Landgericht Hamburg
Zivilkammer 24 |
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324 O 768/93
BESCHLUSS
im Ordnungsmittelverfahren
vom 14.11.94
In Sachen
Dr. Gregor Gysi,
MdDB,
Berlin
-
Gläubiger -
Prozessbevollmächtigte
Rechtsanwälte Dr. Senfft pp.,
Schlüterstraße 6, 20146 Hamburg
Gz.: Se/ha, GK.: 262
gegen
1) Bärbel Bohley,
Berlin
2) ---
- Schuldnerin -
Prozessbevollmächtigte : Rechtsanwälte
Quack pp.
Deichstraße 11, 20146 Hamburg
beschließt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24,
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Ficus
den Richter am Landgericht
Meyer
den Richter Schulz
Gegen die Schuldnerin (Antragsgegnerin zu
1.) wird auf Antrag des Gläubigers vom 13. Oktober 1994 wegen
Zuwiderhandlung gegen das in der einstweiligen Verfügung vom 24.
November 1993 ausgesprochene Verbot,
zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten
oder verbreiten zu lassen,
der Antragsteller sei ein Stasi-Spitzel
gewesen,
gemäß § 890 Abs. 1 ZPO ein Ordnungsgeld von DM
3.000,-- ersatzweise für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden
kann, für je DM 500,- ein Tag Ordnungshaft verhängt.
Die Kosten des Bestrafungsverfahren trägt die
Schuldnerin nach einem Streitwert von DM 4.000,--.
Gründe:
Das verhängte Ordnungsmittel ist gemäß § 890
Abs. l ZPO gerechtfertigt, denn die "Schuldnerin hat schuldhaft gegen
die Unterlassungsverpflichtung verstoßen, die ihr mit der - vom
Hanseatischen. Oberlandesgericht nunmehr durch Urteil vom 13. Oktober
1994 bestätigten - einstweiligen Verfügung vom 24. November 1993
auferlegt worden war.
Die der Schuldnerin zur Last fallende
Zuwiderhandlung liegt darin, daß sie nach der am 26. November 1993
erfolgten Zustellung der einstweiligen Verfügung dem Nachrichtenmagazin
"FOCUS" ein Interview gegeben hat und in diesem auf die Frage: "Rainer
Eppelmann war Zeuge, bestätigt Katja Havemanns Erinnerung. Gysi
behauptet aber auch, zu DDR-Zeiten ein unabhängiger Anwalt gewesen zu
sein." erklärte: "Wenn er das war, muß er sich erst recht den IM-Vorwurf
gefallen lassen. Wen sonst als einen eigenen Mann hätte denn die Stasi
unabhängig und frei agieren lassen?" ("FOCUS" Nr. 41/94 vom 10. Oktober
1994, Anlage B III 1).
Mit dieser Äußerung hat die Schuldnerin gegen
die ihr auferlegte Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Sie hat zwar in
Bezug auf den Gläubiger nicht die Worte "Stasi-Spitzel" gebraucht,
sondern vielmehr geäußert, der Gläubiger müsse sich den "IM-Vorwurf"
gefallen lassen. Diese abweichende Wortwahl ist aber unerheblich. Denn
es ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß sich der zur Unterlassung
Verpflichtete nicht durch jede Änderung der Verletzungsform einer
gerichtlichen Verbotsverfügung entziehen kann, sondern auch solche
Änderungen, die den Kern der Verletzungsform unberührt lassen, von dem
Rechtsfolgenausspruch umfaßt werden (vergleiche BGHZ 5, Seite 189,
193/194).
Um einen solchen Verstoß, der den Kern der
Verletzungsform unberührt läßt, handelt es sich vorliegend. Es ist,
allgemein bekannt, däß das Kürzel "IM" für ."Informeller Mitarbeiter"
des Staatsicherheitsdienstes der ehemaligen DDR steht und mit diesem
Begriff im Sprachgebrauch des Staatssicherheitsdienstes jene
Personen bezeichnet wurden, die dem Staatssicherheitsdienst als
nebenamtliche Kräfte unter dem Deckmantel ihrer in der Regel
bürgerlichen Existenz unter Ausnutzung ihrer (haupt-)beruflichen
Stellung und/oder eines auf familiären, freundschaftlichen oder
beruflichen Bindungen beruhenden Vertrauensverhältnisses Informationen
über Dritte, insbesondere deren Meinungen, Denkweisen -und Pläne, ohne
deren Wissen verschafften. Für nichts anderes steht letztendlich auch
der Begriff "Stasi-Spitzel".
Danach kann es für einen verständigen Leser
des in "FOCUS" veröffentlichten, oben auszugsweise zitierten Interviews
nicht zweifelhaft sein, daß die Schuldnerin den Gläubiger neuerlich der
Spitzeltätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der ehemaligen DDR
bezichtigt. An diesem Ergebnis vermag auch der Umstand nichts zu
ändern, daß die Schuldnerin ihre in Rede stehende Äußerung dahingehend
gefaßt hat, der Gläubiger müsse sich den (IM-)Vorwurf gefallen lassen;
diese Formulierung beinhaltet die Behauptung, "daß der Gläubiger"
Informeller Mitarbeiter - und .damit Spltzel gewesen sei, denn einen
Vorwurf muß sich nur gefallen lassen, die ihm angelastete Tat begangen
hat bzw. der ihm angelasteten Tätigkeit auch nachgegangen ist.
Bei der Bemessung des Ordnungsgeldes war zu
Ungunsten der Schuldnerin das ihr zu Last fallende erhebliche
Verschulden zu berücksichtigen. Nunmehr bereits zum dritten male hat die
Schuldnerin gegen das ihr auferlegte Verbot verstoßen. In den beiden
vorausgegangenen Fällen, auch dort handelte es sich jeweils um
Äußerungen in Presseinterviews, verhängte die Kammer jeweils ein
Ordnungsgeld von DM 1000,-- (vergleiche Beschlüsse der Kammer vom 15.
März 1004), ohne dass ie Schuldnerin sich davon hätte beeindrucken
lassen.
Unter diesen Umstränden erachtet die Kammer
auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Schuldnerin, die
bei einer Privatüerson deutlich geringer ist als bei einem
Wirtschaftsunternehmen, die Verhängung eines Ordnungsgeldes von DM
3.000,-- für erforderlich, aber auch ausreichend, um die Schuldnerin zur
zukünftigen Beachtung des gerichtlichen Verbots anzuhalten.
Ficus
Meyer
Schulz
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 02.03.06
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