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Anwalt Johannes Eisenberg vs. 'Bild' (rechtskräftig)

Leitsätze:

1. Ein Rechtsanwalt muß weder Bildveröffentlichungen hinnehmen, noch darf aus zum Zwecke der Rechtewahrnehmung übermittelten Schriftsätzen in der Presse zitiert werden.

2. Hartnäckige Verstöße der Presse gegen dieses Verbot, die sich über den erklärten Willen des Rechtsanwalt hinwegsetzen, lösen einen Anspruch auf Zahlung eines empfindlichen Scherzensgeldes aus.

KUG § 23 Abs. 2; BGB § 823 Abs.1 u. 2; BGB § 1004;

Landgericht Berlin

Im Namen des Volkes

Urteil

27 O 605/98
28.01.1998

Tatbestand

Der Kläger ist ein schwerpunktmäßig im Presserecht tätiger Rechtsanwalt; von ihm erwirkte Gegendarstellungen schließen häufig mit der Formulierung "Rechtsanwalt Eisenberg für der Name des Betroffenen". Zu den Mandanten des Klägers gehört Herr A., den verschiedene Berliner Tageszeitungen als Kopf einer mafiösen Vereinigung ansehen und daher mit seinem angeblichen Spitznamen "Präsident" titulieren und dessen Verurteilung zu einer 2 1/2 jährigen Freiheitsstrafe wegen Beihilfe zu einem Betäubungsmitteldelikt für Schlagzeilen sorgte.

Die "Bild"-Zeitung ... veröffentlichte am 11. September 1998 einen Artikel "Justiz-Sumpf!", der sich in scharfer Form gegen den - aus Sicht der "Bild"-Zeitung - zu geringen Strafausspruch wandte. .... Am 12. September 1998 setzte die "Bild"-Zeitung unter der Überschrift "Lesen Sie mal, Herr Diepgen, was ein Rotlicht-König über den 'Präsidenten' sagt", ihre kritische Berichterstattung über Herrn A. fort. Am 15. September1998 druckte die "Bild"-Zeitung ein Interview mit dem Regierenden Bürgermeister ab ("Diepgens Machtwort"), in dem dieser das Urteil als falsches Signal kritisierte.

Mit zwei Schreiben vom 16. September 1998 forderte der Kläger als Bevollmächtigter des Herrn A. die Beklagte wegen ihrer Berichterstattung vom 11. September 1998 auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und eine Gegendarstellung abzudrucken. Dies war Anlaß für die Beklagte, in der "Bild"-Zeitung vom 17. September 1998 den .... Artikel zu veröffentlichen:

"Im Urteil ist der Artikel wiedergegeben. Er titelt mit "Exklusiv in Bild: Morgen spricht der "Präsident", und ist bebildert mit einem Portraitfoto des Rechtsanwalt Eisenberg, unterschrieben mit "Advokat Eisenberg: Er vertritt die Interessen des libanesischen Kriminellen gegenüber der BILD-Zeitung". Daneben findet sich ein Bildnis des Herrn A., und es werden die beanstandeten Artikel im Ausriß erneut wiedergegeben. Im Fließtext heißt es unter anderem: "Dieser Kriminelle hat BILD gestern Post schicken lassen. Sein Absender: Ein weiterer Berliner Rechtsanwalt, der sich für den libanesischen Kriminellen in´s Zeug legt. Sein Name: Johannes Eisenberg. Inhalt: eine Gegendarstellung ... Herr Eisenberg schreibt uns:" Sodann folgen wörtliche Zitat aus dem Unterlassungsaufforderungsschreiben, die die zu unterlassenden Äußerungen beinhalten. Hernach heißt es weiter: "Herrn Eisenberg steht es frei, solche Behauptungen aufzustellen. ... Nach den Vorschriften des Berliner Pressegesetz sind wir .. verpflichtet, eine Gegendarstellung unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt zu veröffentlichen. Wir werden uns .. nicht herablassen, mit einem Mann dieses Schlages bezüglich einer Gegendarstellung einen Rechtsstreit zu führen. Wir werden die Gegendarstellung morgen abdrucken. Doch Bild vertraut auf das Urteilsvermögen seiner Leser. Wir sind sicher, Sie werden morgen richtig einschätzen, was von den Behauptungen des libanesischen Kriminellen zu halten ist." (Der Bearbeiter)

Am 18. September 1998 wurde dann die Gegendarstellung entsprechend dem Abdruckverlangen veröffentlicht.

Unter dem 21. September 1998 forderte der Kläger für Herrn A. in zwei Schreiben den Abdruck zweier weiterer Gegendarstellungen zu der Berichterstattung vom 12. bzw. 15. September 1998. Die Beklagte reagierte hierauf wiederum dergestalt, daß sie zunächst am 24. September 1998 unter der Überschrift "Morgen exklusiv in BILD: Neues vom Präsidenten" den ... Bericht abdruckte und erst am 25. September 1998 die geforderte Gegendarstellung.

"Im Urteil ist der Artikel wiedergegeben. Er titelt mit "Morgen exklusiv in Bild: Neues vom "Präsidenten", und ist erneut bebildert mit einem Portraitfoto des Rechtsanwalt Eisenberg direkt neben dem des Herrn A., unterschrieben mit ".. A., der libanesischen Kriminelle (links). Es scheint, er will BILD mit Hilfe seines Advokaten Johannes Eisenberg (rechts) einen Maulkorb anlegen.“ In dem Bericht heißt es, nachdem behauptet wird, „der libanesische Kriminelle A. (überzieht BILD) mit Hilfe seines Advokaten Johannes Eisenberg mit Gegendarstellungsbegehren und Unterlassungsansprüchen. BILD empfindet das als den Versuch, uns einen Maulkorb anzulegen“. Sodann werden zwei weitere Gegendarstellungen für den nächsten Tag angekündigt, und es wird erneut behauptet, der Anspruchsteller verbreite Unwahrheiten. Wörtlich heißt es: „Weil es uns darüber hinaus aus presserechtlichen Grundsätzen nicht gestattet ist, Gegendarstellungen in derselben Ausgabe zu kommentieren, tun wir das heute. Wir sind sicher, liebe Leser, Sie werden morgen richtig beurteilen, wieviel die Entgegnungen A.´s wert sind. Wir meinen, sie sind nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben wurden.“ Hernach werden Einzelheiten der Gegendarstellung inhaltlich wiedergegeben. Zu einer Entgegnung heißt es wörtlich: „Das ist eine glatte Lüge!“ Am Ende wird angekündigt: "Ansonsten werden sich Morgen A.´s Gegendarstellungen auf Haarspaltereien beschränken und sogar Dinge in Abrede stellen, die BILD gar nicht geschrieben hat. Sei´s drum: Der Präsident soll mit Hilfe seines Advokaten behaupten, was immer er will. Wir werden uns von diesen beiden nicht das Recht streitig machen lassen, unsere Sicht auf den Fall in aller Deutlichkeit zu veröffentlichen. Was wiederum hiermit geschehen ist. Und wir versprechen dem "Präsidenten" und seinem Advokaten: Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. ... Die Redaktion von BILD Berlin-Brandenburg." (Der Bearbeiter)

Die Kammer wies Anträge auf Erlaß von einstweiligen Verfügungen des Herrn A. auf erneuten Abdruck der Gegendarstellungen zurück. Zweitinstanzlich schlossen die Parteien in beiden Verfahren einen Vergleich, der die Beklagte zum erneuten Abdruck der Gegendarstellungen verpflichtete (weil das Kammergericht von einer völligen Entwertung der Gegendarstellungen ausging, der Bearbeiter).

Nachdem die Kammer der Beklagten durch Beschluß vom 22. September 1998 untersagt hatte, das Bild des Klägers zu veröffentlichen und aus seinen Anwaltsschreiben zu zitieren, wie in der "Bild"-Zeitung vom 17. September 1998 geschehen, veröffentlichte die Beklagte am 30. September 1998 den ... Artikel:

"Im Urteil ist der Artikel wiedergegeben. Er titelt mit "Der Advokat des .. "Präsidenten" Eisenberg vorläufig unsichtbar! und ist bebildert mit einem Schattenriß des Portraitfoto des Rechtsanwalt Eisenberg, unterschrieben mit "Johannes Eisenberg ließ uns die Veröffentlichung seines Bildnisses gerichtlich untersagen". Daneben wird über Unterlassungsansprüche des Rechtsanwalt Eisenberg berichtet, unter anderem wie folgt: "Jetzt erhebt Advokat Johannes Eisenberg (Tagesspiegel: "der "Präsident" des Berliner Gegendarstellungswesens"), vertreten durch seinen Kompagnon König, eigene Forderungen gegenüber BILD. Wir dürfen sein Foto nicht mehr zeigen. ... Aus den Schriftsätzen der Kanzlei Eisenberg & Dr. König sollen wir auch nicht mehr zitieren. Unsere Vermutung, woran das liegen könnte: In den Schriftsätzen werden Teile unserer Leserschaft beleidigt ... und die BILD-Zeitung .. mit Schmutz beworfen. Der Gipfel: Advokat König fordert für seinen Kompagnon Eisenberg ein Schmerzensgeld von mindestens ..... Mark. Das könnte ihm so passen! Wir werden nicht klein beigeben, sondern uns gegen seine Forderungen mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr setzen. Über den Verlauf dieses Auseinandersetzung wird BILD natürlich informieren." (Anmerkung des Bearbeiters: Dieses ihr Versprechen hat die BILD-Zeitung "vergessen", zu erfüllen. Die Leser haben nie erfahren, daß die BILD-Zeitung rechtskräftig zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt wurde).

Auch das wurde der Beklagten durch eine einstweilige Verfügung der Kammer vom 1. Oktober 1998 untersagt.

Der Kläger hat seit dem 17. September 1998 anonyme Morddrohungen erhalten.

Der Kläger meint, die Artikel in der "Bild-Zeitung vom 17., 24. und 30. September 1998 würden sein Persönlichkeitsrecht derart stark verletzen, daß eine Entschädigung in Geld zu zahlen sei.... Eine Entschädigung in Geld sei deshalb unbedingt geboten, weil die Beklagte ihn besonders beharrlich und sogar unter Mißachtungen von Verbots-Verbotsverfügungen des Gerichts angegriffen habe. Auch der Gesichtspunkt der Prävention mache die Verhängung eines Schmerzensgeldes erforderlich. .....

(Die Beklagte) meint, die Persönlichkeitsrechtsverletzungen des Klägers seien nicht derart schwer, daß eine Entschädigung in Geld geboten sei. Dies ergebe sich daraus, daß die Schreiben des Klägers ihr unterstellt hätten, eine böswillige und unwahre Berichterstattung zu betreiben. Zudem habe die geforderte Gegendarstellung zu ihrem Artikel vom 12. September 1998 eine dreiste Lüge enthalten, da der Kläger gewußt habe, daß sich Herr J. so wie von ihr behauptet geäußert hatte, dies aber von ihr bestritten worden sei. Sie habe den in Befehlston formulierten Schreiben des Klägers entnommen, daß der Kläger ihr einen „Maulkorb umhängen" wollte.

Die Mitteilung, daß der Kläger Herrn A. presserechtlich vertrete, sei zulässig gewesen, da dies nicht ehrenrührig sei. Durch die von ihm geübte Praxis, Gegendarstellungen mit "für A. Rechtsanwalt Eisenberg" zu unterschreiben, sei er selbst an die Öffentlichkeit getreten, so daß er sich seines Schutzes auf selbstgewählte Anonymität begeben habe.... Das wörtliche Zitieren aus seinen Schreiben, die der Kläger selbst für sachlich und angemessen halte, könne ihn nicht in seinen Persönlichkeitsrechten verletzen und lasse den Kläger auch nicht als Werkzeug des Herrn A. erscheinen. ....

Die Klage ist begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in Geld in Höhe von ...... DM (der geforderte Betrag wurde verdoppelt vom Gericht, der Bearbeiter).

Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen kommt eine Geldentschädigung zum Ausgleich für erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzungen dann in Betracht, wenn es sich um eine schwerwiegende Verletzung handelt und wenn sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgleichen läßt. Die Gewährung des Anspruchs auf eine Geldentschädigung findet ihre Rechtfertigung in dem Gedanken, daß der Verletzte andernfalls wegen der erlittenen Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts ohne Rechtsschutz und damit der vom Grundgesetz vorgesehene Schutz der Persönlichkeit lückenhaft bliebe (BGH NJW 1985, 861, 864; BVerfG NJW 1973, 1221-, 1224; Kammergericht AfP 1974, 720, 721). Aufgrund der Schwere der Beeinträchtigung und des Fehlens anderweitiger Ausgleichsmöglichkeiten muß dabei ein unabwendbares Bedürfnis für einen finanziellen Ausgleich bestehen (BGH LM BGB §847 Nr. 51). Ob eine schuldhafte Verletzung des Persönlichkeitsrechts schwer ist, bestimmt sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach Art und Schwere der zugefügten Beeinträchtigung, dem Grad des Verschuldens sowie Anlaß und Beweggrund des Handelns des Verletzers (BGH NJW 1996, 1131, 1 134). Dabei kann schon ein einziger jener Umstände zur Schwere des Eingriffs führen (Kammergericht a.a.O.,).

Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht des Klägers durch ihre Berichterstattung in der „Bild"-Zeitung vom 17., 24. und 30. September 1998 schwerwiegend verletzt.

Eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung ist bereits in der dreimaligen Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers zu sehen. Das Recht am eigenen Bild ist eine unter Sonderschutz gestellte besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (BGH NJW 1996, 985, 986). Aus dem Wesen dieses Rechts folgt, daß die Verfügung über das eigene Bild im Grundsatz nur dem Abgebildeten als Rechtsträger selbst zusteht; nur er selbst soll darüber befinden dürfen, ob, wann und wie er sich gegenüber Dritten oder der Öffentlichkeit im Bild darstellen will (BGH NJW-RR 1987, 231; VersR 1993, 66, 67; NJW 1996, 985, 986).

Der Bejahung einer Rechtsverletzung steht daher nicht entgegen, daß die Fotos als Porträtaufnahmen des Klägers nicht besonders verletzend sind (BGH NJW 1996, 985, 986); gerechtfertigt könnte der Eingriff nur sein, wenn die Bildnisveröffentlichung nach dem KUG zulässig gewesen wäre. Dies ist indes nicht der Fall.

Die Veröffentlichung des Fotos vom Kläger verstößt gegen das KUG. Ein Bildnis i.S.d. KUG liegt auch vor, soweit der Schattenriß des Klägers veröffentlicht wurde. Unter den Bildnisbegriff des KUG fällt die Darstellung einer Personen, die die Erscheinung des Abgebildeten in einer für Dritte erkennbaren Weise wiedergibt (Steffen, in: Löffler, Presserecht, 4. Auflage, § 6 LPG Rz. 121). Umfaßt werden alle Darstellungsspielarten (Steffen, a.a.O.), wobei es für die erforderliche Erkennbarkeit des Betroffenen genügt, daß der nur andeutungsweise Abgebildete von seinem engeren Bekanntenkreis (BGH GRUR 1979, 732, 733; BGH NJW 1971, 698, 699 f.)oder unter Zuhilfenahme des Begleittextes (BGH GRUR 1979, 732, 733; BGH NJW l965, 2148, 2149) identifiziert werden kann. Nach diesen Maßstäben ist der Kläger auf dem Bild zu identifizieren. Zum einen kann er von seinen Bekannten bereits allein aufgrund des Schattenrisses erkannt werden, da das Bild die Kopfform des Klägers sowie weitere typische Merkmale erkennen läßt. Zum anderen folgt die Identifizierbarkeit des Klägers daraus, daß in dem Artikel ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß der Scherenschnitt ein Foto des Klägers wiedergibt.

Eine Einwilligung des Klägers nach § 22 KUG liegt nicht vor. Die Veröffentlichung ist auch nicht nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG gerechtfertigt. Die streitgegenständliche Veröffentlichung ist kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte, weil der Kläger keine relative Person der Zeitgeschichte ist. Ob jemand als relative Person der Zeitgeschichte einzustufen ist, bestimmt sich nach dem Normzweck des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine einschränkend auszulegende Ausnahmebestimmung (BGH NJW 1965, 2148, 2150; OLG München, AfP 1995, 659, 660). Die bildliche Darstellung soll dem echten sachgerechten Informationsbedürfnis der Allgemeinheit über Personen insbesondere des öffentlichen Lebens Rechnung tragen. Der Informationsanspruch der Öffentlichkeit ist dabei gegen die Interessen des Betroffenen abzuwägen (BGH GRUR 1979, 425, 426).

Die gebotene Abwägung ergibt, daß das Interesse des Klägers an Anonymität überwiegt. Der Kläger als Rechtsanwalt ist - anders als, im Fall des OLG Hamburg (AfP 1982, 177) - nicht in einer Weise in die Öffentlichkeit getreten, welche die Vermittlung seines Bildes rechtfertigen würde. Zwar mögen die Verurteilung des Herrn A. und die gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren ein zeitgeschichtliches Ereignis sein. Mit diesem steht der Kläger jedoch nicht derart in Verbindung, daß im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Herrn A. Bildnisse des Klägers veröffentlicht werden dürfen. Denn der Kläger ist nicht der Verteidiger des Herrn A., der in einem spektakulären Strafprozeß große Aufmerksamkeit erweckt hat, sondern nur Bevollmächtigter des Herrn A. in presserechtlichen Streitigkeiten. Der Kläger gehört nicht zu den prägenden Persönlichkeiten in der Auseinandersetzung um Herrn A.. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger die Gegendarstellungen mit „Rechtsanwalt Eisenberg für A." unterschrieben hat, denn hierdurch ist er nicht Gegenstand des Informationsinteresses der Öffentlichkeit geworden. Für den Leser der Gegendarstellung steht ihr Inhalt, der in Ich-Form gehalten ist und damit auf den Betroffenen als Urheber hinweist, im Vordergrund. Ob der Betroffene sich von einem Rechtsanwalt vertreten läßt, ist für den Leser demgegenüber nachrangig. Obwohl der Kläger für seinen Mandanten A. zahlreiche Gegendarstellungen in der beschriebenen Form erwirkt hat, kann keine Rede davon sein, daß der Kläger die Öffentlichkeit gesucht hat, zumal seine Vorgehensweise, Gegendarstellungen .... in offener Stellvertretung des Anspruchstellers zu unterzeichnen, einen einleuchtenden, sachlich gerechtfertigten Grund hat: Dem Kläger gelingt es auf diese Weise, Gegendarstellungen, .... zeitnah zur Veröffentlichung der Erstmitteilung gerichtlich durchzusetzen. Weiter ist zu berücksichtigen, daß Herr A. mit den Gegendarstellungen nur jeweils auf Berichterstattungen über seine Person reagiert hat; angezettelt wurde die presserechtliche Auseinandersetzung von der "Bild"-Zeitung; diese hat durch ihre Berichterstattung die Gegendarstellungsansprüche ausgelöst. Zudem fehlt hier - wiederum anders als im Fall des OLG Hamburg - jeglicher Anhaltspunkt dafür, daß der Kläger mit den strafrechtswidrigen Taten des Herrn A. sympathisiert.

Auch die Verletzung des Rechts am eigenen Bild führt nicht in jedem Fall, sondern nur bei einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung zu einer Entschädigung in Geld (BGH NJW 1971, 698, 699; 1996, 985, 986). Die erforderliche wertende Beurteilung ergibt, daß die dem Kläger zugefügte Persönlichkeitsrechtsverletzung schwer ist. Sie erschöpft sich nicht in der bloßen Veröffentlichung des Fotos. Sie erhält vielmehr ihr besonderes Gewicht dadurch, daß die Beklagte durch die wiederholte einwilligungslose Veröffentlichung der Fotos des Klägers dessen Recht am eigenen Bild mit besonderer Hartnäckigkeit verletzt und sich zumindest bei der Veröffentlichung des Schattenrisses des Klägers über den ihr ausdrücklich erklärten Willen des Klägers hinweggesetzt hat. Zu dem wiederholten Rechtsbruch der Beklagten, der in der einwilligungslosen Veröffentlichung der Fotos bestand, trat damit die bewußte und offenkundige Mißachtung des erklärten Willens des Klägers hinzu (vgl. BGH NJW 1996, 985, 986). Dabei handelte die Beklagte - wie sie selbst eingeräumt hat - in der Absicht, den Kläger davon abzuhalten, für seinen Mandanten A. Gegendarstellungs- und Unterlassungsansprüche geltend zu machen, obwohl ihre Angriffe auf Herrn A. äußerst scharf und teilweise unter Behauptung falscher Tatsachen geführt wurden.

Die Veröffentlichung des Anwaltsschreiben in der "Bild"-Zeitung vom 17. September 1998 stellt ebenfalls eine schwerwiegende Persönlichkeitsrechtsverletzung dar. Teil des Persönlichkeitsrechts ist die Sozialsphäre, die das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen insbesondere in seinem beruflichen Wirken schützt. Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit sind vom Grundgesetz allerdings mit gleichem Rang gewährleistet. Soweit sie miteinander in Konflikt geraten, muß aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung an den konkret betroffenen personalen Belangen und den schutzwürdigen Interessen an freier Kritik im Einzelfall bestimmt werden, inwieweit der Betroffene Einschränkungen des Persönlichkeitsrechtes hinnehmen muß (BGH NJW 1981, 1366). Dabei sind Lebensvorgänge nicht schon deshalb für eine Reportage freigegeben, weil der Betroffene in ihnen nach außen in Erscheinung tritt. Grundsätzlich muß auch für diese Lebensbereiche ihm die Bestimmung darüber vorbehalten bleiben, welcher Öffentlichkeit er sich in seiner Persönlichkeit darstellt (BVerfGE 35, 202, 220; BGH NJW 1981, 1366). Sein Entfaltungsraum wäre übermäßig eingeengt, wenn er sich hier stets einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt fühlen müßte, als der, die er im sozialen Kontakt gesucht hat. Einschränkungen für sein Bestimmungsrecht können sich allerdings insbesondere daraus ergeben, daß er in einem Wirkungsfeld auftritt, das nicht ihm allein gehört, sondern an dem andere mit ihren schutzwürdigen Interessen ebenso teilhaben. Vor allem Bedürfnisse der Allgemeinheit, dieses Wirkungsfeld als solches zur öffentlichen Erörterung und Kritik zu stellen, können es rechtfertigen, mit ihm auch die in ihm tätigen Personen in die Öffentlichkeit zu rücken(BGH NJW 1981, 1366).

Die vorzunehmende Abwägung ergibt, daß die wörtliche Wiedergabe des Briefs des Klägers unzulässig war. Ob eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle des Klägers in den Gegendarstellungsverfahren für Herrn A. zulässig wäre, kann dahingestellt bleiben, dann darum geht es vorliegend nicht. Wörtliche Zitate aus Anwaltsschreiben dürfen nur in der vom Verfasser gebilligten Weise veröffentlicht werden. Hierfür spricht vor allem, daß der Rechtsanwalt in der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten und damit in seinem eigenen beruflichen Wirken ganz erheblich beeinträchtigt wird, wenn derartige Schreiben publiziert werden dürften. Er hätte sich immer zu fragen, ob die Interessen seines Mandanten, die er durch einen früheren Artikel verletzt sieht, nicht noch weiter dadurch geschädigt werden, daß er sich an die Zeitung wendet mit der Gefahr, daß sein Anwaltsschreiben veröffentlicht und negativ kommentiert wird. So werden im konkreten Fall alle diejenigen Vorwürfe gegen seinen Mandanten, die dieser in der Zeitung gerade nicht lesen möchte, durch die Wiedergabe des Unterlassungsbegehrens ("Sie dürfen ihn nicht als Mafiaboß bezeichnen. Sie dürfen ihn nicht dem Verdacht aussetzen, er habe mit dem Mord an einem 26-jährigen Libanesen etwas zu tun .. .") wiederholt. Gleichzeitig läßt die Beklagte durch ihre Kommentare für den Leser erkennen, daß sie die Unterlassungsaufforderung für abwegig hält. Damit wird der Sinn des Schreibens konterkariert.

Hinzu kommt, daß vorliegend kein öffentliches Interesse daran erkennbar ist, zu erfahren, daß gerade der Kläger mit der Durchsetzung von Ansprüchen des Herrn A. beauftragt ist und welche konkreten Maßnahmen er insoweit ergriffen hat. Das Anwaltsschreiben war - anders als im Fall BGHZ 13, 335 - nicht zur Veröffentlichung bestimmt.

Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist als schwer zu werten, weil die Beklagte den Kläger durch die beanstandete Veröffentlichung in die Auseinandersetzung um seinen Mandanten hereinzieht und dadurch erreicht, daß das von ihr erzeugte negative Bild des Herrn A. und die gegen ihn geweckten Emotionen auch auf den Kläger ausstrahlen. Der Kläger hat seit dem 17. September 1998 Morddrohungen erhalten. Diese feindseligen Reaktionen gegen den Kläger können nur mit der Berichterstattung der Beklagten über den Kläger erklärt werden. Denn allein der Umstand, daß der Kläger die Gegendarstellungsbegehren wie üblich mit "RA Eisenberg für ..A." unterschrieben hatte, hätte nicht das Interesse der Öffentlichkeit auf seine Person gelenkt. Daß die Anwürfe der Beklagten gegen den Kläger zudem dessen berufliches Ansehen erheblich beeinträchtigen, liegt auf der Hand.

Die Persönlichkeitsrechtsverletzung erfolgte schuldhaft. Die Beklagte, die als Verleger für die unzulässigen Publikationen nach § 31 BGB einzustehen hat, ist den ihr obliegenden Kontroll- und Überwachungspflichten nicht hinreichend nachgekommen. Diese hätten es erfordert, die angegriffenen Artikel vor ihrer Veröffentlichung auf ihre presserechtliche Zulässigkeit zu untersuchen. In diesem Fall hätte die Beklagte erkennen können, daß sie rechtswidrig das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzen.

Die schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung rechtfertigt eine Entschädigung in Geld, weil sich die erlittene Beeinträchtigung nicht in anderer Weise hinreichend ausgleichen läßt.

Gegen die Verletzung des Rechts am eigenen Bild stehen keine anderen Abwehrmöglichkeiten als ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zu Gebote, da diesbezüglich kein Widerruf oder die Richtigstellung einer sein Persönlichkeitsrecht beeinträchtigende Äußerung verlangt werden kann (vgl. BGH NJW 1996, 985, 986).

Auch soweit die Beklagte durch Zitieren aus den Anwaltsschreiben des Klägers, dessen Recht verletzt hat, sich nicht einer breiten Öffentlichkeit darstellen zu müssen, kann diese Persönlichkeitsrechtsverletzung allein durch eine Entschädigung in Geld ausgeglichen werden; ein Widerruf oder eine Richtigstellung sind hierfür offensichtlich ungeeignet.

Die Höhe der Entschädigung in Geld richtet sich nach der Schwere des Eingriffs, in erster Linie nach dem sich hieraus ergebenden Bedürfnis nach Genugtuung für den Betroffenen, außerdem soll die Zubilligung der Geldentschädigung der Prävention dienen (BGH NJW 1995, 861, 865 m. w. Nachw.). Maßgebend sind zunächst Bedeutung und Tragweite des Eingriffs für die Person des Betroffenen, gemessen an der Art des Eingriffs, das Ausmaß der Belastung seines Ansehens, das Ausmaß der Verbreitung und die Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenverkürzung. Von Bedeutung sind ferner Anlaß und Beweggrund des Schädigers sowie der Grad des Verschuldens (vgl. Steffen, a.a.O., § 6 Rz. 341). Die Entschädigung darf allerdings nicht die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) unverhältnismäßig beschränken. Die Zuerkennung zu hoher Entschädigungen kann die Pressefreiheit verletzten (BVerfGE 34, 269, 285; 54, 208, 222; BGH NJW 1995, 861).

Eine Entschädigung in Höhe von ......,- DM erscheint angemessen, aber auch ausreichend, um die erlittene Persönlichkeitsrechtsverletzung des Klägers auszugleichen.

Dabei wurde berücksichtigt, daß die Beklagte besonders hartnäckig versucht hat, den Kläger bloßzustellen; sie hat sein Bildnis in Form eines Schattenrisses noch nach Verbot der Bildnisveröffentlichung durch eine einstweilige Verfügung des Gerichts veröffentlicht. Gewürdigt wurde auch, daß die Angriffe auf eine Verletzung des beruflichen Ansehens des Klägers abzielten und damit für ihn erhebliche Auswirkungen auf seine berufliche Existenz hätten haben können. Das Genugtuungsbedürfnis des Klägers ist auch deshalb hoch anzusetzen, weil er nach dem 17. September 1998 und damit infolge der Berichterstattung der Beklagten Morddrohungen erhalten hat. Letztlich gebietet der Gesichtspunkt der Prävention das Zusprechen einer erheblichen Geldentschädigung. Die Beklagte muß nachhaltig darauf hingewiesen werden, daß von ihr entfachte presserechtliche Auseinandersetzungen nicht dadurch ausgeweitet und verschärft werden, daß der Rechtsbeistand des eigentlich Betroffenen in die Öffentlichkeit gezerrt und bloßgestellt wird. Ein solches Vorgehen ist zudem geeignet, die Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenen wesentlich zu erschweren, da nicht jeder Rechtsanwalt bereit sein wird, sich mit der Beklagten für seinen Mandanten auseinanderzusetzen, wenn er befürchten muß, in der „Bild"-Zeitung öffentlich angegriffen zu werden.

Das Zusprechen einer Entschädigung in Geld in Höhe von .....,- DM verstößt nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht nicht über den Antrag der Partei hinausgehen darf. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, daß die Angabe eines Mindestbetrags dem Ermessen des Gerichts bei Festsetzung des für angemessen gehaltenen Schmerzensgeldes im Hinblick auf § 308 ZPO keine Grenzen zieht (BGH NJW 1996, 2425, 2427). Entsprechendes muß für die Entschädigung in Geld gelten.

Quelle: Kanzlei Eisenberg König - 10.09.2006

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am12.02.07
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