicht erreichen zu können (LG Hamburg aaO.;
MünchKomm ZPO, 2. Aufl., § 93 Rn. 7; Zöller, ZPO, 26. Aufl.,
§ 93 Rn. 3). Diese Annahme ist bei wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsfällen regelmäßig erst dann gerechtfertigt,
wenn der Antragsgegner auf eine Abmahnung nicht oder negativ
reagiert (vgl.: Teplitzky, "Wettbewerbsrechtliche Ansprüche
und Verfahren", 8. Auflage, Kap. 41, Rn. 7; Gloy, "Handbuch
des Wettbewerbsrechts", 2. Auflage, § 60, Rn. 3; Zöller, §
93 ZPO, Rn. 6). Dies gilt auch für äußerungsrechtliche
Streitigkeiten (vgl. nur: OLG München, Beschl. v. 2. 5.
2000, NJW-RR 2001, S. 42; OLG Celle, Urt. v. 17. 7. 1996,
AfP 1997, S. 819 f., 820; OLG Frankfurt a. M., Beschl. v.
23. 8. 1990, AfP 1991, S. 627; OLG Köln, Beschl. v. 1. 8.
1994, AfP 1995, S. 506; Beschl. v. 19. 7. 1989, AfP 1990, S.
51; Soehring, "Presserecht", 3. Auflage, Rn. 30.15; Wenzel,
"Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung", 5. Auflage,
Kapitel 10, Rn. 94). Der Antragsteller muss daher, will er
das Risiko der Kostenfolge des § 93 ZPO ausschließen, vor
Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich
versuchen, den Äußernden zur Abgabe einer
Unterlassungserklärung zu bewegen. Dabei muss die Abmahnung
so genau sein, dass der Abgemahnte erkennen kann, warum er
in Anspruch genommen wird (vgl.: OLG München, Beschl. v. 11.
8. 1993, WRP 1994, S. 56, 57; Zöller, § 93, Rn. 6; Gloy, §
60, Rn. 14). Außerdem muss sich der abgemahnte Sachverhalt
mit dem später gestellten Antrag im Verfügungsverfahren
decken (vgl.: OLG Hamburg, Beschl. v. 20. 7. 2006, Az.: 5 W
86/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18. 3. 1987, WRP 1988, S.
107, 108). Letzteres war hier hinsichtlich des Teils des
Antrages, hinsichtlich dessen die einstweilige Verfügung
erlassen worden ist, nicht der Fall. Denn die Abmahnung der
Antragstellerin vom 16. Oktober 2006 hatte diesen Anspruch
nicht umfasst. Dass die Antragstellerin auch hinsichtlich
dieses Aspektes Unterlassung begehre, wird in der Abmahnung
nicht erwähnt, und zwar weder in dem Aufforderungsschreiben
noch in der diesem beigefügten Entwurf der
Unterlassungsverpflichtungserklärung.
Es ist auch keiner der Fälle gegeben,
in denen eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise entbehrlich
ist. Es sind insbesondere zwei Fallgruppen anerkannt,
nämlich die Fälle, in denen der Antragsteller davon ausgehen
kann, dass eine Abmahnung das Verhalten des Abgemahnten
nicht beeinflussen werde, und die Fälle, in denen eine
Abmahnung dem Gläubiger aus rechtlich anzuerkennenden
Gründen nicht zumutbar ist (vgl.: Teplitzky, § 41, Rn. 21;
Gloy, § 60, Rn. 5; Prinz/Peters, "Presserecht", Kap. 12, Rn.
362). Keine dieser Fallgruppen ist hier gegeben.
Die Antragstellerin durfte vorliegend
nicht von der Nutzlosigkeit einer vorherigen Abmahnung
ausgehen. Anhaltspunkte von hinreichendem Gewicht (vgl.
dazu: Teplitzky, § 41, Rn. 23) dafür, dass eine Abmahnung
mit entsprechendem Inhalt nutzlos sein würde, waren nicht
gegeben. Die negative Reaktion der Antragsgegnerin auf die
Abmahnung vom 16. Oktober 2006 stellt schon deshalb keinen
derartigen Anhaltspunkt dar, weil die Antragsgegnerin sich
in ihrem Schreiben vom 18. Oktober 2006 nur mit dem in der
Abmahnung beanstandeten Verdacht auseinandersetzt und sich
zu dem erst später mit Ziffer 1 des Verfügungsantrags
angegriffenen Eindruck nicht verhält. Dazu bestand aus Sicht
der Antragsgegnerin aufgrund der Abmahnung der
Antragstellerin auch kein Anlass, weil der mit dem
Verfügungsantrag bekämpfte Eindruck in eine ganz andere
Richtung geht als die mit der Abmahnung beanstandete
Verdachtserweckung (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation
auch: OLG Hamburg, Beschl. v. 29. 11. 2001, Az.: 3 W
167/01). Denn während in der Abmahnung die darin bezeichnete
redaktionelle Darstellung in ihrer Zielsetzung angegriffen
wird, geht es bei dem späteren Verfügungsantrag zu Ziffer 1
letztlich nur um die Klarstellung einer lediglich ungenauen
Formulierung, an deren Korrektur die Antragsgegnerin als aus
Art. 4 Abs. 1 Satz 3, 4 a Abs. 3 Satz 1 des Bayerischen
Rundfunkgesetzes zu zutreffender Berichterstattung
öffentlich-rechtlich verpflichtetes Publikationsorgan zudem
ein eigenes Interesse gehabt hätte. Das Antwortschreiben vom
18. Oktober 2006 zeigt auch nicht etwa, dass die
Antragsgegnerin nicht gewillt gewesen wäre, sich in der
Sache mit ihrem Onlinebeitrag auseinander zu setzten; denn
sie hat zu dem abgemahnten Tatbestand inhaltlich in
sachlicher Form Stellung genommen und ausgeführt, weshalb
sie die begehrte Unterlassungserklärung nicht abgeben wolle.
Die Antragsgegnerin hat damit ihre Bereitschaft gezeigt,
erhobene Beanstandungen ernsthaft zu würdigen. Die
Antragstellerin durfte auch nicht deswegen von einer
Erfolglosigkeit einer weiteren Abmahnung ausgehen, weil sie
hinsichtlich des beanstandeten Verdachts eine gegen den NDR
gerichtete einstweilige Verfügung erwirkt hatte, in deren
Tenor der Vorgang der Neuverpackung auf das Frühjahr 2005
datiert war. Es erscheint schon zweifelhaft, ob die
Antragsgegnerin sich aufgrund der gemeinsamen Mitgliedschaft
in der ARD die Kenntnis vom Inhalt dieser einstweiligen
Verfügung hätte zurechnen lassen müssen; selbst dann aber,
wenn das der Fall wäre, ergäbe sich hieraus nicht, dass eine
Abmahnung hinsichtlich des mit dem Verfügungsantrag
angegriffenen Eindrucks entbehrlich gewesen wäre, weil, wie
ausgeführt, das gegen den NDR erwirkte Verbot in eine
deutlich andere Richtung ging als das mit Ziffer 1. des
Verfügungsantrags gegen die Antragsgegnerin erstrebte
Verbot.
Eine vorherige Abmahnung der
Antragsgegnerin war der Antragstellerin auch nicht
unzumutbar. Der Fehler in dem Beitrag der Antragsgegnerin
war nicht derartig gravierend, dass bei vernünftiger
Betrachtung eine außergerichtliche Klärung als von
vornherein aussichtslos erschienen wäre (vgl.: OLG Köln,
Beschl. v. 19. 7. 1989, AfP 1990, S. 51, 52). Bei
äußerungsrechtlichen Streitigkeiten mag dies angenommen
werden können, wenn der Verbreiter der angegriffenen
Äußerung die journalistische Sorgfaltspflicht in besonders
grober Weise verletzt hat (OLG München, Beschl. v. 2. 5.
2000, NJW-RR 2001, S. 42, 43; OLG Köln, Beschl. v. 1. 8.
1994, AfP 1995, S. 506, 507; Beschl. v. 19. 7. 1989, AfP
1990, S. 51, 52; Prinz/Peters, Kap. 12, Rn. 362). Ein
solcher Fall ist hinsichtlich der bloßen Ungenauigkeit in
dem Beitrag der Antragsgegnerin jedoch ersichtlich nicht
gegeben. Schon dies hat die Kammer veranlasst, in ihrem
Beschluss vom 15. November 2006 den Wert des
Verfügungsantrags zu Ziffer 1. gegenüber dem zu Ziffer 2.
mit nur ¼ anzusetzen.
2. Die Kostenentscheidung hinsichtlich
des Widerspruchsverfahrens beruht auf § 91 ZPO, die
Streitwertbemessung auf §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO.
Buske
Zink
Dr. Korte
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Rolf Schäike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 10.05.08 Impressum