Landgericht Hamburg
U R T E I L
Im Namen des Volkes
Geschäfts-Nr.: 324 O 699/00
Verkündet am: 12.4.2002
Feuerhahn, JAe als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Sache
minderjährigen Andrea Casiraghi, vertreten durch seine Mutter Prinzessin
Caroline von Hannover
...
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 24 auf die mündliche
Verhandlung vom 18.1.2002 durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Buske den Richter am Landgericht
Dr. Weyhe die Richterin am Amtsgericht Döring
für Recht:
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.400,-
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in der
gleichen Höhe leistet;
und beschließt:
Der Streitwert wird auf € 15.338,76 (= DM 30.000,-) festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte wegen mehrerer Presseveröffentlichungen auf
Zahlung einer Geldentschädigung in Anspruch.
Der am 8.6.1984 geborene Kläger ist der älteste Sohn von Caroline Prinzessin
von Hannover, die ihrerseits die älteste Tochter des regierenden Fürsten von
Monaco ist.
Im Verlag der Beklagten erscheint die Zeitschrift "Bunte". In der Ausgabe
52/97 dieser Zeitschrift veröffentlichte die Beklagte unter der Überschrift "Das
große Weihnachts-Gewinn-Spiel" auf der Titelseite und auf Seite 16 eine
Zeichnung des Illustrators Melki (Anlage K 1). Diese zeigte - dem Motiv einer
alten Familienaufnahme aus dem Jahre 1970 nachempfunden - den Kläger mit seiner
Mutter, seinen Geschwistern Pierre und Charlotte Casiraghi sowie den späteren
Ehemann der Mutter des Klägers, Ernst August Prinz von Hannover, in einer
fiktiven Weihnachtsszene. Auf der Titelseite konnten in dieser Abbildung nach
Art eines Weihnachtskalenders Türen geöffnet werden, hinter denen sich die
Preise des "Bunte-Gewinnspiels" befanden. Des weiteren war die Abbildung auf der
Titelseite durch einen zusätzlichen knapp die halbe Seitenbreite einnehmenden
und mit verschiedenen Textblöcken versehenen - Umhefter dergestalt abgedeckt,
daß die Abbildung im Ganzen erst nach Umklappen dieser "halben" Titelseite
sichtbar wurde; auf dem dieserart abgedeckten Teil der Abbildung findet sich das
Bildnis des Klägers. Wegen der weiteren Einzelheiten dieser Veröffentlichung
wird auf die als Anlage K 1 eingereichte Kopie Bezug genommen.
Mit einstweiliger Verfügung vom 22.12.1997 (324 O 956/97) und Urteil im
Hauptsacheverfahren vom 3.4.1998 (324 O 59/98) hatte die Kammer der Beklagten
die erneute Veröffentlichung dieser Illustration verboten; Berufung gegen das
genannte Urteil hat die Beklagte nicht eingelegt.
Im vorliegenden Verfahren macht der Kläger eine Geldentschädigung geltend,
wobei er einen Betrag in Höhe von mindestens DM 30.000,00 (= € 15.338,76) für
angemessen hält. Zur Begründung führt er an, daß er es nicht hinnehmen müsse, im
Wege einer Zeichnung in privaten Lebenssituationen dargestellt zu werden, die es
so oder ähnlich nicht gebe. Die Vorstellung, daß er sich smokingtragend und mit
weiteren derart "herausgeputzten" Familienmitgliedern unter dem Weihnachtsbaum
einfinde, sei "geradezu absurd" und verfälsche sein Lebensbild erheblich. Die
besondere Schwere der Verletzung ergebe sich weiterhin aus der Vereinnahmung für
die kornmerziellen Interessen der Beklagten ("Weihnachts-Gewinnspiel"). Eine
solche Zwangskommerzialisierung stelle immer einen besonders schweren und damit
entschädigungspflichtigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen
dar, denn der Werbetreibende setze sich in diesen Fällen ganz besonders über die
Selbstverständlichkeit hinweg, daß man niemanden ohne dessen Einwilligung vor
den eigenen Werbekarren spannen dürfe. Darüber hinaus stehe ihm aber auch unter
dem Gesichtspunkt der Hartnäckigkeit im Sinne der Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vorn 12.12.1995 (NJW 1996,985) eine Geldentschädigung zu.
Die bewußte und offenkundige Mißachtung des erklärten Willens des Abgebildeten
gebiete eine Geldentschädigung, auch ohne daß es auf die Schwere der einzelnen
Verletzungen ankomme. Die besondere Hartnäckigkeit in der Verletzungstätigkeit
der Beklagten liege hier darin, daß die Beklagte sich - was unstreitig ist -
bereits im Jahre 1996 im Verfahren 7 U 193/96 wegen diverser
Bildnis-Veröffentlichungen vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht per Vergleich
zur Zahlung von DM 30.000,- an ihn und seine Geschwister verpflichtet habe.
Ebenfalls unstreitig hatten jenem Verfahren verschiedene Foto-Veröffentlichungen
in folgenden Publikationen zugrunde gelegen: "Bunte" Nr. 4/93, "Bunte" Nr.
22/93, "Freizeit Revue" Nr.34/93, "Freizeit Revue" Nr.24/95, "Bunte" Nr. 24/95
und Bunte" Nr. 3/97; gegen diese Veröffentlichungen war der hiesige Kläger
jeweils durch Abmahnungen vorgegangen; in einigen Fällen erwirkte er
einstweiligen Verfügungen der Kammer.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn - den Kläger - eine Geldentschädigung
nebst 8,42% Zinsen hieraus seit dem 11.11.2000 zu bezahlen, wobei die Höhe der
Entschädigung in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, den Betrag von DM
30.000,- jedoch nicht unterschreiten solle.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Ansicht, daß keine der Voraussetzungen für eine
Geldentschädigung vorlägen. Zum einen handele es sich bei der
"Weihnachtsillustration" um eine völlig harmlose Darstellung, die nicht in das
Persönlichkeitsrecht des Klägers eingreife. Der Kläger habe nicht mal
vorgetragen, wann und wie er Kenntnis von der Veröffentlichung genommen habe und
ob er beispielsweise darauf angesprochen worden sei. Es fehle hier auch an einem
schweren Verschulden ihrerseits, da sie, die Beklagte, habe davon ausgehen
dürfen, daß die Veröffentlichung zulässig sei. in den Jahren zuvor habe sie
immer wieder vergleichbare Titelbilder im Rahmen der Weihnachtsausgabe
veröffentlicht und auch ein Gewinnspiel angekündigt. Eine Beanstandung sei zuvor
nicht erfolgt. Außerdem habe es bereits früher reale Weihnachtsbilder der
monegassischen Fürstenfamilie gegeben, weshalb sie zumindest von einer Duldung
habe ausgehen können. Zudem handele es sich um eine von Art. 5 Abs. 1 GG
gedeckte Satire des bekannten Zeichners Melki. Darüber hinaus handele es sich um
eine fiktive Szene, was auch für den Leser erkennbar sei. Die Veröffentlichung
werde auch nicht dadurch rechtswidrig, weil auf dem Titel ein Gewinnspiel
angekündigt worden sei. Kein Leser werde auf die Idee kommen, daß dieses
Gewinnspiel irgend etwas mit den dargestellten Persönlichkeiten zu tun habe.
Außerdem habe der Kläger deutlich gemacht, daß es an einem Genugtuungsinteresse
fehle, da er annähernd drei Jahre lang selbst nicht auf den Gedanken einer
schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung gekommen sei. Die vom Kläger
behauptete "Hartnäckigkeit" sei nicht gegeben. Gegenstand aller vom Kläger
angeführten Verfahren seien Fotos und keine Zeichnungen offensichtlich fiktiven
Charakters gewesen. Auch sei unklar, wie eine einzige Veröffentlichung, die noch
dazu mehr als drei Jahre zurückliege, das Tatbestandsmerkmal der
"Hartnäckigkeit" begründen solle. Außerdem sei der geltend gemachte Anspruch
jedenfalls deutlich überhöht.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien in
diesem Rechtsstreit eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch auf
Zahlung einer Geldentschädigung steht dem Kläger unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkt zu. Die hier angegriffene Bildnisveröffentlichung stellt für sich
betrachtet nicht eine derart schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar,
daß die Zahlung einer Geldentschädigung unabweislich wäre (1.). Auch bei einer
Gesamtschau dieser Veröffentlichung mit den vom Kläger angeführten früheren
Bildnisveröffentlichungen ist kein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung
gegeben (2.).
1 . Zwar verletzte die Verbreitung der den Kläger zeigenden Illustration
diesen in seinem Recht am eigenen Bild, da die Veröffentlichung dieses ihn
zeigenden Bildnisses ohne seine Einwilligung erfolgte, obwohl eine solche nicht
entbehrlich war; zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die diesbezüglichen
Ausführungen der Kammer in dem den Parteien bekannten Urteil vom 3.4.1998 im
damaligen (Hauptsache-) Unterlassungsverfahren wegen eben dieser Illustration
(Az. 324 0 59/98) Bezug genommen.
Aber nicht jede Verletzung des Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am
eigenen Bild löst einen Anspruch des Betroffenen auf Geldentschädigung gegen den
Verletzer aus. Ein solcher Anspruch kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um
einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer
Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung
des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die die Zahlung einer Geldentschädigung
erfordert, hängt insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs,
ferner von Anlaß und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines
Verschuldens ab; bei Gesamtabwägung aller Umstände muß ein unabwendbares
Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung zu bejahen sein (vgl. BGH
NJW 1996, 985 f; OLG Koblenz NJW 1997, 1375 f; Wenzel, Das Recht der Wart- und
Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 14.95; Soehring, Presserecht, 3. Aufl.,
Rz.32.20). Im vorliegenden Fall ist indes bei Abwägung aller Umstände ein
derartiges unabwendbares Bedürfnis für die Zuerkennung einer Geldentschädigung
wegen dieser BildnisVeröffentlichung zu verneinen:
a. Allerdings handelt es sich vorliegend nicht um eine reine
Bildnis-Veröffentlichung (die in der Regel einen Anspruch auf Zahlung einer
Geldentschädigung nicht zu begründen vermag), sondern das Bildnis des Klägers
wird durch die Veröffentlichung in dem gegebenen Kontext auch zu kommerziellen,
nämlich werblichen Zwecken der Beklagten vereinnahmt, denn die Abbildung des
Klägers ist im vorliegenden Fall zur Illustrierung eines Preisausschreibens
verwendet worden. Das von der Beklagten veranstaltete und auf der Titelseite
angekündigte "Große WeihnachtsGewinn-Spiel" dient - jedenfalls in ganz
gewichtigem Maße - den werblichen Interessen der Beklagten. Es soll die
Aufmerksamkeit des Publikums auf das von ihr hergestellte und vertriebene
Presseerzeugnis lenken und einen zusätzlichen Kaufanreiz bieten bzw. diejenigen
Leser, die die Illustrierte "Bunte" schon bisher regelmäßig erworben haben, an
das Blatt binden. Demgemäß haben auch etwaige Hinweise auf das Gewinnspiel
werblichen Charakter; insbesondere gilt dies für die schlagzeilenmäßig
aufgemachte Ankündigung auf der Titeiseite "Das große WeihnachtsGewinn-Spiel
Hinter jedem Sternentürchen eine tolle Überraschung'', die ersichtlich dazu
dient, potentielle Käufer zum Erwerb zu animieren. Um den Aufmerksamkeitswert
dieser Ankündigung zu steigern, hat die Beklagte die Schlagzeile mit der in Rede
stehenden, besonders ins Auge fallenden Abbildung der Familie des Klägers
verbunden. Zwar macht die Beklage geltend, zwischen dem beanstandeten Bildnis
bzw. den darauf abgebildeten Personen einerseits und der Ankündigung des
Gewinnspiels andererseits bestehe keinerlei Zusammenhang; kein Leser werde auf
den Gedanken kommen, daß die dargestellten Personen mit dem Gewinnspiel zu tun
hätten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Dabei kann offenbleiben, ob und
inwieweit die Leser zu der Annahme gelangen, der Kläger und/oder eine der
anderen abgebildeten Personen stünden in einer wie auch immer gearteten
Beziehung zu dem Gewinnspiel, jedenfalls aber hat die Beklagte das in Rede
stehende Bildnis zur Steigerung des Aufmerksamkeitswertes der
Gewinnspiel-Ankündigung und damit auch für ihre eigenen kommerziellen Interessen
eingesetzt. Dieser Zusammenhang zwischen dem Abdruck der Abbildung und den
werblichen Zielsetzungen der Beklagten ergibt sich bereits aus den objektiven
Umständen. Sowohl durch die geschaffene Einheit von Abbildung und
Gewinnspiel-Ankündigung als auch durch den gemeinsamen Anlaß, an den das Bild
wie auch der Titel des Gewinnspiels ("Das große WeihnachtsGewinn-Spiel") knüpft,
nämlich das - zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bevorstehende - Weihnachtsfest,
wird der Zusammenhang zwischen der Abbildung und der schlagzeilenmäßigen
Ankündigung des Preisaussschreibens hergestellt; diesen Zusammenhang hat die
Beklagte noch verstärkt, indem sie das Bildnis auf der Titelseite in der Art
eines Adventskalenders mit Türchen versehen hat, hinter denen die Preise des
Gewinnspiels abgebildet sind. Bei einer derartigen Einbindung der bildlichen
Darstellung in die Ankündigung des Gewinnspiels kann kein Zweifel daran
bestehen, daß der Abdruck des Bildnisses - mitsamt den hineinmontierten Türchen
- darauf zielt, der auf das Gewinnspiel hinweisenden Schlagzeile einen
besonderen zusätzlichen Aufmerksamkeitswert zu verleihen, die Abbildung mithin
also in gewichtiger Weise den werblichen Eigeninteressen der Beklagten dient;
dies gilt umso mehr, wenn man berücksichtigt, daß die Beklagte ein - gemaltes -
Bild mit einer speziell auf das Thema abgestimmten fiktiven Szene verwendet hat.
Eine solche Vereinnahmung für werbliche Zwecke hat indes grundsätzlich ein
deutlich höheres Gewicht als eine "schlichte" Verletzung des Rechts am eigenen
Bild, weil hiermit der Betroffene ohne sein Einverständnis in eine
"aufgedrängte" Beziehung zu einem Produkt gesetzt wird. Hinzu kommt, daß durch
die Plazierung des Bildnisses des Klägers (auch) auf der Titelseite die
"Reichweite" der Verletzung eine ungleich größere ist, als bei einer Abbildung
etwa im Innenteil.
Auch dürfte der Beklagten der Vorwurf eines nicht ganz unerheblichen
Verschuldens zu machen sein; die Verletzung der Rechte des Klägers erfolgte
(wenigstens) grob fahrlässig. Daß die Veröffentlichung des fraglichen Bildnisses
unter keinem denkbaren Gesichtspunkt gerechtfertigt sein konnte, hätte der
Beklagten bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt auffallen müssen.
b. Genau der oben genannte Umstand - Abdruck auf der Titelseite - indes
relativiert das Gewicht dieser grundsätzlich erheblichen Verletzung des Rechts
des Klägers am eigenen Bild wiederum in nicht geringem Maße. Denn um eine rein
werbliche Vereinnahmung handelt es sich damit eben nicht (die im übrigen
entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht per se und stets einen Anspruch auf
eine Geldentschädigung begründen würde). Zwar soll eine jede Titelseite -
insbesondere eine solche wie die vorliegend angegriffene - eine Kaufentscheidung
zugunsten des jeweiligen Blattes befördern, sie stellt aber ihrerseits auch
selbst einen besonders wichtigen Teil des Produkts "Presseorgan" dar. Das
Titelblatt einerjeden Zeitung und einerjeden Illustrierten ist nämlich das
"Aushängeschild" des Blattes (vgl. BGH AfP 1995, 411, 413 - Caroline von Monaco
I), es prägt die Identität eines Publikationsorgans, dient dem Leser als
Erkennungsmerkmal und enthält diejenigen Mitteilungen, die den jeweiligen
Verantwortlichen aus publizistischen und werbestrategischen Gründen besonders
wichtig erscheinen (BVerfG AfP 1998, 184, 186 - Gegendarstellung auf der
Titelseite). Es liegt also in der Natur der Sache, daß mit einer jeden
Titelseite (auch) die Absicht verfolgt wird, beim Publikum für den Kauf des
jeweiligen Blattes zu werben. Dies gilt gerade für "Boulevardzeitschriften", die
in der Regel nicht im Abonnement verkauft werden und für die daher der
Titelseite eine besondere Bedeutung als Kaufanreiz zukommt (vgl. Soehring,
Presserecht, 3. Aufl., Rz. 29.55). Die Gestaltung eines Titelblattes nimmt daher
insgesamt in besonderem Maße am Grundrecht der Pressefreiheit teil. Die mit
einer jeden Gestaltung des Titelblattes einhergehende werbliche Wirkung läßt
sich aber demnach nicht isoliert bestimmen und kann daher grundsätzlich nicht -
in ihrem "Wirkbereich" - zu einer partiellen Aufhebung dieses Schutzes führen.
Mit anderen Worten: Auch die Gestaltung einer Titelseite einzig mit den
schlichten Worten "Kaufen Sie dieses Heft!", denen evident keinerlei
Informationsgehalt zukommt (außer der Tatsache, daß der Verlag die entsprechende
Publikation zu verkaufen sucht), genießt prinzipiell den besonderen Schutz des
Art. 5 GG. Damit indes erweist sich auch die Ankündigung eines Gewinnspieles auf
der Titelseite eines Presseerzeugnisses - der ebenfalls kein darüber
hinausgehender Informationsgehalt zukommen dürfte - als Teil der vom Grundgesetz
geschützten pressemäßigen Betätigung. Eine isolierte Betrachtung einer solchen
Ankündigung als quasi neben der "eigentlichen" publizistischen Tätigkeit
stehende "kommerzielle" Bemühung zur Absatzsteigerung läßt sich mit dem
Regelungsgehalt und der Bedeutung des Art. 5 GG gerade für den Bereich der
Titelseitengestaltung nicht vereinbaren; dies schon deshalb, weil jegliche
publizistische Betätigung im Bereich der Massenmedien jedenfalls auch der
Gewinnerzielung dient. Trotz der weitgehend werblichen Zwecken dienenden
Gestaltung des hier in Frage stehende Titelblattes ist demnach im Rahmen der
Gesamtabwägung, die bei der Prüfung eines Anspruchs auf Zahlung einer
Geldentschädigung erforderlich ist, nicht zu vernachlässigen, daß hier für die
Beklagte in gewissem, nicht gänzlich unbedeutendem Maße die grundgesetzlich
garantierte Pressefreiheit streitet, auch wenn bei der erforderlichen Abwägung
der widerstreitenden Grundrechte verschiedenen Inhalten je nach deren Bedeutung
für den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß ein erheblich unterschiedliches
Gewicht zukommt.
Hinzu kommt, daß weitere Gesichtspunkte im Rahmen der Gesamtabwägung gegen
die Bejahung eines. unabwendbaren Bedürfnisses nach Zuerkennung einer
Geldentschädigung sprechen: Im Rahmen der Titelseitengestaltung nimmt das
Bildnis des Klägers verhältnismäßig wenig Raum ein. Das Titelblatt ist zum
großen Teil vom Bildnis seiner - auch farblich hervorgehobenen - Mutter
bestimmt, der Kläger hingegen ist hinter Ernst August Prinz von Hannover stehend
am Rand abgebildet. Das Bildnis des Klägers wird hierbei für den Leser auf der
Titelseite überhaupt erst sichtbar, wenn der links angeordnete Textstreifen
umgeblättert wird und so den Blick auf das gesamte "Weihnachtsbild" freigibt.
Die streitgegenständliche Abbildung selbst zeigt den Kläger in einer ersichtlich
fiktiven Situation, so daß ein Eingriff in seine besonders geschützte
Privatsphäre hierin nicht zu sehen ist, der durchschnittliche Leser wird hierin
keine realistische Darstellung des Weihnachtsfestes der Familie des Klägers
sehen; dies wird dem Leser zudem in der Bildunterschrift zum (weiteren) Abdruck
dieses Bildnisses auf Seite 16 des fraglichen Heftes auch ausdrücklich
mitgeteilt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Art der Darstellung als
solche auch nicht evident ehrenrührig; er wird jedenfalls nicht in eklatanter
Weise bloßgestellt oder der Lächerlichkeit preisgegeben; ob man die dargestellte
Situation oder Aufmachung als "absurd" empfindet, ist eher eine Geschmacksfrage.
Bei der gebotenen Abwägung ist auch von Gewicht, daß der Kläger -
gerichtsbekanntermaßen - vor und nach der streitgegenständlichen
Veröffentlichung von seiner Mutter zumindest gelegentlich, insbesondere
anläßlich repräsentativer Auftritte der Familie, der Öffentlichkeit präsentiert
und keineswegs vollständig vom Interesse der Öffentlichkeit abgeschirmt worden
war. Auch damit kommt der rechtswidrigen Veröffentlichung seines Bildnisses
gegen seinen Willen trotz des erheblichen Verschuldens der Beklagten jedenfalls
kein derartiges Gewicht zu, daß alleine deshalb ein unabweisbares Bedürfnis nach
der Zuerkennung einer Geldentschädigung besteht.
2. Aber auch aus einer Gesamtschau der vorliegenden Veröffentlichung mit den
vom Kläger angeführten weiteren Bildnis-Veröffentlichungen ergibt sich keine
derart schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des
Klägers, daß dies die Zuerkennung einer Geldentschädigung geböte. Zwar kann in
der wiederholten und hartnäckigen Verletzung des Rechts am eigenen Bild eine so
schwere Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen, daß die
Zubilligung einer Geldentschädigung geboten ist, auch wenn die einzelne
Bildveröffentlichung - jeweils für sich genommen - nicht als schwerwiegend
einzustufen ist. Denn wenn sich die Rechtsverletzung in einem solchen Fall nicht
darin erschöpft, daß mehrmals in rechtswidriger Weise Bildnisse veröffentlicht
werden, sondern sie dadurch besonderes Gewicht erhält, daß der Verletzer das
Persönlichkeitsrecht durch die wiederholte rechtswidrige Veröffentlichung mit
besonderer Hartnäckigkeit verletzt und sich dabei über den ihm mehrfach
ausdrücklich erklärten entgegenstehenden Willen des Betroffenen hinweggesetzt
hat, tritt zu dem wiederholten Rechtsbruch des Verletzers die bewußte und
offenkundige Mißachtung des erklärten Willens des Betroffenen hinzu, was als
besonders verwerflich erscheint, wenn der Verletzer um des eigenen
wirtschaftlichen Vorteils willen handelt (vgl. BGH AfP 1996, 138, 139 f [= NJW
1996, 985 ff]).
Ob diese Voraussetzungen hier vorliegen, läßt sich indes dem Vorbringen des
Klägers nicht entnehmen. Auch in den Fällen, in denen ein Anspruch auf Zahlung
einer Geldentschädigung wegen der Verletzung des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts auf eine wiederholte, sich über den entgegenstehenden
Willen des Betroffenen hartnäckig hinweg setzende Verletzung des Bildnisrechts
gestützt wird, gilt der allgemeine Grundsatz, daß nicht jede Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts - und. damit auch nicht jede Verletzung des
Rechts am eigenen Bild - einen Anspruch auf eine Geldentschädigung gegen den
Verletzer auslöst, sondern ein solcher Anspruch nur dann in Betracht kommt, wenn
es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt, was wiederum von der
Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner von Anlaß und Beweggrund des
Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens abhängt (BGH aaO S.139 rSp.).
Hier ist nicht erkennbar, ob aufgrund der Situationen, in denen der Kläger in
den genannten Veröffentlichungen abgebildet worden war, oder aufgrund sonstiger
Umstände in der Veröffentlichung der einzelnen, vorn Kläger angeführten
Bildnisse selbst ein objektiv besonders schwerwiegender Eingriff in sein
allgemeines Persönlichkeitsrecht gesehen werden kann-, der Kläger hat jene Fälle
nur ganz kurz skizziert. Hinzu kommt, daß sich alleine aus der - von der
Beklagten nicht bestrittenen - Tatsache, daß sie auf Abmahnungen des Klägers in
dreien der aufgeführten Fälle eine Unterlassungsverpflichtungserklärung
abgegeben hatte, nicht zwingend schließen läßt, daß die jeweilige
Veröffentlichung überhaupt tatsächlich rechtswidrig gewesen war.
Ist demnach nicht dargelegt, daß Bedeutung und Tragweite des gesamten
Eingriffs als mehr als nur gering zu bewerten sind, so kann dem Betroffenen eine
Geldentschädigung nur zuerkannt werden, wenn den Verletzer der Vorwurf einer
schweren Schuld trifft (vgl. BGHZ 35, 363, 369). Der Kläger hat aber ebenfalls
nicht hinreichend vorgetragen, daß die Veröffentlichung der hier angeführten
Bildnisse die objektiven Voraussetzungen eine nach der genannten Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs als "hartnäckig" zu qualifizierenden Rechtsverletzung -
und damit eine besonders verwerfliche bewußte und offenkundige Mißachtung des
erklärten Willens des Klägers darstellte. Der Bundesgerichtshof hatte dies in
der genannten Entscheidung bejaht für den Fall, daß einer (am 28. April des
betreffenden Jahres erfolgten) Bildnisrechtsverletzung kurz zuvor drei (zwischen
dem 6. und dem 27. Januar des Jahres erfolgte) gleichartige Rechtsverletzungen
und deren Abmahnungen sowie daraufhin (zwischen dem 4. Februar und 12. März)
abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärungen oder erwirkte einstweilige
Verfügungen vorausgegangen waren. Hier dagegen hatten zwischen den einzelnen
angeführten - insgesamt sechs - früheren Veröffentlichungen (die teilweise
jeweils mehrere Bildnisse umfaßten) zweimal erheblich viel längere Zeiträume
gelegen, nämlich einmal - zwischen den Ausgaben 34/93 und 24/96 der Zeitschrift
"Freizeit Revue" - nahezu zwei Jahre und einmal - zwischen den Ausgaben 24/95
und 3/97 der Zeitschrift "Bunte" etwa eineinhalb Jahre. Bis zur hier
streitgegenständlichen Veröffentlichung verging dann nochmals nahezu ein
weiteres Jahr. Alleine aus einer solchen, entgegen der Ansicht des Klägers eben
keineswegs "nahezu lückenlosen Verletzungskette" läßt sich aber nicht mit der
erforderlichen Sicherheit auf eine entsprechende offenkundige Mißachtung des
Willens des Klägers durch die Beklagte schließen. So ist nicht ersichtlich, ob
es in den "Intervallen" zwischen den aufgeführten BildnisVeröffentlichungen
weitere Veröffentlichungen von Fotos des Klägers gegeben hatte, gegen die er -
aus welchen Gründen auch immer - nicht vorgegangen war. Schon dieser Umstand
könnte gegen eine für die Zuerkennung einer Geldentschädigung hinreichende
"feindliche" Willensrichtung der Beklagten sprechen. Ebensowenig läßt sich
erkennen, ob der Beklagten in jedem einzelnen der vom Kläger angeführten
"früheren" Fälle überhaupt ein Verschulden vorzuwerfen war und wie gravierend
dieses gegebenenfalls jeweils gewesen sein mag, durfte die Beklagte in den
aufgeführten Fällen mit einem gewissen Recht annehmen, zur Veröffentlichung der
jeweiligen Fotos berechtigt gewesen zu sein, oder konnte man zum jeweiligen
Zeitpunkt der Veröffentlichung mit gutem Grund über die Rechtslage im Unklaren
sein, so wäre ebenfalls der Vorwurf hinreichend schwerer Schuld nicht begründet.
Schließlich kann bei der Prüfung einer "hartnäckigen" Verletzung des
Bildnisrechts des Klägers die hier streitgegenständliche Veröffentlichung eines
gezeichneten Bildnisses in einer fiktiven Situation auch nicht in eine Reihe mit
den angeführten "früheren" BildnisVeröffentlichungen gestellt werden. Denn die
Veröffentlichung von Fotos stellt demgegenüber eine deutlich unterschiedene Form
der Verletzung des Rechts am eigenen Bild dar; der Kläger selbst hat
vorgetragen, daß die "früheren" BildnisVeröffentlichungen sämtlich Fotos waren.
Aus einer solchen, dem Charakter nach andersartigen Bildnis-Veröffentlichung
ließe sich aber jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf eine
durchgängig bewußte Mißachtung des Willens des Klägers schließen. Nach allem
läßt sich nicht feststellen, daß die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer
Geldentschädigung aus dem Gesichtspunkt der "Hartnäckigkeit" vorliegen.
II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Ziff. 11, 711 ZPO.
Buske Dr. Weyhe Döring
Kommentar:
www.kanzlei-prof-schweizer.de
Vgl. zunächst die Leitsätze zum Urteil des LG Hamburg vom 5.4.2002 -
Prinzessin Caroline von Hannover (Geschäfts-Nr. 324 O 696/00), das teilweise den
gleichen Themenkreis betrifft.
Bei der Gesamtabwägung zur Bejahung oder Verneinung eines unabwendbaren
Bedürfnisses nach Zuerkennung einer Geldentschädigung ist bei einem abgebildeten
Minderjährigen zu berücksichtigen, ob er zumindest gelegentlich der
Öffentlichkeit präsentiert worden ist.
Es lässt sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit auf eine
offenkundige Missachtung des Willens des Abgebildeten durch die Zeitschrift
schließen, wenn zwei Veröffentlichungen aus dem Jahre 1993 stammen, jeweils eine
aus 1994 und 1995, die dann folgende auf Anfang 1997 datiert und bis zur
streitgegenständlichen Veröffentlichung dann nochmals nahezu ein weiteres Jahr
verging.
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