Buskeismus

Home                    Sitemap

8. April 2006

Der Fall der alten Dame - Klageschrift gegen den Maulkorb

Pressefreiheit: Mit drei einstweiligen Verfügungen, einer Gegendarstellung wird versucht, Berichte zu verhindern. Der Rechtsanwalt Dr. Rolf Schultz-Süchting, der vom Hamburger Abendblatt eingeschaltet wurde, begründet den Widerspruch der Zeitung gegen das vom Landgericht Berlin verhängte Schreibverbot über den Fall einer alten Frau, die in einer norddeutschen Gemeinde auf merkwürdige Weise ihr Haus verlor. Das Abendblatt veröffentlicht die Einlassung seines Anwalts beim Berliner Landgericht und beim Berliner Kammergericht, um frei von journalistischen Effekten, in der kühlen objektiven Sprache der Juristen seinen Lesern den Fortgang der Angelegenheit darzulegen.

An das Landgericht Zivilkammer 27 Tegeler Weg 17-21 10589 Berlin

An das Kammergericht Senat für Pressesachen Elßholz Str. 30-33

10781 Berlin

. . . nehmen wir für die Axel Springer AG wie folgt Stellung:

1. Frau ist eine Dame Ende 60, die Eigentümerin von zwei Grundstücken ist, ein größeres mitten im Ort von über 7000 qm und ein kleineres im Nachbarort . (Ferner hat sie auch noch ein landwirtschaftliches Grundstück, welches aber nur einen relativ unerheblichen Wert hat.)

Beide Häuser auf diesen beiden Grundstücken sollen einigermaßen verwahrlost aussehen, das Haus auf dem größeren Grundstück wohl aber noch mehr als auf dem kleineren Grundstück. Frau hat darüber hinaus offensichtlich einen Sammeltick und hat insbesondere das größere der beiden Grundstücke in einer Weise "zugemüllt", die bei der Gemeinde , in der dieses größere Grundstück in zentraler Lage liegt, Mißfallen erregt hat.

Im Zusammenhang mit dem Bemühen der Gemeinde , für diese Grundstücke einen Zustand herzustellen, der der Geschmacksvorstellung von "Otto Normalverbraucher" entspricht, ist seitens der Gemeinde die Idee aufgekommen, die Frau unter vormundschaftsgerichtliche Betreuung stellen zu lassen. Außerdem hat die Stadt Ordnungsverfügungen erlassen, womit Frau aufgefordert worden ist, ihre Grundstücke in Ordnung zu bringen.

Im Rahmen der Sachverständigen-Untersuchung durch einen Facharzt ist dann ein Gutachten angefallen, welches dazu geführt hat, daß mit einer Frau und einem Herrn Rechtsanwalt vom Amtsgericht als dem zuständigen Vormundschaftsgericht eine Betreuerin und ein Ersatzbetreuer eingesetzt worden sind.

Da die Ordnungsverfügungen der Gemeinde für die Räumung des Grundstücks (oder beider Grundstücke) einen nicht unerheblichen Aufwand erforderten und dann auch noch eine Erbschaftsteuer-Forderung gegen Frau seitens der Finanzverwaltung in der Größenordnung von zirka 40 000 Euro anstand, haben die beiden Betreuer die Idee verfolgt, das größere der beiden Grundstücke - also dasjenige in , nicht dasjenige in - zu veräußern.

Ein Verkehrswert-Sachverständiger hat dieses Grundstück daraufhin eingeschätzt und dabei berücksichtigt, daß die Gemeinde keinen Bebauungsplan für das Grundstück bzw. die Gegend des Grundstücks erlassen hat, so daß also ein Käufer keineswegs gesichert wissen kann, ob es sich bei dem Grundstück - und wenn ja, zu welchem Anteil der insgesamt 7500 qm großen Fläche dieses Grundstückes - um Bauland oder Bauerwartungsland oder vielmehr um nicht baulich nutzbare Wiese oder sonstige Flächen handeln würde. Diese Unsicherheit im Planungsstand sei - so hat der Sachverständige gesagt - natürlich wertmindernd.

Darüber hinaus hat der Grundstücks-Sachverständige eine Wertminderung des Grundstücks um 174 000 Euro vorgenommen, weil dieses der Betrag sei, der von veranschlagt sei, um die beiden Grundstücke in einen "ordnungsmäßigen" Zustand zu bringen. Es lagen zwar insoweit auch andere - deutlich niedrigere - Einschätzungen dafür vor, was für die Aufräumungsarbeiten aufzuwenden ist; aber die Gemeinde hatte in den Ordnungsverfügungen gegenüber Frau angewiesen, daß "der Unrat" auf den Grundstücken nur auf ihrer eigenen Müllkippe abgeladen werden dürfe, so daß also die Gemeinde insoweit eine eigenständige "Monopol-Stellung" für die Müll-Entsorgung begründet hatte, die es erlaubte, diesen Preis mit 174 000 Euro einzuschätzen.

Im Rahmen des Verkaufsbemühens der beiden Betreuer und für Frau für deren größeres Grundstück hatte also die Gemeinde in zweifacher Hinsicht einen "Trumpf" in der Hand:

  • Zum einen konnte sie nämlich selbst die Beseitigung des "Mülls" in die Hand nehmen, den Preis diktieren, die Zeit der Mitarbeiter, die dafür eingesetzt werden, sowie ihre preisliche Veranlagung für solche Leute, die "sowieso" beschäftigt werden, der Höhe nach einstellen und also durch vielfältige "Einstellschrauben" bei der Preisgestaltung für die "Entmüllung" dafür Sorge tragen, daß schon ein erheblicher hoher Betrag für die Müllbeseitigung auf den -Grundstücken in die Gemeindekasse fließt. Und die Gemeinde konnte auch den Betrag für die Müllbeseitigung von vornherein eigenständig einschätzen und er wurde in so hoch festgesetzt, daß eine andere Reaktion als der Verkauf dieses Grundstücks von den "Betreuern" schwerlich in Betracht gezogen werden konnte, wenn diese keine Lust hatten, ihre Betreuer-Sorgfalt wahrzunehmen und sich gegen diese Ordnungs-Verfügungen zu wehren.

  • Zum anderen war es der Gemeinde dann, wenn jemand anderes kauft möglich, den Bebauungsplan so einstellen, daß keine vernünftige Bebaubarkeit gewährleistet ist, oder sie konnte jedenfalls insoweit dilatorisches Verhalten an den Tag legen; wenn sie dagegen selbst kaufen würde, erscheint es ihr durchaus möglich, den Bebauungsplan flugs so einzurichten, daß auf dem 7500 qm großen Grundstück in der Mitte von ordentlich geschnittene Reihenhäuser oder sonstige Einfamilienhäuser oder auch Wohnblöcke errichtet werden können, womit der Preis für das - inzwischen dann ja auch auf Kosten der Frau geräumte - Grundstück mächtig erhöht werden würde. Der Bürgermeister hat daher im Interview mit dem Hamburger Abendblatt erklärt, er habe nichts dagegen, wenn die Gemeinde mit dem Grundstück ein Geschäft machen könnte.

Die beiden Betreuer haben - obwohl insoweit auf der Hand liegt, daß die Gemeinde hier offensichtlich in einem deutlich eigenen Interesse und nicht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung tätig ist - gleichwohl das Grundstück an die Gemeinde , und zwar auch noch zu einem Preis von 30 000 Euro unter dem von dem Sachverständigen schon viel zu niedrig eingeschätzten Wert, verkauft.

Frau wehrt sich - unter Zuhilfenahme eines Anwalts in dem Betreuungsverfahren, in welchem sie sich gegen die Einsetzung dieser Betreuer wehrt - gegen den Verkauf mit Händen und Füßen.

Zum Beleg dieses hier geschilderten Sachverhaltes lege ich vor die Beschlüsse des Amtsgerichts vom und März 2006 sowie vom März 2006 und das Urteil des Landgerichts vom März 2006 als Anlagen 1-4.

Frau hat sich schließlich an das Hamburger Abendblatt gewendet und um Öffentlichmachung dieses offenkundigen Problems, welches eine prototypische Darstellung eines schwierigen Betreuer-Betreuten-Interessenkollisions-Verhältnisses ist, gebeten. Das Hamburger Abendblatt hat darüber berichtet, und zwar unter anderem am 25. Februar und am 9. März 2006.

2. . . .

3. Die Antragsgegnerin Axel Springer AG macht keinen Hehl daraus, daß sie die Entscheidung des Landgerichts Berlin im vorliegenden Fall im Sinne einer strengen Pressezensur versteht; und in diesem Eindruck wird die Axel Springer AG bestätigt durch den hier angefochtenen weiteren Beschluß vom .3.2006 zum Aktenzeichen des Landgerichts, um den es mir hier mit diesem Schriftsatz geht. Da sagt doch das Landgericht allen Ernstes folgendes:

Es handele sich trotz dieses in jeder Beziehung anonymisierenden und jeden Namen und jede Ortsangabe schwärzenden Artikels um einen solchen, der den Herrn in "identifizierbarer Weise" deutlich mache und über das Betreuungsverhältnisses berichte. Folglich handele es sich auch bei diesem Artikel um einen solchen, der unter den Tenor der einstweiligen Verfügung falle (ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung ist er allerdings deswegen nicht, weil zum Zeitpunkt dieses Artikels die einstweilige Verfügung noch gar nicht zugestellt war). Denn - und das ist nun die Begründung für diese gleichwohl angeblich bestehen gebliebene "Identifizierbarkeit" trotz der ersichtlichen schwärzenden Anonymisierung -: Es sei ja schon vorher im Hamburger Abendblatt berichtet worden (nämlich am 25.2. und am 9.3.2006), und da sei sein Name als Betreuername ja schon erschienen. Und deswegen sei jede Fortsetzungs-Berichterstattung eine solche, die ihn "identifiziere".

Mit anderen Worten: Das Landgericht ist offensichtlich der Auffassung, daß die Axel Springer AG überhaupt nicht mehr über diesen Vorgang /Gemeinde berichten darf, weil früher schon einmal - und inzwischen übrigens auch vom Spiegel und vom NDR - über dieses Betreuungs-Verhältnis, und zwar auch unter Nennung des Namens als Ersatz-Betreuer, berichtet worden ist und dementsprechend jede Berichterstattung - die ja möglicherweise von demjenigen Lesern, die auch schon die früheren Artikel gelesen haben, mit jenen in Zusammenhang gebracht werden kann - als eine "identifizierende" Berichterstattung erscheine.

Und da jede Berichterstattung, die dieses Betreuungs- und Grundstücks-Verkaufs-Rechtsverhältnis /Gemeinde aufgreift, eine solche Berichterstattung ist, in der irgendwo auch Herr als "Betreuer" vorkommt - bis Herr irgendwann diese Position aufgibt bzw. aus dieser Position vom Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts herausgesetzt wird -, ist also schlechterdings dem Hamburger Abendblatt verboten, überhaupt zu berichten, und zwar völlig unabhängig von dem Inhalt der Berichterstattung - so jedenfalls die absonderliche Auffassung des Landgerichts Berlin.

Ob das Landgericht Berlin wohl schon mal was von Pressefreiheit gehört hat? Und von der Abwägung von Persönlichkeitsrechten?

Ich weiß, daß diese Fragen vielleicht provokativ sind. Aber ich kann es wirklich nicht verstehen, wie ein Pressegericht solche weiten Tenöre mit solchen weiten Auswirkungen erlassen kann.

Die Axel Springer AG dürfte offensichtlich dann auch nicht - so anscheinend das Landgericht Berlin - darüber berichten, daß das Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts inzwischen mit dem Beschluß vom März 2006, siehe oben Anlage 3, entschieden hat, daß selbstverständlich Frau darin frei sei, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und das Hamburger Abendblatt um Schützenhilfe gegen die Grundstücks-Veräußerungen und gegen die Betreuer zu bitten (vergleiche Seite 7 unten/8 oben). Das Vormundschaftsgericht habe etwas anderes auch nie verfügen wollen, und insoweit sei seine frühere Verfügung, daß Herr "den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber den Medien" habe, offensichtlich missverstanden worden.

Mit anderen Worten: Das Gericht sagt, Frau xxxxx solle sich an die Öffentlichkeit wenden dürfen und das Hamburger Abendblatt um Schützenhilfe bitten dürfen (die ja nur möglich ist dadurch, daß der Vorgang öffentlich gemacht wird).

Aber Herr xxxxx soll nach Auffassung der 27. Kammer des LG Berlin als Betreuer für Frau xxxxx einerseits und sich selbst andererseits - also schon in offensichtlicher Interessen-Kollision! - die Möglichkeit haben, schlechterdings zu verhindern, daß über irgendwelche Änderungen oder irgendwelche Neuigkeiten oder irgendwelche Bewertungen im Rahmen dieses Betreuungsverhältnisses berichtet wird, weil das ja immerhin von dem einen oder anderen Leser im Hinblick auf frühere Berichterstattungen des Hamburger Abendblattes oder anderer Zeitungen mit Herrn xxxxx "in identifizierbarer Weise" in Verbindung gebracht werden könne.

Abwegig!

Und deswegen fühlt sich die Antragsgegnerin, obwohl sie mit diesem Beschluss des Landgerichts Berlin ja vom Tenor her nicht belastet ist, sehr wohl durch diese eigenartige Rechtsauffassung des Landgerichts Berlin beschwert.

Dr. Rolf Schultz-Süchting

  • Nach Eingang dieses Schreibens gab das Berliner Landgericht, das bisher nur Mitte Mai als früheste Möglichkeit für eine Verhandlung über ein Ende des Schreibverbotes zugestanden hatte, bekannt, daß es nunmehr die öffentliche Verhandlung auf Donnerstag nächster Woche vorverlege.

    erschienen am 8. April 2006

  • ____________________________________________________________________

    Hamburger Abendblatt wehrt sich gegen Zensur

    http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2452324,00.html

    NDR Mittwoch, 29.03.2006, 23:00

    Der Besitz einer alten Dame wird gegen ihren Willen verkauft. Kein Einzelfall. Neu ist hingegen, dass eine Zeitung nicht darüber berichten darf. Dem "Hamburger Abendblatt" ist es so ergangen, als es die Geschichte einer 67-Jährigen im Kreis Pinneberg veröffentlichte. Ein Gericht hatte der Frau zwei Betreuer zur Seite gestellt. Die Gemeinde kaufte ihr Grundstück, aber weder der Bürgermeister noch die Betreuer wollen dazu Stellung nehmen. Stattdessen wurde das "Hamburger Abendblatt" per Gerichtsbeschluss genötigt, sämtliche Namen in seinem Artikel vom 24. März zu schwärzen. Bemerkenswert ist, dass die Betreuer sich einen bekannten Medienanwalt in Berlin genommen haben - ausgerechnet jenen, der in der "taz" für Pressefreiheit kämpft. Zapp über die medialen Hintergründe einer menschlich bewegenden Geschichte.

    Kummerfeld im Kreis Pinneberg. Ruhig und beschaulich ist es in dem 2.000-Seelenort. Das Dorf vor den Toren Hamburgs wächst. Viele neue Wohnungen entstehen. Doch für Aufregung sorgt derzeit ein altes Haus mitten im Ort, direkt an der Hauptstraße. Besitzer ist seit drei Monaten die Gemeinde selbst, obwohl es die Vorbesitzerin gar nicht verkaufen wollte. Und das ist sie im Gespräch mit ihrem einstigen Nachbarn. Nachbarin: "Wo sind ihre Katzen denn jetzt überhaupt?" Sie darf nicht mehr betreten, was ihr knapp 30 Jahre gehörte. Das Haus, dazu ein Grundstück mit über 7.000 Quadratmetern. Das alles hat sie verloren. Thea Schädlich: "Plötzlich kommt der Bürgermeister hier um die Ecke und sagt zu mir: 'Frau Schädlich, das Grundstück gehört Ihnen nicht mehr. Das gehört ab sofort mir. Das dürfen Sie nicht mehr betreten. Ab sofort. Ab sofort alles zurücklassen.'"

    Chronik des Skandals

    Durch den Hausverkauf sollten Steuerschulden beglichen werden. Das hatte nicht Thea Schädlich entschieden, sondern ihre Betreuer. Denn per Gerichtsbeschluss sind seit zwei Jahren Betreuer für ihre finanziellen Angelegenheiten zuständig. Die "Pinneberger Zeitung" fing an zu recherchieren. Der erzwungene Hausverkauf wurde zum großen Thema. Die Journalisten stellten auch die Frage, die viele in Kummerfeld bewegt: "Bereichert sich ein Dorf auf ihre Kosten?" ("Pinneberger Zeitung", 16.02.2006) Gute Frage, aber keine Antwort. Ihr Betreuer erwirkte vor Gericht einen gerichtlichen Maulkorb für Thea Schädlich. Für die Lokalpresse war damit klar: Die Berichterstattung soll untersagt werden. Auch der von ihr beauftragte Anwalt durfte plötzlich nichts mehr sagen. Eine Mauer des Schweigens auch hier beim zuständigen Amtsgericht in Pinneberg. Keine Stellungnahme. Auch der vom Gericht eingesetzte Betreuer will nicht mit der Presse reden, möchte auch nicht zitiert werden.

    Per einstweiliger Verfügung wird dem "Abendblatt" untersagt, Fotos von Thea Schädlich zu zeigen. Sie müssen verfremdet werden. Auch Namen und Orte muss die Zeitung schwärzen. Diese Seite im "Hamburger Abendblatt". Das Ergebnis der einstweiligen Verfügung: Schwarze Balken, wo eigentlich Namen und Fakten stehen sollten. Das alles hat ein Anwalt erwirkt im Auftrag der Betreuer der alten Dame. Karl Günther Barth, Chefredaktion "Hamburger Abendblatt": "Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, taucht eine Berliner Kanzlei - der berühmt-berüchtigte Medienanwalt Eisenberg - auf und lässt quasi per Berliner Gerichtsbeschluss die gesamte Berichterstattung verbieten."

    Rolle des Anwalts

    Das ist er: Johannes Eisenberg, Anwalt für Straf- und Medienrecht in Berlin. Er vertritt auch viele Prominente, nicht nur den ehemaligen Stasi-Chef Erich Mielke bei dessen Prozess. Auch Harald Juhnke zählte zu seinen Mandanten. Er erwirkt Gegendarstellungen in vielen Zeitungen quer durch die Republik. Sei es im Auftrag von Politikern, wie hier Jürgen Trittin, oder im Auftrag von Chefs und Managern privater Institutionen oder sogar auch für den Präsidenten der Europäischen Kommission. Nebenher ist er Kolumnist für die links-alternative Berliner "taz". Hier hat er seine Kanzlei: Berlin-Kreuzberg. Vor der Kamera äußern will er sich nicht, droht stattdessen in mehreren Briefen mit juristischen Konsequenzen, falls Zapp sich seinen Forderungen widersetzen sollte. Zitate aus diesen Briefen hat er ebenfalls verboten.

    Gegen das "Hamburger Abendblatt" wurde er bereits aktiv, erwirkte die einstweilige Verfügung: Schwarze Balken die Folge. Karl Günther Barth. "Eigentlich dürfen wir ja nicht mal aus den Verfügungen dieses Herrn Eisenberg zitieren, weil dann könnte er nämlich noch Urheberrecht geltend machen, denn seine Schriftstücke, die sozusagen in die Pressefreiheit eingreifen, die sind zwar in einem fürchterlichen Deutsch geschrieben, aber literarisch vom Urheberrecht hebt er das ungefähr in den Rang der 'Leiden des jungen Werther' als wenn’s von Goethe wäre. Das ist auch so eine absurde Nuance dieses Falles."

    Genauso absurd auch dieses Interview mit "einem" Bürgermeister. Wer und wo - das darf das "Abendblatt" nicht drucken. Es ist der Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Kummerfeld. Gegenüber Zapp betont er, beim Hausverkauf sei alles rechtens gewesen. Hanns-Jürgen Bohland, Bürgermeister Gemeinde Kummerfeld: "Man kann nicht von Gewinn sprechen. Ich bin ja als Bürgermeister auch verpflichtet aufzupassen, dass das gemeindliche Geld richtig angelegt wird. Und das ist dann, wenn ich ein Grundstückskauf tätige, ist es meine Aufgabe, zu versuchen, auch zu handeln."

    Tatsache ist: Das Grundstück ist begehrt, soll nach erfolgter Räumung neu bebaut werden. Kein schlechtes Geschäft und deshalb Anlass zu vielerlei Spekulationen. Per Flugblatt kämpfen die Politiker von Kummerfeld gegen die Gerüchte. Ihr Motto: Der Legendenbildung ein Ende bereiten. Gerüchte oder Fakten - genau darüber wollen auch die Reporter vom "Hamburger Abendblatt" berichten, doch sie dürfen nicht. Karl Günther Barth: "So was hab ich noch nicht erlebt. Ich bin 35 Jahre Journalist. Und ich habe nicht nur beim 'Hamburger Abendblatt' gearbeitet. Ich war fast 15 Jahre beim Stern und ich habe über große Affären berichtet."

    Mehr Rechte für Mündel

    In Kummerfeld herrscht bei vielen Empörung, warum die Zeitungen nicht über das Thema berichten dürfen, das alle interessiert. Ein Nachbar. "Die Pressefreiheit ist ein hohes. Gut. Ja, und ob das dieser Fall ist oder jener Fall oder sonst was. Es kann nicht passieren, dass man es jemandem verbietet."

    Thea Schädlich ist 67 Jahre alt. Niemals hätte sie gedacht, dass nur andere über sie und ihr Haus Auskunft geben dürfen. Prof. Bernd-Rüdeger Sonnen, Strafrechtler Universität Hamburg: "Wir müssen unser Verständnis gegenüber den Mündeln, also den betreuten Personen ändern. Sie sind und bleiben Träger von Grundrechten. Dazu gehört eben auch, dass sie sich äußern dürfen und auch äußern sollen, wenn ihnen subjektiv Unrecht geschieht. Das muss möglich sein."

    Thea Schädlich will weiterkämpfen, weiß aber auch, dass sie es ohne fremde Hilfe nicht schaffen wird. Derzeit fühlt sie sich einfach nur elend. Thea Schädlich: "Ich habe seitdem Magenprobleme und esse kaum noch Mittag. Ich esse morgens ein bisschen Apfelsine oder irgendwann mal Ananas jetzt, um frisch zu bleiben so. Aber richtig Mittagessen esse ich gar nicht mehr." Sie möchte, dass Journalisten darüber berichten, ihr Schicksal bekannt machen. Auch wenn Anwälte dies verhindern wollen, per einstweiliger Verfügung Redaktionen unter Druck setzen. Bernd-Rüdeger Sonnen: "Für die Medien ist es schon ein Problem, wenn sich eine betreute Person gleichsam gegen den Willen des Betreuers äußert. Ich sage, die Presse, die Medien sind für mich vierte Gewalt, haben von daher Kontrollfunktion. Und von daher, wenn es eine solche Äußerung gibt, würde ich diese auch senden. Und da dürfen sie mich gerne beim Wort nehme, ich würde dann auch entsprechend das vertreten, gegebenenfalls auch vor Gericht."

    Auch die Redakteure des "Hamburger Abendblatts" wollen kämpfen für eine freie Berichterstattung. Die Leser sind auf ihrer Seite. Karl Günther Barth. "Die Reaktion der Leser war überwältigend. Wir haben ungeheuer viele Briefe bekommen. Wir haben E-Mails bekommen, wir haben auch viele Anrufe bekommen. Wir haben an einem Tag extra eine Kollegin abstellen müssen, die die Anrufe aufgenommen hat, Sachverhalte notiert hat, Telefonnummern notiert hat, damit wir zurückrufen können. Denn eins zeigt sich offenbar an diesem Fall: In der Betreuerszene ist einiges faul."

    Mittlerweile interessieren sich viele Medien für den Hausverkauf von Kummerfeld, haben Fragen an die Beteiligten. Hoffentlich bekommen sie Antworten von Thea Schädlich und all den anderen und nicht nur Drohungen von Anwälten.

     

    Bitte senden Sie Ihre Kommentare an Rolf Schälike
    Dieser mein Web-Auftritt  wurde zuletzt aktualisiert am 09.04.06
    Impressum