Bericht
Zensurkammer LG Hamburg (ZK 24)
Freitag, 08. Februar 2008
Freitag, 06. Juni 2008
Rolf Schälike - 11.06.08
Gewidmet
der Freiheit des Interviews
Auch für diesen Bericht gilt ,
wie für alle
anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht
unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach den
strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was
hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft
verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen.
Möchte für mangelnde Kenntnis der Grammatik und Syntax nicht noch ein
weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht
lediglich auf meine während der Verhandlung geführten handschriftlichen
Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen
stehen, als Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann
ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter
werden sich an nichts erinnern - sie haben Besseres zu tun. Was
merkwürdig erscheint, muss von
Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden.
Eine Meinung habe ich nicht.
Es handelt sich um Verschwörungstheorien.
Helmut
Markwort vs. Saarbrücker Zeitung Druckerei
▲
08.02.08: In der Sache
324 O 998/07 Helmut Markwort vs.
Saarbrücker Zeitung Druckerei
klagte der Chefredakteur des Focus
gegen eine Lokalzeitung, in der Herr Willemsen dem Journalisten Olaf
Neumann eine
Interview gab.
Der Vorsitzende Richter Andreas Buske: Der
Klägervertreter übergibt den Schriftsatz vom 07.02.08 an Gericht und
Gegner. Was ist wahr an der Äußerung, dass Markwort das Interview vor
zwei Jahren geführt hat?
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Dass es in der Bunten
erschienen ist, Focus hätte das Interview aufgekauft. Zwei Jahre zuvor
wäre es in der Bunten.
Der Vorsitzende: Zwei Jahre zuvor in der Bunten
erschienen?
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Nein. Da hört der Spaß
auf.
Der Vorsitzende: Vorwurf der Lüge.
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Der Vorwurf der Lüge
wiegt schwer.
Der Vorsitzende: Das Interview mit Ernst Jünger war
in der Tat zwei Jahre vorher [1991] in der Bunten veröffentlich. Dies
war dem Focus [1993] nicht bekannt. [Das Jünger-Interview, das "Focus"
im September 1993 brachte, war in Teilen tatsächlich schon 1991 in
"Bunte" erschienen. Geführt hatte es allerdings nicht Markwort, der dies
auch nie behauptet hat, sondern "Bunte"-Autor Axel
Thorer. Mitarbeiter des Focus]. Mir
war nicht klar, dass beides falsch ist. Dann die schöne Frage der
Verbreiterhaftung. Wir haben das schöne Urteil des OLG München. Wir
haben nach der Vorberatung unser OLG-Urteil genutzt. Auch 324 O 751/06.
Zitat ... . MLP Geschäftsbericht ... und Schröder ... Generalsekretär.
Ist alles anwendbar. Wurden auch zitiert. Früher war das der klassische
Fall der Verbreiterhaftung. Bei Soehring steht, es muss mit
hinreichender Distanzierung erfolgen. Ob man das so das so streitig
sehen sollte, werden wir stehen lassen. Wenn sie sich distanziert hätten
vom interviewten.... .
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Es geht nicht
der Interview-Vorwurf der Lüge. Dann hätte man prüfen sollen, ob die
beiden Interviews in der Bunten und im Focus identisch sind. Auch
Willemsen hat sich ... . Außerdem kommt es nicht darauf an. Sie sind in
der Verbreiterhaftung.
Beklagtenanwalt Herr Kurt Braun: ... Wenn Herr
Willemsen sagt, wir haben recherchiert, dann kann Herr Olaf
Neuman, der das
Interview geführt hat, davon ausgehen, dass es
stimmt. Es ist auch nicht so ganz unwahr.
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Doch.
Beklagtenanwalt Herr Kurt Braun: Es gab keinen Grund
nachzurecherchieren. Wenn alles im Interview nachrecherchiert werden
muss, dann [kann kein Interview mehr geführt werden].
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Nicht alles. Aber bei
schweren Straftaten.
Beklagtenanwalt Herr Kurt Braun: Es ist kein Vorwurf
einer schweren Straftat.
Der Vorsitzende: Aber man hätte Markwort fragen
können.
Beklagtenanwalt Herr Kurt Braun: Es... konkreter
Anhaltspunkt, ... Leserbriefe, Anzeugen. Der BGH sagt, Anhaltspunkt zu
Nachfragen ist nur, wenn ... .
Markwort-Anwalt Herr Herrmann: Sagen Sie das den
Forenbetreibern, die jetzt massenhaft abgemahnt werden. Die werden sich
freuen.
Der Vorsitzende: Die Sach- und Rechtslage wurde
ausführlich und umfassend erörtert. Termin zur Verkündung einer
Entscheidung wird anberaumt auf Freitag, den 29.02.08, 90:55 in diesem
Saal. Wir müssen mal diesen Tag nutzen.
Markwort-Burda-Anwalt Herr Herrmann: Ich habe eine
Frage. Burda hat ein paar ganz dicke Sachen wegen Schweden. Sonst wird
das mit den acht Wochen nichts. Wir haben eine Unterlassungserklärung
abgegeben. Sie brauchen sich nicht mit den Unterlassungen zu
beschäftigen, sondern nur mit den 91a.
Richter Dr. Korte: Ein Verfahren?
Markwort-Burda-Anwalt Herr Herrmann: Haben
dreihundert ausgespuckt.
29.02.08:
Die Beklagte wird verurteilt, eine
Äußerung nicht erneuert zu veröffentlichen. Die Beklagte hat die Kosten
des Verfahrens zu tragen. Urteil
324 O 998/07
Leitsätze [RS]:
1. Interviews können immer verboten werden, falls keine
Nachrecherchen erfolgten.
2. Erfolgten Nachrecherchen, so können die Interviews
trotzdem verboten werden, denn auch Recherchen enthalten Fehler.
3. Distanziert man sich von den Aussagen eines
Interviews, so muss die Distanzierung glaubwürdig sein. Am Besten alles
vorab schwärzen.
RS [Kommentar]: Dieses Urteil hatte
Folgen in der
Presse:
-
Spiegel - 08.05.2008, Andrian Schmpf "Das Ende des Interviews"
-
Welt - 25.085.08, khr "Gefährdet Markwort das klassische
Interview"
Markus Kompa,
02.06.2008
Sicherheitshalber distanziert sich der
Heise-Verlag vom Inhalt dieses Interviews. Hilfsweise wird bestritten,
dass es überhaupt stattgefunden hat. Vermutlich ist es frei erfunden
Der Vorsitzende Richter der Pressekammer
am Landgericht Hamburg, Andreas Buske, gibt niemals Interviews, sondern
zieht es vor, durch seine Urteile zu sprechen. Nun steht ein
Urteil
über Interviews in der Kritik. Telepolis-Interview mit dem Mann, der
keine Interviews gibt
Euer Ehren, Ihre
bekannte
Pressekammer hat kürzlich geurteilt, dass eine Zeitung, die ein
Interview abdruckt, für den dessen Inhalt haftet. Im konkreten Fall
hatte Roger Willemsen in einem Interview über Helmut Markwort irrtümlich
eine falsche Tatsachenbehauptung aufgestellt.
Buske:
Das ist richtig. Die grundgesetzlich garantierte Meinungs- und
Pressefreiheit endet dort, wo Rechte Dritter verletzt werden, in diesem
Fall das Persönlichkeitsrecht des Herrn Markwort. Unzutreffende, d. h.
nicht bewiesene Tatsachenbehauptungen sind nicht von der Pressefreiheit
geschützt.
Nun hatte ja in dem Fall nicht etwa ein Redakteur der betroffenen
Zeitung eine eigene falsche Aussage getätigt, vielmehr hat die Zeitung
unwissentlich nur einen Irrtum des Herrn Willemsen als dessen Äußerung
transportiert. Außerdem hatte Willemsen doch nur eine Meinung über
Tatsachen geäußert, und das Blatt hat sich gar nicht dazu eingelassen,
ob es diese Meinung teilt.
Buske:
Es gibt Meinungsäußerungen mit einem Tatsachenhintergrund. Wenn
letzterer nicht zutrifft, kann man sich nicht auf die Meinungsfreiheit
berufen. Die Zeitung ist ein so genannter "intellektueller Verbreiter"
dieser Falschmeldung. Es kommt nach unserer Auffassung nicht darauf an,
ob sich eine Zeitung die Äußerung zu eigen macht, es reicht, wenn sie
verbreitet wird. Der Verbreiter trägt die Beweislast dafür, dass die
geäußerte Behauptung zutreffend ist.
Bild: Lurusa Gross. Lizenz:
Piratenlizenz
Folgt aus Ihrer Entscheidung,
dass
künftig jedes Interview gegenrecherchiert werden muss?
Buske:
Ja. Alternativ kann sich ein Journalist bzw. sein Verlag auch von
der konkreten Äußerung distanzieren, andernfalls haftet das Blatt für
die fremde Äußerung als intellektueller Verbreiter.
Wie genau muss diese Distanzierung denn aussehen?
Buske:
Das kann ich Ihnen nicht sagen. Da müssen Sie Ihren Anwalt
fragen. Wir entscheiden dann lediglich, ob die Distanzierung uns als
Vertreter des durchschnittlichen Leser überzeugt hat.
Dies würde aber in der Praxis doch voraussetzen, dass ein Journalist
eine unzutreffende Äußerung als problematisch erkennen kann – ein
Kriterium, welches das
Oberlandesgericht
München aufgestellt hatte, und in live-gesendeten Interviews kann
man ja gar nicht wissen, was der andere sagen wird.
Buske:
Wir sind aber hier in Hamburg. Wir haben hier so
unsere
eigenen Bräuche. Wir erwarten von den Journalisten bessere
Recherchen und von den Redaktionen mehr Kontrolle und Verantwortung.
Ein Interview besteht aus etlichen, oft nebensächlich wirkenden
Tatsachenbehauptungen, und jedem Leser ist doch klar, dass die Ansicht
des Interviewpartners gedruckt wird, nicht die einer Redaktion.
Buske:
Den Interviewpartner kann der Verletzte ja zusätzlich in Anspruch
auf Unterlassung nehmen. Wenn die Presse ungeprüft fremde Inhalte
übernimmt, und sei es auch in Anführungszeichen, muss sie mit den Folgen
leben. Sie den durch die Äußerung Betroffenen ja vorher fragen kann oder
sich von der konkreten Äußerung distanzieren.
Werden durch diese Obliegenheit einer Distanzierung denn nicht die
Pflichten der Presse überspannt? Wenn sich eine Zeitung von jedem
einzelnen Satz distanzieren muss, den sie nicht überprüft hat, - und
welche Zeitung kann das in Zeiten ausgedünnter Redaktionen schon? - dann
werden Interviews künftig ganz anders aussehen, nämlich von lauter
Distanzierungen zerfasert sein.
Buske:
Nicht mein Problem. Ich bin zuständig dafür, dass
Persönlichkeitsrechte gewahrt werden.
Aber werden denn Persönlichkeitsrechte wirklich geschützt, wenn man sich
zwar von einer Äußerung formal distanziert, sie aber - mit welcher
Gesinnung auch immer – dennoch verbreitet?
Buske:
Die Distanzierung ist eine Unterwerfungsgeste, und die Behauptung
wird entschärft. Die Distanzierung muss uns allerdings überzeugen. Das
ist nicht leicht, und auch nicht immer möglich.
Wann wäre eine Distanzierung unmöglich?
Buske:
Auch die besten und ernst gemeintesten Distanzierungen reichen
nicht aus, wenn z.B. behauptet wird, der Politiker X habe gelogen, ohne,
dass es dafür einen juristisch tragfähigen Tatsachenhintergrund gibt.
Wie kann man eigentlich erkennen, ob eine Äußerung gegen
Persönlichkeitsrechte verstößt? An sich geschützte Meinungsäußerungen
können etwa leicht in unzulässige Tatsachenbehauptungen umgedeutet
werden.
Nach
gegenwärtiger Rechtsprechung ist das doch selbst für Experten faktisch
unmöglich, die Meinung der Rechtsprechung vorher zu sagen.
Buske:
Nicht bei uns. Wir verbieten praktisch immer.
Alle weiteren Bilder: Copyleft by Lurusa Gross
Bei Ihnen ist es
fast
unmöglich, nicht gegen irgendein Persönlichkeitsrecht zu verstoßen.
Buske:
Wer die Hitze nicht verträgt, soll halt die Küche meiden.
Seit dem Stolpe-Urteil
lassen
es die Gerichte bereits für ein Verbot ausreichen, dass eine mögliche
Interpretation einer Äußerung ein Persönlichkeitsrecht verletzen könnte.
Müsste man nun bei jeder irgendwie auslegungsfähigen Äußerung eines
Interviewpartners einen distanzierenden Kommentar setzen?
Buske:
Wenn man dafür nicht haften will ...
Manche als Meinung geäußerte Einschätzung
wird
von Ihnen als Tatsachenbehauptung interpretiert - mit der Folge,
dass vor Gericht der Äußernde die Beweislast für die Wahrheit trägt. So
darf man inzwischen nicht mehr öffentlich bezweifeln, dass ein
Aufsichtsrat aus freien Schritten zurückgetreten ist.
Buske:
Das ist eine Frage der Formulierung. Spekulationen sind kein
Journalismus. Wir werden das auch bald den Wissenschaftlern verbieten.
Die Künstler haben wir ebenfalls im Visier.
Oft hat man jedoch mit Gegnern zu tun, die ihre
Geheimnisse
professionell hüten und Desinformation lancieren, etwa
Geheimdienste
und
Industrie.
Wer über solche Themen tagesaktuell schreibt, ist zwangsläufig auf
Vermutungen angewiesen.
Buske:
Dann muss er so formulieren, dass eine Deutung als
Tatsachenbehauptung ausgeschlossen ist, und er muss gewichtige Tatsachen
beweisen können, die einen Verdacht rechtfertigen. Reicht aber nicht
immer aus. Am besten lässt man die Finger davon.
Die Anforderungen an diese so genannten
"Anknüpfungstatsachen"
für eine belastende Meinungsäußerung sind praktisch genauso hoch wie die
für das Aufstellen einer Tatsachenbehauptung.
Buske:
Na und?
Naja, ich dachte, wir hätten eine grundgesetzlich geschützte
Meinungsäußerungsfreiheit ...
Buske:
Aber Sie wissen doch, dass diese Rechte laut Artikel 5 Absatz 2
des Grundgesetzes ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen
Gesetze finden, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und
in dem Recht der persönlichen Ehre. Auch juristische Personen haben eine
Ehre, die von der Rechtsordnung verteidigt werden muss.
Ihre strenge Rechtsprechung zur professionellen Presse wenden Sie 1:1
auch auf Amateure an, etwa bei Äußerungen in Internetforen, die Sie als
Massenmedien bezeichnen. So hätte man Willemsens Irrtum bereits dann
verbreitet, wenn man unkommentiert einen Link auf das Interview gesetzt
hätte. Vor genau 10 Jahren hatte das Landgericht Hamburg die
berühmte
Entscheidung zur Haftung für Links getroffen. Warum gibt es in
Deutschland noch immer Websites mit Links?
Buske: Das ist mir,
ehrlich gesagt, völlig unverständlich. Einen Link zu setzen ist
unverantwortlich, da man über fremde Websites keine Kontrolle hat und
diese sich ja nachträglich beliebig ändern könnten. Man kann ja
inzwischen schon haften, wenn man eine legitime Website im falschen
Zusammenhang verlinkt. Ich würde nie eine Website mit Links betreiben.
Und
vermutlich erst recht kein Internetforum ...
Buske:
Auf gar keinen Fall. Wollen Sie etwa die Verantwortung dafür
übernehmen, dass Ihnen jemand
ein
Ei legt?
Laut Ihrer Rechtsprechung reicht es schon aus, wenn nach Ansicht des
Gerichts nur ein "Eindruck" erweckt wird, der zu einer
Persönlichkeitsverletzung führt. Man muss also noch nicht einmal
tatsächlich etwas Falsches sagen, um von Ihnen einen Maulkorb zu
erhalten.
Buske:
Seien Sie vorsichtig! Ihre bildliche Äußerung über einen Maulkorb
könnte man wörtlich verstehen. Nach der Stolpe-Entscheidung kann ich
Ihnen diese Äußerung verbieten. Aber mir fällt dazu eine lustige
Geschichte ein: Letztes Jahr hat jemand im Internet darüber berichtet,
dass er einem Staatsanwalt (auf dessen Anfrage) eine dubiose
eidesstattliche Versicherung aus einem Gerichtsverfahren hier bei uns
übersandt hatte, die zu seinen Lasten eingesetzt worden war. Er schrieb
weiter, er überlasse die Bewertung dem Staatsanwalt. Der gegnerische
Anwalt hat diese Meldung als "Behaupten einer gestellten Strafanzeige"
interpretiert und abgemahnt. Daraufhin hat der Abgemahnte tatsächlich
eine Strafanzeige erstattet. Wir haben ihm dann verboten, den Eindruck
zu erwecken, dass er eine Strafanzeige gestellt hätte, obwohl er
inzwischen ja wirklich eine gestellt hatte! Nach unserer Auffassung
bestand Wiederholungsgefahr der ursprünglich falschen Äußerung, obwohl
die inzwischen wahr geworden war, hihi ...!
Kann ich jetzt nicht ganz folgen. Zurück zum Interview: Wie sieht es
denn aus mit Interviewpartnern, die von Berufs wegen lügen, wie etwa
Politiker?
Müsste man da nicht von einem generellen Konsens ausgehen, dass sich
jeder vernünftige Journalist bei solchen Berufsgruppen automatisch vom
Inhalt distanziert, ohne dass das ausdrücklich erwähnt werden müsste?
Buske:
Nein. Es soll ja auch ehrliche Politiker geben.
Hier
in Hamburg?
Buske:
Theoretisch.
Aber wie ist es denn mit so genannten "privilegierten Quellen"? So
dürfen sich Zeitungen auf Agenturmeldungen von DPA usw. verlassen und
diese ungeprüft abdrucken.
Buske:
Sollen wir das auch kippen?
Äh, ich will nichts gesagt haben!
Buske:
Vorsicht mit diesen "privilegierten Quellen"! Folgt einer solchen
Meldung eine Richtigstellung, dann darf die Meldung nicht mehr
verbreitet werden, und alle, welche diese schon veröffentlicht haben,
müssen die Korrektur auch veröffentlichen.
Künftig wird man kaum noch ein Interview führen können, weil die hiermit
verbundene Nachrecherche einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt.
Insbesondere stehen Journalisten im Gegensatz zum Gericht, das Zeugen
laden und zur Aussage zwingen kann etc., nur eingeschränkte
Erkenntnismöglichkeiten zur Verfügung.
Buske:
Falsch ist falsch. Juristisch einwandfreie
Verdachtsberichterstattung ist nur was für Presserechtsprofis, und auch
die schaffen es selten genug. Wir finden immer eine als unklar
auszulegenden Formulierung und somit immer ein Persönlichkeitsrecht, das
hierdurch verletzt wird.
Zur
Not spalten wir Haare!
Bei Ihnen genießen nicht nur natürliche Personen, sondern auch Firmen
Persönlichkeitsrechte. Ist dieses ominöse
"Unternehmenspersönlichkeitsrecht",
von dem niemand so genau weiß, wo es anfängt, und wo es aufhört,
wirklich im Sinne des Erfinders?
Buske:
Mindestens einer weiß ganz genau, wo
es anfängt, und wo es aufhört ...
Ich finde weder im Grundgesetz, noch in anderen Gesetzen irgendwo etwas
über ein Unternehmenspersönlichkeitsrecht. Insbesondere über keines, das
automatisch wertvoller ist, als das in Artikel 5 Grundgesetz geschützte
Recht auf freie Meinungsäußerung.
Buske:
Sie müssen nur lange genug suchen ...
Muss denn nicht ein betroffenes Persönlichkeitsrecht mit dem ebenfalls
grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung und den
Belangen des Presse abgewogen werden?
Buske:
Eine solche Abwägung machen wir in Hamburg nie. Wir verbieten
grundsätzlich immer. Abwägungen könnten die Rechtssicherheit gefährden.
Mit so etwas sollen sich mal
die
in Karlsruhe rumschlagen.
Ihre Kammer und andere werden dafür kritisiert, dass an private
Websites, Forenbeiträge und ähnliches die gleichen Maßstäbe angelegt
werden, wie bei der professionellen Presse. Dies gilt neben der rein
rechtlichen Problematik auch für die regelmäßig hoch angesetzten
Streitwerte (für jeden einzelne Beleidigung mindestens 5.000 ,- Euro),
die sich allenfalls große Verlage leisten können, nicht aber
Privatleute.
Buske:
Aber das ist doch gerade Sinn der Sache! Es geht darum, die
Kontrolle über die öffentliche Meinung wieder den Gatekeepern, also den
Redaktionen finanzstarker Verlage und Medienhäuser, zurückzugeben. Die
können Journalismus ohnehin besser. Dieser ganze
Web2.0-Quatsch
der Amateure ist doch ein einziger Pfusch!
Durch den Rückgewinn des bis vor dem Internetzeitalter bestehenden
Meinungsoligopols der etablierten Medienhäuser besteht jedoch die Gefahr
von aufeinander bezogenen
PR-Kartellen.
In Zeiten ausgedünnter Redaktionen, Gleichklang durch Abdruck von
Agenturmeldungen und angesichts der Symbiose von Journalisten mit
Politikern und Industrie wird durch diesen Rückschritt doch wieder die
Macht
der Lobby zementiert.
Buske:
Aber genau das ist doch unser Ziel! Sehen Sie: Durch
Industriekritik wird der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.
Durch politische Kritik werden Regierungen am effizienten Regieren
gehindert und die internationale Bündnisfähigkeit riskiert. Zur
Meinungsfreiheit hat Paul Sethe mal einen sehr schönen Satz gesagt:
"Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu
verbreiten." Es ist nicht meine Aufgabe, das zu ändern.
Haben Sie dieses Zitat
überprüft?.
Wenn wir es in unserem Interview bringen, würden wir es intellektuell
verbreiten und ggf. haften.
Buske:
Das wäre dann Ihr Problem. Falls es nicht stimmt, werde ich es
Ihrem Verlag auf Antrag von Herrn Sethes Angehörigen verbieten.
Danke sehr! Zurück zur Übertragung des Presserechts auf das Internet und
damit auf Ottonormalverbraucher: Widerspricht diese unrelativiert
drakonische Rechtspraxis nicht der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts, das fordert,
dass
die kommunikativen Freiheiten nie soweit ausgedünnt werden dürfen, dass
die Bereitschaft zur Meinungsäußerung eingeschnürt wird?
Buske:
Völlig weltfremd. Da sollen sich die in Karlsruhe drum kümmern,
die immer so prosaisch formulieren. Bevor man beim
Bundesverfassungsgericht anklopfen darf, muss man zunächst einmal den
Rechtsweg erschöpfen – den Hamburger Rechtsweg.
Für den einzelnen Privatmann wird öffentliche Kommunikation langsam zum
unkalkulierbaren Risiko. Die Meinungsäußerungsfreiheit aus Artikel 5
Grundgesetz ist nunmehr praktisch unterhöhlt und wird mit solch
eigenartigen Konstrukten wie dem angeblichen
"Unternehmenspersönlichkeitsrecht" ausgehebelt.
Buske:
Sie beginnen, zu begreifen. Das Internet, so wie Sie es heute
kennen, ist ohnehin nur eine temporäre Fehlentwicklung. In maximal fünf
Jahren wird es dieses Chaos dank unserer Rechtsprechung gar nicht mehr
geben. Internetforen, Weblogs und unerwünschte Websites mit solchen
Gefahrenquellen wie Hyperlinks werden der Vergangenheit angehören. Es
wird wieder so herrlich sein wie früher, als für Information Rundfunk
und Presse zuständig waren. Wir werden dafür sorgen, dass interaktive
Informationsnetze im öffentlichen Raum beseitigt werden und dieses
bedauerlicherweise nun einmal etablierte Internet zur
Verbreitungsplattform etablierter Informationsanbieter umfunktioniert
werden wird. E-Mails werden wir aber noch länger dulden müssen –
Rundmails
verbieten wir schon heute.
Wäre es nicht praktischer, ein
Wahrheitsministerium
einzuführen, dass verbindlich festlegt, was wahr ist und was gesagt
werden darf?
Buske:
Das wäre mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Daher muss diese
Aufgabe die Rechtsprechung erledigen, und sie tut es sehr engagiert.
Manche deutschen Websites versuchen, Ihre Rechtsprechung durch Flucht
ins Ausland zu umgehen. So sind etwa einige Weblogs in Länder wie etwa
die USA emigriert, in denen Meinungsfreiheit weniger beschnitten wird
und agieren von dort aus anonym als Piratensender.
Buske:
Ja, das ist ein Problem, das langfristig von den Zugangsprovidern
gelöst werden muss. Aber die nimmt man ja gelegentlich ebenfalls in die
Haftung. Mann kann ja an dieser Stelle ansetzen und den Zugang zu
problematischen IPs
sperren
Eine letzte Frage: Wie ist das eigentlich mit
erfundenen
Interviews?
Buske:
So was zu verbreiten wäre eine erhebliche Verletzung des
Persönlichkeitsrechts und wäre daher rechtswidrig.
Es sei denn, ich distanziere mich davon oder mache es als Satire
kenntlich?
Buske:
Dazu würde ich Ihnen dringend raten. Zu Satire weniger,
wir
verstehen nämlich keinen Spaß.
In diesem Fall distanziere ich mich von diesem Interview und bestreite,
es jemals geführt zu haben.
Buske:
Das bestreite ich ebenfalls. Ich bezweifle allerdings, dass Ihre
Distanzierung unseren Kriterien genügt.
Danke, dass Sie nicht mit uns gesprochen haben.
Buske:
Gerne, jederzeit wieder nicht!
Telepolis
Artikel-URL:
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27999/1.html
Frau
Kruger vs.
OK! Verlag GmbH & Co. KG - Der nächste Interview-Fall
bei Buske
▲
06.06.08, 11:30: Sie Sache
324 O
278/08
Frau
Diane Kruger vs.
OK! Verlag GmbH & Co. KG war aus mehreren Gründen spannend:
Die Interviewgegnerin vertrat Dr. Dünnwald von der Kanzlei Prof. Prinz.
Das war für die Pseudoöffentlichkeit neu, dass diese Kanzlei so schnell
in die Fußstapfen der Kanzlei Prof. Schweizer tritt, welche im Februar
das viel diskutiert Urteile "Das Ende des Interviews" erreichte.
Spannend war ebenfalls, ob die Zensurkammer Hamburg das nächste
Interview-Urteil gegen den Störer fällt, denn verbreitet ist die
Meinung:
Das
Markwort-Urteil bringt nichts Neues. Das LG Hamburg hat schon immer
so entschieden. Es geht ausdrücklich unter anderem davon aus: "Aufgrund
dieser Fragestellungen besteht zwischen dem Interviewer und Willemsen
Übereinkunft über das Bestehen der von Willemsen festgestellten Lügen.".
Corpus
Delicti dürfte das OK!-Magazin 8/08 gewesen sein.
Der Vorsitzende Richter Andreas
Buske: Wir haben gestern Schriftsätze gekriegt. Der Antragsgegner
übergibt den Schriftsatz vom 05.06.08 für Gericht und Gegner. In der
Ziffer 1 könnte ein Pfund drin sein. Ziffer 2 und was sonst noch
vorgebracht wurde, finden wir nicht so [ergiebig]. Es geht um den Belog.
Ziffer 3 betrifft die neue Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Wollen wir uns daran halten, Herr Dr. Engels. er
Zeit-Online.[gab sie ein Interview].
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Hat sie nicht. Der Beitrag ist in der ich-Form geschrieben, so dass der
Endruck entsteht, sie habe mit der Zeit gesprochen. Hat
diesen
Artikel erst gestern gesehen. Der Satz "Ich fühle mich dort wie eine
Touristin" bezog sich auf Deutschland.
Touristin in Berlin hat sie nicht gesagt. Ist wahrscheinlich falsch
verstanden worden.
Der Vorsitzende: Wenn sie es
gesagt hat, hat sie es in Berlin gesagt.
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Hat das in Berlin gesagt.
Der Vorsitzende: Haben Sie einen
Schrfitsatz?
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Ja.
Der Vorsitzende: Dann werden wir
jetzt die 2 ... .
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Ja.
Der Vorsitzende: Der
Antragsteller überreicht den Schriftsatz vom 06.06.078 für Gericht und
Gegner.
Beklagtenanwalt Dr. Engels: War
Diane Kruger 2007 das erste Mal in Berlin?
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Ja.
Der Vorsitzende: Und nun?
2 und 3 würden wir halten wollen. Bei Ziffer 1 hätten wir die Neigung,
die Einstweilige Verfügung aufzuheben, wenn dieser Satz aber nicht
gesagt wurde, dann könnte das dazu führen, dass die Gegenseite [nichts
in der Hand hat]..
Beklagtenanwalt Dr. Engels: Dass
Sie sagen, Diane Kruger war 2007 das erste Mal in Berlin, ist eine
faustdicke Lüge.
Beklagtenanwalt Dr. Jürgens:
Wenn Sie sagen, sie war 2007 das erste Mal in Berlin - das haben alle
gehört - , dann übergebe ich hier Aufnahmen von früher, wo sie in Berlin
war.
Der Vorsitzende: Der
Antragsgegner übergibt ein Anlagekonvolut. Soll ich einpacken? Für
Gericht und Gegner. Daraus ergibt sich, dass sie vor 2007 in Berlin war.
Beklagtenanwalt Dr. Jürgens:
Fühlt sich als Touristin, sagt sie. Da wundert man sch.
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
... ,.
Beklagtenanwalt Dr. Engels: Das
hat er vorgetragen: War das erste Mal 2007 in Berlin.
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Lasse mich nicht in die Falle laufen.
Beklagtenanwalt Dr. Engels:
Möchte, dass es aufhört, dass man einfach so redet. Jetzt möchte ich,
dass die Einstweilige Verfügung aufgehoben wird. Über das andere reden
wir später.
Der Vorsitzende: Mit den Anlagen
soll belegt werden, dass sie schon früher in Berlin war. Und Sie [Herr
Dünnwald]?
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Kann nur sagen, dass sie 2007 das erste Mal wirklich in Berlin war.
Früher hat sie sich in Berlin nicht bewegt.
Der Vorsitzende: Der
Antragsteller-Vertreter erklärt, er wollte zum Ausdruck bringen, dass
sie 2007 sich erstmalig so aufhalten konnte, dass sie sich in der Stadt
bewegen konnte.
Beklagtenanwalt Dr. Engels: ...
.
Der Vorsitzende: Der
Antragsgegner weist darauf hin, dass auf seine Frage, ob der
Antragsteller-Vertreter mit die Antragstellerin gesprochen hat, ob sie
2007 das erste Mal in Berlin war, er das bestätigt hat.
Klägeranwältin: ... .
Beklagtenanwalt Dr. Engels: ...
.
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Stelle klar, dass ich Ihre Frage nicht so verstanden habe.
Der Vorsitzende lacht: ... so in
Berlin war, dass sie Zeit hatte, Berlin kennen zu lernen.
Richter Dr. Link: In der
Gegendarstellung soll es heißen: Nie in Berlin gewesen.
Der Vorsitzende: Könnte
irreführend sein.
Kruger-Anwalt Herr Dr. Dünnwald:
Könnte ich das Ding haben ... ?
Dr. Dünnwald liest die beantragte
Gegendarstellung: Wenn ich zur Gerichtsverhandlung nach
Detmold fahre, dann war ich nicht in Detmold. Dann war ich im
Gericht.
Der Vorsitzende: Die
Sach- und
Rechtslage wurde ausführlich und umfassend erörtert. Anträge werden
gestellt. Die Verkündung einer Entscheidung erfolgt am Schluss der
Sitzung.
12:30, Schluss der Sitzung:
Urteil: Die Einstweilige Verfügung wird aufgehoben und der ihr zu Grunde
liegende Antrag zurückgewiesen. Der Antragsteller hat die Kosten des
Verfahrens zu tragen. Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit.
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Rolf Schälike
Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 12.06.08
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