Der Fall der alten Dame - Klageschrift gegen den Maulkorb
Pressefreiheit: Mit drei einstweiligen Verfügungen, einer
Gegendarstellung wird versucht, Berichte zu verhindern. Der
Rechtsanwalt Dr. Rolf Schultz-Süchting, der vom Hamburger Abendblatt
eingeschaltet wurde, begründet den Widerspruch der Zeitung gegen das
vom Landgericht Berlin verhängte Schreibverbot über den Fall einer
alten Frau, die in einer norddeutschen Gemeinde auf merkwürdige Weise
ihr Haus verlor. Das Abendblatt veröffentlicht die Einlassung seines
Anwalts beim Berliner Landgericht und beim Berliner Kammergericht, um
frei von journalistischen Effekten, in der kühlen objektiven Sprache
der Juristen seinen Lesern den Fortgang der Angelegenheit darzulegen.
An das
Landgericht
Zivilkammer 27
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlin
An das
Kammergericht
Senat für Pressesachen
Elßholz Str. 30-33
10781 Berlin
. . . nehmen wir für die Axel Springer AG wie folgt Stellung:
1. Frau ist eine Dame Ende 60, die Eigentümerin von zwei
Grundstücken ist, ein größeres mitten im Ort von über 7000 qm und ein
kleineres im Nachbarort . (Ferner hat sie auch noch ein
landwirtschaftliches Grundstück, welches aber nur einen relativ
unerheblichen Wert hat.)
Beide
Häuser auf diesen beiden Grundstücken sollen einigermaßen verwahrlost
aussehen, das Haus auf dem größeren Grundstück wohl aber noch mehr als
auf dem kleineren Grundstück. Frau hat darüber hinaus offensichtlich
einen Sammeltick und hat insbesondere das größere der beiden
Grundstücke in einer Weise "zugemüllt", die bei der Gemeinde , in der
dieses größere Grundstück in zentraler Lage liegt, Mißfallen erregt hat.
Im
Zusammenhang mit dem Bemühen der Gemeinde , für diese Grundstücke einen
Zustand herzustellen, der der Geschmacksvorstellung von "Otto
Normalverbraucher" entspricht, ist seitens der Gemeinde die Idee
aufgekommen, die Frau unter vormundschaftsgerichtliche Betreuung
stellen zu lassen. Außerdem hat die Stadt Ordnungsverfügungen erlassen,
womit Frau aufgefordert worden ist, ihre Grundstücke in Ordnung zu
bringen.
Im
Rahmen der Sachverständigen-Untersuchung durch einen Facharzt ist dann
ein Gutachten angefallen, welches dazu geführt hat, daß mit einer Frau
und einem Herrn Rechtsanwalt vom Amtsgericht als dem zuständigen
Vormundschaftsgericht eine Betreuerin und ein Ersatzbetreuer eingesetzt
worden sind.
Da
die Ordnungsverfügungen der Gemeinde für die Räumung des Grundstücks
(oder beider Grundstücke) einen nicht unerheblichen Aufwand erforderten
und dann auch noch eine Erbschaftsteuer-Forderung gegen Frau seitens
der Finanzverwaltung in der Größenordnung von zirka 40 000 Euro
anstand, haben die beiden Betreuer die Idee verfolgt, das größere der
beiden Grundstücke - also dasjenige in , nicht dasjenige in - zu
veräußern.
Ein
Verkehrswert-Sachverständiger hat dieses Grundstück daraufhin
eingeschätzt und dabei berücksichtigt, daß die Gemeinde keinen
Bebauungsplan für das Grundstück bzw. die Gegend des Grundstücks
erlassen hat, so daß also ein Käufer keineswegs gesichert wissen kann,
ob es sich bei dem Grundstück - und wenn ja, zu welchem Anteil der
insgesamt 7500 qm großen Fläche dieses Grundstückes - um Bauland oder
Bauerwartungsland oder vielmehr um nicht baulich nutzbare Wiese oder
sonstige Flächen handeln würde. Diese Unsicherheit im Planungsstand sei
- so hat der Sachverständige gesagt - natürlich wertmindernd.
Darüber
hinaus hat der Grundstücks-Sachverständige eine Wertminderung des
Grundstücks um 174 000 Euro vorgenommen, weil dieses der Betrag sei,
der von veranschlagt sei, um die beiden Grundstücke in einen
"ordnungsmäßigen" Zustand zu bringen. Es lagen zwar insoweit auch
andere - deutlich niedrigere - Einschätzungen dafür vor, was für die
Aufräumungsarbeiten aufzuwenden ist; aber die Gemeinde hatte in den
Ordnungsverfügungen gegenüber Frau angewiesen, daß "der Unrat" auf den
Grundstücken nur auf ihrer eigenen Müllkippe abgeladen werden dürfe, so
daß also die Gemeinde insoweit eine eigenständige "Monopol-Stellung"
für die Müll-Entsorgung begründet hatte, die es erlaubte, diesen Preis
mit 174 000 Euro einzuschätzen.
Im
Rahmen des Verkaufsbemühens der beiden Betreuer und für Frau für deren
größeres Grundstück hatte also die Gemeinde in zweifacher Hinsicht
einen "Trumpf" in der Hand:
Zum einen konnte sie nämlich selbst die Beseitigung des "Mülls"
in die Hand nehmen, den Preis diktieren, die Zeit der Mitarbeiter, die
dafür eingesetzt werden, sowie ihre preisliche Veranlagung für solche
Leute, die "sowieso" beschäftigt werden, der Höhe nach einstellen und
also durch vielfältige "Einstellschrauben" bei der Preisgestaltung für
die "Entmüllung" dafür Sorge tragen, daß schon ein erheblicher hoher
Betrag für die Müllbeseitigung auf den -Grundstücken in die
Gemeindekasse fließt. Und die Gemeinde konnte auch den Betrag für die
Müllbeseitigung von vornherein eigenständig einschätzen und er wurde in
so hoch festgesetzt, daß eine andere Reaktion als der Verkauf dieses
Grundstücks von den "Betreuern" schwerlich in Betracht gezogen werden
konnte, wenn diese keine Lust hatten, ihre Betreuer-Sorgfalt
wahrzunehmen und sich gegen diese Ordnungs-Verfügungen zu wehren.
Zum anderen war es der Gemeinde dann, wenn jemand anderes kauft
möglich, den Bebauungsplan so einstellen, daß keine vernünftige
Bebaubarkeit gewährleistet ist, oder sie konnte jedenfalls insoweit
dilatorisches Verhalten an den Tag legen; wenn sie dagegen selbst
kaufen würde, erscheint es ihr durchaus möglich, den Bebauungsplan
flugs so einzurichten, daß auf dem 7500 qm großen Grundstück in der
Mitte von ordentlich geschnittene Reihenhäuser oder sonstige
Einfamilienhäuser oder auch Wohnblöcke errichtet werden können, womit
der Preis für das - inzwischen dann ja auch auf Kosten der Frau
geräumte - Grundstück mächtig erhöht werden würde. Der Bürgermeister
hat daher im Interview mit dem Hamburger Abendblatt erklärt, er habe
nichts dagegen, wenn die Gemeinde mit dem Grundstück ein Geschäft
machen könnte.
Die
beiden Betreuer haben - obwohl insoweit auf der Hand liegt, daß die
Gemeinde hier offensichtlich in einem deutlich eigenen Interesse und
nicht zur Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung tätig ist -
gleichwohl das Grundstück an die Gemeinde , und zwar auch noch zu einem
Preis von 30 000 Euro unter dem von dem Sachverständigen schon viel zu
niedrig eingeschätzten Wert, verkauft.
Frau
wehrt sich - unter Zuhilfenahme eines Anwalts in dem
Betreuungsverfahren, in welchem sie sich gegen die Einsetzung dieser
Betreuer wehrt - gegen den Verkauf mit Händen und Füßen.
Zum
Beleg dieses hier geschilderten Sachverhaltes lege ich vor die
Beschlüsse des Amtsgerichts vom und März 2006 sowie vom März 2006 und
das Urteil des Landgerichts vom März 2006 als Anlagen 1-4.
Frau
hat sich schließlich an das Hamburger Abendblatt gewendet und um
Öffentlichmachung dieses offenkundigen Problems, welches eine
prototypische Darstellung eines schwierigen
Betreuer-Betreuten-Interessenkollisions-Verhältnisses ist, gebeten. Das
Hamburger Abendblatt hat darüber berichtet, und zwar unter anderem am
25. Februar und am 9. März 2006.
2. . . .
3. Die Antragsgegnerin Axel Springer AG macht keinen Hehl daraus,
daß sie die Entscheidung des Landgerichts Berlin im vorliegenden Fall
im Sinne einer strengen Pressezensur versteht; und in diesem Eindruck
wird die Axel Springer AG bestätigt durch den hier angefochtenen
weiteren Beschluß vom .3.2006 zum Aktenzeichen des Landgerichts, um den
es mir hier mit diesem Schriftsatz geht. Da sagt doch das Landgericht
allen Ernstes folgendes:
Es
handele sich trotz dieses in jeder Beziehung anonymisierenden und jeden
Namen und jede Ortsangabe schwärzenden Artikels um einen solchen, der
den Herrn in "identifizierbarer Weise" deutlich mache und über das
Betreuungsverhältnisses berichte. Folglich handele es sich auch bei
diesem Artikel um einen solchen, der unter den Tenor der einstweiligen
Verfügung falle (ein Verstoß gegen die einstweilige Verfügung ist er
allerdings deswegen nicht, weil zum Zeitpunkt dieses Artikels die
einstweilige Verfügung noch gar nicht zugestellt war). Denn - und das
ist nun die Begründung für diese gleichwohl angeblich bestehen
gebliebene "Identifizierbarkeit" trotz der ersichtlichen schwärzenden
Anonymisierung -: Es sei ja schon vorher im Hamburger Abendblatt
berichtet worden (nämlich am 25.2. und am 9.3.2006), und da sei sein
Name als Betreuername ja schon erschienen. Und deswegen sei jede
Fortsetzungs-Berichterstattung eine solche, die ihn "identifiziere".
Mit
anderen Worten: Das Landgericht ist offensichtlich der Auffassung, daß
die Axel Springer AG überhaupt nicht mehr über diesen Vorgang /Gemeinde
berichten darf, weil früher schon einmal - und inzwischen übrigens auch
vom Spiegel und vom NDR - über dieses Betreuungs-Verhältnis, und zwar
auch unter Nennung des Namens als Ersatz-Betreuer, berichtet worden ist
und dementsprechend jede Berichterstattung - die ja möglicherweise von
demjenigen Lesern, die auch schon die früheren Artikel gelesen haben,
mit jenen in Zusammenhang gebracht werden kann - als eine
"identifizierende" Berichterstattung erscheine.
Und
da jede Berichterstattung, die dieses Betreuungs- und
Grundstücks-Verkaufs-Rechtsverhältnis /Gemeinde aufgreift, eine solche
Berichterstattung ist, in der irgendwo auch Herr als "Betreuer"
vorkommt - bis Herr irgendwann diese Position aufgibt bzw. aus dieser
Position vom Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts herausgesetzt wird
-, ist also schlechterdings dem Hamburger Abendblatt verboten,
überhaupt zu berichten, und zwar völlig unabhängig von dem Inhalt der
Berichterstattung - so jedenfalls die absonderliche Auffassung des
Landgerichts Berlin.
Ob das Landgericht Berlin wohl schon mal was von Pressefreiheit gehört hat? Und von der Abwägung von Persönlichkeitsrechten?
Ich
weiß, daß diese Fragen vielleicht provokativ sind. Aber ich kann es
wirklich nicht verstehen, wie ein Pressegericht solche weiten Tenöre
mit solchen weiten Auswirkungen erlassen kann.
Die
Axel Springer AG dürfte offensichtlich dann auch nicht - so anscheinend
das Landgericht Berlin - darüber berichten, daß das
Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts inzwischen mit dem Beschluß vom
März 2006, siehe oben Anlage 3, entschieden hat, daß selbstverständlich
Frau darin frei sei, sich an die Öffentlichkeit zu wenden und das
Hamburger Abendblatt um Schützenhilfe gegen die
Grundstücks-Veräußerungen und gegen die Betreuer zu bitten (vergleiche
Seite 7 unten/8 oben). Das Vormundschaftsgericht habe etwas anderes
auch nie verfügen wollen, und insoweit sei seine frühere Verfügung, daß
Herr "den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber den Medien" habe,
offensichtlich missverstanden worden.
Mit
anderen Worten: Das Gericht sagt, Frau xxxxx solle sich an die Öffentlichkeit
wenden dürfen und das Hamburger Abendblatt um Schützenhilfe bitten
dürfen (die ja nur möglich ist dadurch, daß der Vorgang öffentlich
gemacht wird).
Aber
Herr xxxxx soll nach Auffassung der 27. Kammer des LG Berlin als Betreuer für
Frau xxxxx einerseits und sich selbst andererseits - also schon in
offensichtlicher Interessen-Kollision! - die Möglichkeit haben,
schlechterdings zu verhindern, daß über irgendwelche Änderungen oder
irgendwelche Neuigkeiten oder irgendwelche Bewertungen im Rahmen dieses
Betreuungsverhältnisses berichtet wird, weil das ja immerhin von dem
einen oder anderen Leser im Hinblick auf frühere Berichterstattungen
des Hamburger Abendblattes oder anderer Zeitungen mit Herrn xxxxx "in
identifizierbarer Weise" in Verbindung gebracht werden könne.
Abwegig!
Und
deswegen fühlt sich die Antragsgegnerin, obwohl sie mit diesem
Beschluss des Landgerichts Berlin ja vom Tenor her nicht belastet ist,
sehr wohl durch diese eigenartige Rechtsauffassung des Landgerichts
Berlin beschwert.
Dr. Rolf Schultz-Süchting
Nach Eingang dieses Schreibens gab das Berliner
Landgericht, das bisher nur Mitte Mai als früheste Möglichkeit für eine
Verhandlung über ein Ende des Schreibverbotes zugestanden hatte,
bekannt, daß es nunmehr die öffentliche Verhandlung auf Donnerstag
nächster Woche vorverlege.erschienen am 8. April 2006
____________________________________________________________________
Hamburger Abendblatt wehrt sich gegen Zensur
http://www3.ndr.de/ndrtv_pages_std/0,3147,OID2452324,00.htmlNDR Mittwoch,
29.03.2006, 23:00
Der Besitz einer alten Dame wird gegen ihren Willen
verkauft. Kein Einzelfall. Neu ist hingegen, dass eine Zeitung nicht darüber
berichten darf. Dem "Hamburger Abendblatt" ist es so ergangen, als es die
Geschichte einer 67-Jährigen im Kreis Pinneberg veröffentlichte. Ein Gericht
hatte der Frau zwei Betreuer zur Seite gestellt. Die Gemeinde kaufte ihr
Grundstück, aber weder der Bürgermeister noch die Betreuer wollen dazu Stellung
nehmen. Stattdessen wurde das "Hamburger Abendblatt" per Gerichtsbeschluss
genötigt, sämtliche Namen in seinem Artikel vom 24. März zu schwärzen.
Bemerkenswert ist, dass die Betreuer sich einen bekannten Medienanwalt in Berlin
genommen haben - ausgerechnet jenen, der in der "taz" für Pressefreiheit kämpft.
Zapp über die medialen Hintergründe einer menschlich bewegenden Geschichte.
Kummerfeld im Kreis Pinneberg. Ruhig und beschaulich ist es
in dem 2.000-Seelenort. Das Dorf vor den Toren Hamburgs wächst. Viele neue
Wohnungen entstehen. Doch für Aufregung sorgt derzeit ein altes Haus mitten im
Ort, direkt an der Hauptstraße. Besitzer ist seit drei Monaten die Gemeinde
selbst, obwohl es die Vorbesitzerin gar nicht verkaufen wollte. Und das ist sie
im Gespräch mit ihrem einstigen Nachbarn. Nachbarin: "Wo sind ihre Katzen denn
jetzt überhaupt?" Sie darf nicht mehr betreten, was ihr knapp 30 Jahre gehörte.
Das Haus, dazu ein Grundstück mit über 7.000 Quadratmetern. Das alles hat sie
verloren. Thea Schädlich: "Plötzlich kommt der Bürgermeister hier um die Ecke
und sagt zu mir: 'Frau Schädlich, das Grundstück gehört Ihnen nicht mehr. Das
gehört ab sofort mir. Das dürfen Sie nicht mehr betreten. Ab sofort. Ab sofort
alles zurücklassen.'"
Chronik des Skandals
Durch den Hausverkauf sollten Steuerschulden beglichen
werden. Das hatte nicht Thea Schädlich entschieden, sondern ihre Betreuer. Denn
per Gerichtsbeschluss sind seit zwei Jahren Betreuer für ihre finanziellen
Angelegenheiten zuständig. Die "Pinneberger Zeitung" fing an zu recherchieren.
Der erzwungene Hausverkauf wurde zum großen Thema. Die Journalisten stellten
auch die Frage, die viele in Kummerfeld bewegt: "Bereichert sich ein Dorf auf
ihre Kosten?" ("Pinneberger Zeitung", 16.02.2006) Gute Frage, aber keine
Antwort. Ihr Betreuer erwirkte vor Gericht einen gerichtlichen Maulkorb für Thea
Schädlich. Für die Lokalpresse war damit klar: Die Berichterstattung soll
untersagt werden. Auch der von ihr beauftragte Anwalt durfte plötzlich nichts
mehr sagen. Eine Mauer des Schweigens auch hier beim zuständigen Amtsgericht in
Pinneberg. Keine Stellungnahme. Auch der vom Gericht eingesetzte Betreuer will
nicht mit der Presse reden, möchte auch nicht zitiert werden.
Per einstweiliger Verfügung wird dem "Abendblatt" untersagt,
Fotos von Thea Schädlich zu zeigen. Sie müssen verfremdet werden. Auch Namen und
Orte muss die Zeitung schwärzen. Diese Seite im "Hamburger Abendblatt". Das
Ergebnis der einstweiligen Verfügung: Schwarze Balken, wo eigentlich Namen und
Fakten stehen sollten. Das alles hat ein Anwalt erwirkt im Auftrag der Betreuer
der alten Dame. Karl Günther Barth, Chefredaktion "Hamburger Abendblatt":
"Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, taucht eine Berliner Kanzlei - der
berühmt-berüchtigte Medienanwalt Eisenberg - auf und lässt quasi per Berliner
Gerichtsbeschluss die gesamte Berichterstattung verbieten."
Rolle des Anwalts
Das ist er: Johannes Eisenberg, Anwalt für Straf- und
Medienrecht in Berlin. Er vertritt auch viele Prominente, nicht nur den
ehemaligen Stasi-Chef Erich Mielke bei dessen Prozess. Auch Harald Juhnke zählte
zu seinen Mandanten. Er erwirkt Gegendarstellungen in vielen Zeitungen quer
durch die Republik. Sei es im Auftrag von Politikern, wie hier Jürgen Trittin,
oder im Auftrag von Chefs und Managern privater Institutionen oder sogar auch
für den Präsidenten der Europäischen Kommission. Nebenher ist er Kolumnist für
die links-alternative Berliner "taz". Hier hat er seine Kanzlei:
Berlin-Kreuzberg. Vor der Kamera äußern will er sich nicht, droht stattdessen in
mehreren Briefen mit juristischen Konsequenzen, falls Zapp sich seinen
Forderungen widersetzen sollte. Zitate aus diesen Briefen hat er ebenfalls
verboten.
Gegen das "Hamburger Abendblatt" wurde er bereits aktiv,
erwirkte die einstweilige Verfügung: Schwarze Balken die Folge. Karl Günther
Barth. "Eigentlich dürfen wir ja nicht mal aus den Verfügungen dieses Herrn
Eisenberg zitieren, weil dann könnte er nämlich noch Urheberrecht geltend
machen, denn seine Schriftstücke, die sozusagen in die Pressefreiheit
eingreifen, die sind zwar in einem fürchterlichen Deutsch geschrieben, aber
literarisch vom Urheberrecht hebt er das ungefähr in den Rang der 'Leiden des
jungen Werther' als wenn’s von Goethe wäre. Das ist auch so eine absurde Nuance
dieses Falles."
Genauso absurd auch dieses Interview mit "einem"
Bürgermeister. Wer und wo - das darf das "Abendblatt" nicht drucken. Es ist der
Bürgermeister der betroffenen Gemeinde Kummerfeld. Gegenüber Zapp betont er,
beim Hausverkauf sei alles rechtens gewesen. Hanns-Jürgen Bohland, Bürgermeister
Gemeinde Kummerfeld: "Man kann nicht von Gewinn sprechen. Ich bin ja als
Bürgermeister auch verpflichtet aufzupassen, dass das gemeindliche Geld richtig
angelegt wird. Und das ist dann, wenn ich ein Grundstückskauf tätige, ist es
meine Aufgabe, zu versuchen, auch zu handeln."
Tatsache ist: Das Grundstück ist begehrt, soll nach
erfolgter Räumung neu bebaut werden. Kein schlechtes Geschäft und deshalb Anlass
zu vielerlei Spekulationen. Per Flugblatt kämpfen die Politiker von Kummerfeld
gegen die Gerüchte. Ihr Motto: Der Legendenbildung ein Ende bereiten. Gerüchte
oder Fakten - genau darüber wollen auch die Reporter vom "Hamburger Abendblatt"
berichten, doch sie dürfen nicht. Karl Günther Barth: "So was hab ich noch nicht
erlebt. Ich bin 35 Jahre Journalist. Und ich habe nicht nur beim 'Hamburger
Abendblatt' gearbeitet. Ich war fast 15 Jahre beim Stern und ich habe über große
Affären berichtet."
Mehr Rechte für Mündel
In Kummerfeld herrscht bei vielen Empörung, warum die
Zeitungen nicht über das Thema berichten dürfen, das alle interessiert. Ein
Nachbar. "Die Pressefreiheit ist ein hohes. Gut. Ja, und ob das dieser Fall ist
oder jener Fall oder sonst was. Es kann nicht passieren, dass man es jemandem
verbietet."
Thea Schädlich ist 67 Jahre alt. Niemals hätte sie gedacht,
dass nur andere über sie und ihr Haus Auskunft geben dürfen. Prof. Bernd-Rüdeger
Sonnen, Strafrechtler Universität Hamburg: "Wir müssen unser Verständnis
gegenüber den Mündeln, also den betreuten Personen ändern. Sie sind und bleiben
Träger von Grundrechten. Dazu gehört eben auch, dass sie sich äußern dürfen und
auch äußern sollen, wenn ihnen subjektiv Unrecht geschieht. Das muss möglich
sein."
Thea Schädlich will weiterkämpfen, weiß aber auch, dass sie
es ohne fremde Hilfe nicht schaffen wird. Derzeit fühlt sie sich einfach nur
elend. Thea Schädlich: "Ich habe seitdem Magenprobleme und esse kaum noch
Mittag. Ich esse morgens ein bisschen Apfelsine oder irgendwann mal Ananas
jetzt, um frisch zu bleiben so. Aber richtig Mittagessen esse ich gar nicht
mehr." Sie möchte, dass Journalisten darüber berichten, ihr Schicksal bekannt
machen. Auch wenn Anwälte dies verhindern wollen, per einstweiliger Verfügung
Redaktionen unter Druck setzen. Bernd-Rüdeger Sonnen: "Für die Medien ist es
schon ein Problem, wenn sich eine betreute Person gleichsam gegen den Willen des
Betreuers äußert. Ich sage, die Presse, die Medien sind für mich vierte Gewalt,
haben von daher Kontrollfunktion. Und von daher, wenn es eine solche Äußerung
gibt, würde ich diese auch senden. Und da dürfen sie mich gerne beim Wort nehme,
ich würde dann auch entsprechend das vertreten, gegebenenfalls auch vor
Gericht."
Auch die Redakteure des "Hamburger Abendblatts" wollen
kämpfen für eine freie Berichterstattung. Die Leser sind auf ihrer Seite. Karl
Günther Barth. "Die Reaktion der Leser war überwältigend. Wir haben ungeheuer
viele Briefe bekommen. Wir haben E-Mails bekommen, wir haben auch viele Anrufe
bekommen. Wir haben an einem Tag extra eine Kollegin abstellen müssen, die die
Anrufe aufgenommen hat, Sachverhalte notiert hat, Telefonnummern notiert hat,
damit wir zurückrufen können. Denn eins zeigt sich offenbar an diesem Fall: In
der Betreuerszene ist einiges faul."
Mittlerweile interessieren sich viele Medien für den
Hausverkauf von Kummerfeld, haben Fragen an die Beteiligten. Hoffentlich
bekommen sie Antworten von Thea Schädlich und all den anderen und nicht nur
Drohungen von Anwälten.
|