Berlin, den 09. 11.1977 Vermerk
Am heutigen Tage wurde der erste Sprecher zwischen dem Beschuldigten Rudolf BAHRO und seinem Wahlverteidiger RA Dr. GYSI durchgeführt,
Vor Beginn des Sprechers wurde der
Verteidiger vom Unterzeichner darauf hingewiesen, daß es Bestandteil der
staatsanwaltschaftlichen Auflage ist, dem Beschuldigten keinerlei
Informationen über Verbleib oder Befinden von Personen aus seinem
Umgangskreis zu geben, ausgenommen ... Auf die Frage des Rechtsanwaltes, wie es ihm gesundheitlich gehe, äußerte sich der Beschuldigte lobend über die medizinische Versorgung und die Unterbringung in der Haftanstalt, bat GYSI jedoch, ihm beim nächsten Besuch etwas Obst; und Gemüse mitzubringen, da die Vitaminversorgung in der Haft teilweise unzureichend sei. GYSI antwortete ausweichend, wies BAHRO jedoch unmißverständlich auf ihm dadurch zusätzlich entstehenden Unannehmlichkeiten und eventuelle Verletzung bestehender Sicherheitsbestimmungen hin. Den nächsten Sprecher kündigte GYSI für Dezember an und. versprach dem Beschuldigten, sich beim Staatsanwalt für eine Schreiberlaubnis an ... zu bemühen. BAHRO bestätigte, daß ihm ein Brief ... sowie drei Briefe zur Kenntnis gegeben wurden. Im Anschluß an den Sprecher betonte der Rechtsanwalt gegenüber dem Unterzeichner, daß er die Verteidigung BAHROS nur ungern übernommen habe, immerhin aber froh sei, daß ... als Auftraggeber in Erscheinung getreten sei, so daß er sich fürderhin allen Personen gegenüber, insbesondere auch dem westlichen Ausland, die in der Sache, auskunftsuchend an ihn herantreten, auf seine Schweigepflicht als Anwalt berufen kann. Überdies sei "bislang alles sehr ruhig verlaufen", lediglich eine Person namens ... aus Dresden hätte sich bei ihm nach BAHRO erkundigt. Darüber habe er der BL der SED Bericht erstattet. Er persönlich, so führte er weiter aus, halte Leute wie BAHRO für unverbesserliche Feinde des Sozialismus, die man besser rechtzeitig versuchen solle, in die BRD abzuschieben, da eine ideologische Umerziehung unmöglich sei. In diesem Zusammenhang bot er sich an, BAHRO gegebenenfalls, so "staatlicherseits" ein Interesse daran bestünde, den Gedanken einer Übersiedlung in die BRD nahezulegen, um "unnötigen Ärger nach der Haftentlassung in die DDR" zu ersparen. Des weiteren gab er der Hoffnung Ausdruck, daß eine gerichtliche Hauptverhandlung, falls eine solche stattfindet, nur "in ganz kleinem Rahmen" durchgeführt wird und nicht aus "falschem Demokratieverständnis" ein größerer Prozeß stattfindet. Diese Äußerung des Rechtsanwaltes wurden durch den Unterzeichner im wesentlichen kommentarlos entgegengenommen. Weitere Ausführungen machte RA Dr. GYSI zum ehemaligen Umgangskreis von ..., den er ebenfalls vertreten hatte. Angeblich habe er darüber hinaus kürzlich die Information erhalten, daß ... Entlassung in die BRD unmittelbar bevorstehe bzw. bereits erfolgt sei.
Groth
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Rolf Schälike |