Quelle:
Kanzlei Prof. Schweizer
Landgericht Berlin
Im Namen des Volkes
Urteil
27 O 162/06
06.04.2006
In dem Rechtsstreit
...
Antragsteller
gegen
die
Antragsgegnerin,
- Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwalt Prof Dr. jur. Robert Schweizer u. a,
Arabellastraße 21.81925 München,
hat die Zivilkammer 27 des Landgerichts Berlin
in Berlin-Charlottenburg, Tegeler Weg 17-21, 10589 Berlin, auf die
mündliche Verhandlung vom 06.04.2006 durch die Richterin am Landgericht
Becker den Richter Dimter und den Richter am Landgericht von Bresinsky
für Recht
erkannt
1. Die einstweilige Verfügung vom 14.
Februar 2006 wird bestätigt.
2. Die Antragsgegnerin hat die weiteren
Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Der Antragsteller macht einen
äußerungsrechtlichen Unterlassungsanspruch im einstweiligen Rechtsschulz
geltend.
Er ist Rechtsanwalt und vertritt das
Fotomodell N. A. sowie eine Reihe anderer prominenter Persönlichkeiten
in persönlichkeitsrechtlichen Angelegenheiten. Die Antragsgegnerin
verlegt die Illustrierte "Bunte", in deren Ausgabe Nr. 6 vom 2. Februar
2006 sie einen Artikel veröffentlichte, der überschrieben war mit den
Worten "Razzia bei N.: Morgens klingelten die Steuerfahnder" und in dem
es u.a. darum ging, dass Ermittler Frau A. Firmenunterlagen überprüften
und dass sie, N. A., zu den Verdächtigungen schweige. Ferner hieß es
dann
"Ihr Anwalt Christian Schertz wies nur
schriftlich darauf hin, dass es 'unwahr ist, ... dass Frau A.
gegenwärtig nicht offiziell in Deutschland lebt und insofern eine
Steuerrazzia durchgeführt wurde'. Warum die Razzia stattfand und auf
welchen Zeitraum sich die Vorwürfe beziehen, wollte er nicht sagen.“
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der
Berichterstattung wird auf den in Kopie vorgelegten Artikel .Anlage Ast
1, Bl. 6 d. A.) verwiesen. Der Antragsteller hatte sich, wie in dem
Artikel wiedergegeben geäußert nämlich in einem so genannten
"presserechtlichen Informationsschreiben“, dass er in Ausübung seines
Mandats für Frau A. und in Reaktion auf eine Artikel in der "Bild"-Zeitung
vom 23. Januar 2006 u.a. an die Geschäftsführung der Antragsgegnerin
geschickt halte (vgl. das als Anlage Ast 2 in Kopie vorgelegte
Schreiben. BI. 7 d A) In dem Schreiben hieß es außerdem ausdrücklich,
dass es allein zur presserechtlichen Interessenwahrnehmung bestimmt sei
und weder wörtlich noch sinngemäß, in Teilen oder ganz veröffentlicht
werden dürfe.
Der Antragsteller sieht sich durch die
Veröffentlichung in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt. Es
sei ihm um die Verhinderung einer entsprechenden Berichterstattung
gegangen Er sei auch keine Person der Zeitgeschichte, weshalb über ihn
nicht identifizierend berichtet werden dürfe. Zudem werde das
Anwalt-Mandanten-Verhältnis beeinträchtigt.
Der Antragsteller hat die einstweilige
Verfügung vom 14. Februar 2006 erwirkt, mit der der Antragsgegnerin
unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt worden ist,
aus anwaltlichen Schreiben des Antragstellers in einer diesen
identifizierenden Weise zu zitieren und/oder zitieren zu lassen, wie in
BUNTE Nr. 6 vom 2. Februar 2006 auf Seite 26 geschehen.
Gegen diese der Antragsgegnerin zwecks
Vollziehung am 20. Februar 2006 zugestellte einstweilige Verfügung
richtet sich ihr Widerspruch,
Die Antragsgegnerin macht geltend:
Soweit sich der Antragsteller darauf berufe,
dass die veröffentlichte Berichterstattung über Frau A. rechtswidrig
sei, könne er sich darauf aus eigenem Recht nicht berufen. Im Übrigen
habe Frau A. Gegendarstellungs- und Richtigstellungsansprüche
angemeldet, die sich exakt auf den Punkt bezögen von dem auch das
streitgegenständliche Zitat handele. Frau A. wünsche also gerade, dass
ihre Gegenstellungnahme ِöffentlich bekannt werde. Auf seine
Persönlichkeitsrechte könne sich der Antragsteller nicht berufen, weil
der Umstand, dass er Frau A. vertrete, seiner Sozialsphäre zuzurechnen
sei, er viel dafür tue, seinen Bekanntheitsgrad als Prominentenanwalt zu
steigern, und sein Mandatsverhältnis zu Frau Auermann selbst ِöffentlich
gemacht habe, indem er Gegendarstellungen für sie. soweit zulässig, mit
„Dr. Christian Schertz für N. A." unterzeichne. Das Mandatsverhältnis
sei auch weder ehrenrührig noch belastend. Eine Rechtsposition des
Antragstellers an dem Informationsschreiben bestehe nicht, insbesondere
nicht aus Urheberrecht, Auf ein zu schützendes
Anwalt-Mandaten-Verhältnis könne sich der Antragsteller nicht berufen
weil dieses bereits im Einverständnis aller Beteiligten ِöffentlich
gemacht worden sei. Zudem habe der Autor es nicht aus dem
Informationsschreiben zitiert, sondern von einer Information der
Internetseite fairpress.biz Dass bei ihrer Geschäftsführung das
Informationsschreiben vorliege habe er nicht gewusst, Sie beruft sich
insofern auf die eidesstattliche Versicherung des Autors Stefan Blatt:
(Anlage AG 3. Ei 33 d. A.).
Die Antragsgegnerin beantragt
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den
auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt
die einstweilige Verfügung zu bestätigen
Er verweist ergänzend auf die Entscheidung des
Kammergerichts vom 3. März 2006 (9
U 117/05).
Wegen der weiteren Einzelheiten des
Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen,
weil sie zu Recht ergangen ist (§§ 936, 925 ZPO).
Dem Antragsteller steht der geltend gemachte
Anspruch auf Unterlassung gegen die Antragsgegnerin aus §§ 823 analog
1004 Abs. 1 S 2 3GB i.V.m. An 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu. Nach der
ständigen Rechtsprechung der Kammer (z. B. 27 0 34/06. Urteil vom 30.
März 2006} ; wird ein Rechtsanwalt durch die auszugsweise
Veröffentlichung aus anwaltlichen Schreiben, wie es z.B. das
verfahrensgegenständliche presserechtliche Informationsschreiber
darstellt, grundsätzlich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht
verletzt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
(BGH NJW 1954, 1404 1405) ist jede sprachliche Festlegung eines
bestimmten Gedankeninhalts, und zwar auch dann, wenn der Festigungsform
Urheberschutzfähigkeil nicht zugebilligt werden kann. Ausfluss der
Persönlichkeit des Verfassers. Daraus folgt, dass grundsätzlich dem
Verfasser allein die Befugnis zusteht, zu entscheiden ob und in welcher
Form seine Aufzeichnungen der Öffentlichkeit Öffentlichkeit zugänglich
gemacht werden; denn jede- unter Namensnennung erfolgenden
Veröffentlichung eines noch lebenden Menschen wird von der Aligemeinheit
mit Recht eine entsprechende Willensrichtung des Verfassers entnommen.
Die Fassung der Aufzeichnungen und die Art ihrer Bekanntgabe unterliegen
der Kritik und Wertung der öffentlichen Meinung, die aus diesen
Umständen Ruckschlüsse auf die Persönlichkeit des Verfassers zieht (so
auch Prinz/Peters Medienrecht, Rdn. 106 m.w.N.).
Mag es sich bei den antragstellerseits
verfassten presserechtlichen Informationsschreiben auch nicht: um
private bzw. privat versandte Briefe handeln, sondern um im Rahmen der
anwaltlichen Rechtewahrnehmung für seine Mandantin an einen Presseverlag
versandte berufliche Schreiben, so waren jene jedenfalls nicht zur
Veröffentlichung bestimmt.
Entgegen dem ausdrücklichen Hinweis in dem
Schreiben hat die Antragsgegnerin Passagen aus dem Informationsschreiben
des Antragstellers zum Gegenstand ihrer Berichterstattung gemacht und
aus jenen ohne seine Einwilligung und widerrechtlich wörtlich zitiert.
Ein berechtigtes Interesse an der
Veröffentlichung seiner Abmahnschreiben, die dem Schutz des
Persönlichkeitsrechtes vorgeht ist hier nicht gegeben. Zur Befriedigung
eines etwaigen Interesses, der Allgemeinheit am Stand der
Auseinandersetzung um Ermittlungen wegen etwaiger Steuerstraftaten gegen
die Mandantin des Antragstellers bedurfte es jedenfalls nicht des
Eingriffs m das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers als
unbeteiligtem Dritten.
Der Antragsteller hat auch nicht durch die
Rechtewahrnehmung für seinen Mandanten oder durch sein sonstiges
Verhalten ein Informationsinteresse an den in seiner beruflichen
Tätigkeit verfassten Anwaltsschreiben geweckt. Allein wegen seiner
erfolgreichen anwaltlichen Tätigkeit ist es nicht Gegenstand des
Informationsinteresses geworden. Mag mit Einverständnis des
Antragstellers und seiner Mandantin auch das Mandatsverhältnis
öffentlich bekannt geworden sein, ist dennoch nicht ersichtlich, warum
der Antragsteller die Veröffentlichung der im Rahmen beruflichen
Tätigkeit verfassten, ausdrücklich nicht zur Veröffentlichung bestimmten
Anwaltsschreiben hinnehmen musste Zu beachten ist. dass der Rechtsanwalt
in der Wahrnehmung der Interessen seines Mandanten und damit in seinem
eigenen beruflichen beruflichen Wirken beeinträchtigt wird, wenn
derartige Schreiben publiziert werden dürften. Er hätte sich immer zu
fragen, ob die Interessen seines Mandanten, die er durch einen früheren
Artikel verletzt sieht, nicht noch weiter dadurch geschädigt werden,
dass er sich an die Zeitung wendet mit d er Gefahr, dass sein
Anwaltsschreiben veröffentlicht und negativ kommentiert wird. Selbst
wenn der Antragsteller im Rahmen seines beruflichen Wirkens
hervorgetreten ist und zum Teil das Interesse der Öffentlichkeit dabei
selbst gesucht hat, hat er sich damit nicht des Rechts begeben, über
seine Aufzeichnungen selbst zu verfügen.
Die Antragsgegnerin kann sich auch nicht
darauf berufen, ihr Autor habe die Zitate aus dem Informationsschreiben
gar nicht diesem an die Geschäftsführung der Antragsgegnerin gerichteten
Schreiben entnommen, sondern einer Internetseite, jedenfalls solange
nicht, wie sie nicht dargetan hat, dass sie geprüft hat, ob die auf der
Internetseite zugänglichen Informationen rechtsmäßig dort eingestellt t
worden sind. Denn einerseits ist es Sache der Antragsgegnerin, ihren
Betrieb so zu organisieren, dass die Redakteure oder die Chefredaktion
Kenntnis von den für die Redaktion des Blattes relevanten Schreiben
erhalten. Dass die Information auf der von der Antragsgegnerin
angeführten Internetseite nicht unter Verstoß gegen das ausdrückliche
Verlangen dass aus dem Schreiben nicht zitiert werde, veröffentlicht
wurde, erscheint zudem femliegend. Es ist auch nicht erkennbar, wie der
Antragsteller im Interesse seiner Mandanten auf andere Weise
Informationen der Antragsgegnerin übermitteln sollte, wenn diese die
entsprechenden Informationen an die Redaktion weiterleitet. Daraus
können ihr jedenfalls keine Vorteile dergestalt erwachsen, weil der ihr
unter dem Verbot der Veröffentlichung mitgeteilte Inhalt auf anderem Weg
bekannt geworden ist.
Schließlich führt auch nicht der Umstand dass
der Antragsteiler für Fr. A. Gegendarstellungs- und/oder
Richtigstellungsansprüche bei der Antragsgegnerin angemeldet hat, die
sich inhaltlich mit dem antragsgegenständlichen Zitat aus einem
Informationsschreiben decken, zu einem anderen Ergebnis. Die Frage,
inwieweit der Antragsteller nämlich für seine Mandantin aufgrund der
durch die Veröffentlichung geänderten Situation presserechtliche
Ansprüche durchzusetzen sucht, hat keinen Einfluss auf die ihm selbst
zustehenden Unterlassungsansprüche.
Die Wiederholungsgefahr ist aufgrüne der bereits erfolgten
Rechtsverletzung zu vermuten und hätte nur durch Abgabe einer
strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden können (BGH
NJW 1994, 1281), an der es fehlt.
Becker
Dimter
von Bresinsky
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Rolf Schäike
Dieses
Dokument wurde zuletzt aktualisiert am11.06.07
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