Die taz darf die Böhsen Onkelz wieder als "berüchtigte
rechtsradikale Band" bezeichnen
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
27 O 82/01
12.06.2001
Schmökel
Justizhauptsekretärin
In dem Rechtsstreit
Böhse Onkelz - Kläger
gegen
taz - Beklagte
(Im Original stehen die bürgerlichen Namen der
vier "Böhsen Onkelz", die bürgerlichen Namen der gesetzlichen Vertreter
der "taz", die Namen der Prozessbevollmächtigten und alle Anschriften.)
hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin
in 10589 Berlin (Charlottenburg), Tegeler Weg 17 - 21, auf die mündliche
Verhandlung vom 12. Juni 2001 durch den Vorsitzenden Richter am
Landgericht Mauck, die Richterin am Landgericht Gollan und den Richter
am Landgericht Thiel
für R e c h t erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des
Rechtsstreits je zu 1/4 zu
tragen.
3. Das Urteil ist gegen Leistung einer
Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Kostenbetrages zuzüglich 10 %
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger erheben einen Unterlassungsanspruch
im Hinblick auf die Behauptung der Beklagten, sie bildeten eine
berüchtigte rechtsradikale Band.
Die Kläger sind Mitglieder der Rockband "Böhse
Onkelz". Sie gehörten Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre der
sogenannten Punk-Bewegung an und gewannen damals mit Liedern wie
"Bullenschwein", "Türken raus" und "Deutschland den Deutschen" eine
breite Anhängerschaft insbesondere unter sogenannten "Skinheads" und in
ähnlich rechtsgerichteten Kreisen. Mit Beginn der 90er Jahre
distanzierten sich die Kläger in Presseinterviews von ihren früheren
Liedern, der aktuellen Skinheadszene und rechtsradikalem Gedankengut und
bemühten sich um Auftritte auf Konzerten "gegen Rechts".
Dessen ungeachtet veröffentlichte die Beklagte
am 23. Oktober 2000 auf Seite 23 der von ihr verlegten Zeitung "die
tageszeitung" eine Theaterkritik, in der es abschließend hieß: "Zu allem
Überfluss gibt es dann noch ein Lied der berüchtigten rechtsradikalen
Band "Böhse Onkelz"."
Die Kläger halten diese Qualifizierung ihrer
Band in Anbetracht der Entwicklung, die sie genommen hätten, für eine
unwahre Tatsachenbehauptung, die einzig darauf abziele, sie
herabzusetzen. Sie hätten sich nicht zuletzt in ihrem aktuellen Lied
"Ohne mich" eindeutig von rechtsradikalen Anhängern distanziert. Dort
heiße es:
"Und hier ein paar Worte
An die - rechte - Adresse
Leckt uns am Arsch
Sonst gibt's auf die Fresse
Ich hasse Euch
Und Eure blinden Parolen
Fickt Euch ins Knie
Euch soll der Teufel holen
Ihr seid dumm geboren
genau wie ich
Doch was ich lernte
Lernt ihr nicht
Ihr seid blind vor Hass
Dumm wie Brot
Ihr habt verschissen
Eure Führer sind tot."
Angesichts von etwa 500.000 verkauften
Exemplaren ihres letzten Albums hätten sie es auch nicht nötig, einer
rechtsradikalen Klientel zu hofieren.
Die Kläger beantragen,
die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen
Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, zu behaupten und/oder
behaupten zu lassen, die Band "Böhse Onkelz" sei eine berüchtigte
rechtsradikale Band.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Bezeichnung der Kläger als eine
berüchtigte rechtsradikale Band für eine zulässige
Meinungsäußerung.
Aus ihrer Sicht ist auch die in den aktuellen
Liedern der Kläger zum Ausdruck kommende Weltanschauung als
rechtsradikal zu bezeichnen. Zwar seien darin keine klaren politischen
Parolen zu finden; es sei aber - etwa in den Liedern "Meister der
Lügen", "Gesetz der Straße" und "Hass" - stets von Entschlossenheit und
Kampfeswillen der zu kurz Gekommenen gegen den Rest der Welt die Rede.
Die Texte lägen damit auf einer Linie mit der populistischen Kritik
rechtsradikaler Parteien wie der NPD.
Eine solche Interpretation der Lieder verbiete
sich auch nicht etwa deshalb, weil die Kläger sich in der jüngsten
Vergangenheit öffentlich ausdrücklich von rechtsradikalen Tendenzen
distanziert hätten. Sie hätten es bei ihren Stellungnahmen nämlich
geschickt vermieden, ihre alten rechtsradikalen Fans zu verprellen. So
hätten sie beispielsweise betont, kein Konzert "Rock gegen Rechts",
sondern für "Opfer rechter Gewalt" zu geben. Sie sprächen sich auf
Konzerten gegen Gewalt aus und spielten gleichzeitig den Gewalt
verherrlichenden Titel "Kneipenterroristen". Ihr Verbot, das Lied
"Türken raus" im Internet zu verbreiten, hätten sie den Fans gegenüber
nicht etwa damit begründet, dass sie sich von dessen
ausländerfeindlichen Inhalt heute distanzierten, sondern damit, dass
durch die Veröffentlichung Verwertungsrechte von Plattenfirmen und
Urheberrechte verletzt würden.
Mit ihrer Einschätzung stehe sie auch nicht
allein da. Die Kläger seien vielmehr durchaus berüchtigt dafür,
rechtsradikale Fans anzuziehen. So habe beispielsweise die
Bundesregierung in ihrer Drucksache 14/2638 vom 3. Februar 2000 auf eine
parlamentarische Anfrage hin sechs Konzerte der Kläger im Jahr 1998
genannt, bei denen es zu rechtsradikalen Straftaten gekommen sei und
darauf hingewiesen, dass das Album "Der nette Mann" der Kläger wegen
strafrechtsrelevanter Inhalte beschlagnahmt worden sei. Dieses Album sei
schließlich von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften am
30. August 1986 indiziert worden, ebenso wie beispielsweise ein
Livemitschnitt des Offenbacher Konzertes der Kläger vom 6. Mai 1989.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien
wird auf den Inhalt ihrer wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Den Klägern steht gegenüber der Beklagten kein
Anspruch darauf zu, in Bezug auf ihre Band nicht von einer
berüchtigten rechtsradikalen Band zu sprechen. Ein solcher Anspruch
ergibt sich nicht aus §§ 823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2
BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG, weil die Kritik der
Beklagten den Schutz der Meinungsäußerungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG
für sich in Anspruch nehmen kann.
Die angegriffene Äußerung stellt keine unwahre
Tatsachenbehauptung dar, als welche sie dem Schutz der
Meinungsäußerungsfreiheit von vornherein entzogen wäre. Als
Tatsachenbehauptung gelten Aussagen, die einer Überprüfung auf ihre
Richtigkeit mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (BGH NJW 1997,
1148, 1149). Eine solche Prüfung ist hinsichtlich der Behauptung, die
Kläger bildeten eine berüchtigte rechtsradikale Band, deshalb
ausgeschlossen, weil die Aussage keinen konkreten Anknüpfungspunkt
nennt, an dem die Rechtsradikalität festgemacht werden soll. Den Klägern
wird beispielsweise nicht vorgeworfen, Mitglieder einer rechtsradikalen
Partei zu sein. Vielmehr wird die Gruppe im nachfolgenden Text als
Inbegriff rechtsradikaler Kultur bezeichnet. Wie weit dieser Begriff zu
fassen ist, steht aber nicht objektiv fest, sondern lässt sich
unterschiedlich definieren, je nachdem, welches Gewicht man einzelnen
Charakteristika der Anhänger rechtsradikaler Thesen beimisst. Diese
Einschätzung stellt eine Wertung dar.
Die Aussage ist nicht etwa deshalb tatsächlich
unwahr, weil es an jeglichem Anknüpfungspunkt fehlt, der sie
rechtfertigen könnte. Diese in der Klageschrift vertretene Auffassung
lässt sich zwar vordergründig damit begründen, dass sich die Kläger in
den vergangenen Jahren wiederholt ausdrücklich von ihren früheren
unstreitig rechtsradikalen Liedtexten distanziert haben, sei es in
Interviews, neuen Liedtexten oder durch die Teilnahme an Konzerten, auf
denen Künstler sich mit den Opfern rechter Gewalt solidarisierten. Die
Beklagte hat aber verschiedene Gesichtspunkte genannt, die es zumindest
vertretbar erscheinen lassen, auch den gegenwärtigen Stil der Band als
rechtsradikal zu bezeichnen. Aus ihrer Sicht offenbart sich die
rechtsradikale Tendenz der Kläger nämlich bereits an dem Hang zur
Gewalt, der auch in jüngeren Liedern zum Ausdruck komme und dem Gefühl,
gegen den Rest der Welt ankämpfen zu müssen, das die neuen Lieder
vermittelten, ohne ein klares politisches Ziel erkennen zu lassen. Eine
solche Geisteshaltung ist
aus der Sicht der Beklagten charakteristisch für rechtsradikale
Gruppierungen.
Diese Einschätzung entbehrt auch nicht etwa
deshalb jeder Grundlage, weil eine solche Geisteshaltung ebenso in
politisch links einzuordnenden Außenseitergruppen der Gesellschaft zu
finden ist. Dass die Beklagte die Band der Kläger nämlich eher dem
rechten Lager zuordnet, versteht sich vor dem Hintergrund der
ursprünglichen Ausrichtung dieser Band von selbst. Der Einwand der
Kläger, sie beschränkten sich darauf, Musik zu machen und verfolgten
dabei überhaupt keine politischen Zielsetzungen, kann sie nicht davor
bewahren, gleichwohl einem bestimmten gesellschaftlichen Lager
zugeordnet zu werden. Eine solche Einordnung ist nämlich nicht notwendig
an parteipolitische Aktivitäten der Betroffenen geknüpft.
Des weiteren hat die Beklagte Anhaltspunkte
dafür genannt, dass die Kläger heute zwar die alten eindeutig
ausländerfeindlichen Texte nicht mehr zu Gehör bringen und sich
öffentlich von ihrer Vergangenheit distanzieren, gleichzeitig aber
bemüht sind, auch die Fans aus dem rechtsradikalen Lager nicht von sich
zu stoßen, und aus diesem Grunde beispielsweise einer Verbreitung von
Liedern wie "Türken raus" unter Hinweis auf fremde Verwertungsrechte
entgegentreten, anstatt den Inhalt dieser Lieder zur Begründung
anzuführen. Der Einwand der Kläger, dass sie der von der Beklagten
beispielhaft angeführten Verbreitung einer Instrumentalversion dieses
Liedes nicht unter Hinweis auf den in diesem Fall gar nicht
veröffentlichten Text hätten entgegentreten können, überzeugt nicht. Es
liegt auf der Hand, dass auch die Instrumentalversion dieses Liedes eben
in jenen Kreisen auf Interesse gestoßen sein wird, in denen der Liedtext
ohnehin bekannt war und dass sich die Zuhörer diesen Text in Erinnerung
riefen, wenn sie die Musik hörten. Unter diesen Umständen hätte es
durchaus Sinn gemacht, den Fans deutlich zu erklären, dass man mit dem
Lied nichts mehr zu tun haben wolle. Es kann der Beklagten auch nicht
deshalb verwehrt
werden, aus dem vorgenannten Fall die Schlussfolgerung zu ziehen, dass
die Kläger noch Rücksicht auf ihre rechtsradikale Fangemeinde nähmen,
weil sich die Kläger bei anderer Gelegenheit ausdrücklich von früheren
Liedtexten und der von ihnen als "Nazi-Pack" beschimpften Anhängerschaft
distanziert haben. Schließlich macht es die Beklagte den Klägern gerade
zum Vorwurf, dass sie es an einer solch deutlichen Distanzierung
gegenüber den rechtsradikalen Fans selbst fehlen ließen.
Da es unter diesen Gesichtspunkten
nachvollziehbar ist, die Kontinuität der Band ungeachtet
ihrer Abkehr von den Liedern ihrer Anfangsjahre als gewahrt
anzusehen, kann die Beklagte auch behaupten, dass
die Band für ihre rechtsradikale Einstellung auch heute noch berüchtigt
sei, das heißt berechtigterweise einen
entsprechenden Ruf genieße.
Diese (ab-)wertende Einschätzung ist der
Beklagten auch nicht deshalb zu untersagen, weil das
durch Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG geschützte Ansehen der Kläger
dadurch ungerechtfertigt beeinträchtigt würde.
Der Persönlichkeitsrechtsschutz der Kläger würde der durch Art. 5 Abs. 1
GG geschützten Meinungsäußerungsfreiheit der Beklagten nur eine
Schranke setzen, wenn sich deren Äußerung in
einer Schmähung der Kläger erschöpfen würde. Den Charakter einer
Schmähung nimmt eine Äußerung dann an, wenn in ihr nicht eine sachliche
Auseinandersetzung, sonвern die Diffamierung des
Betroffenen im Vordergrund steht (BGH NJW 1987, 1398). Daran fehlt
es im vorliegenden Fall deshalb, weil die Charakterisierung der
Band im Rahmen einer Theaterkritik dazu diente, die Theateraufführung zu
beschreiben und keine davon losgelöste Ausfälligkeit
gegen die Kläger darstellte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1
ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß
§ 709 Satz 1 ZPO.
Mauck
Thiel Gollan
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am10.04.07
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