Buskeismus

Fall Gysi

 

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Original

Berlin, den 09. 11.1977
3. Expl. / .. /

Vermerk

 

Am heutigen Tage wurde der erste Sprecher zwischen dem Beschuldigten

Rudolf BAHRO

und seinem Wahlverteidiger

RA Dr. GYSI

durchgeführt,

Vor Beginn des Sprechers wurde der Verteidiger vom Unterzeichner darauf hingewiesen, daß es Bestandteil der staatsanwaltschaftlichen Auflage ist, dem Beschuldigten keinerlei Informationen über Verbleib oder Befinden von Personen aus seinem  Umgangskreis zu geben, ausgenommen ...
Dr. GYSI versprach, dieses zu berücksichtigen. Eingangs informierte der Rechtsanwalt seinen Mandanten über die Modalitäten eines Sprechers mit Auflage und belehrte ihn nochmals im einzelnen über seine ihm gemäß §§ 61 und 91 StPO zustehenden Rechte. Bezugnehmend auf verschieden zu gewährende
Vergünstigungen wie Schreib-, Lese-, Besuchs- und Einkaufserlaubnis führte GYSI weiter aus, daß dem Untersuchungsorgan in begründeten Fällen zeitweiliger Entzug bzw. drastische Einschränkungen ohne weiteres gestattet sei. So erkläre sich auch, das habe er vom Staatsanwalt erfahren, BAHROS momentanes Schreibund Besuchsverbot.
Generell wies er den Beschuldigten darauf hin, daß es besser sei, die "Fronten" im Rahmen der Untersuchung nicht zu verhärten, sondern durch ein positives Aussageverhalten aktiv am Verfahren mitzuwirken. Widrigenfalls, fuhr er fort, seien Renitenz und negatives Aussageverhalten dazu angetan, die Untersuchung über Gebühr zu verlängern und nicht zuletzt vor Gericht auch Strafzumessungskriterium.
BAHRO entgegnete darauf, daß er diesen Ratschlag seines Verteidigers bis jetzt nicht nachgekommen sei und sich wahrscheinlich auch in Zukunft außerstande sehen wird, dem in aller Konsequenz nachzukommen.
Als nächstes wurde von BAHRO die Frage gestellt, ob Dr. GYSI sein Buch gelesen habe. Dieser erwiderte, daß diese Frage zwar nicht hierher gehöre, aber doch nicht direkt die Sache betreffe, da er durch den Staatsanwalt darüber informiert worden sei, daß die Ermittlungen in eine ganz andere Richtung laufen. Im übrigen wäre dieses Buch im Handel der DDR nicht erhältlich, ihm also auch nicht zugänglich, und es sich anderweitig zu besorgen, sehe er sich in keiner Weise veranlaßt. RA Dr. GYSI fügte jedoch hinzu, daß er, falls das Buch für BAHROS Verfahren jemals relevant werden sollte, sicherlich in die Lage versetzt würde, es einzusehen.
Aus taktischen Gründen wurde der Beschuldigte erst an dieser Stelle ermahnt, auch den Gegenstand des Verfahrens tangierende Probleme beim Sprecher zu meiden.

Auf die Frage des Rechtsanwaltes, wie es ihm gesundheitlich gehe, äußerte sich der Beschuldigte lobend über die medizinische Versorgung und die Unterbringung in der Haftanstalt, bat GYSI jedoch, ihm beim nächsten Besuch etwas Obst; und Gemüse mitzubringen, da die Vitaminversorgung in der Haft teilweise unzureichend sei.

GYSI antwortete ausweichend, wies BAHRO jedoch unmißverständlich auf ihm dadurch zusätzlich entstehenden Unannehmlichkeiten und eventuelle Verletzung bestehender Sicherheitsbestimmungen hin.

Den nächsten Sprecher kündigte GYSI für Dezember an und. versprach dem Beschuldigten, sich beim Staatsanwalt für eine Schreiberlaubnis an ... zu bemühen. BAHRO bestätigte, daß ihm ein Brief ... sowie drei Briefe zur Kenntnis gegeben wurden.

Im Anschluß an den Sprecher betonte der Rechtsanwalt gegenüber dem Unterzeichner, daß er die Verteidigung BAHROS nur ungern übernommen habe, immerhin aber froh sei, daß ... als Auftraggeber in Erscheinung getreten sei, so daß er sich fürderhin allen Personen gegenüber, insbesondere auch dem westlichen Ausland, die in der Sache, auskunftsuchend an ihn herantreten, auf seine Schweigepflicht als Anwalt berufen kann. Überdies sei "bislang alles sehr ruhig verlaufen", lediglich eine Person namens ... aus Dresden hätte sich bei ihm nach BAHRO erkundigt. Darüber habe er der BL der SED Bericht erstattet.

Er persönlich, so führte er weiter aus, halte Leute wie BAHRO für unverbesserliche Feinde des Sozialismus, die man besser rechtzeitig versuchen solle, in die BRD abzuschieben, da eine ideologische Umerziehung unmöglich sei. In diesem Zusammenhang bot er sich an, BAHRO gegebenenfalls, so "staatlicherseits" ein Interesse daran bestünde, den Gedanken einer Übersiedlung in die BRD nahezulegen, um "unnötigen Ärger nach der Haftentlassung in die DDR" zu ersparen.

Des weiteren gab er der Hoffnung Ausdruck, daß eine gerichtliche Hauptverhandlung, falls eine solche stattfindet, nur "in ganz kleinem Rahmen" durchgeführt wird und nicht aus "falschem Demokratieverständnis" ein größerer Prozeß stattfindet. Diese Äußerung des Rechtsanwaltes wurden durch den Unterzeichner im wesentlichen kommentarlos entgegengenommen.

Weitere Ausführungen machte RA Dr. GYSI zum ehemaligen Umgangskreis von ..., den er ebenfalls vertreten hatte. Angeblich habe er darüber hinaus kürzlich die Information erhalten, daß ... Entlassung in die BRD unmittelbar bevorstehe bzw. bereits erfolgt sei.

Groth
Unterleutnant

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 21.07.06
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