Quelle:
http://www.jur-abc.de/cms/index.php?id=684
Landgericht Hamburg
im Namen des Volkes
Zivilkammer 24
Geschäfts.-Nr.:
324 O 576/04
Verkündet am:
10.06.2005
In Sachen
xxxxx
Prozessbevollmächtigte:
gegen
jur-abc
Prozessbevollmächtigte:
beschließt das Landgericht Hamburg,
Zivilkammer 14 durch
xxxx
xxxx
xxxx
Entscheidungsgründe:
I.)
Die einstweilige Verfügung vom 28.
September 2004 war zu bestätigen. Der zulässige Widerspruch ist nicht
begründet.
1.) Der auf den Erlass der einstweiligen
Verfügung gerichtete Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das
Landgericht Hamburg für die Entscheidung über den Rechtsstreit gem. § 32
ZPO örtlich zuständig. Bei Verletzungen des
Persönlichkeitsrechts durch massenmedial verbreitete Äußerungen ist die
örtliche Zuständigkeit gem. § 32 ZPO für jeden Ort der
bestimmungsgemäßen Verbreitung der jeweiligen Publikation gegeben.
Dabei kommt es für die Frage der "bestimmungsgemäßen Verbreitung" nach
der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (...) nicht darauf an, ob der
Anspruchsgegner den jeweiligen Ort "nach seiner Intention auch wirklich
erreichen will". Ausreichend ist vielmehr, wenn er
mit der Verbreitung an diesem Ort nur "rechnen muss". Vorliegend
musste der Antragsgegner zumindest damit rechnen, dass auch
Internetnutzer in Hamburg an den Inhalten seiner Seite "www.jur-abc.de"
Interesse finden würden.
Die vom Antragsgegner angeführte
Rechtsprechung des OLG
Bremen vom 17.02.00 - 2 U 139/99, wonach für die Frage der
bestimmungsgemäßen Verbreitung einer Internet-Werbung darauf abzustellen
sei, wo sich diese "nach der Intention des Werbenden auswirken soll",
steht nicht entgegen. Jene Entscheidung betrifft wettbewerbsrechtliche
Ansprüche. Das OLG Bremen weist in seinem Urteil selbst darauf hin, dass
insoweit die Besonderheit zu beachten sei, "dass es dabei nicht um den
Schutz der Inhaber absoluter Rechte geht, sondern um die
Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen von Mitbewerbern durch
missbräuchliche Mittel des wirtschaftlichen Konkurrenzkampfes."
Unlauterer Wettbewerb könne regelmäßig nur dort begangen werden, wo
wettbewerbliche Interessen der Mitbewerber aufeinander stießen, weil nur
dort das Anliegen der Verhinderung unlauterer Wettbewerbshandlungen
berührt sei (...). Diese Ausführungen lassen sich auf presserechtliche
Fallgestaltungen, in denen es um den Schutz des allgemeinen
Persönlichkeitsrechts geht, nicht übertragen. Das
allgemeine Persönlichkeitsrecht ist gerade ein absolutes Recht, das an
jedem Ort Geltung beansprucht.
2.) Der Antrag auf Erlass der
einstweiligen Verfügung ist auch begründet. Dem Antragsteller steht der
begehrte Unterlassungsanspruch gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i.V.m.
Artikeln 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG zu.
a.) Gemäß §§ 6 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 2 Nr.
4 MDStV haftet der Antragsgegner nach den allgemeinen Gesetzen, denn bei
der streitgegenständlichen Äußerung handelt es sich um einen eigenen
Inhalt, den der Antragsgegner auf seiner Internetseite zum Abruf
bereitgehalten hat.
b.) Der
Antragsteller ist von der streitgegenständlichen Äußerung betroffen. Für
die Betroffenheit reicht es aus, wenn der Anspruchsteller nur befürchten
muss, anhand der angegriffenen Erstmitteilung erkannt zu werden
(...). Dies ist vorliegend der Fall. Unstreitig gibt es in ganz
Deutschland nur einen einzigen Rechtsanwalt mit Doktortitel und den
Initialen "xx". Darüber hinaus ist der Antragsteller auch anhand seiner
in der angegriffenen Erstmitteilung enthaltenen Postleitzahl
identifizieren, denn die beiden weiteren Anwälte, die unter dieser
Postleitzahl tätig sind, haben andere Initialen als der Antragsteller.
Unerheblich ist, ob der Antragsteller anhand der in der Erstmiteilung
enthaltenen Informationen z. B. über die "Gelben Seiten" oder über "Google"
zu identifizieren war. Jedenfalls aktuelle oder potentielle Mandanten
des Antragstellers - denen nicht nur dessen Name sondern häufig auch
dessen Postleitzahl bekannt gewesen sein wird - hätten dies erkennen
können.
Selbst die vom
Antragsgegner nachträglich vorgenommenen weiteren Schwärzungen ließen
die Erkennbarkeit des Antragstellers aus den soeben genannten Gründen
nicht entfallen. Darauf kommt es allerdings schon gar nicht an, denn
eine einmal bestehende Erkennbarkeit kann durch nachträgliche
Anonymisierungsmaßnahmen nicht rückwirkend beseitigt werden.
b.) Die angegriffene Erstmitteilung
verletzt den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht.
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht enthält das Recht zur
Selbstbestimmung über die Darstellung der eigenen Person in der
Öffentlichkeit (...). Dieses Recht wird z. B. durch die Verbreitung von
Unwahrheiten über die berufliche Betätigung des Betroffenen verletzt.
Die in der Erstmitteilung enthaltene
Tatsachenbehauptung, der Antragsteller nehme die juristische Prüfung des
Inhaltes von Gewinnzusagen vor, ist unstreitig unwahr, und zwar selbst
dann, wenn die Tätigkeit des Antragstellers tatsächlich - wie der
Antragsgegner vorträgt - mit Gewinnzusagen "im Zusammenhang" stehen
sollte. Rechtfertigungsgründe sind nicht ersichtlich.
c.) Es besteht
Wiederholungsgefahr. Diese wird durch die rechtswidrige Erstbegehung
indiziert (...).
Die Wiederholungsgefahr ist auch nicht
durch Anfügen der "Anmerkung" des Antragsgegners an die
streitgegenständliche Äußerung oder durch die Verlinkung mit dem
gleichfalls veröffentlichten Schriftsatz vom 19. März 2004 nachträglich
entfallen. An den Wegfall einer einmal bestehenden Wiederholungsgefahr
sind strenge Anforderungen zu stellen. Die
Wiederholungsgefahr entfällt grundsätzlich nur bei Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung (...).
Zwar kann ausnahmsweise auch eine freiwillig
veröffentliche Richtigstellung ausreichen (...). Dies ist vorliegend
jedoch nicht der Fall. Der Antragsgegner verkennt, dass
derjenige, dem ein Unterlassungsanspruch zusteht, vom Verletzter
grundsätzlich verlangen kann, dass die weitere Verbreitung der
jeweiligen Äußerung vollständig unterlassen wird.
Die fortgesetzte Verbreitung dieser Äußerung ist demgegenüber auch dann
ein Weniger, wenn sie in permanenter Verknüpfung mit einer
Richtigstellung erfolgt. Gründe, die dies vorliegend
ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich, zumal der
Antragsteller - wie bereits erwähnt - auch nach der weitergehenden
Schwärzung der Postleitzahl befürchten musste, erkannt zu werden.
Die "Richtigstellung" der
Antragsgegners konnte die Wiederholungsgefahr im Übrigen auch deshalb
nicht entfallen lassen, weil sie den Anforderungen des Grundsatzes der
Waffengleichheit nicht gerecht wurde. Danach ist eine Richtigstellung so
zu veröffentlichen, dass von ihr nach Möglichkeit alle Rezipienten der
Erstmitteilung erreicht werden. Der Antragsgegner konnte aber nicht
erwarten, dass die bisherigen Rezipienten der streitgegenständlichen
Äußerungen seinen - nunmehr um seine "Anmerkung" ergänzten - Schriftsatz
vom 15. Dezember 2003 noch einmal lesen oder den nachträglich ins Netz
gestellten Schriftsatz vom 19. März 2004 (vollständig) zur
Kenntnisnehmen würden.
d.) Ein Verfügungsgrund besteht. Nach
ständiger Rechtsprechung der Kammer ist die Eilbedürftigkeit regelmäßig
gewahrt, sofern der Eilantrag spätestens fünf Wochen nach Kenntnisnahme
der angegriffenen Äußerung bei Gericht eingeht. Der Antragsteller hat
vorgetragen und durch eidesstattliche Versicherung vom 22. September
2004 (...) glaubhaft gemacht, dass er von der streitgegenständlichen
Äußerung Anfang September Kenntnis erlangt hat. Sein Eilantrag ging am
21. September 2004, also maximal drei Wochen nach Kenntnisnahme, bei
Gericht ein.
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Rolf Schälike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 15.07.05
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