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Fall Gysi

 

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Pressedienst: Nummer 28 vom 09. Juli 1998

Nur eine Bitte: Entscheiden Sie in der Sache

Erklärung von Gregor Gysi vor dem Bundesverfassungsgericht am 30.6.98

Erklärung von Gregor Gysi vor dem Bundesverfassungsgericht am 30.6.98

Hoher Senat, gestatten Sie mir, daß ich mich selbst äußere.
Ich weiß, wie kompliziert es gerade für einen Anwalt ist, in eigener Sache Stellung zu nehmen. Man begeht alle Fehler, die man sonst den Mandanten vorwirft, das heißt, man äußert sich zu Fragen, die letztlich für eine Entscheidung nicht relevant sind, weil man selber von einem Lebenssachverhalt ausgeht, und nicht beachtet, in welchen Grenzen dieser für ein Gericht von Bedeutung ist. Sicherlich wird es mir auch nicht gelingen, diesen Fehler zu vermeiden. Ich will aber kurz etwas zu jenen Mandatsverhältnissen sagen, bei denen mir der 1. Ausschuß des Deutschen Bundestages eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS unterstellt.

Beginnen möchte ich mit Robert Havemann. Die Vertretung von Robert Havemann übernahm ich 1979 in einer äußerst angespannten Situation. Robert Havemann wurde bis dahin durch Rechtsanwalt Dr. Götz Berger vertreten. Aufgrund der Art und Weise, wie Götz Berger Robert Havemann und andere vertrat, wurde ihm durch den Minister der Justiz die Zulassung als Rechtsanwalt entzogen. Meines Wissens gab es in der Geschichte der DDR nur zwei Fälle, in denen das geschah. Ausschlüsse oblagen sonst den Kollegien der Rechtsanwälte selbst. Der Justizminister hat es darauf aber nicht ankommen lassen und machte deshalb von seinem gesetzlichen Ausnahmerecht Gebrauch. Klar war das Signal an alle Rechtsanwälte und damit auch an mich, bestimmte politische Grenzen bei der Vertretung solcher Mandanten nicht zu überschreiten, wenn man seine Zulassung nicht verlieren wollte. Und ich räume durchaus ein, daß ich meine Zulassung nicht verlieren wollte.

Ich kann dennoch von mir behaupten, das mir in der DDR unter den konkret gegebenen Umständen Mögliche für Robert Havemann versucht und getan zu haben. Ich glaube, daß er dies auch bestätigt hätte, so wie seine Kinder, wenn er nach der Wende noch am Leben gewesen wäre. Robert Havemann war in den 50er Jahren ein in der DDR anerkannter Wissenschaftler und Funktionär. Er war Mitglied der Volkskammer, Träger zahlreicher staatlicher Auszeichnungen. Nachdem er sich politisch von der SED abgesetzt hatte, fiel er in Ungnade und avancierte Schritt für Schritt aus der Sicht der SED-Führung zum Staatsfeind Nummer 1. Als ich seine Vertretung übernahm, hatte er noch Hausarrest, durfte also sein Grundstück nicht verlassen. Er war gerade vom Kreisgericht in Fürstenwalde wegen des Vorwurfes des Devisenvergehens zu einer Geldstrafe von 10.000 verurteilt worden.

Ich habe die Berufung in einer Art und Weise gefertigt, daß Robert Havemann von seiner Absicht Abstand nahm, sie selbstständig zu ergänzen. Er fand sie in jeder Hinsicht ausreichend und überzeugend. Es gibt keine einzige Unterlage, wonach ich diese Berufungsschrift mit irgendjemand abgestimmt hätte. Wer die DDR kennt, weiß, daß es solche Abstimmungen auch nicht geben konnte. Denn niemand wäre bereit gewesen, die Verantwortung oder Mitverantwortung für einen Schriftsatz zu übernehmen, bei dem nicht klar war, wie er von den politisch Verantwortlichen aufgenommen werden würde. Die Berufung wurde vom Bezirksgericht Frankfurt/Oder zurückgewiesen. Im vor kurzem erstinstanzlich abgeschlossenen Rechtsbeugungsverfahren gegen die Richter des Bezirksgerichtes Frankfurt/Oder wegen dieses Verfahrens stützte sich die Staatsanwaltschaft unter anderem auf meine damalige Berufungsbegründung. Sie warf den Richtern vor, die Argumente rechtsbeugend unbeachtet gelassen zu haben. Auf jeden Fall hätte mit der Berufung und einem Antrag auf Freigabe beschlagnahmter Güter meine Tätigkeit für Robert Havemann beendet sein können.

Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es keine einzige Unterlage des Bundesbeauftragten, die auf ein Zusammenwirken zwischen dem MfS und mir in bezug auf Robert Havemann auch nur hindeutet.

Wenn anschließend der Kontakt zwischen Robert Havemann und mir regelmäßig stattfand, dann entsprach dies seinem Wunsch. Anders wäre es auch gar nicht gegangen. Denn gegen seinen Willen hätte ich solche Kontakte nicht pflegen können. Worin bestand anschließend meine Aufgabe? Robert Havemann hatte keine einzige Verbindung mehr zur Partei- und Staatsführung in der DDR. Das war ihm keinesfalls angenehm. Er nahm für sich das Recht in Anspruch, die Partei- und Staatsführung der DDR scharf zu kritisieren. Es ist aber bekannt, daß er gleichzeitig bis zu seinem Tode die Auffassung vertrat, daß die DDR im Vergleich zur Bundesrepublik Deutschland der bessere deutsche Staat sei. Deshalb hatte er auch nie die Absicht, die DDR zu verlassen. Aus seiner Sicht wollte er ihr helfen. Er war und blieb ja Kommunist, aber ein kritischer und demokratischer. Gleichzeitig registrierte er international Zuspitzungen, die ihn besorgten. Und so entstand für ihn die Frage, ob über mich ein Kontakt zur Parteiführung wieder herstellbar sei. Das Ziel für ihn bestand darin, gegenseitig Verhaltensweisen und Reaktionen kalkulierbarer zu machen, auch das Bild, das über ihn herrschte, wenigstens leicht zu korrigieren. Da ich bei einem Gespräch mit einem Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED feststellen konnte, daß auch dort ein Interesse an einem indirekten Kontakt bestand, habe ich mich bereit gefunden, diese Funktion zu übernehmen, die eigentlich keine anwaltliche ist. Aber was wäre mir nach der Wende alles vorgeworfen worden, wenn ich mich diesbezüglich verweigert hätte? Die Ergebnisse sprechen letztlich für sich.

Seit diesem Zeitpunkt gab es - von einem einzigen Tag abgesehen - keinen Hausarrest mehr für Robert Havemann. Die eine Ausnahme bezog sich auf ein geplantes Treffen zwischen Rudolf Bahro und Robert Havemann, als man Robert Havemann untersagte, zu diesem Treffen zu fahren. Seit diesem Zeitpunkt wurde kein Ordnungsstrafverfahren gegen Robert Havemann mehr durchgeführt, erst recht kein Strafverfahren. Solche Verfahren wären möglich gewesen, wenn die SED-Führung es gewollt hätte. Robert Havemann hat auch nach dem ersten Strafverfahren noch Bücher im Westen veröffentlicht. Es hätte also erneut unterstellt werden können, daß er ohne Genehmigung einen Vertrag geschlossen und damit einen sogenannten ungenehmigten Devisenwertumlauf in Gang gesetzt habe. Man hätte also das erste Strafverfahren desöfteren wiederholen können. Außerdem standen in seinen Büchern Äußerungen, die es, den entsprechenden Willen vorausgesetzt, immer ermöglicht hätten, Strafverfahren wegen öffentlicher Herabwürdigung oder staatsfeindlicher Hetze durchzuführen.

Ein wichtiger Nebeneffekt des Ausbleibens von Ordnungsstraf- und Strafverfahren bestand für Robert Havemann darin, daß es seit diesem Zeitpunkt keine Beschlagnahmen in seiner Wohnung gab, ihm also Unterlagen und Bücher nicht mehr weggenommen wurden. Diese Entkrampfung führte auch dazu, daß Robert Havemann zum 35. Jahrestag der Befreiung des Zuchthauses Brandenburg 1980 eingeladen wurde und dort neben Erich Honecker und anderen als Ehrengast teilnehmen konnte. Ein Vorgang, der noch einige Jahre vorher völlig undenkbar gewesen wäre. Für all das mag es verschiedene Gründe gegeben haben, aber meine Vermittlungsrolle hatte ihren Anteil daran.

Deshalb erklärten die Kinder von Robert Havemann, daß er ihnen gesagt habe, daß er so zufrieden sei, daß ich diesen Kontakt hergestellt habe. Und ich habe dem Ausschuß auch Unterlagen des Bundesbeauftragten überreicht, aus denen sich ergibt, daß Robert Havemann genau dies gewürdigt hat und darin auch den Sinn der Kontakte zu mir sah.

Die Zahl der Gespräche, auch über politische Vorgänge in Polen oder in der Sowjetunion, ließen sich anders auch nicht erklären, denn sie hatten regelmäßig nichts mit Anwaltsaufträgen im eigentlichen Sinne zu tun.

Wenn allerdings neue Schikanen gegen Robert Havemann geplant waren, wurde ich als Anwalt aktiv und habe gekämpft.

Ich möchte nur daran erinnern, daß sich aus den Unterlagen des Bundesbeauftragten ergibt, daß das MfS ganz erpicht darauf war, ein Holzhaus auf dem Grundstück von Robert Havemann in Besitz zu bekommen. Ein IM des MfS sollte dieses Holzhaus von der geschiedenen Ehefrau von Robert Havemann abkaufen und es dann nutzen. Das MfS erhoffte sich offenkundig, die Observation von Robert Havemann auf diese Art und Weise intensivieren zu können. Als ich dagegen bei der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED vorsprach, fand ich kein Gehör.

Es hat mich dennoch nicht daran gehindert, aktiv gegen das leicht zu durchschauende Spiel vorzugehen. Nicht etwa Robert Havemann, sondern ich war der erste, der den Verdacht äußerte, daß letztlich das MfS ein Interesse an dem Holzhaus haben könnte. Robert Havemann vermutete zunächst ganz andere Zusammenhänge. Auf jeden Fall habe ich im Rahmen der in der DDR bestehenden Möglichkeiten alles getan, um zu verhindern, daß ein Dritter das Holzhaus auf dem Grundstück von Robert Havemann nutzen kann. Und tatsächlich ist es auch zu keinem Zeitpunkt zu einer solchen Nutzung gekommen. Die Umsetzung des Zieles des MfS wurde verhindert.

Auf der anderen Seite war es natürlich auch für Robert Havemann wichtig, von mir zu erfahren, mit welchen Verhaltensweisen er Grenzen überschreiten und Repressionen gegen sich veranlassen könnte. Es war dann immer noch seine Entscheidung, ob er die Grenzen einhält oder nicht. Aber es ist doch für einen Betroffenen nicht unwichtig, sie zu kennen. Und insgesamt kann man wohl feststellen, daß sich Robert Havemanns Verhalten seit meiner Vertretung im Vergleich zu den Jahren zuvor nicht wesentlich geändert hat. Dennoch, es wurden gegenseitig bestimmte Grenzen nicht mehr überschritten und das erleichterte sein Leben maßgeblich. Was also, so frage ich Sie, muß ich mir an der Vertretung von Robert Havemann vorwerfen lassen?

Der Ausschuß behauptet, daß ich die DDR vor meinen Mandanten geschützt habe. Er kann nicht einen einzigen Umstand in bezug auf Robert Havemann nennen, der diese Aussage rechtfertigt. Der Ausschuß behauptet, daß das MfS auf meine Informationen dringend angewiesen gewesen sei, um seine Zersetzungsstrategien umsetzen zu können. Selbst im Rahmen seiner Unterstellungen kann der Ausschuß nicht eine angeblich von mir an das MfS übermittelte Information benennen, die für das MfS bei der Umsetzung von Zersetzungsstrategien gegenüber Robert Havemann wichtig gewesen wäre. Der Ausschuß behauptet, daß meine Einbindung der Unterdrückung der demokratischen Opposition gedient habe, kann aber keine einzige Information oder Maßnahme nennen, die man in einen solchen Zusammenhang stellen könnte.

Der Ausschuß unterstellt mir auch im Zusammenhang mit Rudolf Bahro ein Zusammenwirken mit dem MfS. Ich könnte es mir leicht machen und allein auf die Erklärung von Rudolf Bahro verweisen. Er war auch nach Einsicht in die Unterlagen des Bundesbeauftragten nachträglich mit meiner Arbeit zufrieden. Er sah keinen Fall von Mandantenverrat und hätte also die Zusammenfassung des Ausschusses niemals geteilt. Auch bei ihm gab es kein Zusammenwirken von mir mit dem MfS, sondern Gespräche mit der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED. Das war letztlich auch viel wirksamer, weil die führende Rolle in Staat und Gesellschaft bei der SED und nicht beim MfS lag. Bei ihm war allerdings die Situation besonders kompliziert:

Als ich die Vertretung von Rudolf Bahro im Ermittlungsverfahren übernahm, saß er bereits in Untersuchungshaft. Die Entscheidung war offenkundig gefällt, ihn zu verurteilen, wie es dann auch geschehen ist. Hätte der Ausschuß je einen Blick in die Strafakte geworfen, so hätte er feststellen können, daß ich das mir Mögliche im Ermittlungsverfahren, in der Hauptverhandlung und auch im Berufungsverfahren getan habe, um einen Freispruch für Rudolf Bahro, wenigstens eine geringere Strafe, zu erreichen. Im Rahmen des Strafverfahrens war mein Erfolg sehr begrenzt, abgesehen davon, daß das Stadtgericht Berlin ein wenig den Strafantrag der Staatsanwaltschaft unterschritt, was damals noch ungewöhnlich war.

Rudolf Bahro wurde rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in Höhe von acht Jahren verurteilt. Ich hätte auch hier meine Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt unterbrechen können. Nach der Strafprozeßordnung der DDR durfte eine vorzeitige Entlassung auf Bewährung bei einer Freiheitsstrafe von acht Jahren frühestens nach Verbüßung der Hälfte der Strafe stattfinden. Ich hätte also Rudolf Bahro erklären können, daß ich mich kurz vor Ablauf der Vierjahresfrist bei ihm melde, um beim Gericht eine Strafaussetzung auf Bewährung zu beantragen. Meine juristische Tätigkeit wäre abgeschlossen gewesen. Rudolf Bahro wollte dies nicht. Er suchte über mich den Kontakt zur Außenwelt. Durch mich hat er, wie sich auch aus den Unterlagen des Bundesbeauftragten ergibt, zum Beispiel erfahren, daß seine Kassiber im Nachrichtenmagazin "SPIEGEL" veröffentlicht worden waren. Durch mich behielt er einen Kontakt zur Parteiführung.

Rudolf Bahro hatte sich nach seiner Verurteilung noch in der Untersuchungshaftanstalt entschlossen, einen Antrag auf Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland nach der Haftentlassung zu stellen. Ihm und mir war klar, daß das eine Art Entgegenkommen an die Parteiführung war, die ihn loswerden wollte. Andererseits fürchtete die Parteiführung aber auch, daß Rudolf Bahro im Falle einer Ausreise zu einem wichtigen Propagandisten gegen sie werden könnte. Ich mußte deshalb den Mitarbeitern in der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED deutlich machen, daß sie sich in Rudolf Bahro irren, daß er sich auf diese Art und Weise nicht instrumentalisieren lasse. Nur so konnte ein Interesse bei der Parteiführung geweckt werden, Rudolf Bahro möglichst schnell aus dem Strafvollzug und in die Bundesrepublik Deutschland zu entlassen. Denn natürlich, das war deutlich zu spüren, störte die Parteiführung schon, daß sie regelmäßig von westlichen Politikern auf das Schicksal von Rudolf Bahro angesprochen wurde, sie störte das Solidaritätskomitee in der BRD etc. Die Kunst der Vermittlung bestand also darin, die jeweilige Interessenlage nicht unberücksichtigt zu lassen, dabei aber in erster Linie die Interessen des eigenen Mandanten zu vertreten.

Und noch eins war mir in dieser Zeit klar: Die Parteiführung hätte es als "Gesichtsverlust" empfunden, hätte sie Rudolf Bahro durch Korrektur des Urteiles oder im Gnadenwege entlassen. Zur damaligen Zeit war sie überhaupt nicht bereit, einen solchen vermeintlichen Gesichtsverlust hinzunehmen. Und so machte ich in einem Gespräch den Vorschlag, die Frage einer Amnestie zum Jahrestag der DDR zu prüfen. Unter diese Amnestie könnte eben auch Rudolf Bahro fallen. Damit gäbe es keinen Einzelakt in bezug auf seine Person, es würde also kein Gesichtsverlust stattfinden, dennoch wäre das Ziel erreicht, Rudolf Bahro aus dem Strafvollzug zu entlassen. Und genau so ist es dann geschehen.

Auch während der Haft waren Aktivitäten erforderlich. Rudolf Bahro hatte bekanntlich zwei Kassiber in den Westen geschmuggelt. Seine Haftbedingungen wurden erheblich erschwert. Vor allem litt er darunter, daß er nicht mehr arbeiten konnte. Er wollte unbedingt eine Schreibmaschine haben, um Manuskripte zu fertigen. Außerdem brauchte er Bücher, bestimmte Zeitungen und einen Schallplattenspieler, letzteres, weil er die Zeit des Strafvollzuges nutzen wollte, um weitere Fremdsprachen zu erlernen. All das gab es im Strafvollzug der DDR nicht und wurde auch ihm verwehrt. Aber um all das habe ich gekämpft. Tatsächlich bekam er eine Schreibmaschine, einen Schallplattenspieler und auch mehrere Bücher, bei den Zeitungen war ich erfolglos. Und was ist so schlimm daran, wenn ich in einem Gespräch einen Mitarbeiter des ZK der SED damit lockte, daß eine Schreibmaschine Stifte ersetze und das Schreiben weiterer Kassiber erschwere? Es war mein Bestreben und mein Auftrag, Rudolf Bahros Wünsche durchsetzen zu helfen, und dafür alle geeigneten Argumente vorzubringen. Und es war im übrigen sein eigenes Angebot, daß er auf weitere Kassiber verzichte, wenn die Haftbedingungen sich entsprechend verbesserten. Anders wäre in der DDR nichts zu erreichen gewesen. Es gab doch in bezug auf Rudolf Bahro eine klare Antihaltung und kein Wohlwollen. Also mußte ich versuchen, über den Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED der Parteiführung zu erklären, daß ein Entgegenkommen auch für sie von Vorteil sein könnte. Ich weiß auch im Nachhinein nicht, weshalb ich mir ein solches Verhalten vorwerfen lassen muß. Auch hier meine Frage, wodurch habe ich die DDR vor Rudolf Bahro geschützt, an welcher Zersetzungsstrategie gegen ihn habe ich wie mitgewirkt, mit welcher Handlung habe ich ihn unterdrückt?

Als Rudolf Bahro in der BRD lebte, blieben wir in Kontakt. Weshalb soll ich mir vorwerfen lassen, ihm in dieser Zeit geholfen zu haben, den Vorwurf der Denunziation eines Mithäftlings, der in westlichen Medien verbreitet wurde, zu widerlegen?

Der Ausschuß stützt seine Feststellung weiter auf das Mandatsverhältnis mit Ulrike und Gerd Poppe. Die Vertretung von Ulrike Poppe übernahm ich, als sie sich in Untersuchungshaft befand. Gerd Poppe besuchte mich als ihr Angehöriger, nicht als Mandant. Ihn selbst habe ich nur ein Mal vertreten, und zwar im Rahmen eines Ordnungsstrafverfahrens. Diesbezüglich gibt es allerdings nicht einmal Anschuldigungen des Ausschusses. Das Verfahren gegen Ulrike Poppe wurde eingestellt und sie wurde aus der Untersuchungshaft entlassen. Es hat nach diesem Zeitpunkt keine weiteren Strafverfahren oder Ordnungsstrafverfahren gegen sie mehr gegeben. Darf ich meine Frage von vorhin wiederholen, wie ich die DDR vor Ulrike Poppe schützte, wie ich sie unterdrückte oder an ihrer Zersetzung mitwirkte?Der Ausschuß stützt seine Feststellung darüber hinaus auf ein Mandatsverhältnis mit Herrn Dötterl. Herr Dötterl war Bürger der Bundesrepublik Deutschland. Er drehte Serienfilme für das Fernsehen der DDR, in denen der Alltag im Westen so dargestellt wurde, daß er Bürgerinnen und Bürger der DDR von der Sehnsucht nach dem Westen befreien sollte. Er genoß zahlreiche Privilegien in der DDR. Aber irgendwann kam es zwischen ihm und den verschiedensten Organen in der DDR zum Konflikt, darunter auch zu den Sicherheitsorganen. In dieser Zeit bat er mich um Vertretung und ich habe, wie es sich auch aus den Unterlagen des Bundesbeauftragten ergibt, nicht nur mit dem Fernsehen der DDR, sondern auch mit der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED verhandelt. Letztlich konnten Kompromisse erzielt werden, die für ihn nicht sehr befriedigend waren. Aber für irgendwelche Kontakte zu Geheimdiensten hätte er mich zweifellos als Letzter benötigt. Auch hier beschreibt der Ausschuß in dem, was er unrichtiger Weise als erwiesen ausgibt, nichts, was seine Zusammenfassung rechtfertigen würde.

Schließlich stützt der Ausschuß seine Feststellung noch auf ein Gespräch zwischen einem "SPIEGEL"-Korrespondenten in der DDR und mir bei einem Empfang in Ostberlin. Über dieses Gespräch gibt es eine Information an das MfS und der Ausschuß unterstellt, daß sie von mir dorthin gelangt sei. Diese Unterstellung ist zumindest verwunderlich, denn weder Herr Schwarz noch ich gingen davon aus, daß ein solches Gespräch bei einem dicht gedrängten Empfang dem MfS verborgen bleiben würde. Aber weshalb der Ausschuß meint, daß gerade ich der Informant gewesen sein müsse, bleibt sein Geheimnis.

Zu keinem Zeitpunkt habe ich mit irgendeiner Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR inoffiziell zusammengearbeitet. Die gegenteilige Behauptung des Ausschusses ist falsch. Abgesehen davon, daß ich dies nicht getan hätte, war es auch nicht nötig. Dort, wo es besonders wichtig war, stand mir der Weg zur Abteilung Staat und Recht des ZK der SED offen. Die SED war dem MfS übergeordnet und liebte keine Parallelbeziehungen. Sie entschied, ob sie Informationen von mir weiterleitete und an wen. Hätte ich tatsächlich eine parallele Beziehung zum MfS aufgebaut, hätte ich meine Beziehung zum ZK der SED gefährdet.

Es gab aber nur wenige Mandate, bei denen ich überhaupt die Möglichkeit hatte, mit einem Mitarbeiter der Abteilung Staat und Recht des ZK der SED zu sprechen. In den meisten Fällen wäre dort niemand dazu bereit gewesen. In solchen Fällen hätten mir aber auch Kontakte zum MfS nichts genutzt. Niemand hat sich bisher gefragt, warum es zum Beispiel bei Lutz Rathenow und Rainer Eppelmann keine Informationen gibt, bei denen der Bundesbeauftragte auch nur vermuten kann, daß sie von mir kämen, obwohl beide meine Mandanten waren und das MfS zu ihnen umfangreiche Akten anlegte. In beiden Fällen hatte ich auch keinen Kontakt zum ZK der SED. Meine Tätigkeit reduzierte sich im wesentlichen auf Schriftsätze und Gespräche mit den eigenen Mandanten.

Wäre ich derjenige gewesen, für den der Ausschuß mich hält, dann wäre es unerklärlich, daß es bei solchen Mandanten keine Informationen durch mich gegeben haben soll. Das gilt für weitere Mandanten wie Jutta Braband und Thomas Klein, für mehr als 100 Ausreisewillige, die ich vertrat. Der Ausschuß kann auch nicht erklären, weshalb es bei Gesprächen, die ich mit meinen Mandanten außerhalb meiner Büroräume und außerhalb des Hauses von Robert Havemann führte, keine Informationen gibt, bei denen auch nur ein Verdacht auf mich fällt. Der Ausschuß setzt sich nicht damit auseinander, daß eine andere Diensteinheit und auch die HA XX/OG bzw. HA XX/9 unabhängig von mir eine Quelle in meinem Büro hatte. Weiter versucht er, Ausschlußbeweise zu entwerten, weil es sein politischer Wille ist, mich zum IM des MfS zu machen. Tatsache ist, daß ich nie beim MfS als IM erfaßt und registriert war. Es gibt bisher keinen einzigen Fall, in dem einer Person nachgewiesen wurde, daß sie inoffiziell mit dem MfS zusammenarbeitete, ohne daß diese Tätigkeit entsprechend erfaßt und registriert gewesen wäre. Der Ausschuß unterstellt, daß ich der einzige unter Tausenden bin, bei dem diese Ausnahme gegeben sei, obwohl in der DDR viel bekanntere und wichtigere Personen im Falle einer solchen Tätigkeit beim MfS erfaßt und registriert waren. Warum soll das MfS 1978 und 1986 aufgeschrieben haben, daß es kein Interesse an mir hätte, daß ich als IM ungeeignet sei, daß ich mich auf meine anwaltliche Schweigepflicht berufe, wenn das Gegenteil zugetroffen hätte? Wer sollte weshalb innerhalb des MfS dadurch getäuscht werden?

Wenn ich an die Zusammenfassung des Ausschußberichtes denke, dann frage ich mich: Wie kann man ein solches Urteil über einen Rechtsanwalt fällen, ohne eine einzige Gerichtsakte, ohne eine einzige Staatsanwaltsakte, ohne eine einzige Handakte des Rechtsanwaltes gelesen zu haben? Wie kann man ein solches Urteil fällen, ohne einen einzigen Mandanten angehört zu haben?

Und der Ausschuß hat dieses Urteil gefällt, obwohl er nicht einmal über einen meiner Mandanten eine einzige komplette MfS-Akte besaß. Es sind ihm ja immer nur einzelne Unterlagen zur Verfügung gestellt worden, bei denen irgendein Zusammenhang zu mir besteht oder vermutet wird. Der Ausschuß kann deshalb überhaupt nicht bewerten, welche Bedeutung die vermeintlich von mir erteilten Informationen für das MfS gehabt haben könnten. Ohne irgendeinen Beleg behauptet er, daß ich die DDR vor meinen Mandanten geschützt, daß ich wichtige Informationen im Rahmen von Zersetzungsstrategien gegen meine Mandanten an das MfS geliefert, daß mein Wirken der Unterdrückung der demokratischen Opposition gedient hätte. Er überschreitet hier nicht nur seine Kompetenz, er weiß doch selbst, daß er ein Verfahren besaß, das eine solche Bewertung überhaupt nicht ermöglichte.

Gerade in der Zusammenfassung wird für mich die Absicht des Ausschusses deutlich, mich politisch, beruflich und persönlich zu diskreditieren. Ihm scheint dabei völlig egal zu sein, ob er seine Behauptungen belegen kann oder nicht.

Ich glaube von mir behaupten zu können, als Rechtsanwalt in der DDR weder feige noch erfolglos gewesen zu sein. Dennoch denke ich selbstkritisch darüber nach, ob ich weitere Grenzen hätte überschreiten sollen. Nur wäre ich dann als Anwalt und Helfer meiner Mandanten ausgefallen. Ich finde nicht, daß ich mir so etwas nachsagen lassen muß, wie es der Ausschuß in seiner Zusammenfassung für angemessen erachtet hat. Und ich frage mich, woher die Juristen im Ausschuß, die ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland gewirkt haben, die Selbstgerechtigkeit hernehmen, von sich zu glauben, daß sie als Anwälte in der DDR mutiger und erfolgreicher aufgetreten wären als ich. Das aber müssen sie glauben, wenn sie meine Tätigkeit derart rigide abqualifizieren, wie sie es in der Zusammenfassung des Beschlusses vom 8. Mai 1998 getan haben. Gestatten Sie mir, daß ich diesbezüglich ein großes Fragezeichen setze. Und wenn ich dann noch bedenke, daß eine Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses, die diesen Beschluß gefaßt haben, fast nichts von dem gelesen haben, was der Bundesbeauftragte an Unterlagen und ich an Unterlagen und Stellungnahmen geliefert haben, dann wird besonders deutlich, daß es nicht um Wahrheit, sondern ausschließlich um Politik geht.

Nun habe ich den bisherigen Verlauf der Verhandlung sehr aufmerksam verfolgt. Mir ist klar geworden, daß die Gegenseite möchte, daß das Bundesverfassungsgericht in der Sache möglichst nicht entscheidet. Sie sollen meine Organklage zurückweisen und der Ausschuß ist bereit, sich damit abzufinden, daß Sie in den Gründen dann erklären, nicht überprüft zu haben, ob er eine nachgewiesene Wahrheit festgestellt habe oder nicht. Sie sollen erklären, daß dies auch nicht ihre Aufgabe sei. Auch hier ist das Ziel klar: Bei Abweisung der Organklage ginge die gesamte Öffentlichkeit davon aus, daß Sie den Ausschußbericht als rechtmäßig, damit als berechtigt und wahr festgestellt hätten. Daß in den Gründen dann möglicherweise stünde, daß die Überprüfung des nachgewiesenen Wahrheitsgehaltes nicht Ihre Aufgabe gewesen sei, ginge mit Sicherheit unter.Ich bin mir darüber im klaren, daß es einen anderen Rechtsweg für mich nicht gibt. Und deshalb habe ich nur eine Bitte: Entscheiden Sie in der Sache. Wenn Sie davon überzeugt sind, daß die Vorwürfe des Ausschusses gegen mich berechtigt und nachgewiesen sind, dann sagen Sie das und dann muß ich irgendwie damit umgehen. Wenn Sie aber nicht der Meinung sind, dann bitte ich Sie, auch das zu sagen. Nur eine Entscheidung fände ich unerträglich: Das wäre ein Beschluß, mit dem Sie meine Organklage zurückweisen, um in den Gründen zu erklären, daß Sie den Beschluß des Ausschusses inhaltlich nicht auf seinen nachgewiesenen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen gehabt hätten!

In Ihrem Beschluß vom 27. Mai 1998 haben Sie am Schluß ausgeführt: "Eine zeitnahe verfassungsgerichtliche Beanstandung des Ausschußberichts würde in der Öffentlichkeit besonders aufmerksam wahrgenommen und gewürdigt werden und wäre daher geeignet, den Antragsteller von dem Vorwurf zu entlasten, eine inoffizielle Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik sei erwiesen." Damit haben Sie für mein Verständnis angedeutet, in der Sache selbst entscheiden zu wollen, also die Frage zu beantworten, ob Sie einen solchen Vorwurf als erwiesen ansehen oder nicht.Der Ausschuß hat mich zu einer Art Volksfeind erklärt und die Zahl derer, die gestützt auf den Beschluß des Ausschusses mich so sehen und behandeln, wächst. Ich bitte Sie zu prüfen, ob Sie bei allen politischen Unterschieden dies für gerechtfertigt und angemessen halten. Normale politische Arbeit, normaler Wahlkampf, sind mir zumindest sehr schwer gemacht worden. Aber auch ich bin nicht nur ein zu bekämpfendes Politikum, nicht nur ein verfassungsrechtlicher Faktor, sondern ein Mensch.

Ich versichere Ihnen: Zu keinem Zeitpunkt war ich Inoffizieller Mitarbeiter oder habe inoffiziell mit dem MfS zusammengearbeitet.

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 12.01.06
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