Jenny Gröllmann vs. Ulrich Mühe
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
27 O 428/06
04.07.2006
In dem Rechtsstreit
Jenny Gröllmann
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter
Ulrich Mühe
- Beklagter -
Prozessbevollmävchtigter, Prof. Jan Hegemann
hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin
in Berlin-Charlottenburg, auf die mündliche Verhandlung vom 20.06.2006
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Mauck, die Richterin am
Landgericht Becker und den Richter Bömer
für Recht erkannt :
1. Die einstweilige Verfügung vom 2. Mai 2006
wird insoweit bestätigt, als dem Antragsgegner untersagt ist, wörtlich
oder sinngemäß zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten oder
verbreiten zu lassen,
- die Antragstellerin sei Inoffizieller
Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen
DDR gewesen - auch in der Form: die damalige Ehefrau des Antragstellers
sei IM des MfS gewesen;
- sie hätte „hauptsächlich in ihrem Ensemble -
sie war am Maxim-Gorki-Theater Schauspielerin - über die Kollegen"
gegenüber dem MfS berichtet;
- sie hätte „im November'89 das letzte
Gespräch mit ihrem Führungsoffizier" gehabt;
- sie sei „1979 Mitarbeiter der Firma [i. S.
v. MfS] geworden".
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung
aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Verfahrens tragen der
Antragsgegner 4/5 und die Antragstellerin 1/5.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Antragstellerin kann die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Kostenbetrages
zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit
in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.
Tatbestand:
Der Antragsgegner ist der geschiedene Ehemann
der Antragstellerin. Er spielte in dem Film „Das Leben der anderen", der
die Bespitzelungstätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS)
zum Gegenstand hat, die männliche Hauptrolle. In dem Buch zum Film „Das
Leben der anderen" ist ein Interview mit dem Antragsgegner abgedruckt,
das in den entscheidenden Passagen im Folgenden in Fotokopie
wiedergegeben ist. In dem Interview äußert sich der Antragsgegner dazu,
erfahren zu haben, dass seine Ex-Frau für das MfS gearbeitet habe; er
erwähnt auch einzelne Details einer angeblichen Tätigkeit der
Antragstellerin für das MfS.
Link zum Interview, bitte hier klicken
Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner
nunmehr auf Unterlassung in Anspruch. Sie behauptet unter Bezugnahme auf
ihre eidesstattliche Versicherung vom 10. April 2006 -ergänzt durch die
nachträglich eingereichte, ausführlichere eidesstattliche Versicherung
vom 19. Juni 2006 (Anlage Ast 7) - niemals als IM für das MfS gearbeitet
zu haben. Sie habe sich nie mündlich zur Zusammenarbeit mit dem MfS
verpflichtet, nie Berichte für das MfS erstellt - auch keine solchen
über ihre ehemaligen Schauspielerkollegen am Maxim-Gorki-Theater - oder
in sonstiger Weise für das MfS gearbeitet; des Weiteren habe sie niemals
Gespräche mit Personen geführt, die ihr als MfS-Mitarbeiter erkennbar
gewesen seien.
Sie hat die einstweilige Verfügung vom 20.
April 2006 erwirkt, mit der dem Antragsgegner unter Androhung der
gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt worden ist, wörtlich
oder sinngemäß zu behaupten, zu verbreiten und/oder behaupten oder
verbreiten zu lassen,
- die Antragstellerin sei Inoffizieller
Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen
DDR gewesen - auch in der Form: die damalige Ehefrau des Antragstellers
sei IM des MfS gewesen;
- sie hätte „hauptsächlich in ihrem Ensemble -
sie war am Maxim-Gorki-Theater Schauspielerin - über die Kollegen"
gegenüber dem MfS berichtet;
- sie hätte „im November 89 das letzte
Gespräch mit ihrem Führungsoffizier" gehabt;
- sie sei „1979 Mitarbeiter der Firma [i. S.
v. MfS] geworden";
- eine Sachbearbeiterin der Gauck-Behörde
hätte auf die Frage, ob es denn stimmen könne, dass die Antragstellerin
als IM für das MfS gearbeitet habe, gesagt, man könne davon ausgehen,
dass dies stimme und in Bezug auf die MfS-Akten: „Das Material ist
eindeutig und erdrückend".
Gegen die ihm zwecks Vollziehung zugestellte einstweilige Verfügung
richtet sich der Widerspruch des Antragsgegners.
Er ist der Ansicht, er habe sich in
Wahrnehmung berechtigter Interessen über eine IM-Verstrickung der
Antragstellerin geäußert. Er sei als Ehemann der Antragstellerin, der
von dieser während der gesamten Zeit der Ehe niemals in eine bestehende
konspirative Zusammenarbeit der Antragstellerin mit dem MfS eingeweiht
worden sei, in besonderer Weise persönlich betroffen. Er dürfe daher die
IM-Verstrickung der Antragstellerin öffentlich machen, nachdem ihm - was
er eidesstattlich versichert - von der für ihn zuständigen
Sachbearbeiterin der Gauck-Behörde im November 2001 mitgeteilt worden
sei, die Belege für die IM-Tätigkeit der Antragstellerin seien
erdrückend. Der Antragsgegner ist des Weiteren der Ansicht, die
Erklärungen, die er in dem Interview über die Zusammenarbeit seiner
Ehefrau mit dem MfS abgegeben habe, entsprächen der Wahrheit. In diesem
Zusammenhang behauptet er unter Bezugnahme auf die auszugsweise als
Anlagenkonvolut AG 4 eingereichte Akte des MfS sowie das als Anlage AG 5
- allerdings nur in Teilen - eingereichte Gutachten der Herren Dr. S.
und V., dass die Antragstellerin in den Jahren 1979 bis 1984 in
regelmäßigem Kontakt zum MfS gestanden und mit diesem zunächst unter dem
Decknamen "G." und dann IM "J." konspirativ zusammengearbeitet hätte.
Ihr Führungsoffizier M. habe den Werbungsvorgang in der Akte konkret und
nachvollziehbar dokumentiert. Dass die Antragstellerin ohne
Verpflichtungserklärung gearbeitet habe, sei "geübte Praxis" des MfS
gewesen. Ausweislich der in der Regel auf Tonbandabschriften beruhenden,
in der Ich-Form gehaltenen Treffberichte hätten anfangs die
Antragstellerin und ihr damaliger Ehemann K., später erstere allein über
ihre Kontakte zu westlichen Journalisten, vor allem aber über
persönliche und berufliche Geschehnisse innerhalb des Theaterbetriebs
der DDR umfangreich und detailliert berichtet. Der Antragsgegner
verweist insoweit beispielhaft auf die Tonbandabschrift vom 29. Januar
1981 mit Hinweisen auf mehrere Personen, darunter auf eine von den
beiden IM als lesbisch bezeichnete Schauspielerin. Angesichts der
Vielzahl der mit dem IM-Vorgang befassten MfS-Offiziere sei - so auch
das Gutachten - eine Komplettfälschung der Akte ausgeschlossen. Es sei
ausgeschlossen, dass Hauptmann M. einen bzw. zwei IM erfunden, den
Inhalt der Treffberichte erdichtet und diese dann nicht nur in der von
ihm geführten IM-Akte verwahrt, sondern Ablichtungen davon in operative
Vorgänge, also "Opfer"-Akten, zu von seiner Hauptabteilung beobachteten
West-Korrespondenten verfügt habe. Insbesondere die Erfindung von
Informationsfetzen zum Staatsfeind der DDR W. B. sei gänzlich
unvorstellbar. Selbst wenn sich Hauptmann M. der Antragstellerin
zunächst unter der Legende eines Kriminalpolizisten genähert haben
sollte, werde anhand der etwa 20 Treffen außerhalb von
Polizeidienststellen, noch dazu an konspirativen Orten deutlich, dass
die Antragstellerin gewusst habe, es mit einem Mitarbeiter des MfS zu
tun zu haben. Der Ex-Ehemann der Antragstellerin K. habe außerdem in
einer an den SPIEGEL gerichteten email (AG 10) bestätigt, dass dem
Ehepaar klar gewesen sei, mit wem sie es zu tun gehabt hätten.
Schließlich fehle es an dem für den Erlass
einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Verfügungsgrund. Eine
Dringlichkeit sei nicht erkennbar. Denn er (der Antragsgegner) habe sich
bereits im Jahre 2004 in der Literaturzeitschrift „die horen"
inhaltsgleich über eine IM-Tätigkeit der Antragstellerin geäußert, ohne
dass diese damals Anlass für eine Abmahnung oder gar ein gerichtliches
Verfahren gesehen habe.
Der Antragsgegner beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den
Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung zu bestätigen.
Sie verteidigt den geltend gemachten
Unterlassungsanspruch und vertieft ihr bisheriges Vorbringen. Abgesehen
davon, dass die MfS-Unterlagen nicht verwertbar seien, bestreitet sie,
dass die dort niedergelegten Informationen auf ihre Auskünfte gegenüber
Personen zurückzuführen seien, die sich ihr als Mitarbeiter des MfS zu
erkennen gegeben hätten. Sie habe niemals Informationen auf Tonträger
gesprochen. Es habe zwei Gespräche mit Herrn M. gegeben; dieser habe
sich ihr gegenüber jedoch als Kriminalpolizist ausgegeben. Hinsichtlich
der ihres Erachtens diversen unplausiblen und widersprüchlichen Angaben
in den Unterlagen im Einzelnen wird auf das Vorbringen auf den Seiten 11
bis 20 des Schriftsatzes vom 20. Juni 2006 verwiesen. Bei diversen
Treffen habe sie ausweislich der am Maxim-Gorki-Theater geführten
Besetzungsliste aufgrund von zeitgleich stattgefundenen
Theatervorstellungen gar nicht anwesend sein können. Selbstverständlich
liefere auch das die MfS-Unterlagen ohne eigene Erkenntnisse, lediglich
mit gewagten und nicht belegten Thesen oberflächlich zusammenfassende
Gutachten der Herren S. und V. keinen Beweis über ihre IM-Tätigkeit.
Hinsichtlich des Verfügungsgrundes trägt die Antragstellerin vor, sie
habe - was sie eidesstattlich versichert - bei Lektüre des Filmbuchs
„Das Leben der anderen" am 22. März 2006 erstmals erfahren, dass der
Antragsgegner in einem im Heft 1/2004 von „die horen" veröffentlichten
Essay unter anderem über ihre angebliche Kooperation mit der Stasi
geschrieben habe. Das Essay des Antragsgegners aus „die horen" selbst
habe ihr am 19. Juni 2006 erstmals vorgelegen. Das vom Antragsgegner in
Anspruch genommene besondere berechtigte Interesse an einer
Veröffentlichung bestehe schon deshalb nicht, weil sich der
Antragsgegner bei der Begründung des berechtigten Interesses darauf
stütze, die Antragstellerin habe während der Ehe mit dem MfS konspirativ
zusammengearbeitet; gerade für den Zeitraum der Ehe mit dem
Antragsgegner wiesen aber selbst die vom Antragsgegner vorgelegten
Auszüge aus Stasi-Akten keinerlei Stasi-Aktivitäten von IM „J." aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze
nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung vom 20. April 2006
ist im erkannten Umfang zu bestätigen, weil sie insoweit zu Recht
ergangen ist, §§925, 936 ZPO. Der Antragstellerin steht insoweit der
geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner aus §§
823 Abs. 1, Abs. 2, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, 185 ff. StGB, Art. 1
Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Sie ist durch die beanstandeten Aussagen des
Antragsgegners in ihren geschützten Rechten widerrechtlich verletzt
worden, da von der Unwahrheit der beanstandeten Äußerungen auszugehen
ist.
Bei den beanstandeten Aussagen handelt es sich
ausschließlich um Tatsachenbehauptungen. Die Antragstellerin ist von
diesen Tatsachenbehauptungen individuell betroffen, so dass ihr im Falle
der Unwahrheit der Tatsachenbehauptungen wegen einer Verletzung ihres
allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ein Unterlassungsanspruch zusteht.
Die erforderliche individuelle Betroffenheit der Antragstellerin setzt
voraus, dass sie erkennbar zum Gegenstand einer medialen Darstellung
wurde. Die Erkennbarkeit in einem mehr oder minder großen Bekanntenkreis
bzw. in der näheren persönlichen Umgebung genügt dazu. Sie ist bereits
dann gegeben, wenn die Person ohne namentliche Nennung zumindest für
einen Teil des Leser- oder Adressatenkreises auf Grund der mitgeteilten
Umstände hinreichend erkennbar wird. Es kann die Wiedergabe von
Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich
interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln
lässt. Dafür kann unter Umständen die Schilderung von Einzelheiten aus
dem Lebenslauf des Betroffenen oder die Nennung seines Wohnorts und
seiner Berufstätigkeit ausreichen (BGH NJW 2005, 2844, 2845 - Esra).
Zudem ist es ausreichend, wenn der Betroffene begründeten Anlass zu der
Annahme hat, er werde erkannt (BGH NJW 1971, 698, 700; 1979, 2205;
ähnlich OLG Hamburg AfP 1975, 916).
Diese Voraussetzungen für eine Erkennbarkeit
der Antragstellerin liegen vor, obwohl der Antragsgegner die
Antragstellerin im Interview nicht mit ihrem vollen Namen nennt. Die
Person gegen die der Antragsgegner die Vorwürfe einer MfS-Tätigkeit
erhebt, wird mit „J.", also dem richtigen Vornamen der Antragstellerin,
bezeichnet. Es wird im Interview mitgeteilt, dass die betreffende Person
zu DDR-Zeiten mit dem Antragsgegner verheiratet war und dass sie als
Schauspielerin am Maxim-Gorki-Theater tätig gewesen ist. Auf Grundlage
dieser Informationen ist die Antragstellerin für zumindest einen Teil
der Leser identifizierbar, zumal in der Presse zur gleichen Zeit, in der
das Filmbuch veröffentlicht wurde, unter voller Namensnennung über den
Fall der Antragstellerin als Ex-Ehefrau des Antragsgegners berichtet
worden ist.
Es ist von der Unwahrheit der aufgestellten
Tatsachenbehauptungen auszugehen, wobei den Antragsgegner die
Glaubhaftmachungslast trifft.
Grundsätzlich hat allerdings der
Anspruchsteller eines Unterlassungsanspruches im Rechtsstreit die
Unrichtigkeit der ihn betreffenden ehrverletzenden Äußerungen
erforderlichenfalls glaubhaft zu machen. Im Äußerungsrecht ist dabei
anerkannt, dass bei ehrrührigen Behauptungen den Äußernden unabhängig
von der Glaubhaftmachungslast eine erweiterte Darlegungslast trifft (BGH
NJW 1974, 710). Diese erweiterte Darlegungslast wird zu einer echten
Umkehr der Glaubhaftmachungslast, wenn Streitgegenstand eine üble
Nachrede ist. Nach der über § 823 Abs. 2 BGB in das Deliktsrecht
transformierten Beweisregel des § 186 StGB trifft den Äußernden die
Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast dafür, dass seine
ehrbeeinträchtigenden Behauptungen wahr sind (BGH NJW 1996, 1131, 1133;
NJW 1985, 1621, 1622), es sei denn, der Störer kann sich auf die
Wahrnehmung eines berechtigten Informationsinteresses berufen. Liegt ein
solches vor und hat der Störer die dabei erforderliche Sorgfalt
beachtet, ist in der Regel der Rechtfertigungsgrund des § 193 StGB
gegeben. Dieser nimmt gegebenenfalls dem Störer das Risiko der
Unwahrheit der Information ab. Dies hat zur Folge, dass die aus § 186
StGB folgende Umkehr der Glaubhaftmachungslast entfiele, so dass diese
wie im Regelfall den Verletzten träfe (BGH NJW 1985, 1621, 1622).
Nach diesen Grundsätzen trifft hier den
Antragsgegner als den Äußernden die Glaubhaftmachungslast. Die Umkehr
der Glaubhaftmachungslast tritt ein, weil die angegriffenen Behauptungen
im Sinne des § 186 StGB geeignet sind, die Antragstellerin in der
öffentlichen Meinung herabzuwürdigen und weil sich der Antragsgegner
nicht auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen berufen kann. Zwar
kann sich der Antragsteller grundsätzlich darauf berufen, das Schweigen
seiner Ehefrau zu der von ihm vermuteten Stasi-Tätigkeit während der
gemeinsamen Ehe als Kränkung empfunden zu haben. Wegen der erheblichen
Rufbeeinträchtigung, die mit der Erhebung des Vorwurfs einer
MfS-Mitarbeit gegen eine Person einhergeht, hatte der Antragsgegner
allerdings vor Aufstellung oder Verbreitung der Behauptung über die
MfS-Tätigkeit der Antragstellerin gleichwohl sorgfältige Recherchen über
den Wahrheitsgehalt anzustellen, soweit sie ihm als Privatmann möglich
und zumutbar waren (vgl. BGH NJW 1996, 1131, 1133 m. w. Nachw.). Im
Ergebnis hat der Antragsgegner den hohen Sorgfaltsanforderungen, die mit
dem besonderen Gewicht der von ihm erhobenen Vorwürfe einhergehen, nicht
genügt. Er hätte sich schon im Zeitpunkt des Interviews nicht mehr auf
die Aussage der Mitarbeiterin der Gauck-Behörde aus dem November 2001
verlassen dürfen, ohne weitere Recherchen anzustellen und ohne bei der
Antragstellerin selbst nachzufragen, weil er ausweislich des Interviews
selbst schon zu diesem Zeitpunkt wusste, dass die Antragstellerin die
Vorwürfe bestreitet und in der Öffentlichkeit angekündigt hatte, alle
Vorwürfe beweiskräftig widerlegen zu können (Interview, Seite 202
Mitte).
Seiner Darlegungs- und Glaubhaftmachungslast
hinsichtlich der Wahrheit des Vorwurfs, die Antragstellerin habe als IM
für das MfS gearbeitet, ist der Antragsgegner nicht in hinreichendem
Umfang nachgekommen. Er beschränkt sich im Wesentlichen darauf, die
Wahrheit des Vorwurfs durch auszugsweise in Kopie zur Akte gereichte
MfS-Unterlagen sowie die gutachterliche Stellungnahme der Herren S. / V.
zu belegen. Zwar mögen die Unterlagen starke Indizien für die
Zusammenarbeit der Antragstellerin mit dem MfS beinhalten; sie liefern
jedoch keine lückenlose Glaubhaftmachung für eine Stasivergangenheit der
Antragstellerin. Offensichtlich ist der Antragsgegner davon ausgegangen,
die zur Akte gereichten, entgegen der Ansicht der Antragstellerin
verwertbaren Auszüge aus der MfS-Akte bestätigten nicht nur die
Dokumentation des IM-Vorgangs um die Antragstellerin, sondern gäben
diesen auch inhaltlich richtig wieder. Nur so lässt sich erklären, warum
der Antragsgegner auf jeglichen konkreten nachvollziehbaren Sachvortrag
zur behaupteten Zusammenarbeit der Antragstellerin mit dem MfS
verzichtet hat. Ohne Zweifel begründet der Umstand, dass in der
Stasi-Akte der IM-Vorgang zur Antragsteller in umfangreich mit
zahlreichen weitestgehend auf - allerdings nicht vorliegenden -
Tonbandabschriften beruhenden Treffberichten dokumentiert ist, einen
erheblichen Verdacht dahin, dass das dort Dokumentierte auf
Informationen der Antragstellerin beruht. Angesichts der nach allen
Anzeichen bedenkenlos ausgeübten Kontroll- und Überwachungstätigkeit der
Stasi und der Breite und Intensität dieser Tätigkeit ist es aber nicht
auszuschließen, dass die Stasi die dort dokumentierten Informationen,
mit denen sich der Antragsgegner und die Gutachter S. / V. in keinster
Weise inhaltlich auseinandersetzen, auf anderen Wegen erhalten hat.
Abgesehen davon, dass die Unterlagen des MfS ohnehin einer besonders
strengen und kritischen Würdigung zu unterziehen sind, "weil
Aufgabestellung und Arbeitsweise des MfS den Erfordernissen
rechtsstaatlicher Sachverhaltsaufklärung in keiner Weise" entsprachen (BGHSt
38, 276, 279 f.), ist vorliegend zu beachten, dass der minutiös
aktenführende Führungsoffizier M. inzwischen die wissentliche
Zusammenarbeit seiner IM "J." in Abrede stellt. Es ist nicht Sache der
Kammer, die unvollständig eingereichten, teilweise schwer lesbaren
Aktenbestandteile auf ihre Schlüssigkeit bzw. Widersprüchlichkeit zu
überprüfen bzw. darauf durchzuforsten, ob die detaillierten Berichte der
Fantasie des es offensichtlich - zu irgendeiner Zeit - mit der Wahrheit
nicht so genau nehmenden Aktenführers entsprungen sein können.
Selbstverständlich sollen die in der "Ich-Form" abgeschriebenen
Treffberichte die Authentizität der Wiedergabe unterstreichen;
nichtsdestotrotz lässt sich mit diesen nicht nachweisen, dass die dort
festgehaltenen Informationen auf Auskünfte der Antragstellerin gegenüber
Personen zurückzuführen sind, die sich ihr als Mitarbeiter des MfS zu
erkennen gegeben hätten. Wenn die Antragstellerin auch zwei Treffen mit
Herrn M. einräumt, ist ihr allein mit den kommentarlos und ohne
Auseinandersetzung mit den Gesprächsinhalten im Einzelnen eingereichten
Unterlagen nicht zu widerlegen, dass sie - was sie eidesstattlich
versichert - von dessen Tätigkeit für das MfS keine Kenntnis hatte.
Selbst wenn ihr Ex-Mann IM "F." - so lapidar und ohne konkrete Angaben
seiner E-Mail und mitnichten einer eidesstattlichen Versicherung zu
entnehmen - gewusst haben sollte, "mit wem er es zu tun hatte", besagt
dies nichts über das Wissen der Antragstellerin. Den konkreten Angaben
der Antragstellerin, wonach sie aufgrund ihrer Auftritte im
Maxim-Gorki-Theater an diversen Treffen wegen zeitlicher Überschneidung
gar nicht teilgenommen haben kann, ist der Antragsgegner nicht
entgegengetreten. Auch die pauschale Bezugnahme des Antragsgegners auf
das zur Akte gereichte Gutachten, von dem im Übrigen lediglich die
ungeraden Seiten vorgelegt worden sind, ersetzt - abgesehen davon, dass
das Gutachten nur zu nicht näher begründeten Schlussfolgerungen gelangt
- nicht den erforderlichen Sachvortrag. Mit dem Gutachten lässt sich die
konspirative Zusammenarbeit der Antragstellerin für das MfS nicht
belegen. Die Gutachter belassen es - soweit dies aus den dem Gericht
vorliegenden Teilen hervorgeht - dabei, unreflektiert Teile des
Akteninhalts, Anzahl und Inhalt diverser Treffen wiederzugeben, ohne im
Entferntesten nachvollziehbar darzulegen, warum anhand des "vorliegenden
MfS-Schriftguts verschiedener Provenienz" der eindeutige Schluss
gerechtfertigt sein soll, die Antragstellerin sei Inoffizielle
Mitarbeiterin des MfS gewesen. Auch dort fehlt jegliche konkrete
Auseinandersetzung mit den im Einzelnen protokollierten Vorgängen. Wie
die nicht hinterfragte Wiedergabe diverser Textstellen und der pauschale
Hinweis auf "die Zahl der auf unterschiedliche Weise mit dem
Gesamtvorgang befassten MfS-Offiziere" sowie die angebliche "Fülle der
Informationen aus dem privaten und beruflichen Umfeld der
Antragstellerin" eine "Komplettfälschung der Unterlagen durch den
Führungsoffizier Hauptmann M." ausschließen sollen, bleibt der Kammer
mangels jeglicher konkreten Aufarbeitung des Vorgangs um IM "J."
gänzlich verborgen. Nicht nachvollziehbar ist schließlich die den
gutachterlichen Schlussfolgerungen zugrunde liegende Prämisse, dass es
dem MfS-Führungsoffizier M. nicht möglich gewesen sein soll, sich die
Informationen, die er in den Berichten der "IM J." zuschreibt, auf
andere Weise - etwa über andere Inoffizielle Mitarbeiter - zu
verschaffen. Diese Unmöglichkeit der Informationsbeschaffung wird
ihrerseits damit begründet, dass die entsprechenden Informationen aus
Gesprächen stammen, die gerade die Antragstellerin mit westdeutschen
Gesprächspartnern geführt habe. Dass die Antragstellerin solche
Gespräche im Auftrag des MfS überhaupt geführt hat, sollte durch das
Gutachten allerdings belegt und nicht schon vorausgesetzt werden.
Mag das Interesse des Antragsgegners an einer
Stoffbegrenzung auch noch so verständlich sein; die substantiierte
Darstellung der Tatsachen zur behaupteten Stasi-Verstrickung der
Antragstellerin im hiesigen Verfahren war dennoch unerlässlich.
Die Wiederholungsgefahr ist aufgrund der
bereits eingetretenen Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch
Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden
können (BGH NJW 1994, 1281), an der es fehlt.
Es besteht entgegen der Ansicht des
Antragsgegners auch ein Verfügungsgrund, nachdem die Antragstellerin
glaubhaft gemacht hat, dass sie von dem im Jahre 2004 in der
Literaturzeitschrift „die horen" veröffentlichte Essay des
Antragsgegners, in dem dieser bereits über eine angebliche MfS-Mitarbeit
der Antragstellerin geschrieben hatte, erst bei Lektüre des Filmbuches
am 22. März 2006 erfahren hat. Der Antragsgegner vermag nicht
Gegenteiliges durch die von ihm vorgelegte eidesstattliche Versicherung
glaubhaft zu machen, weil sich die Tatsache, ob die Antragstellerin sein
Essay in „die horen" gelesen hat, seiner Wahrnehmung entzieht und weil
sich seine eidesstattliche Versicherung insoweit dementsprechend auf
bloße Vermutungen beschränkt.
Hinsichtlich der Behauptung und Verbreitung
der Tatsache, dass eine Sachbearbeiterin der Gauck-Behörde dem
Antragsgegner auf die Frage, ob es denn stimmen könne, dass die
Antragstellerin als IM für das MfS gearbeitet habe, gesagt habe, man
könne davon ausgehen, dass dies stimme und dass das Material aus den
MfS-Akten eindeutig und erdrückend sei, war die einstweilige Verfügung
hingegen aufzuheben und der auf ihren Erlass gerichtete Antrag
zurückzuweisen. Insoweit hat der Antragsgegner die Wahrheit der
Behauptung durch seine eidesstattliche Versicherung vom 14. Juni 2006
hinreichend glaubhaft gemacht, der zufolge er im November 2001 ein
Telefonat dieses Inhalts mit der für ihn zuständigen Mitarbeiterin der
Gauck-Behörde geführt hat.
Mauck
Becker
Bömer
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Ulrich Mühe darf Jenny Gröllmann weiterhin
nicht IM nennen
Berlin (dpa) - Der Schauspieler Ulrich Mühe darf seine Kollegin und
Ex-Frau Jenny Gröllmann («Liebling Kreuzberg») weiterhin nicht als
Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) der DDR-Staatssicherheit bezeichnen. Das
Landgericht Berlin bestätigte am Dienstag in wesentlichen Teilen eine im
April erlassene einstweilige Verfügung, gegen die der 53-Jährige
Beschwerde eingelegt hatte. Es gebe starke Indizien für eine
IM-Tätigkeit Gröllmanns, aber Mühe habe nicht ausreichend glaubhaft
machen können, dass seine Behauptungen stimmen, hieß es in der
Entscheidung der 27. Kammer (Az.: 27 O 428/06).
Mühes Anwalt Jan Hegemann sagte der dpa, «wir prüfen jetzt, ob und
welches Rechtsmittel wir gegen die Entscheidung einlegen.» Mühe und
Gröllmann waren bis zu ihrer Scheidung 1990 sechs Jahre lang
verheiratet.
Mühe - für seine Darstellung eines Stasi-Offiziers in dem Film «Das
Leben der Anderen» mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet - hatte
seiner Ex-Frau in einem Interview vorgeworfen, seit 1979 unter dem
Decknamen «Jeanne» für die Stasi gespitzelt zu haben. Dagegen war die
59-Jährige vor Gericht gezogen. Per einstweiliger Verfügung ließ sie
auch die entsprechenden Passagen in dem Filmbuch des Regisseurs Florian
Henckel von Donnersmarck schwärzen. Über die Beschwerde des Suhrkamp
Verlags dagegen ist noch nicht entschieden.
Gröllmann hatte im April in einer eidesstattlichen Erklärung versichert,
zu keiner Zeit wissentlich für die Stasi gearbeitet und auch keine
Verpflichtungserklärung unterschrieben zu haben. Ihr Anwalt verwies
darauf, dass es in der Stasi-Akte zu IM «Jeanne» kein persönliches
Dokument Gröllmanns gäbe.
dpa-Meldung vom 04.07.2006
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 02.02.07
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