Nicht
offizielle Übersetzung aus dem Französischen
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Dritte Sektion
Nichtamtliche
Übersetzung aus dem Französischen
24/06/04 -
Rechtssache VON HANNOVER gegen DEUTSCHLAND
(Individualbeschwerde Nr. 59320/00)
URTEIL
STRASSBURG
24. Juni 2004
Dieses Urteil
wird unter den in Artikel 44 Absatz 2 der Konvention
aufgeführten Bedingungen endgültig. Es wird gegebenenfalls noch
redaktionell überarbeitet.
In der
Rechtssache von Hannover ./. Deutschland
hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (Dritte Sektion) als
Kammer durch die folgenden Richter:
Herrn I. Cabral
Barreto, Präsident,
Herrn G. Ress,
Herrn L. Caflisch
Herrn R. Türmen
Herrn B. Zupanèiè,
Herrn J. Hedigan,
Herrn K. Traja, ,
sowie dem Kanzler
der Sektion, Herrn V. BERGER,
nach Beratung in
nichtöffentlicher Sitzung am 6. November 2003 und am 3. Juni
2004 das folgende Urteil erlassen, das an diesem Tag angenommen
worden ist:
VERFAHREN
1. Dem Fall liegt
eine gegen die Bundesrepublik Deutschland gerichtete
Individualbeschwerde (Nr. 59320/00) zugrunde, die eine
monegassische Staatsangehörige, Caroline von Hannover ("die
Beschwerdeführerin"), beim Gerichtshof aufgrund des Artikels 34
der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten
("die Konvention") am 6. Juni 2000 erhoben hat.
2. Die
Beschwerdeführerin behauptet, dass die Entscheidungen der
deutschen Gerichte ihr Recht auf Achtung ihres in Artikel 8 der
Konvention garantierten Privat- und Familienlebens verletzt
haben.
3. Die Beschwerde
ist der Vierten Sektion des Gerichtshofs zugewiesen worden
(Artikel 52 Abs. 1 der Verfahrensordnung). In dieser Sektion ist
die für die Prüfung der Rechtssache vorgesehene Kammer (Artikel
27 Abs. 1 der Konvention) gemäß Artikel 26 Abs. 1 der
Verfahrensordnung gebildet worden.
4. Am 1. November
2001 hat der Gerichtshof die Zusammensetzung seiner Sektionen
(Artikel 25 Abs. 1 der Verfahrensordnung) geändert. Diese
Beschwerde ist der so umgebildeten Dritten Sektion zugewiesen
worden (Artikel 52 Abs. 1).
5. Mit
Entscheidung vom 8. Juli 2003 hat die Kammer die Beschwerde für
zulässig erklärt.
6. Sowohl die
Beschwerdeführerin als auch die Regierung haben schriftliche
Stellungnahmen zur Begründetheit der Rechtssache vorgelegt
(Artikel 59 Abs. 1 der Verfahrensordnung). Stellungnahmen sind
ebenfalls von dem Verband deutscher Zeitschriftenverleger und
von der Hubert Burda <Media Holding GmbH & Co. KG vorgelegt
worden, deren Beitritt zum schriftlichen Verfahren vom
Präsidenten gebilligt worden ist (Artikel 36 Abs. 2 der
Konvention und Artikel 44 Abs. 2 der Verfahrensordnung) Die
Beschwerdeführerin hat auf diese Stellungnahmen erwidert
(Artikel 44 Abs. 5 der Verfahrensordnung).
7. Am 6. November
2003 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung im
Menschenrechtspalast in Straßburg statt (Artikel 59 Abs. 3 der
Verfahrensordnung).
Es sind
erschienen:
- für die
Regierung
Herr K.
Stoltenberg, Ministerialdirigent, Verfahrensbevollmächtigter,
Herr A. OHLY,
Professor für Zivilrecht an der Universität Bayreuth,
Rechtsbeistand,
Frau A.
LAITENBERGER, Referentin beim Verfahrensbevollmächtigten,
Beraterin;
- für die
Beschwerdeführerin
Herr M. PRINZ,
Rechtsanwalt, Rechtsbeistand,
Frau C. MOFFAT,
Rechtsanwältin,
Herr A. TOUCAS,
Rechtsanwalt, Berater.
Der Gerichtshof
hat die Erklärungen des Rechtsanwalts Prinz sowie der Herren
Stoltenberg und Ohly angehört.
SACHVERHALT
I. DIE
UMSTÄNDE DES FALLES
8. Die
Beschwerdeführerin ist 1957 geboren und die älteste Tochter von
Fürst Rainier III von Monaco. Sie ist in Monaco wohnhaft, hält
sich aber überwiegend in der Gegend von Paris auf.
Als Mitglied der
Fürstenfamilie übt die Beschwerdeführerin den Vorsitz bei
einigen Stiftungen mit humanitärer oder kultureller Prägung aus,
wie bei der Stiftung ,,Prinzessin-Grazia" oder der
,,Prinz-Pierre von Monaco" - Stiftung, und nimmt
Repräsentationsaufgaben bei Veranstaltungen wie dem Ball des
Roten Kreuzes oder der Eröffnung des Internationalen
Zirkusfestivals wahr. Sie übt aber keine Funktion innerhalb oder
im Auftrag des monegassischen Staats oder seiner Einrichtungen
aus.
A. Die
Entstehung der Sache
9. Seit Anfang
der 90er Jahre bemüht sich die Beschwerdeführerin in
verschiedenen europäischen Ländern und häufig auf dem Rechtsweg,
die Veröffentlichung von Fotos aus ihrem Privatleben in der
Boulevardpresse untersagen zu lassen.
10. Die Fotos,
die Gegenstand der weiter unten dargelegten Verfahren sind,
wurden durch das Verlagshaus Burda in den deutschen
Zeitschriften Bunte und Freizeit Revue sowie durch das
Verlagshaus Heinrich Bauer in der deutschen Zeitschrift Neue
Post veröffentlicht.
1. Die erste
Fotoserie
a) Die in der
Freizeit Revue Nr. 30 vom 22. Juli 1993 veröffentlichten fünf
Fotos der Beschwerdeführerin
11. Sie zeigen
die Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent
Lindon auf der Terrasse eines Restaurants in
Saint-Rémy-de-Provence. Auf der ersten Seite der Zeitschrift
werden die ,,zärtlichsten Fotos ihrer Romanze mit Vincent"
angekündigt und die Fotos selbst werden kommentiert mit: ,,diese
Fotos sind der Beweis für die zärtlichste Romanze unserer Zeit".
b) Die beiden in
der Zeitschrift Bunte Nr. 32 vom 5. August 1993 veröffentlichten
Fotos der Beschwerdeführerin
12. Das erste
Foto zeigt die Beschwerdeführerin beim Reiten mit dem Kommentar
,,Caroline und die Melancholie. Ihr Leben ist ein Roman mit
unzähligen Unglücken, sagt Autor Roig."
Das zweite Foto
zeigt sie in Begleitung ihrer beiden Kinder Pierre und Andrea.
Diese Fotos sind
Teil des Artikels mit dem Titel: ,,Ich glaube nicht, dass ich
die ideale Frau für einen Mann sein kann".
c) Die in der
Zeitschrift Bunte Nr. 34 vom 19. August 1993 veröffentlichten
sieben Fotos der Beschwerdeführerin
13. Das erste
Foto zeigt sie mit ihrer Tochter Charlotte beim Kanufahren, das
zweite zeigt ihren Sohn Andrea mit einem Blumenstrauß in der
Hand.
Das dritte Foto
zeigt sie allein mit umgehängter Korbtasche beim Einkaufen, das
vierte zeigt sie mit Vincent Lindon in einem Restaurant und das
fünfte allein auf einem Fahrrad.
Das sechste Foto
zeigt sie zusammen mit Vincent Lindon und ihrem Sohn Pierre.
Das siebte Foto
zeigt sie mit ihrem Leibwächter beim Einkaufen auf dem Markt.
Der Artikel trägt
den Titel ,,vom einfachen Glück".
2. Die zweite
Fotoserie
a) Die in der
Zeitschrift Bunte Nr. 10 vom 27. Februar 1997 veröffentlichten
zehn Fotos der Beschwerdeführerin
14. Diese Fotos
zeigen die Beschwerdeführerin bei einem Skiurlaub in Zürs/Arlberg.
Die Fotos werden von einem Artikel begleitet mit dem Titel ,,Caroline...eine
Frau kehrt ins Leben zurück".
b) Die in der
Zeitschrift Bunte Nr. 12 vom 13. März 1997 veröffentlichten elf
Fotos der Beschwerdeführerin
15. Sieben Fotos
zeigen sie in Begleitung von Prinz Ernst August von Hannover
beim Besuch eines Reitturniers in Saint-Rémy-de-Provence. Die
Fotos werden von einem Artikel mit dem Titel ,,Der Kuss. Oder :
jetzt verstecken sie sich nicht mehr" begleitet. Vier weitere
Fotos zeigen sie beim Verlassen ihrer Wohnung in Paris mit dem
Kommentar ,,Mit Prinzessin Caroline unterwegs in Paris".
c) Die in der
Zeitschrift Bunte Nr. 16 vom 10. April 1997 veröffentlichten
sieben Fotos der Beschwerdeführerin
16. Diese Fotos
zeigen die Beschwerdeführerin auf Seite 1 mit dem Prinzen Ernst
August von Hannover und auf den Innenseiten der Zeitschrift, wie
sie mit ihm Tennis spielt oder wie die beiden ihre Fahrräder
abstellen.
3. Die dritte
Fotoserie
17. Die Fotoserie
in der Zeitschrift Neue Post Nr. 35/97 zeigt die
Beschwerdeführerin im ,,Beach Club" von Monte-Carlo, bekleidet
mit einem Badeanzug und einem um den Oberkörper geschlungen
Badelaken, wie sie über ein Hindernis stolpert und zu Boden
stürzt. Die recht unscharfen Fotos werden von einem Artikel mit
dem Titel ,,Prinz Ernst August haute auf den Putz und Prinzessin
Caroline fiel auf die Nase" begleitet.
B. Die
Verfahren vor den deutschen Gerichten
1. Die erste
Verfahrensserie
a) Das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 4. Februar 1993
18. Mit Klage vom
13. August 1993 vor dem Landgericht Hamburg nahm die
Beschwerdeführerin das Verlagshaus Burda auf Unterlassung jeder
neuen Veröffentlichung der ersten Fotoserie in Anspruch, mit der
Begründung, dass die Fotos ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1
Absatz 1 Grundgesetz (GG) garantiertes Persönlichkeitsrecht
sowie ihr Recht auf Schutz ihrer Privatsphäre und ihr Recht am
eigenen Bild, das in §§ 22 ff Kunsturhebergesetz (siehe unten
die Randnummern 43 - 44) garantiert ist, verletzen.
19. Mit Urteil
vom 4. Februar 1993 gab das Landgericht der Klage der
Beschwerdeführerin gemäß den Bestimmungen des Internationalen
Privatrechts (Artikel 38 Einführungsgesetz zum Bürgerlichen
Gesetzbuch) in Verbindung mit Artikel 9 des französischen Code
civil nur insoweit statt, als es um die Verbreitung der
Zeitschriften in Frankreich ging.
Hinsichtlich der
Verbreitung der Zeitschriften in Deutschland sei dagegen
deutsches Recht anzuwenden. Aufgrund von § 23 Absatz 1 Nr. 1
Kunsturhebergesetz (KUG) müsse die Beschwerdeführerin als
,,absolute Person der Zeitgeschichte" solche Veröffentlichungen
hinnehmen.
Nach Auffassung
des Landgerichts habe sie auch kein berechtigtes Interesse
dargelegt, welches das Verbot der weiteren Veröffentlichung
rechtfertige, da das Recht auf Schutz des Privatlebens für
,,absolute Personen der Zeitgeschichte" an deren Haustür ende.
Alle Fotos der Beschwerdeführerin seien jedoch ausschließlich an
öffentlichen Orten aufgenommen worden.
b) Das Urteil des
Oberlandesgerichts Hamburg vom 8. Dezember 1994
20. Die
Beschwerdeführerin legte gegen das Urteil des Landgerichts
Berufung ein.
21. Mit Urteil
vom 8. Dezember 1994 wies das Oberlandesgericht Hamburg die
Berufung der Beschwerdeführerin zurück und hob das Urteil in
Bezug auf das Verbot der weiteren Veröffentlichungen in
Frankreich auf.
Ebenso wie das
Landgericht vertrat das Oberlandesgericht die Auffassung, dass
die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Abstammung eine absolute
Person der Zeitgeschichte sei und somit die Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Fotos, die alle an öffentlichen Orten
aufgenommen worden waren, hinnehmen müsse. Selbst wenn ihr
Alltagsleben durch die ständige Belästigung durch Fotografen
erschwert würde, wäre dies das Ergebnis eines berechtigten
Informationsinteresses der Allgemeinheit.
c) Das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995
22. Gegen dieses
Urteil legte die Beschwerdeführerin Revision ein.
23. Mit Urteil
vom 19. Dezember 1995 gab der Bundesgerichtshof der Revision der
Beschwerdeführerin teilweise statt und untersagte jede neue
Veröffentlichung der Fotos, die in der Zeitschrift Freizeit
Revue Nr. 30 vom 22. Juli 1993 erschienen waren und die
Beschwerdeführerin in Begleitung von Vincent Lindon auf der
Terrasse eines Restaurants zeigten, da diese Fotos ihr Recht auf
Achtung ihres Privatlebens beeinträchtigten.
Nach Auffassung
des Bundesgerichtshofs habe auch eine absolute Person der
Zeitgeschichte Anspruch auf Achtung der Privatsphäre, wobei der
Schutz der Privatsphäre sich nicht nur auf den häuslichen
Bereich erstrecke, sondern ebenfalls die Veröffentlichung von
Fotos umfasse. Außerhalb des eigenen Hauses könne jedoch diese
Person einen Schutz ihrer Privatsphäre nur geltend machen, wenn
sie sich in eine örtliche Abgeschiedenheit zurückgezogen habe
und für alle objektiv erkennbar sei, dass sie allein sein wolle
und in der sie sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so
verhalte, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun
würde. In diesen Schutzbereich werde unzulässigerweise
eingegriffen, wenn Bilder veröffentlicht werden, die heimlich
und/oder durch Ausnutzung der Überrumpelung einer Person
aufgenommen worden sind, die sich in eine solche örtliche
Abgeschiedenheit zurückgezogen hat. Dies treffe hier zu, weil
die Beschwerdeführerin sich mit ihrem Freund auf die Terrasse
eines Restaurants zurückgezogen habe und sich erkennbar nicht
den Blicken einer breiteren Öffentlichkeit habe darbieten
wollen.
Dagegen wies der
Bundesgerichtshof die weitere Revision mit der Begründung
zurück, dass die Beschwerdeführerin als absolute Person der
Zeitgeschichte die Veröffentlichung von Fotos, die sie an einem
öffentlichen Ort zeigen, dulden müsse, selbst wenn es sich um
Fotos aus ihrem Alltagsleben und nicht um Fotos handele, die sie
in Ausübung ihrer offiziellen Funktion zeigen. In der Tat habe
die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wo
sich die Beschwerdeführerin aufhalte und wie sie sich in der
Öffentlichkeit verhalte.
d) Das Urteil des
Bundesverfassungsgerichts vom 15. Dezember 1999
24. Die
Beschwerdeführerin erhob sodann Verfassungsbeschwerde vor dem
Bundesverfassungsgericht und machte eine Verletzung des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Artikel 2 Absatz 1 in
Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz) geltend. Nach
Auffassung der Beschwerdeführerin sind die vom Bundesgerichtshof
aufgestellten Kriterien zum Schutz der Privatsphäre bei
Fotoaufnahmen an öffentlichen Orten ungeeignet, die freie
Entfaltung der Persönlichkeit im privaten oder familiären
Bereich wirksam zu schützen. Die Kriterien seien so eng gefasst,
dass die Beschwerdeführerin praktisch jederzeit außerhalb ihrer
Wohnung fotografiert werden könne und diese Fotos danach in den
Medien veröffentlicht werden könnten.
Da derartige
Fotos nicht dazu dienten, die Öffentlichkeit ernsthaft zu
informieren, sondern nur dazu, sie zu unterhalten, sei das in
der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts anerkannte Recht am
eigenen Bild, soweit es sich um Situationen aus dem Privatleben
handelt, vorrangig gegenüber der - ebenfalls durch das
Grundgesetz garantierten - Pressefreiheit.
25. Im
Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999 gab das
Bundesverfassungsgericht der Verfassungsbeschwerde der
Beschwerdeführerin nach mündlicher Verhandlung teilweise statt
und vertrat die Auffassung, dass die drei in der Zeitschrift
Bunte Nr. 32 vom 5. August 1993 und Nr. 34 vom 19. August 1993
erschienenen Fotos, welche die Beschwerdeführerin in Begleitung
ihrer Kinder zeigten, ihr durch die Artikel 2 Absatz 1 und 1
Absatz 1 Grundgesetz garantiertes Recht auf
Persönlichkeitsschutz, verstärkt durch ihr in Artikel 6
Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz der Familie,
verletzten. Insoweit verwies das Bundesverfassungsgericht die
Sache an den Bundesgerichtshof zurück. Hingegen wies es die
Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin in Bezug auf die
übrigen Fotos zurück.
Der einschlägige
Auszug dieses Urteils lautet:
,,Die
Verfassungsbeschwerde ist zum Teil begründet.
(...)
II.
Die angegriffenen
Urteile werden den Anforderungen von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 1 Abs. 1 GG nicht in vollem Umfang gerecht.
1. Die
Vorschriften der §§ 22 und 23 KUG, auf die die Zivilgerichte
ihre Entscheidungen gestützt haben, sind allerdings mit dem
Grundgesetz vereinbar.
Gemäß Art. 2 Abs.
1 GG ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nur im Rahmen der
verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet. Dazu zählen auch die
Vorschriften über die Veröffentlichung fotografischer
Abbildungen von Personen in §§ 22 und 23 KUG. Die Regelung geht
auf einen anstoßerregenden Vorfall (Aufnahmen Bismarcks auf dem
Totenbett (...) und die daran anschließende rechtspolitische
Diskussion (...) zurück und sucht einen angemessenen Ausgleich
zwischen der Achtung der Persönlichkeit und den
Informationsinteressen der Allgemeinheit herzustellen (...).
Nach § 22 Satz 1
KUG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung des Abgebildeten
verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Von diesem
Grundsatz nimmt § 23 Abs. 1 KUG unter anderem Bildnisse aus dem
Bereich der Zeitgeschichte aus (...). Dies gilt gemäß § 23 Abs.
2 KUG jedoch nicht für eine Verbreitung, durch die ein
berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird. Mit
diesem abgestuften Schutzkonzept trägt die Regelung sowohl dem
Schutzbedürfnis der abgebildeten Person als auch den
Informationswünschen der Öffentlichkeit und den Interessen der
Medien, die diese Wünsche befriedigen, ausreichend Rechnung. Das
hat das Bundesverfassungsgericht bereits früher festgestellt
(...).
(...)
b) Im
vorliegenden Fall ist bei der Auslegung und Anwendung von §§ 22
und 23 KUG nicht nur das allgemeine Persönlichkeitsrecht,
sondern auch die in Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte
Pressefreiheit zu berücksichtigen, die ebenfalls von diesen
Vorschriften berührt wird.
(...)
Dass die Presse
eine meinungsbildende Funktion zu erfüllen hat, schließt die
Unterhaltung nicht aus der verfassungsrechtlichen
Funktionsgewährleistung aus. Meinungsbildung und Unterhaltung
sind keine Gegensätze. Auch in unterhaltenden Beiträgen findet
Meinungsbildung statt. Sie können die Meinungsbildung unter
Umständen sogar nachhaltiger anregen oder beeinflussen als
ausschließlich sachbezogene Informationen. Zudem lässt sich im
Medienwesen eine wachsende Tendenz beobachten, die Trennung von
Information und Unterhaltung sowohl hinsichtlich eines
Presseerzeugnisses insgesamt als auch in den einzelnen Beiträgen
aufzuheben und Information in unterhaltender Form zu verbreiten
oder mit Unterhaltung zu vermengen (,,Infotainment") Viele Leser
beziehen folglich die ihnen wichtig oder interessant
erscheinenden Informationen gerade aus unterhaltenden Beiträgen
(...).
Aber auch der
bloßen Unterhaltung kann der Bezug zur Meinungsbildung nicht von
vornherein abgesprochen werden. Es wäre einseitig anzunehmen,
Unterhaltung befriedige lediglich Wünsche nach Zerstreuung und
Entspannung, nach Wirklichkeitsflucht und Ablenkung. Sie kann
auch Realitätsbilder vermitteln und stellt Gesprächsgegenstände
zur Verfügung, an die sich Diskussionsprozesse und
Integrationsvorgänge anschließen können, die sich auf
Lebenseinstellungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster
beziehen, und erfüllt insofern wichtige gesellschaftliche
Funktionen (...). Unterhaltung in der Presse ist aus diesem
Grund, gemessen an dem Schutzziel der Pressefreiheit, nicht
unbeachtlich oder gar wertlos und deswegen ebenfalls in den
Grundrechtsschutz einbezogen.
Dies gilt auch
für die Berichterstattung über Personen. Personalisierung bildet
ein wichtiges publizistisches Mittel zur Erregung von
Aufmerksamkeit. Sie weckt vielfach erst das Interesse an
Problemen und begründet den Wunsch nach Sachinformationen. Auch
Anteilnahme an Ereignissen und Zuständen wird meist durch
Personalisierung vermittelt. Prominente Personen stehen überdies
für bestimmte Wertvorstellungen und Lebenshaltungen. Vielen
bieten sie deshalb Orientierung bei eigenen Lebensentwürfen. Sie
werden zu Kristallisationspunkten für Zustimmung oder Ablehnung
und erfüllen Leitbild- oder Kontrastfunktionen. Darin hat das
öffentliche Interesse an den verschiedensten Lebensbezügen
solcher Personen seinen Grund.
Für Personen des
politischen Lebens ist ein derartiges Interesse des Publikums
unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle
stets als legitim anerkannt worden. Es lässt sich aber auch für
andere Personen des öffentlichen Lebens nicht grundsätzlich
bestreiten. Insofern entspricht die nicht auf bestimmte
Funktionen oder Ereignisse begrenzte Darstellung von Personen
den Aufgaben der Presse und fällt daher ebenfalls in den
Schutzbereich der Pressefreiheit. Erst bei der Abwägung mit
kollidierenden Persönlichkeitsrechten kann es darauf ankommen,
ob Fragen, die die Öffentlichkeit wesentlich angehen, ernsthaft
und sachbezogen erörtert oder lediglich private Angelegenheiten,
die nur die Neugier befriedigen, ausgebreitet werden... .
c) Das Urteil des
Bundesgerichtshofs hält der verfassungsrechtlichen Nachprüfung
im Ergebnis überwiegend stand.
aa) Es ist
verfassungsrechtlich unbedenklich, dass der Bundesgerichtshof
die Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 KUG nach dem
Maßstab des Informationsinteresses der Allgemeinheit bestimmt
und aufgrund dessen Veröffentlichungen von Abbildungen der
Beschwerdeführerin auch außerhalb ihrer repräsentativen Funktion
im Fürstentum Monaco als zulässig angesehen hat.
§ 23 Abs. 1 Nr. 1
KUG stellt die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich
der Zeitgeschichte von dem Einwilligungserfordernis des § 22 KUG
frei. Die Vorschrift nimmt nach der gesetzgeberischen Intention
(...) und nach Sinn und Zweck der Regelung auf das
Informationsinteresse der Allgemeinheit und auf die
Pressefreiheit Rücksicht. Die Belange der Öffentlichkeit sind
daher gerade bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals zu
beachten. Denn Abbildungen von Personen, denen die
zeitgeschichtliche Bedeutung abgesprochen wird, dürfen der
Öffentlichkeit nicht frei, sondern nur mit Einwilligung der
Betroffenen, zugänglich gemacht werden. Das weitere dem
Grundrechtseinfluss offen stehende Tatbestandsmerkmal des
,,berechtigten Interesses" in § 23 Abs. 2 KUG bezieht sich von
vornherein nur auf Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung
und kann folglich die Belange der Pressefreiheit nicht mehr
ausreichend aufnehmen, wenn diese zuvor bei der Abgrenzung des
Personenkreises außer acht gelassen worden sind.
Es trägt der
Bedeutung und Tragweite der Pressefreiheit Rechnung, ohne den
Persönlichkeitsschutz unverhältnismäßig zu beschneiden, dass der
Begriff der Zeitgeschichte in § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG nicht nach
Maßgabe einer richterlichen Inhaltsbestimmung etwa allein
Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung erfasst,
sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her
bestimmt wird (...). Zum Kern der Presse- und der
Meinungsbildungsfreiheit gehört es, dass die Presse innerhalb
der gesetzlichen Grenzen einen ausreichenden Spielraum besitzt,
in dem sie nach ihren publizistischen Kriterien entscheiden
kann, was öffentliches Interesse beansprucht, und dass sich im
Meinungsbildungsprozess herausstellt, was eine Angelegenheit von
öffentlichem Interesse ist. Unterhaltende Beiträge sind davon,
wie dargelegt, nicht ausgenommen. Nicht zu beanstanden ist
ferner, dass der Bundesgerichtshof dem ,,Bereich der
Zeitgeschichte" gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG auch Bildnisse von
Personen zuordnet, die das öffentliche Interesse nicht punktuell
durch ein bestimmtes zeitgeschichtliches Ereignis auf sich
gezogen haben, sondern unabhängig von einzelnen Ereignissen
aufgrund ihres Status und ihrer Bedeutung allgemeine öffentliche
Aufmerksamkeit finden. Dabei fällt auch die gesteigerte
Bedeutung ins Gewicht, die der Bildberichterstattung im
Vergleich zur Entstehungszeit des Kunsturhebergesetzes heute
zukommt. Der in diesem Zusammenhang in Judikatur und Literatur
regelmäßig verwandte Begriff einer ,,absoluten Person der
Zeitgeschichte" ergibt sich zwar weder zwingend aus dem Gesetz
noch aus der Verfassung. Mit dem Oberlandesgericht und dem
Bundesgerichtshof als abgekürzte Ausdrucksweise für Personen
verstanden, deren Bild die Öffentlichkeit um der dargestellten
Person willen der Beachtung wert findet, ist es aber
verfassungsrechtlich unbedenklich, solange die
einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem Informationsinteresse
der Öffentlichkeit und den berechtigten Interessen des
Abgebildeten nicht unterbleibt.
Eine Beschränkung
der einwilligungsfreien Veröffentlichung auf Bilder, die
Personen von zeitgeschichtlicher Bedeutung bei der Ausübung der
Funktion zeigen, die sie in der Gesellschaft wahrnehmen,
verlangt das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht. Es
kennzeichnet häufig gerade das öffentliche Interesse, welches
solche Personen beanspruchen, dass es nicht nur der
Funktionsausübung im engeren Sinn gilt. Vielmehr kann es sich
wegen der herausgehobenen Funktion und der damit verbundenen
Wirkung auf die Informationen darüber erstrecken, wie sich diese
Personen generell, also außerhalb ihrer jeweiligen Funktion, in
der Öffentlichkeit bewegen. Diese hat ein berechtigtes Interesse
daran zu erfahren, ob solche Personen, die oft als Idol oder
Vorbild gelten, funktionales und persönliches Verhalten
überzeugend in Übereinstimmung bringen.
Eine Begrenzung
der Bildveröffentlichungen auf die Funktion einer Person von
zeitgeschichtlicher Bedeutung würde demgegenüber das öffentliche
Interesse, welches solche Personen berechtigterweise wecken,
unzureichend berücksichtigen und zudem eine selektive
Darstellung begünstigen, die dem Publikum
Beurteilungsmöglichkeiten vorenthielte, die es für Personen des
gesellschaftlich-politischen Lebens wegen ihrer Leitbildfunktion
und ihres Einflusses benötigt. Ein schrankenloser Zugriff auf
Bilder von Personen der Zeitgeschichte wird der Presse dadurch
nicht eröffnet. Vielmehr gibt § 23 Abs. 2 KUG den Gerichten
ausreichend Möglichkeit, die Schutzanforderungen von Art. 2 Abs.
1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG zur Geltung zu bringen
(...).
bb) Im Grundsatz
sind auch die Kriterien, die der Bundesgerichtshof in Auslegung
des Tatbestandsmerkmals des ,,berechtigte Interesses" in § 23
Abs. 2 KUG entwickelt hat, verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.
Nach dem
angegriffenen Urteil setzt die schützenswerte Privatsphäre, die
auch den so genannten ,,absoluten Personen der Zeitgeschichte"
zusteht, eine örtliche Abgeschiedenheit voraus, in die sich
jemand zurückgezogen hat, um dort objektiv erkennbar für sich
allein zu sein, und in der er sich im Vertrauen auf die
Abgeschiedenheit so verhält, wie er es in der breiten
Öffentlichkeit nicht tun würde. Einen Verstoß gegen §§ 22 und 23
KUG nimmt der Bundesgerichtshof an, wenn Bilder veröffentlicht
werden, die von dem Betroffenen in einer solchen Situation
heimlich oder unter Ausnutzung einer Überrumpelung aufgenommen
worden sind.
Das Kriterium der
örtlichen Abgeschiedenheit trägt einerseits dem Sinn des
allgemeinen Persönlichkeitsrechts Rechnung, dem Einzelnen auch
eine Sphäre außerhalb seiner eigenen Häuslichkeit zu sichern, in
der er sich nicht unter ständiger öffentlicher Beobachtung weiß
und sein Verhalten deswegen nicht im Hinblick auf diese
Beobachtung kontrollieren muss, sondern die Möglichkeit der
Entspannung und des Zu-sich-selbst-Kommens findet. Andererseits
engt es die Pressefreiheit nicht übermäßig ein, weil es das
Alltags- und Privatleben von Personen der Zeitgeschichte der
Bildberichterstattung nicht völlig entzieht, sondern dort, wo es
sich in der Öffentlichkeit abspielt, auch der Abbildung
zugänglich macht. Bei überragendem öffentlichen
Informationsinteresse kann die Pressefreiheit nach dieser
Rechtsprechung sogar dem Schutz der Privatsphäre vorgehen (...).
Der
Bundesgerichtshof durfte auch dem Verhalten des Einzelnen in
einer bestimmten Situation Indizwirkung dafür beimessen, dass er
sich erkennbar in einer Sphäre der Abgeschiedenheit befindet.
Allerdings setzt der Schutz vor Abbildungen in dieser Sphäre
nicht erst dann ein, wenn der Betroffene dort ein Verhalten an
den Tag legt, das er unter den Augen der Öffentlichkeit
vermeiden würde. Die örtliche Abgeschiedenheit vermag ihre
Schutzfunktion für die Persönlichkeitsentfaltung vielmehr nur
dann zu erfüllen, wenn sie dem Einzelnen ohne Rücksicht auf sein
jeweiliges Verhalten einen Raum der Entspannung sichert, in dem
er nicht ständig die Anwesenheit von Fotografen oder
Kameraleuten zu gewärtigen hat. Doch kommt es darauf im
vorliegenden Fall nicht an, weil es nach den Feststellungen, von
denen der Bundesgerichtshof ausgegangen ist, schon an der ersten
Bedingung für den Privatsphärenschutz fehlt.
Schließlich lässt
es sich verfassungsrechtlich nicht beanstanden, dass bei der
Abwägung zwischen öffentlichem Informationsinteresse und
Privatsphärenschutz der Methode der Informationsgewinnung
Bedeutung beigemessen wird (...). Ob allein durch heimliche oder
überrumpelnde Aufnahmen die außerhäusliche Privatsphäre verletzt
werden kann, begegnet indes Zweifeln. Angesichts der Funktion,
die diese Sphäre von Verfassungswegen erfüllen soll, und
angesichts des Umstands, dass einem Bild oft nicht angesehen
werden kann, ob es heimlich oder überrumpelnd aufgenommen worden
ist, kann ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre
jedenfalls nicht nur beim Vorliegen dieser Merkmale angenommen
werden. Da der Bundesgerichtshof für die umstrittenen
Fotografien aber bereits das Vorhandensein einer Sphäre der
Abgeschiedenheit verneint hat, berühren die Zweifel das Ergebnis
seiner Entscheidung insoweit nicht.
cc) Die
verfassungsrechtlichen Anforderungen sind dagegen nicht erfüllt,
soweit die angegriffenen Entscheidungen dem Umstand keine
Beachtung geschenkt haben, dass die persönlichkeitsrechtliche
Schutzposition der Beschwerdeführerin im Fall des familiären
Umgangs mit ihren Kindern durch Art. 6 GG verstärkt wird.
dd) Im Einzelnen
ergibt sich daraus für die verschiedenen Abbildungen folgendes:
Keinen Anlass zur verfassungsrechtlichen Beanstandung gibt die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs hinsichtlich derjenigen
Abbildungen, die die Beschwerdeführerin beim Gang zum Markt, mit
einer Leibwächterin auf dem Markt und mit einem Begleiter in
einem gut besuchten Lokal zeigen. In den ersten beiden Fällen
handelt es sich um unabgeschlossene, von der breiten
Öffentlichkeit aufgesuchte Plätze. Im dritten Fall handelt es
sich zwar um einen räumlich umgrenzten Bereich, in dem die
Beschwerdeführerin aber unter den Augen der anwesenden
Öffentlichkeit steht. Aus diesem Grund setzt sich der
Bundesgerichtshof auch nicht in Widerspruch zu der Untersagung
der Verbreitung von Fotos aus dem Gartenlokal, die zwar
Gegenstand der angegriffenen Entscheidungen, nicht aber der
Verfassungsbeschwerde ist. Der Platz, den die Beschwerdeführerin
dort mit ihrem Begleiter einnahm, wies alle Merkmale der
Abgeschiedenheit auf. Der Umstand, dass die Fotografien
offensichtlich aus weiter Ferne aufgenommen worden sind, deutet
zusätzlich darauf hin, dass die Beschwerdeführerin davon
ausgehen durfte, den Blicken der Öffentlichkeit nicht ausgesetzt
zu sein.
Die Entscheidung
ist auch nicht zu beanstanden, soweit es um die Fotos geht, auf
denen die Beschwerdeführerin allein gezeigt wird, wie sie reitet
und Fahrrad fährt. Der Bundesgerichtshof hat sie ebenfalls auf
der Grundlage seiner Anschauung nicht der Sphäre örtlicher
Abgeschiedenheit, sondern der Öffentlichkeitssphäre zugerechnet.
Das ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die
Beschwerdeführerin selbst zählt die Bilder nur deswegen zur
abgeschiedenen Privatsphäre, weil sie ihren Wunsch erkennen
ließen, allein zu bleiben. Auf den bloßen Willen kommt es aber
nach den dargelegten Kriterien nicht an.
Die drei Fotos,
auf denen die Beschwerdeführerin zusammen mit ihren Kindern
abgebildet ist, verlangen dagegen eine erneute Prüfung unter den
verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten, die oben aufgezeigt
worden sind. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die
Überprüfung anhand dieser Maßgaben bezüglich einzelner oder
aller Bilder zu einem anderen Ergebnis führt. Insoweit ist das
Urteil des Bundesgerichtshofs daher aufzuheben und der Fall zur
erneuten Entscheidung an ihn zurückzuverweisen.
d) Für die
angegriffenen Urteile des Landgerichts und des
Oberlandesgerichts folgt der Grundrechtsverstoß bereits daraus,
dass diese die von Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1
GG geschützte Privatsphäre - allerdings in Einklang mit der
seinerzeitigen Rechtsprechung - auf den häuslichen Bereich
beschränkt haben. Einer Aufhebung der Entscheidungen bedarf es
gleichwohl nicht, weil der Verstoß insoweit vom
Bundesgerichtshof geheilt worden ist und die Sache im Übrigen an
ihn zurückverwiesen wird. (...) »
e) Das weitere
Verfahren
26. Im Nachgang
zu der Zurückverweisung der Sache an den Bundesgerichtshof in
Bezug auf die drei in der Zeitschrift Bunte Nr. 32 vom 5. August
1993 und Nr. 34 vom 19. August 1993 erschienenen Fotos, welche
die Beschwerdeführerin in Begleitung ihrer Kinder zeigen, gab
das Verlagshaus Burda eine Unterlassungserklärung ab.
2. Die zweite
Verfahrensserie
a) Das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 26. September 1997
27. Am 14. Mai
1997 klagte die Beschwerdeführerin erneut vor dem Landgericht
Hamburg gegen das Verlagshaus Burda auf Unterlassung jeder
Neuveröffentlichung der zweiten Fotoserie, mit der Begründung,
dass diese ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1 Absatz 1
Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz ihrer Persönlichkeit
sowie ihre Rechte auf Schutz der Privatsphäre und am eigenen
Bild, das in den §§ 22 ff Kunsturhebergesetz garantiert ist,
verletzen.
28. Mit Urteil
vom 26. September 1997 wies das Landgericht Hamburg die Klage ab
und bezog sich insbesondere auf die Begründung des Urteils des
Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995.
b) Das Urteil des
Oberlandesgerichts Hamburg vom 10. März 1998
29. Die
Beschwerdeführerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
30. Mit Urteil
vom 10. März 1998 wies das Oberlandesgericht Hamburg die
Berufung der Beschwerdeführerin mit der gleichen Begründung
ebenfalls zurück.
c) Die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. April 2000
31. Da das
Oberlandesgericht eine Revision zum Bundesgerichtshof nicht
zugelassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin unmittelbar vor
dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde und trug ihre
früheren Argumente erneut vor.
32. Am 4. April
2000 entschied das Bundesverfassungsgericht durch eine mit drei
Richtern besetzte Kammer, die Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung anzunehmen und berief sich insbesondere auf das
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 sowie auf
sein eigenes Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999.
3. Die dritte
Verfahrensserie
a) Das Urteil des
Landgerichts Hamburg vom 24. April 1998
33. Am 5.
November 1997 klagte die Beschwerdeführerin erneut vor dem
Landgericht Hamburg gegen das Verlagshaus Burda auf Unterlassung
jeder neuen Veröffentlichung der dritten Fotoserie, mit der
Begründung, dass diese ihr in den Artikeln 2 Absatz 1 und 1
Absatz 1 Grundgesetz garantiertes Recht auf Schutz ihrer
Persönlichkeit sowie ihr Rechte auf Schutz der Privatsphäre und
am eigenen Bild, das in den §§ 22 ff Kunsturhebergesetz
garantiert ist, verletzen.
Die
Beschwerdeführerin legte insbesondere eine eidesstattliche
Versicherung des Direktors des ,,Beach Club" Monte-Carlo vor,
aus der sich ergab, dass es sich hierbei um eine private
Badeanstalt handelt, deren Zutritt die Zahlung eines hohen
Eintrittspreises voraussetzte und streng kontrolliert war, und
die Journalisten und Fotografen nur mit ausdrücklicher
Genehmigung des Betreibers der Anlage betreten dürften. Die
Tatsache aber, dass die Aufnahmen sehr unscharf seien, würde
beweisen, dass diese heimlich aus einigen hundert Metern
Entfernung von einem Fenster oder Dach eines Nachbargebäudes
aufgenommen worden seien.
34. Mit Urteil
vom 24. April 1998 wies das Landgericht Hamburg die Klage ab und
bezog sich insbesondere auf die Begründung des Urteils des
Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995. Das Landgericht legte
dar, dass der ,,Beach-Club" in Monte-Carlo als ein öffentliches
Freibad anzusehen sei, selbst wenn der Einritt kostenpflichtig
und beschränkt sei.
b) Das Urteil des
Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. Oktober 1998
35. Die
Beschwerdeführerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein.
36. Mit Urteil
vom 13. Oktober 1998 wies das Oberlandesgericht Hamburg die
Berufung der Beschwerdeführerin mit der gleichen Begründung
ebenfalls zurück. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts handelt
es sich bei einem Schwimmbad oder einem Strand nicht um einen
abgeschiedenen Ort, und die Fotos, auf denen die
Beschwerdeführerin zu sehen ist, wie sie über ein Hindernis
stolpert und fällt, seien weder ehrenrührig, noch geeignet, sie
in der öffentlichen Meinung herabzusetzen.
c) Die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. April 2000
37. Da das
Oberlandesgericht eine Revision zum Bundesgerichtshof nicht
zugelassen hatte, erhob die Beschwerdeführerin unmittelbar vor
dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde und trug ihre
früheren Argumente erneut vor.
38. Am 13. April
2000 entschied das Bundesverfassungsgericht durch eine mit drei
Richtern besetzte Kammer, die Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung anzunehmen und berief sich insbesondere auf das
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 sowie auf
sein eigenes Grundsatzurteil vom 15. Dezember 1999. Das
Bundesverfassungsgericht vertrat die Auffassung, dass die
ordentlichen Gerichte rechtsgültig festgestellt hatten, dass der
,,Beach Club" in Monte-Carlo kein abgeschiedener Ort sei und die
Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin in Badekleidung und bei
einem Sturz zu sehen sei, nicht zu der Feststellung Anlass
gäben, dass ihr Recht auf Achtung ihrer Privatsphäre verletzt
worden sei.
II. DAS
EINSCHLÄGIGE INNERSTAATLICHE UND EUROPÄISCHE RECHT
A. Das
Grundgesetz
39. Die
einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes lauten wie folgt:
Artikel 1 Absatz
1
,,Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt."
Artikel 2 Absatz
1
,,Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und
nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz
verstößt."
Artikel 5 Absatz
1
,,(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und
Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein
zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die
Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht
statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der
allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze
der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre."
Artikel 6 Absätze
1 und 2
"(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der
staatlichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht
der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über
ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."
B. Das
Kunsturhebergesetz
40. § 22 Satz 1
des Kunsturhebergesetzes bestimmt, dass Bildnisse nur mit
Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur
Schau gestellt werden dürfen.
41. § 23 Absatz 1
Ziffer 1 dieses Gesetzes sieht Ausnahmen zu dieser Regel vor,
insbesondere, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der
Zeitgeschichte handelt, unter der Voraussetzung, dass diese
Veröffentlichung kein berechtigtes Interesse der betroffenen
Person verletzt (§ 23 Satz 2).
C. Die
Entschließung 1165 (1998) der Parlamentarischen Versammlung des
Europarats über das Recht auf Achtung des Privatlebens
42. Die von der
Parlamentarischen Versammlung am 26. Juni 1998 angenommene
Entschließung lautet insgesamt wie folgt:
1. Die
Versammlung verweist auf ihre während der Septembersitzung 1997
veranstaltete Dringlichkeitsdebatte über das Recht auf
Privatsphäre wenige Wochen nach dem Unfalltod der Prinzessin von
Wales.
2. Bei dieser
Debatte forderten einige Redner den Schutz der Privatsphäre und
insbesondere den von Personen, die im öffentlichen Interesse
stehen, auf europäischer Ebene durch ein Übereinkommen zu
verstärken, während andere die Ansicht vertraten, dass die
Privatsphäre durch nationale Gesetze und die Europäische
Menschenrechtskonvention ausreichend geschützt werde und dass
die freie Meinungsäußerung nicht gefährdet werden dürfe.
3. Um diese Frage
weiter zu untersuchen, hat der Ausschuss für Recht und
Menschenrechte am 16. Dezember 1997 in Paris eine Anhörung unter
Beteiligung von Personen des öffentlichen Interesses oder ihrer
Vertreter und der Medien veranstaltet.
4. Das in Artikel
acht der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierte Recht
auf Privatsphäre wurde von der Versammlung bereits in der in der
Entschließung 428 (1970) enthaltenen Erklärung über die
Massenmedien und Menschenrechte definiert als ,,das Recht, sein
Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben bei einem Mindestmaß
an Eingriffen".
5. Angesichts der
neuen Kommunikationstechnologien, die es ermöglichen,
persönliche Daten zu speichern und zu verwenden, sollte das
Recht auf Kontrolle der eigenen persönlichen Daten in diese
Definition mit aufgenommen werden.
6. Die
Versammlung ist sich dessen bewusst, dass es oft zu Eingriffen
in die persönliche Privatsphäre kommt, selbst in Ländern mit
speziellen Gesetzen zum Schutz dieser Privatsphäre, da das
Privatleben von Menschen zu einer höchst lukrativen
Angelegenheit für einige Mediensparten geworden ist. Die Opfer
sind im wesentlichen Personen des öffentlichen Interesses, da
Einzelheiten über ihr Privatleben als verkaufsfördernde Anreize
dienen. Gleichzeitig müssen Personen, die im öffentlichen
Interesse stehen, sich dessen bewusst sein, dass ihr Privatleben
aufgrund ihrer gesellschaftlichen Stellung - die sie oft infolge
ihrer eigenen Entscheidung einnehmen - automatisch stärkeren
Belastungen ausgesetzt ist.
7. Personen, die
im öffentlichen Interesse stehen, sind Personen, die ein
öffentliches Amt bekleiden und/oder öffentliche Mittel in
Anspruch nehmen und - noch genereller gesehen - alle diejenigen,
die eine Rolle im öffentlichen Leben spielen, sei es in der
Politik, der Wirtschaft, der Kunst, im Sozialbereich, im Sport
oder in anderen Bereichen.
8. Eingriffe in
die Privatsphäre von Menschen durch die Medien geschehen oft
unter Inanspruchnahme einer einseitigen Auslegung des in Artikel
10 der Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Rechts
der freien Meinungsäußerung, wobei die Medien beanspruchen, dass
ihre Leser das Recht haben, alles über diese Personen des
öffentlichen Interesses zu erfahren.
9. Bestimmte
Fakten in bezug auf das Privatleben von Personen des
öffentlichen Interesses, insbesondere von Politikern, können in
der Tat für die Bürger von Interesse sein, und es kann daher für
Leser, die ebenfalls Wähler sind, ein berechtigtes Anliegen
sein, über diese Fakten informiert zu werden.
10. Es ist daher
notwendig, einen Weg zu finden, um die Ausübung von zwei
grundlegenden Rechten, die beide in der Europäischen
Menschenrechtskonvention garantiert werden, nämlich das Recht
auf Wahrung der Privatsphäre und das Recht der freien
Meinungsäußerung, miteinander in Einklang zu bringen.
11. Die
Versammlung bekräftigt, dass das Recht auf Privatsphäre und das
Recht der freien Meinungsäußerung von grundlegender Bedeutung
für eine demokratische Gesellschaft sind. Diese Rechte sind
weder absolute Rechte noch stehen sie in einer bestimmten
Rangordnung, denn sie besitzen alle den gleichen Stellenwert.
12. Die
Versammlung weist jedoch darauf hin, dass das Recht auf
Privatsphäre, wie in Artikel acht der Europäischen
Menschenrechtskonvention garantiert, nicht nur den einzelnen vor
Eingriffen durch öffentliche Behörden, sondern auch vor
Eingriffen durch Privatpersonen oder Institutionen,
einschließlich der Massenmedien, schützen sollte.
13. Die
Versammlung ist der Ansicht, dass nachdem alle Mitgliedstaaten
mittlerweile die Europäische Menschenrechtskonvention
ratifiziert haben und nachdem viele nationale Gesetzgebungen
Regelungen vorsehen, die diesen Schutz gewährleisten, keine
Notwendigkeit besteht vorzuschlagen, ein neues Übereinkommen,
welches das Recht auf Privatsphäre garantiert, zu verabschieden.
14. Die
Versammlung fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf,
soweit derartige Gesetze noch nicht bestehen, Gesetze zu
verabschieden, mit denen das Recht auf Privatsphäre garantiert
wird und welche folgende Richtlinien enthalten oder, falls
derartige Gesetze bereits bestehen, diese durch folgende
Richtlinien zu ergänzen:
i. die
Möglichkeit, eine zivilrechtliche Klage anzustrengen, um bei
einem Eingriff in die Privatsphäre Schadensersatz beanspruchen
zu können, sollte gewährleistet sein;
ii. Verleger und
Journalisten sollten bei Veröffentlichungen, die einen Eingriff
in die Privatsphäre darstellen, ebenso haftbar gemacht werden
wie bei Verleumdungen;
iii. wenn
Verleger Informationen veröffentlicht haben, die sich als falsch
herausstellen, sollten sie ebenfalls verpflichtet werden, auf
Verlangen der Betroffenen, eine Gegendarstellung an nicht zu
übersehender Stelle zu veröffentlichen;
iv.
Wirtschaftssanktionen sollten in Betracht gezogen werden für
Verlagsanstalten, die systematisch die Privatsphäre von Menschen
durch Eingriffe verletzen;
v. die Verfolgung
oder Jagd von Personen, um sie zu fotografieren, filmen oder
Aufnahmen von ihnen zu machen in einer Art und Weise, die dazu
führt, dass sie daran gehindert werden, ein normales, ruhiges
und ungestörtes Privatleben zu genießen oder sogar dazu, dass
sie körperliche Schäden erleiden, sollte verboten werden;
vi. eine
Zivilklage des Opfers gegen den Fotografen oder eine direkt
betroffene Person sollte in solchen Fällen erlaubt sein, in
denen ,,Paparazzi" sich unerlaubten Zugang verschafft oder
,,Teleobjektive oder Mikrofone" verwendet haben, um
Aufzeichnungen zu erlangen, die sie anderenfalls nicht ohne
widerrechtlichen Zutritt erlangt hätten;
vii. für
Personen, die davon Kenntnis haben, dass über ihr Privatleben
Informationen oder Bilder verbreitet werden sollen, sollte die
Möglichkeit eines eiligen Rechtsschutzes gegeben sein, wie eine
einstweilige Verfügung oder eine vorläufige Beschlagnahme mit
dem Ziel, die Verbreitung des Materials auszusetzen,
vorbehaltlich einer richterlichen Entscheidung über die
Berechtigung der Klage wegen Eingriff in die Privatsphäre;
viii. die Medien
sollten ermutigt werden, eigene Richtlinien für
Veröffentlichungen einzuführen und ein Organ einzurichten, an
welches sich jeder Bürger wenden kann, um sich wegen
Beeinträchtigung seiner Privatsphäre zu beschweren und die
Veröffentlichung einer Richtigstellung zu beantragen.
15. Die
Versammlung fordert jene Regierungen auf, die dies noch nicht
getan haben, unverzüglich das Übereinkommen des Europarates zum
Schutz des Menschen bei der automatischen Verarbeitung
personenbezogener Daten zu ratifizieren.
16. Die
Versammlung fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten
ebenfalls auf:
i. die
Berufsverbände von Journalisten zu ermutigen, spezielle
Kriterien für die Berufszulassung sowie Normen der
Selbstkontrolle und einen journalistischen Verhaltenskodex zu
erarbeiten;
ii. als Teil der
journalistischen Ausbildung einen Rechtskurs vorzusehen, in dem
die Bedeutung des Rechts auf Privatsphäre gegenüber der
Gesellschaft als solcher herausgestellt wird;
iii. die
Entwicklung einer Medienkultur auf breiter Ebene verstärkt zu
fördern als Teil der Menschenrechtserziehung, um das Bewusstsein
der Mediennutzer für die mit dem Recht auf Wahrung der
Privatsphäre verbundenen Erfordernisse zu sensibilisieren;
iv. bei Verstößen
durch die Presse den Zugang zu Gerichten und Rechtsverfahren zu
erleichtern, um sicherzustellen, dass die Rechte von Opfern
besser geschützt werden."
RECHTLICHE WÜRDIGUNG
I. DIE BEHAUPTETE
VERLETZUNG DES ARTIKELS 8 DER KONVENTION
43. Die
Beschwerdeführerin behauptet, dass die Entscheidungen der
deutschen Gerichte ihr Recht auf Achtung ihres in Artikel 8 der
Konvention garantierten Privat- und Familienlebens verletzt
hätten. Dieser Artikel lautet wie folgt:
"(1) Jede Person
hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens,
ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.
(2) Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur
eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in
einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die
nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche
Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur
Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der
Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer."
A. Argumente
der Parteien und der Drittbeteiligten
1. Die
Beschwerdeführerin
44. Die
Beschwerdeführerin führt aus, seit zehn Jahren erfolglos zu
versuchen, ihr Recht auf Schutz des Privatlebens vor den
deutschen Gerichten geltend zu machen. Sofort nach Verlassen
ihres Hauses werde sie ständig von Paparazzi bedrängt, die
sämtliche Bewegungen in ihrem täglichen Leben verfolgten, ob sie
die Straße überquere, ihre Kinder von der Schule abhole,
Einkäufe tätige, spazieren gehe, Sport treibe oder in Ferien
fahre. Der Beschwerdeführerin zufolge ist der Schutz des
Privatlebens einer der Öffentlichkeit bekannten Person, wie sie
es sei, im deutschen Recht gering; in dieser Hinsicht sei der
vom Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht definierte
Begriff der Abgeschiedenheit viel zu eng gefasst. Zudem müsse
sie jedes Mal nachweisen, dass sie sich in örtlicher
Abgeschieden befinde, um in den Genuss dieses Schutzes zu
gelangen. Daher habe sie überhaupt keine Privatsphäre und könne
sich nicht frei bewegen, ohne eine Zielscheibe für Paparazzi zu
sein. Die Beschwerdeführerin führt aus, dass für die
Veröffentlichung von Fotos, die sie nicht bei offiziellen
Anlässen zeigen, in Frankreich ihre vorherige Zustimmung
erforderlich sei. Nun würden derartige Fotos regelmäßig in
Frankreich aufgenommen und dann nach Deutschland weiterverkauft
und dort veröffentlicht. Aufgrund der deutschen Rechtsprechung
werde somit der Schutz ihres Privatlebens, in dessen Genuss sie
in Frankreich komme, regelmäßig umgangen. Hinsichtlich der
Pressefreiheit gibt die Beschwerdeführerin an, deren wesentliche
Rolle in einer demokratischen Gesellschaft in Bezug auf
Informations- und Meinungsbildung nicht zu verkennen; gleichwohl
handele es sich in ihrem Fall um die einfache
Unterhaltungspresse, welche die voyeuristischen Tendenzen ihrer
Leserschaft zu befriedigen suche und mit generell banalen Fotos
aus ihrem Alltagsleben große Erlöse erzielen wolle. Schließlich
führt die Beschwerdeführerin erneut an, dass es ihr sachlich
unmöglich sei, für jedes Foto den Nachweis zu führen, dass sie
sich tatsächlich in örtlicher Abgeschiedenheit aufgehalten habe
oder nicht. Denn die Gerichtsverfahren fänden im Allgemeinen
mehrere Monate nach der Veröffentlichung der Fotos statt und
dies bedeute konkret, dass die Beschwerdeführerin ständig einen
Terminplan führen müsste, in dem ihre sämtlichen Bewegungen
aufgeführt sind, um sich gegen Paparazzi zu schützen, die sie
fotografieren könnten. Bei zahlreichen Fotos, die dieser
Beschwerde zugrunde liegen, sei es unmöglich nachzuvollziehen,
wann und wo die Fotos genau aufgenommen wurden.
2. Die
Regierung 45. Die Regierung behauptet, dass das deutsche
Recht auch unter Berücksichtigung der bedeutenden Rolle der
Pressefreiheit in einer demokratischen Gesellschaft über einen
hinlänglichen Schutz verfüge, um Missbräuche zu verhindern und
einen wirksamen Schutz der Privatsphäre, auch von Personen des
öffentlichen Interesses, zu gewährleisten. Im Übrigen hätten die
deutschen Gerichte der Regierung zufolge im vorliegenden Fall
einen gerechten Ausgleich zwischen den in Artikel 8 garantierten
Rechten der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Privatlebens
und der in Artikel 10 garantierten Pressefreiheit im Hinblick
auf den diesbezüglichen Ermessensspielraum des Staates
geschaffen. In der ersten Instanz hätten die Gerichte zunächst
festgestellt, dass die Fotos nicht in örtlicher Abgeschiedenheit
aufgenommen worden waren; und hätten, in der zweiten Instanz,
die Beschränkungen des Schutzes der Privatsphäre insbesondere im
Licht der Pressefreiheit geprüft, auch wenn es sich um
Veröffentlichungen von Fotos durch die Unterhaltungspresse
gehandelt habe. Der Persönlichkeitsschutz einer ,,absoluten
Person der Zeitgeschichte" erfordere nicht, dass die Fotos, die
ohne ihre Zustimmung veröffentlicht werden können, sich auf
solche beschränken, welche die betroffene Person in Ausübung
ihrer offiziellen Funktionen zeigen, denn die Allgemeinheit habe
ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wie sich diese Person
allgemein in der Öffentlichkeit verhält. Nach Auffassung der
Regierung steht diese Definition der Pressefreiheit durch das
Bundesverfassungsgericht in Einklang mit Artikel 10 der
Konvention und der diesbezüglichen Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Zudem stelle der
Begriff der örtlichen Abgeschiedenheit nur einen wenngleich
wichtigen Gesichtspunkt dar, der von den innerstaatlichen
Gerichten bei der Abwägung des Schutzes der Privatsphäre und der
Pressefreiheit berücksichtigt werde. Somit könnten, wenn der
Schutz der Privatsphäre geringer sei, weil eine der
Allgemeinheit bekannte Person an einem öffentlichen Ort
abgelichtet werde, andere Gesichtspunkte ebenfalls eine Rolle
spielen, wie beispielsweise die Art der Fotos, welche die
Allgemeinheit nicht schockieren dürfen. Schließlich erinnert die
Regierung daran, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs -
der die Veröffentlichung der Fotos, auf denen die
Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent
Lindon auf der Terrasse eines Restaurants in
Saint-Rémy-de-Provence abgebildet ist, für rechtswidrig erachtet
hatte - beweise, dass die Beschwerdeführerin über einen Schutz
der Privatsphäre auch außerhalb des häuslichen Bereichs verfüge.
3. Die
Drittbeteiligten
46. Der Verband
Deutscher Zeitschriftenverleger vertritt die Auffassung, dass
das deutsche Recht, welches in der Mitte zwischen den
Vorschriften in Frankreich und dem Vereinigten Königreich liege,
einen angemessenen Ausgleich zwischen Privatsphäre und
Pressefreiheit gewährleistet. Es würde ebenfalls die in der
Entschließung des Europarats Nr. 1165 aufgeführten Grundsätze
zum Schutz des Privatlebens sowie die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs achten, der stets die herausragende
Bedeutung der Presse in einer demokratischen Gesellschaft betont
habe. Ein legitimes Informationsinteresse der Allgemeinheit
bestehe nicht nur gegenüber Politikern, sondern auch gegenüber
Personen von öffentlichem Interesse, die aus anderen Gründen in
der Öffentlichkeit stünden. Die Rolle der Presse als
,,öffentlicher Wachhund" dürfe insoweit nicht eingeschränkt
interpretiert werden. Hier müsse auch die Tatsache
berücksichtigt werden, dass die Grenzen zwischen politischer
Berichterstattung und Unterhaltung allmählich aufgelöst würden.
Da ferner kein europäischer Standard zum Schutz der Privatsphäre
bestehe, habe der Staat einen weiten Beurteilungsspielraum in
diesem Bereich.
47. Die
Burda-Gesellschaft schließt sich den Ausführungen des Verbandes
Deutscher Zeitschriftenverleger an und betont, dass das deutsche
Recht stets in jedem Einzelfall von den Gerichten eine genaue
Abwägung des öffentlichen Informationsinteresses einerseits und
dem Schutz der Persönlichkeitsrechte andererseits verlange.
Dabei würden die ,,absoluten" Personen der Zeitgeschichte alles
andere als schutzlos sein, wobei die Tendenz der Rechtsprechung
in den letzten Jahren sogar in Richtung einer stärkeren Betonung
des Persönlichkeitsrechtsschutzes ginge. Außerdem sei die
Beschwerdeführerin offiziell seit dem Tod ihrer Mutter im Jahr
1982 ,,First Lady" der konstitutionellen Erbmonarchie Monaco,
womit ihr eine Vorbildfunktion zukomme. Ferner habe die Familie
Grimaldi stets die Aufmerksamkeit der Medien gesucht und sei
demnach für das öffentliche Interesse an ihr selbst
verantwortlich. Die Beschwerdeführerin könne infolgedessen - vor
allem wenn man ihre offiziellen Funktionen betrachte - nicht als
ein Opfer der Presse angesehen werden; sie würde durch die
angegriffenen Publikationen nicht in ihren
Persönlichkeitsrechten verletzt, weil die beanstandeten Bilder
aufgenommen worden seien, als sie Teil der Öffentlichkeit
gewesen sei, und keineswegs unwürdig seien.
B. Beurteilung
des Gerichtshofs
1. Bezüglich
des Beschwerdegegenstands
48. Der
Gerichtshof hebt zunächst hervor, dass die Fotos, auf denen die
Beschwerdeführerin mit ihren Kindern abgebildet ist, nicht mehr
Gegenstand dieser Beschwerde sind, wie der Gerichtshof in seiner
Zulässigkeitsentscheidung vom 8. Juli 2003 festgestellt hat.
Gleiches gilt für die in der Zeitschrift Freizeit Revue Nr. 30
vom 22. Juli 1993 veröffentlichten Fotos, auf denen die
Beschwerdeführerin in Begleitung des Schauspielers Vincent
Lindon auf der Terrasse eines Gartenlokals in
Saint-Rémy-de-Provence abgebildet ist (s. Rdnr. 11). Mit Urteil
vom 19. Dezember 1995 hat der Bundesgerichtshof in der Tat jede
neue Veröffentlichung dieser Fotos mit der Begründung untersagt,
dass diese das Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres
Privatlebens beeinträchtigten (s. Rdnr. 23).
49. Demnach
erachtet es der Gerichtshof für nützlich, darauf hinzuweisen,
dass die vorliegende Beschwerde die folgenden Fotos betrifft,
die Teil einer Serie von Artikeln bilden, die über die
Beschwerdeführerin erschienen sind:
das in der
Zeitschrift Bunte Nr.32 vom 5. August 1993 veröffentlichte Foto,
das die Beschwerdeführerin auf einem Pferd zeigt (s. Rdnr. 12);
- die in der
Zeitschrift Bunte Nr. 34 vom 19. August 1993 veröffentlichten
Fotos, die die Beschwerdeführerin allein beim Einkaufen, mit
Herrn Vincent Lindon in einem Restaurant, allein radfahrend und
mit einer Leibwächterin auf dem Markt zeigen (s. Rdnr. 13);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 10 vom 27. Februar 1997
veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin bei
ihrem Skiurlaub in Österreich abgebildet ist (s. Rdnr. 14);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 12 vom 13. März 1997
veröffentlichten Fotos, die die Beschwerdeführerin in Begleitung
des Prinzen Ernst August von Hannover oder allein beim Verlassen
ihrer Pariser Wohnung zeigen (s. Rdnr. 15);
- die in der Zeitschrift Bunte Nr. 16 vom 10. April 1997
veröffentlichten Fotos, auf denen die Beschwerdeführerin beim
Tennisspielen mit dem Prinzen Ernst August von Hannover
abgebildet ist oder wie beide ihre Fahrräder abstellen (s. Rdnr.
16);
- die in der Zeitschrift Neue Post Nr. 35/97 veröffentlichten
Fotos, die die Beschwerdeführerin beim Sturz über ein Hindernis
im ,,Beach Club" von Monte-Carlo zeigen (s. Rdnr. 17).
2. Bezüglich
der Anwendbarkeit des Artikels 8
50. Der
Gerichtshof erinnert daran, dass die Begriffsbestimmung
Privatleben eine Reihe von Aspekten beinhaltet, die sich auf die
Identität einer Person beziehen, wie den Namen der Person
(Rechtssache Burghartz ./, Schweiz, Urteil vom 22. Februar 1994,
Serie A, Bd. 280-B, S. 28, Rdnr. 24) oder das Recht am eigenen
Bild (Rechtssache Schüssel ./. Österreich, (Entsch.), Nr.
42409/98, 21. Februar 2002).
Außerdem
erstreckt sich der Bereich des Privatlebens nach dem Verständnis
des Gerichtshofs auf die physische und sittliche Integrität
einer Person; die Garantie aus Artikel 8 der Konvention dient
hauptsächlich dazu, die Entwicklung der Persönlichkeit jedes
Einzelnen im Rahmen der Beziehungen zu anderen Menschen unter
Ausschluss äußerer Eingriffe zu gewährleisten (siehe sinngemäß
Niemietz ./. Deutschland. Urteil vom 16. Dezember 1992, Serie A,
Bd. 251-B, S. 33, Rdnr. 29, und Botta ./. Italien, Urteil vom
24. Februar 1998, Sammlung der Urteile und Entscheidungen
1998-I, S. 422, Rdnr. 32). Demnach gibt es zwischen dem
Einzelnen und Dritten eine interaktive Zone, die auch in einem
öffentlichen Zusammenhang dem ,,Privatleben" zugerechnet werden
kann (siehe sinngemäß die Rechtssachen P.G. und J.H. ./.
Vereinigtes Königreich, Nr. 44787/98, Rdnr. 56, EuGHMR 2000-IX,
und Peck ./. Vereinigtes Königreich, Nr. 4464/98, Rdnr. 57,
EuGHMR 2003-I).
51. Der
Gerichtshof hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass eine Person
unter bestimmten Voraussetzungen eine ,,berechtigte Hoffnung"
auf Schutz und Achtung ihres Privatlebens hat. So hat er in
einer Rechtssache, in der es um die Überwachung des
Telekommunikationsverkehrs in Geschäftsräumen ging, die Meinung
vertreten, dass die Beschwerdeführerin ,,zu Recht den privaten
Charakter solcher Anrufe erwarten durfte" (Halford ./.
Vereinigtes Königreich, Urteil vom 25. Juni 1997, Sammlung
1997-III, S. 1016, Rdnr. 46).
52. Im Falle von
Fotos hat die Kommission zwecks Begrenzung der Tragweite des
Schutzes aus Artikel 8 gegen einen willkürlichen behördlichen
Eingriff geprüft, ob die Fotos sich auf private oder öffentliche
Angelegenheiten bezögen und ob das so gewonnene Material einer
eingeschränkten Nutzung dienen oder der Öffentlichkeit insgesamt
zur Verfügung gestellt werden sollte (siehe sinngemäß Friedl ./.
Österreich, Urteil vom 31. Januar 1995, Serie A, Bd. 305-B,
gütliche Einigung, Stellungnahme der Kommission, S. 21, Rdnr.
49-52, o.a. Rechtssache P.G. und J.H., Rdnr. 58 und o.a.
Rechtssache Peck, Rdnr. 61).
53. In der
vorliegenden Sache steht außer Zweifel, dass die von
verschiedenen deutschen Zeitschriften veröffentlichten Fotos,
auf denen die Beschwerdeführerin allein oder mit anderen
Personen im Rahmen ihres Alltagslebens zu sehen ist, ihr
Privatleben berühren.
3. Bezüglich
der Beachtung des Artikels 8
a. Die Wertung
durch die innerstaatlichen Gerichte
54. Der
Gerichtshof stellt fest, dass das Bundesverfassungsgericht mit
Urteil vom 15. Dezember 1999 die §§ 22 und 23 des
Kunsturhebergesetzes ausgelegt hat (s. Rdnr. 40-41), indem es
die Anforderungen der Pressefreiheit und diejenigen des
Privatsphärenschutzes, d.h. das Informationsinteresse der
Allgemeinheit und die berechtigten Interessen der
Beschwerdeführerin gegeneinander abgewogen hat. Auf diese Weise
hat das Bundesverfassungsgericht zwei Kriterien nach deutschem
Recht in Betracht gezogen, wobei eines funktionaler und das
andere räumlicher Natur ist. So war das Gericht der Auffassung,
dass die Beschwerdeführerin als ,,absolute" Person der
Zeitgeschichte über einen Schutz ihrer Privatsphäre auch
außerhalb des häuslichen Bereichs verfüge, jedoch nur dann, wenn
sie sich in räumlicher Abgeschiedenheit unter Ausschluss der
Öffentlichkeit befände, "in die sich die betroffene Person
zurückzieht, um dort objektiv erkennbar für sich allein zu sein
und in der sie sich im Vertrauen auf die Abgeschiedenheit so
verhält, wie sie es in der breiten Öffentlichkeit nicht tun
würde". Im Licht dieser Kriterien kam das
Bundesverfassungsgericht zu dem Schluss, dass die Entscheidung
des Bundesgerichtshofs vom 19. Dezember 1995 bezüglich der
Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos in Einklang
mit dem Grundgesetz stehe; bei seiner Würdigung hat es der
Pressefreiheit entscheidende Bedeutung beigemessen, selbst wenn
es sich um die Unterhaltungspresse handele, wie auch dem
Interesse der Allgemeinheit zu erfahren, wie sich die
Beschwerdeführerin außerhalb ihrer Repräsentationspflichten
verhalte (s. Rdnr. 25).
55. In den
nachfolgenden von der Beschwerdeführerin angestrengten Verfahren
hat das Bundesverfassungsgericht ihre Beschwerden unter Berufung
auf sein Grundsatzurteil nicht zur Entscheidung angenommen (s.
Rdnr. 32 und 38).
b. Die
allgemeinen Grundsätze in Bezug auf den Schutz des Privatlebens
und die freie Meinungsäußerung
56. In der
vorliegenden Sache beklagt die Beschwerdeführerin nicht eine
staatliche Handlung, sondern den mangelnden Schutz ihres
Privatlebens und ihres Rechts am eigenen Bild seitens des
Staats.
57. Der
Gerichtshof macht wiederholt deutlich, dass Artikel 8, auch wenn
es sein grundsätzliches Ziel ist, den Einzelnen vor
willkürlichen behördlichen Eingriffen zu schützen, sich nicht
darauf beschränkt, dem Staat aufzuerlegen, sich solcher
Eingriffe zu enthalten: zu diesen negativen können positive
Verpflichtungen hinzukommen, die Bestandteil einer wirksamen
Achtung des Privat- und Familienlebens sind. Diese
Verpflichtungen können Maßnahmen erforderlich machen, die der
Achtung der Privatsphäre dienen und bis in die Beziehungen
zwischen den Einzelnen untereinander hineinreichen (siehe
sinngemäß die Rechtssachen X. und Y. ./. Niederlande, Urteil vom
26. März 1985, Serie A, Bd. 91, S. 11, Rdnr. 23, und Stjerna ./.
Finnland, Urteil vom 25. November 1994, Serie A, Bd. 299-B, S.
61, Rdnr. 38, und Verliere ./. Schweiz (Entsch.), Nr. 41953/98,
28. Juni 2001).
Dies gilt auch
für den Schutz des Rechts am eigenen Bild vor dem Missbrauch
durch Dritte (siehe die s. Rechtssache Schüssel). Die Abgrenzung
der positiven von den negativen Verpflichtungen des Staates aus
Artikel 8 eignet sich zwar nicht für eine präzise Bestimmung,
doch sind die anwendbaren Grundsätze durchaus vergleichbar. In
beiden Fällen ist insbesondere ein ausgewogenes Gleichgewicht
zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und der
Allgemeinheit insgesamt herzustellen und zu beachten, wobei der
Staat in beiden Fällen über einen Ermessensspielraum verfügt
(siehe unter zahlreichen Präzedenzfällen die Rechtssachen Keegan
./. Irland, Urteil vom 26. Mai 1994, Serie A Bd. 290, S. 19,
Rdnr. 49, und die o.a. Sache Botta, S. 427, Rdnr. 33).
58. Dieser Schutz
des Privatlebens ist mit der nach Artikel 10 der Konvention
garantierten freien Meinungsäußerung zu einem Ausgleich zu
bringen.
In diesem
Zusammenhang erinnert der Gerichtshof daran, dass die Freiheit
der Meinungsäußerung eine der Grundfesten einer demokratischen
Gesellschaft darstellt. Vorbehaltlich von Artikel 10 Absatz 2
gilt diese nicht nur für die ,,Informationen" oder ,,Ideen", die
Zustimmung finden oder als harmlos oder unerheblich betrachtet
werden, sondern auch für solche, die verletzend, schockierend
oder beunruhigend wirken. Dies gebieten nämlich der Pluralismus,
die Toleranz und die Aufgeschlossenheit, ohne die es eine
,,demokratische Gesellschaft" nicht geben kann (Rechtssache
Handyside ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 7. Dezember
1976, Serie A, Bd. 24, S. 23, Rdnr. 49).
In diesem Rahmen
kommt der Presse eine wesentliche Rolle in einer demokratischen
Gesellschaft zu: Wenn sie auch bestimmte Grenzen nicht
überschreiten darf, so insbesondere beim Schutz des guten Rufs
und der Rechte anderer, obliegt es ihr gleichwohl, unter Achtung
ihrer Pflichten und Verantwortlichkeiten Informationen und Ideen
zu allen Fragen von Allgemeininteresse weiterzugeben (siehe
unter zahlreichen Präzedenzfällen die Rechtssachen Observer und
Guardian ./. Vereinigtes Königreich, Urteil vom 26. November
1991, Serie A, Bd. 216, S. 29-30, Rdnr. 59, und Blådet Tromsø
und Steensaas ./. Norwegen [GC], Nr. 21980/93, Rdnr. 59, EuGHMR
1999-III). Die journalistische Freiheit beinhaltet auch den
etwaigen Rückgriff auf einen gewissen Grad an Übertreibung oder
sogar Provokation (Rechtssachen Prager und Oberschlick ./.
Österreich, Urteil vom 26. April 1995, Serie A, Bd. 313, S. 19,
Rdnr. 38, und Tammer ./. Estland, 6. Februar 2001, Nr. 41205/98,
Rdnr. 59-63, und Prisma Presse ./. Frankreich (Entsch.), Nr.
66910/01 u. 71612/01, 1. Juli 2003).
59. Obwohl die
Freiheit der Meinungsäußerung auch für die Veröffentlichung von
Fotos gilt, so handelt es sich hier aber um einen Bereich, in
dem der Schutz des guten Rufs und der Rechte anderer eine
besondere Bedeutung einnimmt. Es handelt sich hier nicht um die
Verbreitung von ,,Ideen", sondern von Bildern, die sehr
persönliche oder sogar intime ,,Informationen" über einen
Menschen enthalten. Außerdem entstehen die in der
Boulevardpresse veröffentlichten Fotos oftmals unter
Bedingungen, die einer Dauerbelästigung gleichkommen und von der
betroffenen Person als besonders heftiges Eindringen in ihr
Privatleben, wenn nicht sogar als Verfolgung empfunden werden.
60. In den
Sachen, in denen es um den Ausgleich zwischen dem Schutz der
Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung ging und über die
der Gerichtshof zu entscheiden hatte, hat er stets auf den
Beitrag abgestellt, den Fotos oder Artikel in der Presse zu
einer Debatte von allgemeinem Interesse leisten (siehe unlängst
die o.a. Rechtssache Tammer, Rdnr. 59 ff., News Verlags GmbH &
Co KG ./. Österreich, Nr. 31457/96, Rdnr. 52 u.ff., EGMR 2000-I,
und Krone Verlags GmbH & Co KG ./. Österreich, Nr. 34315/96,
Rdnr. 33 ff., 26. Februar 2002). So hat der Gerichtshof in einer
Rechtssache die Auffassung vertreten, dass die Verwendung
bestimmter Begriffe zwecks Charakterisierung des Privatlebens
eines Einzelnen nicht ,,durch das Interesse der Öffentlichkeit
gerechtfertigt" sei und dass diese Ausdrücke ,,sich nicht auf
eine Frage von allgemeinem Interesse bezogen hätten" (s.
Rechtssache Tammer, Rdnr. 68); daraufhin kam er zu dem Schluss,
dass eine Verletzung des Artikels 10 nicht vorläge. In einem
anderen Fall hat der Gerichtshof hingegen die Tatsache
unterstrichen, dass die anhängige Sache von besonderer
Aktualität und ,,von großem Interesse für die Öffentlichkeit"
sei und dass die veröffentlichten Fotos ,,sich nicht auf Details
aus dem Privatleben" der betroffenen Person bezögen (s.
Rechtssache Krone Verlag, Rdnr. 37); daraufhin kam er zu dem
Schluss, dass eine Verletzung des Artikels 10 vorläge. So war
der Gerichtshof auch in einer jüngsten Rechtssache, bei der es
um die Veröffentlichung eines Buchs des früheren Leibarztes des
Präsidenten Mitterand mit Enthüllungen über dessen
Gesundheitszustand ging, der Meinung, dass ,,je weiter die Zeit
fortgeschritten sei, umso mehr gewinne das öffentliche Interesse
an den beiden siebenjährigen Amtszeiten des Präsidenten
Mitterand gegenüber den Anforderungen des Schutzes seiner Rechte
in Bezug auf die ärztliche Verschwiegenheit die Oberhand" (Plon
(Société) ./. Frankreich, Nr. 58148/00, Rdnr. 53, 18. Mai 2004);
daraufhin kam er zu dem Schluss, dass eine Verletzung des
Artikels 10 vorläge.
c. Die
Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze durch den Gerichtshof
61. Der
Gerichtshof hebt zunächst hervor, dass die in verschiedenen
deutschen Zeitschriften abgedruckten Fotos der
Beschwerdeführerin diese im Alltagsleben zeigen, also bei rein
privaten Tätigkeiten: beim Sport, Spazieren gehen, Verlassen
eines Restaurants oder im Urlaub. Diese Fotos, auf denen die
Beschwerdeführerin entweder allein oder in Begleitung anderer
Personen abgebildet ist, sind Teil einer Serie von Artikeln mit
harmlose Überschriften wie ,,Vom einfachen Glück", ,,Caroline
... eine Frau kehrt ins Leben zurück", ,,Mit Prinzessin Caroline
unterwegs in Paris" oder ,,Der Kuss". Oder: jetzt verstecken sie
sich nicht mehr" (s. Rdnr. 11-17).
62. Der
Gerichtshof stellt danach fest, dass die Beschwerdeführerin als
Mitglied des monegassischen Fürstenhauses
Repräsentationsaufgaben bei bestimmten kulturellen Ereignissen
oder Wohltätigkeitsveranstaltungen wahrnimmt. Sie übt aber keine
Funktion innerhalb oder im Auftrag des monegassischen Staates
oder seiner Einrichtungen aus (s. Rdnr. 8).
63. Der
Gerichtshof ist der Ansicht, dass ein grundsätzlicher
Unterschied gemacht werden muss zwischen einer Berichterstattung
über Fakten, die - selbst wenn sie kontrovers behandelt werden -
geeignet sind, zu einer Debatte in einer demokratischen
Gesellschaft beizutragen, wenn sie sich auf Politiker
beispielsweise in Ausübung ihrer Ämter bezieht, und einer
Berichterstattung über Einzelheiten aus dem Privatleben einer
Person, die überdies solche Funktionen wie im vorliegenden Fall
nicht ausübt. Wenn die Presse im ersten Fall auch ihre
wesentliche Rolle als ,,Wachhund" in einer demokratischen
Gesellschaft spielt und dazu beiträgt ,,Ideen und Informationen
zu Fragen von öffentlichem Interesse weiterzugeben" (s.
Rechtssache Observer und Guardian, ibidem), so trifft dies auf
den zweiten Fall nicht zu.
64. Selbst wenn
es ein Informationsrecht der Öffentlichkeit gibt, das in einer
demokratischen Gesellschaft als wesentlich gilt und sich unter
bestimmten Umständen auch auf Aspekte des Privatlebens von
Personen des öffentlichen Lebens erstrecken kann, insbesondere
im Fall von Politikern (s. Rechtssache Plon (Société), ibidem),
so trifft dies auf die vorliegende Sache nicht zu: Diese ist in
der Tat außerhalb jeglicher politischen oder öffentlichen
Debatte angesiedelt, weil die veröffentlichten Fotos nebst
Kommentaren sich ausschließlich auf Details aus dem Privatleben
der Beschwerdeführerin beziehen.
65. Der
Gerichtshof ist demnach wie in ähnlichen von ihm gewürdigten
Rechtssachen der Auffassung, dass im vorliegenden Fall die
Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos und Artikel,
die nur dem Zweck dienten, die Neugier eines bestimmten
Publikums im Hinblick auf Einzelheiten aus dem Privatleben der
Beschwerdeführerin zu befriedigen, trotz des Bekanntheitsgrads
der Beschwerdeführerin nicht als ein Beitrag zu einer Debatte
von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse angesehen werden
kann (siehe sinngemäß die Rechtssachen Jaime Campmany y Diez de
Revenga und Juan Luís Lopez-Galiacho Perona ./. Spanien,
(Entsch.), Nr. 54224/00, 12. Dezember 2000, Julio Bou Gibert und
El Hogar Y La Moda J.A. ./. Spanien, (Entsch.), Nr. 14929/02,
13. Mai 2003, und die s. Sache Prisma Presse).
66. Unter diesen
Voraussetzungen gebietet die freie Meinungsäußerung eine weniger
weite Auslegung (siehe die o.a. Rechtssache Prisma Presse und
zum Beweis des Gegenteils die o.a. Sache Krone Verlag, Rdnr.
37).
67. In diesem
Zusammenhang berücksichtigt der Gerichtshof auch die
Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats
zum Schutz des Rechts auf Privatleben, in der ,,die einseitige
Auslegung des Rechts der freien Meinungsäußerung" durch
bestimmte Medien unterstrichen wird, insoweit als diese die
Verletzungen des Rechts aus Artikel 8 der Konvention damit zu
rechtfertigen versuchen, dass ,,ihre Leser ein Anrecht darauf
hätten, alles über Personen des öffentlichen Lebens zu erfahren"
(s. Rdnr. 42 und die o.a. Rechtssache Prisma Presse).
68. Außerdem
erscheint dem Gerichtshof ein anderer Aspekt von Bedeutung:
Selbst wenn diese Beschwerde sich im engeren Sinn nur auf die
Veröffentlichung der streitgegenständlichen Fotos und Artikel in
verschiedenen deutschen Zeitschriften bezieht, so kann der
Zusammenhang, in dem diese Fotos gemacht wurden - ohne Wissen
und Zustimmung der Beschwerdeführerin - und angesichts der
Belästigung, der zahlreiche Personen des öffentlichen Lebens in
ihrem Alltag ausgesetzt sind, nicht gänzlich außer Acht gelassen
werden (s. Rdnr. 59).
Dieser Aspekt
wird besonders deutlich durch die im ,,Beach-Club" von
Monte-Carlo aufgenommenen Bilder veranschaulicht, als die
Beschwerdeführerin über ein Hindernis stolperte und hinfiel (s.
Rdnr. 17). Ganz offensichtlich sind diese Fotos heimlich aus
einigen Hundert Metern Entfernung vermutlich von einem Haus in
der Nähe aus aufgenommen worden, weil der Zugang von
Journalisten und Fotografen zu dieser Anlage strikt geregelt war
(s. Rdnr. 33).
69. Der
Gerichtshof erinnert an die grundsätzliche Bedeutung des
Schutzes des Privatlebens bei der Entfaltung der Persönlichkeit
jedes Einzelnen, wobei dieser Schutz - wie oben bereits
dargelegt - über den intimen Familienkreis hinausgeht und auch
eine soziale Komponente beinhaltet. Ihm zufolge muss jeder, auch
eine der breiten Öffentlichkeit bekannte Person, eine
,,berechtigten Hoffnung" auf Schutz und Achtung seiner
Privatsphäre haben (s. Rdnr. 51 und sinngemäß die o.a.
Rechtssache Halford, Rdnr. 45).
70. Außerdem ist
angesichts des technischen Fortschritts bei der Aufzeichnung und
Wiedergabe personenbezogener Daten eine verstärkte Wachsamkeit
beim Schutz des Privatlebens geboten (siehe Ziffer 5 der
Entschließung der Parlamentarischen Versammlung zum Schutz des
Rechts auf Privatleben - o.a. Rdnr. 42 - und sinngemäß die
Rechtssachen Amann ./. Schweiz [GC], Nr. 27798/95, Rdnr. 65-67,
EGMR 2000-II, Rotaru ./. Rumänien [GC], Nr. 28341/95, Rdnr.
43-44, EGMR 2000-V, o.a. P.G. und J.H, Rdnr. 57-60, und o.a.
Peck, Rdnr. 59-63 u. 78). Dies gilt ebenso für die systematische
Aufnahme bestimmter Lichtbilder und ihre großflächige
Verbreitung in der Öffentlichkeit.
71. Schließlich
erinnert der Gerichtshof daran, dass die Konvention darauf
abzielt, nicht nur theoretische oder illusorische, sondern
konkrete und effektive Rechte zu schützen (siehe sinngemäß
Artico ./. Italien, Urteil vom 13. Mai 1980, Serie A, Bd. 37, S.
15-16, Rdnr. 33).
72. Dem
Gerichtshof bereitet es allerdings Schwierigkeiten, der
Auslegung der innerstaatlichen Gerichte zu § 23 Abs.1 des
Kunsturhebergesetzes zu folgen, derzufolge eine Person als
solche als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte eingestuft
wird. Eine solche Definition kann, da sie einen sehr begrenzten
Schutz des Privatlebens und des Rechts am eigenen Bild bietet,
für Persönlichkeiten aus dem Bereich der Politik gelten, die
öffentliche Ämter bekleiden. Sie kann aber nicht für eine
,,Privatperson" wie die Beschwerdeführerin gelten, bei der das
Interesse der breiten Öffentlichkeit und der Presse
ausschließlich auf ihre Zugehörigkeit zu einer Herrscherfamilie
gestützt ist, während sie selbst keine offiziellen Funktionen
ausübt. Unter diesen Voraussetzungen dürfte jedenfalls nach
Auffassung des Gerichtshofs eine restriktive Auslegung dieses
Gesetzes geboten sein, damit der Staat seine positive
Verpflichtung im Sinne des Schutzes des Privatlebens und des
Rechts am eigenen Bild nach Maßgabe der Konvention erfüllen
kann.
73. Schließlich
muss die Unterscheidung zwischen ,,absoluten" und ,,relativen"
Personen der Zeitgeschichte eindeutig und offensichtlich sein,
damit der Einzelne in einem Rechtsstaat über präzise Angaben
bezüglich seines künftigen Verhaltens verfügt. Er muss
insbesondere ganz genau wissen, wann und wo er sich in einem
Schutzbereich befindet oder im Gegenteil in einem Bereich, in
dem ein Eingriff seitens eines anderen und vorwiegend der
Boulevardpresse zu erwarten ist.
74. Der
Gerichtshof vertritt demnach die Auffassung, dass die von den
innerstaatlichen Gerichten in der Sache herangezogenen Kriterien
unzureichend waren, um einen wirksamen Schutz der Privatsphäre
der Beschwerdeführerin zu gewährleisten: Als ,,absolute" Person
der Zeitgeschichte kann diese - im Namen der Pressefreiheit und
des Allgemeininteresses - in der Tat nur dann einen Schutz ihres
Privatlebens geltend machen, wenn sie sich in einer örtlichen
Abgeschiedenheit unter Ausschluss der Öffentlichkeit befindet
und sie dies außerdem nachzuweisen vermag, was sich als
schwierig herausstellen kann. Ist dies nicht der Fall, muss sie
akzeptieren, fast jederzeit und systematisch fotografiert zu
werden, und hinnehmen, dass diese Abbildungen danach sehr
weitgehend verbreitet werden, selbst wenn diese Fotos und die
sie begleitenden Artikel, was hier zutrifft, sich ausschließlich
auf Einzelheiten ihres Privatlebens beziehen.
75. Nach Ansicht
des Gerichtshofs dürfte das Kriterium der örtlichen
Abgeschiedenheit, selbst wenn es in der Theorie eindeutig
erscheinen mag, in der Praxis als zu vage erscheinen und
schwerlich im Voraus für die betroffene Person zu bestimmen
sein: In der vorliegenden Sache reicht die alleinige Tatsache,
die Beschwerdeführerin als ,,absolute" Person der Zeitgeschichte
einzustufen, nicht aus, um einen solchen Eingriff in ihre
Privatsphäre zu rechtfertigen.
d.
Schlussfolgerung
76. Wie zuvor
dargelegt, ist der Gerichtshof der Meinung, dass bei der
Gewichtung des Schutzes der Privatsphäre und der Freiheit der
Meinungsäußerung als bestimmender Faktor der Beitrag zu gelten
hat, den die veröffentlichten Fotos und Artikel zur Debatte mit
Allgemeininteresse erbringen. In der vorliegenden Sache ist aber
festzustellen, dass ein solcher Beitrag fehlt, weil die
Beschwerdeführerin keine offiziellen Funktionen erfüllt und die
streitgegenständlichen Fotos und Artikel sich ausschließlich auf
Einzelheiten aus ihrem Privatleben beziehen.
77. Außerdem hat
die Öffentlichkeit dem Gerichtshof zufolge kein legitimes
Interesse daran zu erfahren, wo die Beschwerdeführerin sich
aufhält und wie sie sich allgemein in ihrem Privatleben verhält,
selbst wenn sie sich an Orte begibt, die nicht immer als
abgeschieden bezeichnet werden können, auch wenn sie eine
bekannte Persönlichkeit ist. Und selbst wenn ein solches
Interesse der Öffentlichkeit bestünde, ebenso wie ein
kommerzielles Interesse der Zeitschriften an der
Veröffentlichung von Fotos und Artikeln, so haben diese
Interessen nach Auffassung des Gerichtshofs im vorliegenden Fall
hinter dem Recht der Beschwerdeführerin auf wirksamen Schutz
ihres Privatlebens zurückzutreten.
78. Schließlich
seien nach Ansicht des Gerichtshofs die Kriterien der
innerstaatlichen Gerichte nicht ausreichend, um einen wirksamen
Schutz des Privatlebens der Beschwerdeführerin zu gewährleisten,
wobei die Letztgenannte unter den gegebenen Umständen eine
,,berechtigte Hoffnung" auf Schutz ihres Privatlebens hätte
haben müssen.
79. Angesichts
all dieser Aspekte und trotz des Ermessensspielraums, über den
der Staat verfügt, ist der Gerichtshof der Meinung, dass die
deutschen Gerichte keinen gerechten Ausgleich zwischen den
konkurrierenden Interessen bewirkt haben.
80. Daher ist
Artikel 8 der Konvention verletzt worden.
81. Angesichts
dieser Feststellung erachtet der Gerichtshof es für nicht
erforderlich, über die Rüge der Beschwerdeführerin betreffend
ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens zu entscheiden.
II. DIE ANWENDUNG
DES ARTIKELS 41 DER KONVENTION
82. Artikel 41
der Konvention lautet wie folgt:
"Stellt der
Gerichtshof fest, dass diese Konvention oder die Protokolle dazu
verletzt worden sind, und gestattet das innerstaatliche Recht
der Hohen Vertragspartei nur eine unvollkommene Wiedergutmachung
für die Folgen dieser Verletzung, so spricht der Gerichtshof der
verletzten Partei eine gerechte Entschädigung zu, wenn dies
notwendig ist."
83. Die
Beschwerdeführerein verlangt als Ersatz des
Nichtvermögensschadens den Betrag in Höhe von 50.000 Euro (EUR),
weil ihres Erachtens die deutsche Rechtsprechung sie daran
hindere, mit ihren Kindern ein normales Leben geschützt vor der
Medienbelästigung zu führen. Außerdem fordert sie die
Rückerstattung ihrer Kosten und Auslagen in Höhe von 142.851,31
EUR für die zahllosen Verfahren, die sie vor den deutschen
Instanzen führen musste.
84. Die Regierung
bestreitet die geforderten Beträge. In Bezug auf den
Nichtvermögensschaden erinnert sie daran, dass die
Beschwerdeführerin nach deutschem Recht auch außerhalb des
häuslichen Bereichs Privatsphärenschutz genieße, was in
besonderem Maße für die Kinder gelte. Was die Kosten und
Auslagen anbelangt, so ist die Regierung der Meinung, dass die
genannten Verfahren nicht berücksichtigt werden können, dass die
Höhe bestimmter Streitwerte unter dem angegebenen Wert lägen und
dass die geforderten Anwaltshonorare angesichts ihrer Höhe nicht
erstattungsfähig sind.
85. Der
Gerichtshof ist der Auffassung, dass die Frage der Anwendung des
Artikels 41 noch nicht spruchreif ist. Infolgedessen behält er
sich die Beurteilung dieser Frage vor und wird das weitere
Verfahren unter Berücksichtigung der Möglichkeit bestimmen, dass
die Regierung und die Beschwerdeführer eine Einigung erzielen.
AUS DIESEN
GRÜNDEN ENTSCHEIDET DER GERICHTSHOF EINSTIMMIG,
1. dass Artikel 8
der Konvention verletzt ist;
2. dass die Frage
der Anwendung von Artikel 41 der Konvention noch nicht
spruchreif ist; infolgedessen
a) behält er sich
die Beurteilung dieser Frage ganz vor;
b) fordert er die Regierung und die Beschwerdeführerin auf, ihm
schriftlich innerhalb von sechs Monaten, nachdem das Urteil
gemäß Artikel 44 Abs. 2 der Konvention endgültig geworden ist,
ihre Stellungnahme zu der Frage zu unterbreiten und
insbesondere, ihn von jeder Einigung, die sie möglicherweise
erzielen, zu unterrichten;
c) behält er sich die Bestimmung des weiteren Verfahrens vor und
beauftragt den Kammerpräsidenten, das weitere Verfahren
erforderlichenfalls zu bestimmen.
Ausgefertigt in
französischer Sprache und anschließend am 24. Juni 2004
verkündet im Menschenrechtspalast zu Straßburg.
Vincent Berger
Ireneu Cabral Barreto
Kanzler Präsident
Diesem Urteil
sind gemäß Artikel 45 Abs. 2 der Konvention und Artikel 74 Abs.
2 der Verfahrensordnung die folgenden gesonderten Meinungen
beigefügt.
-
übereinstimmende Meinung von Herrn Cabral Barreto;
-
übereinstimmende Meinung von Herrn Zupancic
I.C.B.
V.B.
TEILWEISE
ÜBEREINSTIMMENDE UND TEILWEISE ABWEICHENDE MEINUNG DES RICHTERS
CABRAL BARRETO
Ich bin der
Auffassung, dass eine Verletzung des Artikels 8 der Konvention
vorliegt, bin aber nicht in der Lage, der Argumentation der
Mehrheit zu folgen.
1. In ihren
Schlussfolgerungen haben meine Kollegen ausgeführt, dass ,,bei
der Gewichtung des Schutzes der Privatsphäre und der Freiheit
der Meinungsäußerung als bestimmender Faktor der Beitrag zu
gelten hat, den die veröffentlichten Fotos und Artikel zu einer
Debatte von allgemeinem Interesse erbringen" und dass ,,die
Öffentlichkeit kein legitimes Interesse daran hat zu erfahren,
wo die Beschwerdeführerin sich aufhält und wie sie sich
allgemein in ihrem Privatleben verhält, selbst wenn sie sich an
Orte begibt, die nicht immer als abgeschieden bezeichnet werden
können, auch wenn sie eine bekannte Persönlichkeit ist".
Für die Mehrheit
galt die Veröffentlichung der umstrittenen Fotos und Artikel
nicht als Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse,
weil die Beschwerdeführerin keine offiziellen Funktionen ausübe
und die umstrittenen Fotos und Artikel sich ausschließlich auf
Einzelheiten aus ihrem Privatleben bezögen.
Meines Erachtens
ist die Beschwerdeführerin aber eine Person des öffentlichen
Lebens und die Öffentlichkeit hat ein Anrecht auf Informationen
zu ihrem Leben.
Demnach müsste
die Lösung in einem gerechten Ausgleich zwischen dem Recht der
Beschwerdeführerin auf Schutz ihres Privatlebens und dem
Informationsrecht der Öffentlichkeit gefunden werden.
2. Die
Beschwerdeführerin ist eine Person des öffentlichen Lebens,
selbst wenn sie keine Funktion innerhalb oder im Auftrag des
monegassischen Staats oder einer seiner Einrichtungen ausübt.
Personen des
öffentlichen Lebens sind solche, die offizielle Funktionen
wahrnehmen und/oder auf öffentliche Ressourcen zurückgreifen und
generell alle diejenigen, die im öffentlichen Leben eine Rolle
spielen, ob in Politik, Wirtschaft, Kunst, Gesellschaft, Sport
oder in anderen Bereichen - Artikel 7 der Entschließung 1165
(1998) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats über das
Recht auf Schutz des Privatlebens (Randnummer 42 des Urteils).
Es ist bekannt,
dass die Beschwerdeführerin seit Jahren eine Rolle im
öffentlichen Leben Europas spielt, auch wenn sie keine
offiziellen Funktionen in ihrem Land wahrnimmt.
Um das
öffentliche Interesse an ihrer Person zu ermessen, braucht man
nur den Umfang der Berichterstattung über ihr öffentliches und
privates Leben zu betrachten.
Unlängst hat die
Presse herausgestellt, dass die Beschwerdeführerin bei der
Ankunft zur Hochzeitsfeier des spanischen Prinzen Felipe eine
der von der Öffentlichkeit am meisten umjubelten
Persönlichkeiten der ,,high society" in Europa und der Welt war.
Die Beschwerdeführerin ist meines Erachtens eine Person des
öffentlichen Interesses und die Informationen über ihr Leben
tragen zur Debatte von allgemeinem Interesse bei.
Das allgemeine
Interesse muss nicht unbedingt auf politische Debatten
beschränkt bleiben. Wie die Parlamentarische Versammlung
festgestellt hat, können ,,eine Reihe von Fakten aus der
Privatsphäre von Personen des öffentlichen Interesses,
insbesondere von Politikern, für die Mitbürger von Interesse
sein".
Wenn dies auf die
Politiker zutrifft, gilt dies auch für alle anderen Personen des
öffentlichen Lebens, für die sich ein bestimmtes Publikum
interessiert.
Es ist demnach
erforderlich, einen Ausgleich zwischen zwei Grundrechten zu
finden: dem Recht der Person des öffentlichen Lebens auf Schutz
der Privatsphäre und dem Recht des Einzelnen auf freie
Meinungsäußerung, was das Informationsrecht der Allgemeinheit
umfasst.
Ich pflichte der
Mehrheit bei, dass das Privatleben einer Person des öffentlichen
Interesses nicht an ihrer Haustür aufhört. Man muss aber
zugeben, dass das Leben einer Person des öffentlichen Interesses
außerhalb ihres häuslichen Bereichs und insbesondere an
öffentlichen Orten wegen des Bekanntheitsgrads des Betroffenen
gewissen Zwängen unterworfen ist. Der Bekanntheitsgrad und das
allgemeine Interesse erfordern hier eine unterschiedliche
Behandlung des Privatlebens eines gewöhnlichen Menschens und
desjenigen einer Person des öffentlichen Lebens.
Wie das
Bundesverfassungsgericht darlegte, ,,hat die Öffentlichkeit ein
berechtigtes Interesse daran zu erfahren, ob solche Personen,
die oft als Idol oder Vorbild gelten, funktionales und
persönliches Verhalten überzeugend in Übereinstimmung bringen".
Ich gestehe ein, dass die Festlegung der Grenze bei der
Privatsphäre einer Person des öffentlichen Lebens keine sehr
einfache Aufgabe ist.
Außerdem könnte
ein starres Kriterium zu Lösungen führen, die mit der ,,Natur
der Sache" nicht übereinstimmten. Es ist offensichtlich, dass im
Fall der Abgeschiedenheit alle dort stattfindenden Ereignisse
vom Privatsphärenschutz abgedeckt werden müssten.
Wie es scheint,
ist aber das Kriterium der deutschen Gerichte - die örtliche
Abgeschiedenheit - sehr restriktiv. Meines Erachtens hat in
allen Situationen, in denen die Person des öffentlichen
Interesses die ,,berechtigte Hoffnung" auf Schutz vor den Medien
haben könnte, das Recht auf Schutz ihres Privatlebens Vorrang
gegenüber dem Recht auf freie Meinungsäußerung oder auf
Information.
Es wird nie
einfach sein, die Situationen zu konkretisieren, die
möglicherweise diese ,,berechtigten Hoffnung" kennzeichnen,
weshalb sich eine einzelfallbezogene Regelung anbietet.
Und auch bei
diesem kasuistischen Ansatz sind daher Meinungsverschiedenheiten
verständlich. Die Mehrheit misst z.B. der Tatsache Bedeutung zu,
dass die Fotos im ,,Beach-Club" von Monte-Carlo heimlich
aufgenommen worden sind.
Ich stelle das
Erfordernis nicht in Abrede, die Tatsache zu berücksichtigen,
dass die Bilder aus weiter Entfernung gemacht wurden,
insbesondere wenn die Person sich in einer Lage befand, in der
sie in zu Recht annehmen konnte, den Blicken der Öffentlichkeit
nicht ausgesetzt zu sein.
Aber die
Badeanstalt ,,Beach-Club" war keine abgeschlossene Räumlichkeit
mit allgemeinem Publikumsverkehr und überdies von den
Nachbargebäuden einsehbar.
Kann man an einem
solchen Ort vernünftigerweise hoffen, den Blicken der
Öffentlichkeit oder der Medien nicht ausgesetzt zu sein? Das
glaube ich nicht.
Dasselbe
Kriterium scheint mir in Bezug auf die Fotos zu gelten, auf
denen die Beschwerdeführerin in anderen Situationen ihres
Alltagslebens abgebildet ist und aus denen nicht ersichtlich
wird, dass sie einen Schutz ihres Privatlebens erwarten konnte.
Ich denke hier an die Abbildungen, die sie beim Einkaufen
zeigen.
Hingegen sind
andere Fotos - z.B. die Aufnahmen der Beschwerdeführerin beim
Reiten oder Tennisspielen - an Orten und unter Umständen gemacht
worden, die eine gegenteilige Sichtweise zulassen.
In dem
Bewusstsein der Grenzen bei der Anwendung (ich möchte hier auf
die Stellungnahme des Richters Zupancic verweisen) schließe ich
auf eine Verletzung des Artikels 8 der Konvention.
TEILWEISE ÜBEREINSTIMMENDE UND TEILWEISE ABWEICHENDE MEINUNG
DES RICHTERS ZUPANCIC
Ich teile die von
meinem Kollegen, dem Richter Cabral Barreto, vorgebrachten
Bedenken. Zwar bin ich der Meinung, dass die Unterscheidungen in
der deutschen Rechtsordnung zwischen den verschiedenen Ebenen
zulässiger Veröffentlichung allzu sehr der Begriffsjurisprudenz
zuzuordnen sind. Gleichwohl ist meines Erachtens das Kriterium
des Ausgleichs zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit
einerseits und dem Recht auf Schutz der Privatsphäre der
betroffenen Person andererseits in angemessener Weise
anzuwenden. Wer freiwillig die öffentliche Bühne betritt, kann
nicht behaupten, eine Privatperson mit einem Anrecht auf
Anonymität zu sein. Die Mitglieder der Königsfamilien,
Schauspieler, Akademiker, Politiker usw. erfüllen ihre Pflichten
in der Öffentlichkeit. Sie können die Öffentlichkeit zwar
scheuen, ihr Bild ist aber per definitionem in gewisser Weise
Allgemeingut.
Ich möchte mich
hier nicht so sehr auf das Informationsrecht der Allgemeinheit
konzentrieren - dieses Recht gilt zunächst und vor allen Dingen
bei der Frage der Pressefreiheit und der jeweiligen
Verfassungsdoktrin - , sondern vielmehr auf die einfache
Tatsache, dass es nicht möglich ist, das Privatleben und die
Ausübung öffentlicher Ämter durch einen eisernen Vorhang zu
trennen. Völlig incognito zu leben ist nur Robinson vergönnt;
was die gewöhnlichen Sterblichen anbelangt, so ruft jeder von
ihnen mehr oder weniger das Interesse des anderen hervor.
Der Schutz der
Privatsphäre hingegen ist das Recht, nicht belästigt zu werden.
Jeder kann erwarten, nicht belästigt zu werden, sofern
jedenfalls sein Privatleben sich nicht mit demjenigen eines
anderen überschneidet. Juristische Begriffe wie Verleumdung,
Beleidigung usw. bestätigen auf ihre Weise dieses Recht und die
Grenzen, die es anderen untersagen, es zu verletzen. Die Doktrin
des Persönlichkeitsrechts nach dem deutschen Privatrecht
verleiht dem Schutz der Privatsphäre einen größeren
konzentrischen Kreis. Überdies habe ich den Eindruck, dass die
Gerichte in gewisser Weise und unter amerikanischem Einfluss aus
der Pressefreiheit einen Fetisch gemacht haben. Die Doktrin des
Persönlichkeitsrechts verankert ein höheres zivilisiertes Niveau
in den zwischenmenschlichen Beziehungen.
Es ist an der
Zeit, dass das Pendel zu einem anderen Ausgleich zwischen
Privatem und Geschütztem sowie Öffentlichem und Nichtgeschütztem
zurückschwingt. Es stellt sich hier die Frage, wie ein solcher
Ausgleich sichergestellt und festgelegt werden kann. Ich
pflichte der Schlussfolgerung des Gerichtshof im vorliegenden
Fall bei. Ich meine jedoch, er hätte ein anderes Kriterium
anwenden können: nämlich das Kriterium aus seinem Urteil in der
Rechtssache Halford ./. Vereinigtes Königreich vom 25. Juni 1995
(Sammlung 1997-III), wo er sich die Frage stellte, ob die
betroffene Person ,,vernünftigerweise an den privaten Charakter
glauben konnte" [und zwar der fraglichen Anrufe].
Der Rahmen des
Strafverfahrens und die Nutzung von Beweismaterial, das unter
Verletzung des Schutzes von Elementen erlangt wurde, die in der
Rechtssache Halford mit Recht als privat gelten konnten, hindern
den Gerichtshof nicht daran, dasselbe Kriterium in Fällen wie
diesem zu benutzen. Die Frage nämlich, ob die Beschwerdeführerin
im vorliegenden Fall eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens
war oder nicht, stellt sich demnach nicht mehr; das
vorgeschlagene Kriterium, das darauf abzielt festzulegen, ob die
Person, die sich als Opfer einer Verletzung ihrer Privatsphäre
sieht und mit Recht an den privaten Charakter der strittigen
Situation glauben konnte, gestattet in jedem neuen Fall einen
nuancierten Ansatz. Vielleicht will Richter Cabral Barreto dies
zum Ausdruck bringen, wenn er von der sich allmählich
entwickelnden Rechtsprechung in Bezug auf die Gewichtung
zwischen dem Informationsrecht der Öffentlichkeit und dem
Privatsphärenschutz spricht.
Natürlich sollte
eine umständliche Argumentation vermieden werden. Der Umstand,
dass jemand ,,mit Recht" an den Privatcharakter einer Situation
glaubt, könnte sich auf die vorgenannte Gewichtung reduzieren.
Wenn aber geltend gemacht wird, dass jemand ,,mit Recht" glaubt,
bedeutet dies, sich auch auf den gesunden Menschenverstand zu
berufen, der uns sagt, dass jemand, der im Glashaus sitzt, nicht
mit Steinen werfen sollte. |