Buskeismus

Fall Gysi

 

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Original

 

Hauptabteilung XX Berlin, 7. Dez. 1978

 

Tonbandabschrift

IM-Vorl. "Gregor"

entgegengenommen: Major Lohr am 6. 12. 1978

Bericht über die Rücksprache mit Rudolf Bahro vom 2. 12. 1978

Insgesamt hinterließ B. den Eindruck, daß er sich in guter gesundheitlicher Verfassung befindet. Er war wohlauf, allgemein interessiert und machte einen sehr entschlossenen Eindruck.

Zunächst besprach er mit mir einige Schwierigkeiten hinsichtlich der Korrespondenz mit Frau..., Herrn ... und seiner geschiedenen Frau sowie hinsichtlich eines Briefes an mich. Es wurde vereinbart, daß ich mich diesbezüglich an den Leiter des Strafvollzuges wenden werde. Er erklärte weiterhin, daß er inzwischen nur noch bereit sei, sich freiwillig in die DDR aus dem Strafvollzug zu begeben, wenn damit eine vollständige Rehabilitierung verbunden sei. Unter keinen Umständen wäre er bereit, unter juristischen Beschränkungen zu leben. Er würde sich auch an keine Auflagen halten. Deshalb ist er im Grunde genommen entschlossen, sich aus dem Strafvollzug in die BRD bzw. nach Westberlin entlassen zu lassen. Dabei wird er einen entsprechenden Antrag erst stellen, wenn feststeht, daß er entlassen wird. Bis zu diesem Zeitpunkt will er immer noch eine Möglichkeit haben, es sich anders zu überlegen. Er brachte weiterhin zum Ausdruck, daß er selbst daran interessiert wäre, Frau ..., seine geschiedene Frau und die Kinder mit in die BRD zu nehmen.

Allerdings mache er das von dem Wunsch der betroffenen Personen abhängig.

Die Haftbedingungen beschrieb er mit "pasabel". Er müsse jedoch höhere Anforderungen stellen, damit der Strafvollzug mitteleuropäischen zivilisierten Bedingungen entsprechen würde. Er verwies darauf, daß politische Häftlinge in den USA, wie z. B. Ben Chavis und Dean Reed die Möglichkeit haben, Interviews zu geben. Er erwähnte auch, daß z. B. August Bebel schon im vorigen Jahrhundert während der Kerkerhaft ein Buch schreiben konnte und auch aus dem Kerker mitnehmen durfte. Unter diesen Voraussetzungen verlange er eine Arbeit im Strafvollzug, die seinen intellektuellen Fähigkeiten und seiner Qualifikation entsprechen würde. Er wäre auch bereit, gar keine Arbeit zu leisten, wenn er dafür seine Schreibarbeit fortsetzen könnte. Seine bisherige Arbeit wäre er höchstens bereit, 4 Stunden am Tag zu verrichten, wenn er anschließend seine theoretischen Arbeiten fortsetzen könnte. Gleichzeitig verlange er, daß er alle Bücher aus seinem früheren Haushalt bekommen würde, auch dann, wenn sie Notizen von ihm enthielten. Diese Notizen seinen vom Untersuchungsorgan schon während der Hausdurchsuchung ausführlich besichtigt worden, so daß er jetzt keinen Grund dafür gäbe, ihm die Bücher nicht auszuhändigen. Er wehrt sich auch dagegen, wenn bereits übergebene Bücher wieder aus der Zelle herausgegeben werden müssen, damit er neue Bücher lesen kann. Dies sei bei einigen Büchern möglich, andere würde er aber ständig brauchen.
Weiterhin forderte er die Zeitung "Le Humanite" oder "Unita", damit er auch in soweit aktuell-politisch informiert wird.

Zur Unterhaltung wünsche er dringend ein Radiogerät in die Zelle und für seine Arbeiten eine Schreibmaschine. Die Geräte könnten ihm von seiner geschiedenen Ehefrau gebracht werden. Er wünschte zunächst, daß ich der Staatsanwaltschaft mitteile, daß im Falle der Verweigerung er auch Möglichkeiten hätte, die Öffentlichkeit einzuschalten, insbesondere über die BRD.

Nachdem ich ihm erklärt habe, daß er von mir die Übermittlung einer politischen Erpressung verlangen würde und sich dies für ihn auch nicht günstig auswirken könnte, wich er von dieser Forderung zurück. Ich sollte nur noch deutlich machen, daß er sich ein "nein" nicht einfach gefallen lassen würde. Er würde dann um seine Ansprüche kämpfen. Dias sollte ich in einen Gespräch mit dem zuständigen Staatsanwalt durchaus deutlich machen.

Neben diesen Forderungen erhob er noch als weitere Forderung - für das das Vorgenannte gleichermaßen gilt - den Anspruch, die von ihm angefertigten Arbeiten nach Entlassung aus dem Strafvollzug mitnehmen zu können (in diesem Zusammenhang verwies er auf Bebel). Aus Furcht, daß das Gespräch abgehört werden könnte, notierte er auf meinem Zettel, daß er bereits eine Meldung nach drüben lanciert habe, die eine Berichtigung der ADN-Nachricht über seine Verurteilung darstellen würde. Weiterhin notierte er zu einem späteren Zeitpunkt noch, daß er auch eingeleitet habe, daß seine Familie ausreichend finanziell versorgt werden würde. Dies sei für ihn wichtig, damit er nicht für den Unterhalt der Kinder im Strafvollzug arbeiten müsse. Er sagte dann noch einmal, daß er nach wie vor auf Gutwilligkeit hoffe und auch bereit wäre, darauf einzugehen. Außerdem wünschte er, daß ich mich offiziell um seine Finanzen kümmere. Er möchte gern von seinen finanziellen Mitteln in der BRD für längere Zeit vollständig den Unterhalt seiner Kinder zahlen. Da die finanziellen Mittel nicht eingezogen worden sind, geht er davon aus, daß er die Möglichkeit haben muß, zugunsten des Unterhaltes seiner Kinder darüber zu verfügen.

Im Laufe des Gespräches erklärte er auch, er wüßte, daß vor einigen Tagen eine Konferenz über ihn in Westberlin stattgefunden hat. Er wußte sogar, daß die Konferenz mehrtägig war. Ich habe ihm mitgeteilt, daß die Konferenz allgemein als wenig erfolgreich von den Veranstaltern bezeichnet wurde.

Nach wie vor besteht zwischen ihm und mir ein Vertrauensverhältnis. Er hofft darauf, daß ich ihm bezüglich seiner Haftbedingungen einiges ermöglichen kann und seine finanziellen Angelegenheiten regele. Weiter hofft er darauf, daß ich mich erfolgreich für eine vorzeitige Entlassung aus dem Strafvollzug einsetzen kann. Ich habe ihm zu verstehen gegeben, daß die Chancen für seine Entlassung eher dann zunehmen werden, wenn "relative" Ruhe herrschen würde. Ich habe ihm eindeutig gesagt, daß ich bezweifeln würde, daß sich die zuständigen Behörden unter Druck zu einer Entlassung seiner Person entscheiden würden. Er dagegen vertrat die Auffassung, daß eine vorzeitige Entlassung nur bei "äußerer Unruhe" zu erreichen sei, außerdem glaube er nicht, daß eine "relative Ruhe" zu erreichen wäre. Ich hatte aber das Gefühl, daß er möglicher Weise am Schluß einsah, daß sich Unternehmungen von ihm aus dem Strafvollzug in die Öffentlichkeit der BRD möglicher Weise nachteilig auf den Zeitpunkt seiner Entlassung auswirken könnten.

Letztlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß er während des Gespräches einige Male hintereinander anfing, mich zu dutzen. Ich bin darauf nicht eingegangen und habe ihn weiterhin mit "Sie" angesprochen. Letztlich ist er dann auch mir gegenüber wieder zum "Sie" übergegangen. Ich hatte ihn auf das Ungehörige des "Du" nicht hingewiesen, um keinen Mißklang in die Atmosphäre hineinzubringen. Mir schien es zu genügen, daß ich darauf nicht eingehe.
 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 21.07.06
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