Landgericht Hamburg
im Namen des Volkes
Zivilkammer 24
Geschäfts.-Nr.:
324 O 484/99
Verkündet am:
10.12.1999
Die 24
Zivilkammer des Landgerichts Hamburg erkennt auf die mündliche Verhandlung
vom 10.12.1999 für Recht:
I. Die Beklagte
wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes - und für den Fall, daß
dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft - oder einer
Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens DM
500.000,-- Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre), zu unterlassen, in
vorformulierten allgemeinen Bedingungen für Zeitschriftenabonnements die
folgende oder inhaltsgleiche Bestimmung zu verwenden, es sei denn
gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines Geschäftsbetriebes oder
gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem
öffentlich-rechtlichen Sondervermögen:
„Ich erlaube
Ihnen, mir interessante Zeitschriftenangebote auch telefonisch zu
unterbreiten (ggf. streichen)."
II. Die Kosten
des Rechtsstreits fallen der Beklagten zur Last.
III. Das Urteil
ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 6.400,-- vorläufig
vollstreckbar;
und beschließt:
Der Streitwert
wird auf DM 5.000,-- festgesetzt.
Tatbestand:
Der Kläger ist
ein rechtsfähiger Verein, der nach seiner Satzung die Interessen der
Verbraucher wahrzunehmen hat. Zu seinen Mitgliedern gehören die
Verbraucherzentralen der Bundesländer, die Arbeitsgemeinschaft der
Verbraucherverbände und die Stiftung Warentest. Der Kläger verfolgt nach §
3 - seiner Satzung insbesondere das Ziel, gegen unzulässige Allgemeine
Geschäftsbedingungen vorzugehen. Die Beklagte ist ein bekanntes
Verlagsunternehmen, in dem u.a. die Zeitschrift „Brigitte" erscheint. Für
diese Zeitschrift bietet die Beklagte Probe-Abonnements an, die der Kunde
mit der aus der Anl. K 1 ersichtlichen Postkarte bestellen kann, auf
welcher auch die Abonnement-Bedingungen abgedruckt sind. Auf dieser
Postkarte findet sich im Anschluß an die den Zeitschriftenbezug regelnden
Bedingungen folgende Erklärung:
„Ich erlaube
Ihnen, mir interessante Zeitschriftenangebote auch telefonisch zu
unterbreiten (ggf. streichen)."
Aufgrund der
Gestaltung der Bestellkarte bezieht sich die vom Kunden im Falle der
Bestellung des Abonnements geleistete Unterschrift auch auf diese
Erklärung, sofern er selbige nicht streicht. Wegen der weiteren
Einzelheiten der Ausgestaltung der Bestellpostkarte wird auf die Anl. K 1
Bezug genommen. Mit Schreiben vom 27.7.1999 (Anl. K 2) forderte der Kläger
die Beklagte auf, die vorformulierte Erklärung „Ich erlaube Ihnen, mir
interessante Zeitschriftenangebote auch telefonisch Zu unterbreiten" nicht
mehr zu verwenden und eine entsprechende strafbewehrte
Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Da sich die Beklagte indes
dazu nicht verstehen mochte, verfolgt der Kläger den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch mit der vorliegenden Klage weiter. Er macht geltend,
die beanstandete vorformulierte Erklärung verstoße gegen § 11 Nr. 15 b
sowie gegen § 9 AGB-Gesetz. Mit der beanstandeten Klausel versuche die
Beklagte, sich Zugang zu Werbemaßnahmen zu verschaffen, die nicht von dem
Probe-Abonnement umfaßt seien.
Unaufgefordert
erfolgende telefonische Kundenwerbung sei wettbewerbsrechtlich unzulässig.
Die Rechtsprechung habe in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht insoweit bewußt
enge Grenzen gesetzt, um die Privatsphäre der Verbraucher zu schützen.
Diese r Schranken zu durchbrechen sei Sinn der angegriffenen Klausel, und
zwar nicht nur für einen Einzelfall, sondern für alle denkbaren Fälle und
auf unabsehbare Zeit; dies indes sei im Rahmen Allgemeiner
Geschäftsbedingungen unzulässig, wie sich u.a. aus der Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 24.3. 1999 (veröffentlicht in VersR 1999, S. 710,
713) ergebe.
Der Kläger
beantragt, die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden
Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes,
ersatzweise Ordnungshaft, in vorformulierten allgemeinen Bedingungen für
Zeitschriftenabonnements die folgende oder inhaltsgleiche Bestimmung zu
verwenden, es sei denn gegenüber einem Kaufmann im Rahmen seines
Geschäftsbetriebes:
„Ich erlaube
Ihnen, mir interessante Zeitschriftenangebote auch telefonisch zu
unterbreiten (ggf. streichen)
Die Beklagte beantragt die Klage abzuweisen;
hilfsweise für
den Fall des Unterliegens: Die Zwangsvollstreckung gegen
Sicherheitsleistung, die auch in Form einer schriftlichen,
selbstschuldnerischen, unbedingten, unbefristeten und unwiderruflichen
Bürgschaft der Deutsche Bank AG, Hamburg, erbracht werden kann,
abzuwenden.
Die Beklagte
ist der Auffassung, die angegriffene Formularerklärung verstoße nicht
gegen die Bestimmungen des AGB-Gesetzes und sei im übrigen auch unter
wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.
Bei der in Rede
stehenden Einverständniserklärung handele es sich nicht um eine
AGB-Klausel; nach § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz seien allgemeine Bedingungen alle
für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die
der Verwender dem anderen Vertragsteil bei Abschluß des Vertrages stelle.
Indes sei die fragliche Einverständniserklärung gerade keine
Vertragsbedingung; denn sie sei nicht Bestandteil des Vertrages über ein
Probe-Abonnement. Der Vertrag zwischen dem Abonnenten und ihr, der
Beklagten, werde dadurch, daß der Kunde die Erklärung abgebe, mit der
Telefonwerbung einverstanden oder (bei Durchstreichen) nicht einverstanden
zu sein, nicht berührt.
Allerdings habe der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 16.3.1999
(veröffentlicht in WRP 1999, S. 660, 661) eine formularmäßige
Einverständniserklärung zur telefonischen Werbung in jenem konkreten Fall
mit Rücksicht auf den Schutzzweck des Gesetzes nach AGB-Recht beurteilt,
weil jene Klausel zwar nicht Vertragsbestandteil gewesen sei, aber im
Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung gestanden habe.
Entsprechendes
sei auch der bereits vom Kläger angeführten Entscheidung des
Bundesgerichtshofes vom 24.3.1999 (VersR 1999, S. 710, 713) zu entnehmen.
Die vom Bundesgerichtshof in jenen Fällen angenommenen Voraussetzungen
seien indes vorliegend nicht erfüllt. Anders als dort erwecke die
verfahrensgegenständliche Klausel nämlich nicht einmal ansatzweise den
Eindruck, daß die Einverständniserklärung Einfluß auf die Modalitäten des
Abonnement-Vertrages oder gar dessen Zustandekommen haben könnte. Zudem
sei zu berücksichtigen, daß es sich bei der Bestellung eines
Probe-Abonnements um einen Vertragsschluß handele, mit dem der Verbraucher
hinlänglich vertraut sei. Entsprechendes gelte auch für die hier
angegriffene Einverständniserklärung; der Verbraucher kenne diese
Erklärung und beachte sie. Viele Besteller des „Brigitte"-Probe-Abonnements
machten von der Möglichkeit, die Einverständniserklärung zu streichen,
Gebrauch, wenn sie kein Interesse an telefonischer Werbung hätten. Somit
könne schon aus tatsächlichen Gründen keine Rede davon sein, daß durch die
formularmäßige Verwendung der verfahrensgegenständlichen
Einverständniserklärung die Abonnenten unangemessen benachteiligt würden.
An einer
unangemessenen Benachteiligung im Sinne des § 9 AGB-Gesetz fehle es ferner
aber auch deshalb, weil die Klausel nicht - wie in § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz
für ein Verbot vorausgesetzt - wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen
Regelung zuwiderlaufe und auch nicht wesentliche Rechte und Pflichten des
Vertrages erheblich einschränke. Die Einverständniserklärung habe vielmehr
auf die Erreichung des Vertragszwecks, nämlich der Erprobung der
Zeitschrift, keinerlei Einfluß, ebenso wenig wie auf die Entschließung des
Bestellers, auf Dauer Abonnent zu werden oder es bei einem
Probe-Abonnement zu belassen. Der von dem Kläger angegriffene Satz sei
vielmehr ein Hinweis, den der Kunde aufgreifen könne oder nicht, indem er
nämlich den Satz streiche. Eine unangemessene Benachteiligung, die zu
Grundgedanken gesetzlicher Regelungen in Widerspruch stehe oder gar Rechte
des Abonnenten wesentlich einschränke oder seine Pflichten erweitere,
könne darin nicht gesehen werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige
Klage ist begründet. Der Kläger kann gemäß §§ 9 Abs. 1, 13 AGB-Gesetz
verlangen, daß die Beklagte es unterläßt, die beanstandete vorformulierte
Einverständniserklärung in vorformulierten Bedingungen für
Zeitschriftenabonnements zu verwenden.
I.
1. Dabei ist
zunächst darauf hinzuweisen, daß der Klagantrag unter Berücksichtigung der
Klagebegründung verständigerweise dahingehend auszulegen ist, daß der
Kläger die Unterlassung der Verwendung der beanstandeten vorformulierten
Einverständniserklärung begehrt. Davon geht auch die Beklagte ersichtlich
aus. Das Fehlen der Worte „zu unterlassen" im Antrag beruht offenkundig
auf einem Schreibversehen.
2. Dieses
Unterlassungsbegehren ist auch begründet.
a) Der Kläger
ist klagebefugt im Sinne des § 13 Abs. 2 Ziffer 1 AGB-Gesetz. Er ist - wie
gerichtsbekannt - ein rechtsfähiger Verein, zu dessen satzungsmäßigen
Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und
Beratung wahrzunehmen. An seiner Aktivlegitimation besteht daher keine
Zweifel.
b) Die
Verwendung der angegriffenen Einverständniserklärung ist gemäß § 9 Abs. 1
AGB-Gesetz unzulässig.
aa) Entgegen
der Auffassung der Beklagten unterliegt die beanstandete vorformulierte
Einverständniserklärung der Inhaltskontrolle nach den §§ 9 - 11
AGB-Gesetz. Bei dieser Klausel handelt es sich zwar nicht um eine den
Abonnement-Vertrag ausgestaltende Regelung, sondern um eine
Willenserklärung, mit welcher sich der Kunde mit einer (auch)
telefonischen Unterbreitung weiterer Zeitschriftenangebote der Beklagten
einverstanden erklärt, d.h. der Kunde erteilt damit seine Einwilligung für
u.a. telefonische Werbemaßnahmen der c Beklagten. In der Rechtsprechung
ist jedoch anerkannt, daß nicht nur solche Regelungen, die das
Vertragsverhältnis ausgestalten, sondern auch formularmäßige
Einwilligungserklärungen, die im Rahmen Allgemeiner Geschäftsbedingungen
Verwendung finden, der Überprüfung nach den §§ 9 - 11 AGB-Gesetz
unterliegen. (vgl. BGHZ, 95, S. 362 ff, für den Fall einer Einwilligung in
die Datenweitergabe bzw. Datenverarbeitung). So indes verhält es sich im
vorliegenden Fall. Die in Rede stehende Einverständniserklärung ist
vorformuliert und zudem auf der Bestellkarte in die Lieferbedingungen des
Zeitschriftenabonnements eingegliedert mit der Folge, daß der Kunde mit
seiner Unterschrift unter die Bestellung zugleich vorbehaltlich einer
Streichung der Einverständniserklärung seine Einwilligung zur
telefonischen Werbung erklärt. Unter diesen Umständen kann nicht
zweifelhaft sein, daß die beanstandete vorformulierte
Einwilligungserklärung eine Vertragsbedingung im Sinne des § 1 Abs. 1
AGB-Gesetz darstellt oder jedenfalls nach § 1 Abs. 1 AGB-Gesetz zu
behandeln ist.
Aus den von der Beklagten angeführten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofes vom 16.03.19991999. S. 660, 661 = NJW 1999, S. 1864;
Einverständnis zur tel. Werbung in Kontoeröffnungsvertrag) und vom
24.3.1999 (BGH VersR. 1999, S. 710, 713 = NJW 1999, S. 2279, 2282;
Einverständnis zur tel. Werbung in AGB für private
Arbeitslosenversicherung) ergibt sich nichts anderes. Eine Einschränkung
dahingehend, daß die Frage der Kontrollfähigkeit davon abhängig wäre, daß
der Kunde annimmt, die Einwilligung mitunterzeichnen zu müssen,
andernfalls der „eigentliche" Vertrag nicht zustande komme, ist den
genannten höchstrichterlichen Entscheidungen nicht zu entnehmen. Vielmehr
hat der Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 16.03.1999 gerade
betont, daß es mit Rücksicht auf den Schutzzweck des AGB-Gesetzes geboten
ist, auch die vom Verwender vorformulierten einseitigen
rechtsgeschäftlichen Erklärungen, die weder eine Nebenabrede enthalten
noch zum notwendigen Inhalt des gleichzeitig abgeschlossenen Vertrages
gehören, den Regelungen des AGB-Gesetzes zu unterstellen, sofern sie im
Zusammenhang mit einer vertraglichen Beziehung stehen; maßgeblich ist
nämlich, daß der Verwender bei der von dem Kunden abzugebenden Erklärung
die rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich ebenso in Anspruch
nimmt wie bei der Vorformulierung eines Vertragstextes und der Kunde nur
darauf, ob er die Erklärung abgeben will, nicht aber auf ihren Inhalt
Einfluß hat.
Aus diesen Erwägungen folgt zugleich, daß die im vorliegenden . Fall durch
den Klammerzusatz "(ggf. streichen)" vorgesehene Möglichkeit für den
Kunden, die Klausel zu streichen, die Frage der Kontrollfähigkeit nicht
berührt. Insbesondere läßt die Einräumung einer Streichungsmöglichkeit die
Klausel nicht zu einer - der Kontrolle entzogenen (vgl. § 1 Abs. 2
AGB-Gesetz) - Individualabrede werden. Denn auch wenn der Kunde die
Klausel streichen kann, ohne daß dies Folgen für den Abonnement-Vertrag
hat, so ändert dies nichts daran, daß die Beklagte hier die
rechtsgeschäftliche Gestaltungsfreiheit für sich in Anspruch nimmt und der
Kunde auf den Inhalt der Erklärung keinen Einfluß hat. Die Möglichkeit,
eine vorformulierte Bedingung bzw. eine vorformulierte Erklärung zu
streichen, hindert daher die Kontrolle nach den §§ 9 - 11 AGB-Gesetz nicht
(vgl. auch BGH NJW 1987, S. 2011; Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Gesetz, B.
Aufl., § 1, Rz. 53).
bb) Dieser Kontrolle hält die angegriffene Klausel, mit der das
Einverständnis zur Telefonwerbung erklärt wird, indes nicht stand. Diese
Klausel enthält bei einer auch im Verbandsklageverfahren gebotenen
generalisierenden und die beiderseitigen Interessen abwägenden Betrachtung
eine unangemessene Benachteiligung des Abonnement-Kunden im Sinne des § 9
Abs. 1 AGB-Gesetz. Insofern kommt es auf die in § 9 Abs. 2 AGB-Gesetz
bestimmten gesetzlichen Regelbeispiele -entgegen der Auffassung der
Beklagten nicht an. Die Unwirksamkeit ergibt sich bereits aufgrund der
Generalklausel des §9 Abs.1 AGB-Gesetz in Verbindung mit den in den
Grundrechten zum Ausdruck kommenden verfassungsrechtlichen Wertungen, die
jedenfalls im Hinblick darauf, daß § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz ausdrücklich auf
die Gebote von Treu und Glauben abstellt, Eingang in die Kontrolle finden,
d.h. für den Kontrollmaßstab - mit - heranzuziehen sind. Wie der
Bundesgerichtshof indes in den bereits zitierten Entscheidungen vom 16.3
und 24.3.1999 ausgeführt hat, stellt Telefonwerbung eine besonders
schwerwiegende Beeinträchtigung der durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG
geschützten Privatsphäre des Angerufenen dar. Sie ist ein grober Mißbrauch
des vom Inhaber im eigenen Interesse und auf eigene Kosten unterhaltenen
Telefonanschlusses zu Werbezwecken, erlaubt ein praktisch
unkontrollierbares Eindringen in die Lebensgewohnheiten der Zielperson und
zwingt ihr zu einem ausschließlich durch den Werbenden bestimmten
Zeitpunkt in ihrer häuslichen Privatsphäre Anpreisungen von Waren und
Dienstleistungen auf. Die Anrufe werden im allgemeinen von in dieser Art
der Werbung besonders geschulten Personen vorgenommen, deren psychologisch
geschickt eingesetzter Redegewandtheit sich der aus seiner gegenwärtigen
Tätigkeit Gerissene nur schwer und wenn, dann meist nur unter peinlicher
Verletzung der Regeln der Höflichkeit entziehen kann. Erklärte man solche
Form der Werbung ohne Einschränkungen für zulässig, wäre ihr Umsichgreifen
innerhalb kurzer Zeit schon aus Wettbewerbsgründen unvermeidlich und damit
der Inhaber eines Telefonanschlusses nicht nur vielfältigen Belästigungen
ausgesetzt, sondern sein Anschluß für ins Gewicht fallende Zeiträume für
erwünschte Anrufe blockiert und damit in unzumutbarer Weise seinem
bestimmungsgemäßen Zweck entfremdet. Berücksichtigt man ferner, daß die
Interessen der gewerblichen Wirtschaft es angesichts der Vielfalt der
Werbemethoden auch keinesfalls erfordern, mit Werbemaßnahmen in den
privaten Bereich des umworbenen Verbrauchers einzudringen, so gebührt dem
Schutz der Individualsphäre vor telefonischen Werbemaßnahmen eindeutig der
Vorrang vor den geschäftlichen Interessen der gewerblichen Wirtschaft.
Dies bedeutet, daß telefonische Werbung nur zulässig ist, wenn der
Angerufene, zuvor ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit
einem solchen Anruf erklärt hat (ständige Rechtsprechung - auch in
Wettbewerbssachen, vgl. nur BGH NJW RR 1995, S. 613 = VersR 1995, S. 1095;
m.w.N.). Das Erfordernis eines ausdrücklichen oder konkludenten
Einverständnisses schließt indes eine Herbeiführung der
„Einverständniserklärung" durch Allgemeine Geschäftsbedingungen aus, zumal
andernfalls Wettbewerber zu einer entsprechenden Angleichung ihrer
Geschäftsbedingungen ermuntert würden, was eben jene massiven
Belästigungen zur Folge hätte, denen das Erfordernis des ausdrücklichen
oder zumindest konkludenten Einverständnisses gerade entgegenwirken soll.
Daß die Kunden, deren Einverständnis die Beklagten herbeiführen will, mit
ihr (der Beklagten) einen Abonnement-Vertrag eingehen, ändert an der
Unangemessenheit nichts. Das Bestehen eines
Zeitschriftenabonnement-Vertrages rechtfertigt das Eindringen in die
Privatsphäre zu Werbezwecken nicht (vgl. BGH NJW-RR 1995, S. 613 = VersR
1995, S. 1095). Schließlich ist die unangemessene Benachteiligung auch
nicht etwa deshalb zu verneinen, weil dem Kunden die Möglichkeit
eingeräumt ist, die Klausel zu streichen. Der Beklagten ins zwar insoweit
beizutreten, als die beanstandete Klausel es dem Kunden im Vergleich zu
jenem dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 24.3.1999 zugrundeliegenden
Fall einfacher macht, dem Verwender die Einwilligung zu verwehren und so
eine Belästigung durch Werbeanrufe- abzuwenden; denn in jenem Fall
erteilte der Kunde sein Einverständnis bei Vertragsschluß und mußte dieses
anschließend widerrufen, wenn er von den telefonischen Werbemaßnahmen
verschont bleiben wollte; vorliegend hingegen ist es dem Besteller von
vornherein möglich, durch Streichung der Klausel zu verhindern, daß
Werbeanrufe bei ihm eingehen. Gleichwohl jedoch führt die Klausel zu einer
unangemessenen Benachteiligung. Denn auch wenn es dem Kunden freisteht,
bei dem Ausfüllen der Bestellkarte die Klausel zu streichen, so verlagert
diese Klauselgestaltung - nämlich eine vorformulierte Einwilligung, die
der Kunde, wenn er sie nicht abgeben will, streichen muß - die Initiative
zur Aufrechterhaltung der ungestörten Privatsphäre auf den Kunden. Indes
ist es mit Rücksicht auf den hohen Rang, welchen der Schutz der
Individualsphäre von Verfassung wegen genießt, nicht angängig, durch
Allgemeine Geschäftsbedingungen die Befugnis für ein Eindringen in die
Privatsphäre zu schaffen und dem Kunden aufzuerlegen, die
Störungsmöglichkeit - durch Streichung der entsprechenden AGB-Klausel -
rechtzeitig abzuwenden und für den Schutz seiner Privatsphäre Sorge zu
tragen; vielmehr ist es Sache der Beklagten, das für die telefonische
Werbung erforderliche Einverständnis herbeizuführen, und zwar durch eine
Individualvereinbarung. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob - wie
die Beklagte hier vorträgt - viele Besteller von der Möglichkeit Gebrauch
machen, die Klausel zu streichen. Maßgeblich ist allein, dass die Beklagte
hier rechtsgeschäftliche Gestaltungsmacht ausmacht und zwar mit dem Ziel
das Erfordernis einer Individualvereinbarung zu unterlaufen. Eine solche
Klauselgestaltung ist daher mit § 9 Abs. 1 AGB-Gesetz nicht zu
vereinbaren, und zwar um so weniger, als die in Rede stehende
Einwilligungserklärung nicht mit einem Widerrufsvorbehalt versehen ist, so
daß der Abonnent, der es unterlassen hat, die Klausel zu streichen, auf
unabsehbare Zeit Beeinträchtigungen seiner Privatsphäre gewärtigen und
hinnehmen muß. Daß die Beklagte u.U. bereit ist, einen Widerruf zu
akzeptieren, ist insoweit ohne Belang. Bei der AGB-Kontrolle, kommt es
nicht auf derartige praktische Handhabungen, sondern auf den Inhalt der
Klausel an, und bei der im Verbandsprozeß gebotenen kundenfeindlichsten
Auslegung der Klausel fehlt es jedenfalls an der Möglichkeit für den
Kunden, seine Einwilligung jederzeit zu widerrufen. Unabhängig davon
jedoch führt die vorliegende Klausel schon mit Rücksicht darauf, daß sie
ersichtlich die Beklagte von der Notwendigkeit einer
Individualvereinbarung befreien soll und die Initiative zur
Aufrechterhaltung der ungestörten Privatsphäre auf den Kunden verlagert,
zu einer unangemessenen Benachteiligung.
c) Die für eine ordnungsmittelbewehrte Untersagung erforderliche
Wiederholungsgefahr folgt aus der bisherigen rechtswidrigen Verwendung der
angegriffenen Klausel. Zudem hat die Beklagte in diesem Rechtsstreit auch
weiterhin für sich in Anspruch genommen, diese Klausel auf ihren
Bestellkarten aufführen zu dürfen. Dem Verbotsbegehren des Klägers muß
daher Erfolg beschieden sein.
II.
Die
Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 ZPO.
Dem Antrag der Beklagten, ihr im Falle der Verurteilung gemäß § 712 Abs.1
ZPO zu gestatten, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung abzuwenden, konnte nicht entsprochen werden.
Die Beklagte
hat weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, welche - nicht zu ersetzenden
- Nachteile ihr im Falle der vorläufigen Vollstreckung des Urteils drohen.
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Rolf Schälike
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Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 15.07.05
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