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Quelle: Tagesspiegel - http://www.tagesspiegel.de/zeitung/der-kleine-unterschied-und-seine-folgen-vor-gericht-der-bild-chef-gewinnt-gegen-die-taz/365484.html

 

Bericht
LG Berlin, Zivilkammer 27
Sitzung, 19. November 2002

Rolf Schälike - 14.10.2006

Auch für diesen Bericht gilt, wie für alle anderen meiner Berichte: Alles, was hier steht, entspricht nicht unbedingt der Wahrheit. Beweisen kann ich nichts; geurteilt nach strengen Regeln der Pressekammer, waren meine Recherchen erbärmlich. Was hier in Anführungszeichen steht, ist nicht unbedingt ein Zitat. Oft verwende ich falsche Zeichensetzung. Habe dafür schon einmal gesessen. Möchte für mangelnde Kenntnis von Grammatik und Syntax nicht noch ein weiteres Mal ins Gefängnis. Was als Zitat erscheinen kann, beruht lediglich auf meinen während der Verhandlung geführten handschriftlichen Notizen. Auch wenn andere Texte, welche nicht in Anführungszeichen stehen, als  Zitate erscheinen, sind es keine, denn beweisen kann ich nichts. Auch Zeugen habe ich nicht. Sowohl Anwälte als auch Richter werden sich an nichts erinnern - sie haben besseres zu tun. Was merkwürdig erscheint, muss von Ihnen nicht unbedingt geglaubt werden. Eine Meinung habe ich nicht; es sind bloß Verschwörungstheorien.

Der „Bild“-Chef gewinnt und verliert gegen gegen die „taz“

Über den juristischen Streit kann man in Google unter  „Penis-Prozess“ oder mit den Suchwörtern Diekmann Penis vieles finden.

Das Aktenzeichen der Sache Kai Diekmann vs. taz ist  27 O 615/02.

Die Verhandlung fand vor dem Landgericht Berlin statt.

Richter: Michael Mauck

Anwälte:  für die "taz" - Johannes „Johnny“ Eisenberg; für Kai Diekmann - Professor Peter Raue – ein älterer Herr mit weißem Haupt, Anwalt, Mäzen, bekannte Person des Berliner Bildungsbürgertums

Etwa 30 Zuschauer waren im Saal: Journalisten. Zusätzlich Holzbänke waren von Nöten.

Amüsant das Ganze.

Wie wird sich der Vertreter von Kai Diekmann gegen eine Satire wehren, die am 8. Mai 2002 in der "taz"  auf der so genannten „Wahrheit“-Seite der „taz“ unter der Überschrift „Sex-Schock! Penis kaputt“ erschien?

Autor Gerhard Henschel ging einem erfundenen Gerücht nach: Kai Diekmann habe sich in Miami einer Penis-Verlängerung unterzogen, wobei  „Adern, Schwellkörper und Fleischteile aus den Genitalien einer männlichen Leiche“ verwendet worden seien. Die Operation sei missglückt. Diekmann sei nun Kastrat. 200 Dollar Schadensersatz hat er daraufhin vom behandelnden Arzt verlangt und geklagt.

Das alles sei Satire. Für Diekmann nicht nur Satire, er sah seine Intimsphäre verletzt und erwirkte eine einstweilige Verfügung.

Die „taz“ erhob Widerspruch. Diekmann ging weiter, verlangte 30000 Euros Schmerzensgeld.

„Natürlich war die Sache geschmacklos und unappetitlich“, sagte „taz“-Chefredakteurin Bascha Mika nach der Verhandlung, aber Satire dürfe und müsse Grenzen überschreiten. Die „taz“ habe lediglich mit den Waffen der „Bild“ gekämpft.

Die Verhandlung im Saal 143 war Theater auf mittlerem Niveau.

Johannes „Johnny“ Eisenberg erschien in verwaschenen Jeans, die Robe lässig übers grüne Hemd gezogen. Diekmann-Anwalt erweckte Achtung.

Niemand zweifelte daran, dass es sich bei dem „taz“-Artikel um eine Satire handelt, und Satire darf bekanntlich sehr viel

Der Vorsitzende Richter Mauk:

Das heißt nicht, dass das nicht doch zu weit geht. Diekmann sei zum Objekt des Gespötts geworden.

Der „Bild“-Chef,  zur Gerichtsverhandlung nicht anwesend - braucht er auch nicht zu sein -, will allein schon die Diskussion über Dinge, die seine Intimsphäre betreffen, verbieten.

Diekmann-Anwalt Raue

Herr Diekmann sei tief verletzt

Im Saal Glucksen und Lachen. Auch die Richter mussten such beherrschen.

taz-Anwalt Eisenberg

Das Thema wäre lächerlich.

... .

Die "taz" habe ehre Ziele

Nicht weniger als die „verseuchte Container-Öffentlichkeit“ wollte die Zeitung bekämpfen. Diekmann sei schuld am Blut-, Sperma- und Fruchtwasserjournalismus, der bei „Bild“ einen qualitativen Sprung erlebt habe, daran, dass „der öffentliche Raum verseucht“ sei. Und deshalb gebe es keinen Besseren als ihn, um gegen diesen Presse-Stil ein Exempel zu statuieren.

... .

Warum soll man über Schweinejournalismus stilvoll schreiben?

Eine PR-Kampagne, um die 30.000 Euro Schmerzensgeld aufzutreiben, muss die stets am Rande des Ruins stehende „taz“ nicht aufrollen. Sie darf die in dem Bericht verwendeten Formulierungen jedoch nicht wiederholen. Die Richter urteilten, die „taz“ habe zwar Diekmanns Persönlichkeitsrechte verletzt, jedoch nicht so schwer wiegend, dass ihm Schmerzensgeld zustehe.

Auszug aus der Urteilsbegründung (LG Berlin 27 O 615/02):
Es ging um den Artikel vom 8. Mai 2002

"(…) Vor allem aber spricht gegen das Bedürfnis für eine Geldentschädigung, dass der Kläger Chefredakteur der Bild-Zeitung ist.
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In der Bild-Zeitung werden - wie der Kammer aus ihrer täglichen Arbeit bekannt ist - häufig persönlichkeitsrechtsverletzende Beiträge veröffentlicht. Oftmals verletzen die Beiträge sogar die Intimsphäre der Betroffenen. Der Kläger ist hierfür in äußerungsrechtlicher Hinsicht verantwortlich. Als Chefredakteur hätte er ohne weiteres die Möglichkeit, diese Rechtsverletzungen zu unterbinden; eine Rechtsabteilung sowie äußerungsrechtlich versierte Rechtsanwälte stehen ihm - was der Kammer aus ihrer täglichen Arbeit ebenfalls bekannt ist - laufend beratend zur Verfügung.
In manchen Fällen wird der Kläger sogar Initiator der Rechtsverletzungen sein. Durch sein Unterlassen bzw. sein aktives Tun befördert er so nicht nur den Umsatz und die Einnahmen des Verlages der Bild-Zeitung, sondern auch seine persönlichen Einkünfte. Denn diese werden - zumindest auf mittlere Sicht - davon abhängig sein, welche Einnahmen der von ihm geführte Verlag erzielt. Es kann im Übrigen auch kein Zweifel daran bestehen, dass dem Kläger diese Zusammenhänge bewusst sind.
Die Kammer hält dafür, dass derjenige, der - wie der Kläger - bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht, weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird. Denn er hat sich mit Wissen und Wollen in das Geschäft der Persönlichkeitsrechtsverletzungen begeben und wird daher - nach allgemeinen Regeln menschlichen Zusammenlebens - davon ausgehen, dass diejenigen Maßstäbe, die er anderen gegenüber anlegt, auch für ihn selbst von Belang sind. Dies gilt vor allem dann, wenn wie vorliegend, der Angriff auf ihn durch die eigene Rechtsverletzung motiviert ist.
So knüpft der angegriffene Artikel an den persönlichkeitsrechtsverletzenden Journalismus des Klägers an (erster und vorletzter Absatz des Artikels) und nimmt genau diesen Journalismus kritisch aufs Korn. Zum Teil zitiert der Artikel sogar Formulierungen aus Beiträgen in der Bild-Zeitung und wendet genau diese gegen den Kläger. Dass der Artikel darüber hinaus oder sogar in erster Linie der Unterhaltung der Leserschaft der taz dient, ändert hieran nichts."

Der "Penis-Prozess" geht nun doch nicht in die Verlängerung:
Sowohl Bild-Chefredakteur Kai Diekmann als auch die taz haben ihre Berufung gegen das Urteil des Berliner Landgerichts vom 19. 11. 2002 zurückgezogen.

Begonnen hatte der Rechtsstreit zwischen Bild und taz mit einer Satire des Wahrheit-Autors Gerhard Henschel. In einer Fake-Reportage am 8. 5. 2002 kolportierte Henschel erfundene Gerüchte über eine missglückte Penisverlängerung des Bild-Chefs. Diekmann gefiel der Text nicht, und so verklagte er die taz wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts auf ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro.

Zwar handele es sich um eine Satire und es läge auch eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vor, befanden die Richter, aber die Verletzung sei nicht so schwerwiegend, dass dem Kläger ein Schmerzensgeld zustände. Vielmehr müsse der Bild-Chefredakteur hinnehmen, dass für ihn andere juristische Maßstäbe gelten: "Die Kammer hält dafür", heißt es in der Urteilsbegründung, "dass derjenige, der - wie der Kläger - bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung anderer sucht, weniger schwer durch die Verletzung seines eigenen Persönlichkeitsrechtes belastet wird. Denn er hat sich mit Wissen und Wollen in das Geschäft der Persönlichkeitsrechtsverletzungen begeben und wird daher - nach allgemeinen Regeln menschlichen Zusammenlebens - davon ausgehen, dass diejenigen Maßstäbe, die er anderen gegenüber anlegt, auch für ihn selbst von Belang sind."
Das als Zweitinstanz mit dem Urteil befasste Berliner Kammergericht teilte nun mit, dass "nach übereinstimmender Auffassung des Senats beide Berufungen der Parteien keine Aussicht auf Erfolg haben". Daraufhin verzichteten Bild und taz auf die Berufung. "Wir begrüßen, dass der Penis-Prozess nicht verlängert wird", erklärte taz-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch. Zwar dürfe die taz den Text nicht mehr veröffentlichen. Aber das Urteil, das über den Bild-Chef gefällt wurde, habe nun "für immer Bestand", sagte Ruch.
Die Kosten des Verfahrens werden übrigens im Verhältnis 2/5 beziehungsweise 3/5 zu Lasten des Klägers Kai Diekmann aufgeteilt. Im Boxen würde man so etwas einen Punktsieg nennen - für die taz. MICHAEL RINGEL
taz vom 3.5.2003, S. 18, 75 Z. (TAZ-Bericht), MICHAEL RINGEL

Quelle: http://www.taz.de/pt/2003/05/03/a0094.1/text.ges,1

Oktober 2009: Die Penis-Juristen-Show ging weiter. Inzwischen veröffentlicht Kai Diekmann auf seiner web-Site www.kaidiekmann.de das Urheberrecht verletzend den verbotenen Artikel.  Nun darf diesen Artikel auch die taz wieder veröffentlichen. Dazu bedurfte es keiner Gerichtsverfahren. Ein witziger Schriftverkehr genügte. Anwaltskosten wurden nicht berechnet.

 

 

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Dieses Dokument wurde zuletzt aktualisiert am 06.12.09
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